Das gespaltene Haus -  Manfred Berg

Das gespaltene Haus (eBook)

Eine Geschichte der Vereinigten Staaten von 1950 bis heute

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
544 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12325-8 (ISBN)
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Wie die amerikanische Demokratie zum Krisenfall wurde Manfred Berg, einer der besten Kenner der USA, erzählt die lange Geschichte einer fortschreitenden Spaltung, die das Land an den Rand eines neuen Bürgerkriegs geführt hat. Sein glänzend geschriebenes Buch bietet eine umfassende Darstellung und Analyse der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Konflikte, die Donald Trumps Aufstieg ermöglicht haben, aber nicht verschwinden werden, wenn er von der politischen Bühne abtritt. In den 1950er Jahren galten die USA als Vorbild einer stabilen Demokratie, in der ein breiter Konsens über die gesellschaftliche und politische Ordnung herrschte. In den 1960er