Feldversuch (eBook)

Mein Hof und die Suche nach der Zukunft der Landwirtschaft - Das Buch zur aktuellen Krise des Bauernstandes - Mit zahlreichen Fotos des Autors und preisgekrönten Fotografen

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-30548-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Feldversuch -  Daniel Etter
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Die Verwirklichung eines Traums und zugleich spannende Einblicke in die Wege der alternativen Landwirtschaft
Wie schafft man es, Landwirtschaft mit der Natur zu betreiben, nicht gegen sie? Böden lebendig zu halten, Hitze und Dürre zu trotzen, die Artenvielfalt zu schützen und dabei gut zu ernten? Der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Fotograf und Autor Daniel Etter hat in Nordspanien einen kleinen Hof erworben und sich damit einen Traum erfüllt. Es soll ein Rückzugs- und Energieort für den Reporter sein, der oft in Krisengebieten unterwegs ist. Mit seiner Partnerin und Helfern und Helferinnen pflanzt er Olivenba?ume und baut Obst und Gemu?se an - nach Methoden der nachhaltigen, regenerativen Landwirtschaft. Auf der Suche nach Vorbildern macht sich Etter auf die Reise zu Menschen, die andernorts mit Alternativen zur industriellen Landwirtschaft experimentieren. In England lässt er sich von einem Pionier die Idee des Waldgartens erklären, er besucht Bäuerinnen und Bauern in Deutschland und Österreich, Schäfer in Frankreich und Viehzüchter im Schwarzwald. Wie ein roter Faden zieht sich daneben die Beschreibung eines Jahreslaufs auf seinem Hof durch das Buch: Pflanz- und Pflegearbeiten, der Kampf mit Klimaerwärmung und Wetterschwankungen, Enttäuschungen und freudige Momente, das Nachdenken über den Weg zu einer besseren Zukunft. Das schön ausgestattete Buch enthält zahlreiche Fotos von Daniel Etter.

Daniel Etter ist Fotograf, Autor und Filmemacher. Er hat unter anderem den Pulitzer-Preis, einen World Press Photo Award und den Hansel-Mieth-Preis gewonnen. Die meiste Zeit seiner beruflichen Laufbahn hat er in Krisenregionen wie Afghanistan, dem Irak oder Syrien verbracht. Er lebt auf einem Bauernhof in Spanien, beschäftigt sich dort mit regenerativer Landwirtschaft und hofft, dass seine Olivenplantage in den nächsten Jahren endlich Öl abwirft. Das mit seinen Fotos bebilderte Buch von Marco Maurer, »Meine italienische Reise«, stand wochenlang auf der Bestsellerliste.

Über 28 Jahre ist dieser Waldgarten gewachsen, und mit jedem Jahr wurde deutlicher, warum dieses Projekt so wichtig ist. »Für mich ist die oberste Priorität eines regenerativen oder nachhaltigen Anbausystems, so viel Kohlenstoff zu speichern wie möglich«, sagt er. »Wenn du von dieser Idee ausgehst, kommst du unweigerlich zu einem System mit vielen Bäumen. Waldgärten sind da besser als jedes andere Anbausystem.« Tatsächlich haben sich Wissenschaftler der Universität Kopenhagen angeschaut, wie viel Kohlenstoff in Crawfords Bäumen gespeichert ist: rund 40 Tonnen pro Hektar. Da Kohlenstoffdioxid 3,67-mal so schwer ist wie ein einzelnes C-Atom, bedeutet das knapp 147 Tonnen Kohlenstoffdioxid, die nicht in der Atmosphäre sind. Aber es ist ein Anbausystem, bei dem man Abstriche bei der Produktivität machen muss. Für Crawford ist das unerheblich. Für ihn ist dieser Waldgarten eine gepflanzte Kritik an unserem destruktiven Wirtschaftssystem.

»Das Ding ist, sobald du irgendein Anbausystem kommerziell funktionieren lassen willst, musst du das innerhalb des gegenwärtigen Systems machen.« Das sind auch Gedanken, die mich umtreiben. Das Wirtschaftswachstum seit den Nachkriegsjahren hat vielen Menschen – vor allem in Europa und den USA – unvergleichlichen Wohlstand gebracht. Der konsumgetriebene Kapitalismus ist das mächtigste Wirtschaftssystem, das diese Welt je gesehen hat. Er macht Luxusgüter zu Alltagsgegenständen, vernetzt das abgelegenste Dorf mit dem Rest der Welt und hat uns eine Nahrungsmittelvielfalt im Supermarkt um die Ecke beschert, die für die Generation unserer Großeltern undenkbar war. Und wenn sich diesem Kapitalismus und seinem beständigen Drang nach Wachstum etwas in den Weg stellt, entfaltet er unglaubliche, oft destruktive Kräfte. Die größten Wälder werden gerodet, die Weltmeere verwandeln sich in eine Müllhalde, riesige Sumpflandschaften werden trockengelegt, und die Klimakrise bedroht nicht weniger als die Existenz der Zivilisation. »Prekarität schien einst das Schicksal der weniger Glücklichen zu sein. Jetzt scheint es, all unsere Leben seien prekär – auch wenn, für diesen Moment, all unsere Taschen gefüllt sind«, schreibt die Anthropologin Anna Lowenhaupt Tsing in ihrem Buch Der Pilz am Ende der Welt. Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus. Biogemüse anzubauen, reicht nicht, um diese Gefahr zu bannen.

»Meiner Meinung nach ist das gegenwärtige Wirtschaftssystem komplett nicht nachhaltig. Und es führt uns an den Rand einer Klippe. Davon will ich nicht Teil sein«, sagt Crawford. »Wenn wir als Zivilisation überleben wollen, muss sich das ändern. Wenn das nicht passiert, macht es keinen Unterschied, was du machst.« Crawford lacht über den Fatalismus seiner Worte.

Direkt neben seinem Waldgarten liegen die Gebäude des Schumacher Colleges, an dem ökologisch zentriertes Wirtschaften gelehrt wird. Es gibt Kurse für Marktgärtnerei, und inzwischen gehört auch ein eigener Waldgarten dazu. Studierende helfen Crawford an einem Morgen in der Woche in seinem Waldgarten aus, ernten manchmal mit. »Für junge Leute ist es so schwer. Bei den derzeitigen Umweltbedingungen und angesichts der vielen dramatischen klimatischen Entwicklungen in der Zukunft ist das eine große Herausforderung für sie.« Zudem wird Land für den Anbau immer knapper und immer teurer. »Ich denke, der Druck, etwas zu ändern, wird von ihnen kommen.« Oder von klimaaktivistischen Gruppen wie Extinction Rebellion, die durch Straßenblockaden in Großbritannien notorische Bekanntheit erlangt hat. Diese jungen Menschen machen ihm Hoffnung.

Crawford ist ein stiller, unaufgeregter Mann. Niemand, der auf Barrikaden klettert und die Massen anheizt. Sein Widerstand sind Pflanzen. »Ich bin innerlich zerrissen«, sagt er. »Ich sehe, dass das System nicht funktioniert, aber ich muss irgendwie für meinen Unterhalt sorgen.« Deshalb hat er Bücher geschrieben und auf einem anderen Areal eine Baumschule und Gärtnerei mit ess- und nutzbaren Pflanzen aufgebaut. Dort hat er auch ein Gewächshaus stehen, in dem er Pflanzen für eine heiße Zukunft testet. In dem 20 mal 20 Meter großen und etwa zehn Meter hohen, futuristisch wirkenden Glaskasten wachsen Bananen, Debregeasia orientalis, ein Strauch, der etwa im nordöstlichen Indien heimisch ist und dessen Früchte man essen kann, oder Mashua, die Knollige Kapuzinerkresse, die in den Anden konsumiert wird. Noch kann er die Pflanzen hier nicht ganzjährig unter freiem Himmel anbauen, aber lange wird es nicht dauern, bis dies auch hier, im Südwesten Englands, möglich ist.

Es ist ein Spagat: Auf der einen Seite verdient Crawford so in diesem System Geld, auf der anderen Seite hilft er anderen Menschen, sich ein wenig aus diesem System zu lösen. Pflanzen und Bäume zu verkaufen, sein Wissen weiterzugeben, ist seine revolutionäre Praxis. In den vergangenen Jahren sei die Nachfrage nach Pflanzen schier explodiert. Vor allem seit Beginn der Pandemie. »Alles, was wir tun können, ist, etwas Gutes mit Leidenschaft zu tun und zu hoffen, dass sich die Wellen davon verbreiten«, sagt Crawford. Wenn das alles nicht funktioniert, bleibt ihm eines: »Ich mag es, Pflanzen aufzuziehen«, erklärt er mir ungefragt, als wir durch seine Baumschule schlendern. Es klingt, als sei es die wichtigste Erkenntnis seines Lebens. Er will das bis zum Ende machen. »Eines Tages werden sie mich tot in den Feldern finden.«

Dieses Buch ist im Laufe meiner Reise zu Landwirten und Landwirtinnen in ganz Europa zu einem anderen geworden, als ich es ursprünglich im Sinn hatte, weil dieses Jahr anders war, als ich es mir zu Beginn der Recherche vorgestellt hatte. Auf Sota la Quinta, meinem Bauernhaus im Norden Spaniens, begann es mit einem ungewöhnlich trockenen Winter. Gefolgt wurde dieser von einem Frühjahr, in dem es über Wochen nicht aufhörte zu regnen. Dann kamen späte Fröste im April, die unsere Pfirsichernte dezimierten. Im Mai ist der Garten so grün wie selten zuvor. Doch das Wachstum wird jäh enden. Denn 2022 wird ein Jahr außergewöhnlicher Hitze. Weltweit fallen Temperaturrekorde. Während unser Garten in den Jahren zuvor bis in den Juli hinein saftig grün war, werden die Wiesen in diesem Jahr schon Anfang Juni gelb vertrocknet sein. Unsere Tomaten verkochen am Strauch, der Bach unten im Tal versiegt teilweise und wird sich über Monate nicht regenerieren.

Was jetzt noch Extreme sind, wird bald Normalität sein. Es ist eine Entwicklung, die mir große Sorgen bereitet. Gleichzeitig sehe ich aber, dass dieses Projekt, die Suche nach klimaresilienter und klimafreundlicher Landwirtschaft, dringlicher ist denn je.

Aus der Frage, wie Landwirtschaft nachhaltiger werden kann, wurde die Frage, wie sie in einer heißeren Zukunft überhaupt noch funktionieren kann. Sicher, es gibt Experimente mit Laborfleisch, es gibt riesige künstlich beleuchtete und bewässerte Farmen in den Niederlanden. Aber damit acht Milliarden Menschen ernähren? Das scheint mir utopisch. Die Energie, die Ressourcen, die dafür aufgewandt werden müssten, übersteigen die Kapazitäten dieser Erde. Schon jetzt verbrauchen wir 1,7-mal mehr, als sich regenerieren kann. Landwirtschaft unter offenem Himmel wird auf absehbare Zeit die Norm bleiben. Und diese zu betreiben, wird immer schwieriger werden.

Um das zu verstehen, lohnt ein Blick ins kalifornische Central Valley. In der fruchtbaren Region produzieren 35 000 Farmen auf zweieinhalb Millionen Hektar rund ein Viertel der in den USA konsumierten Nahrungsmittel. Mandeln, Orangen, Weintrauben, Milch, Fleisch und Getreide: 400 Kulturpflanzen werden dort angebaut. Aber die Frage ist, wie lange wird das noch in der derzeitigen Form funktionieren? Seit zwei Jahrzehnten trocknet die Gegend aus. Megadürre nennt sich das. Wobei ich mir die Frage stelle, ob Dürre hier überhaupt noch der richtige Begriff ist. Dürre impliziert ja, dass irgendwann wieder regenreiche Jahre kommen. Aber eine Dürre, die sich über zwei Jahrzehnte erstreckt? Selbst biblische Dürren endeten nach drei Jahren. Was in Kalifornien passiert, sieht nach einer fundamentalen Verschiebung von Wettermustern aus.

Und die Auswirkungen auf die Landwirtschaft sind dramatisch. Aufgrund der Dürre 2021 konnten 155 000 Hektar Ackerland nicht mehr bepflanzt werden. Der finanzielle Schaden betrug 1,5 Milliarden Euro, und 14 000 Menschen verloren ihre Jobs. Amerikanische Konsumenten haben davon jedoch kaum etwas mitbekommen. Globalisierte Versorgungsketten sorgen dafür, dass Ernteeinbrüche in einem Land mit Importen aus einem anderen Land kompensiert werden können. Doch auch das hat Grenzen.

Eine Studie aus dem Jahr 2019 kommt zu dem Ergebnis, dass die Anbaufläche aufgrund schwindenden Wassers allein im südlichen Teil des Central Valleys bis 2040 um gut 200 000 Hektar zurückgehen wird. Eine andere Studie aus dem folgenden Jahr projiziert, dass es bis 2060 in weiten Teilen des Central Valleys nicht mehr kalt genug für Pfirsiche werden wird. Aber es bleibt dort nicht bei Dürren, denn im Winter 2022 beginnen verheerende Regenstürme in Kalifornien. Was als Segen für das ausgetrocknete Land erscheint, ist ein ebenso großes Problem. Der Regen übersättigt den Boden, überfordert Rückhaltebecken und überflutet weite Teile des Central Valleys, weil Böden versiegelt sind, Flüsse nicht genug Platz haben, in die Breite zu gehen, und dem Wasser so keine Zeit gegeben wird, in die Tiefe zu dringen. Anstatt Grundwasser zu speichern, erodiert fruchtbarer...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2024
Zusatzinfo mit farbigen Abbildungen
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
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ISBN-10 3-641-30548-9 / 3641305489
ISBN-13 978-3-641-30548-2 / 9783641305482
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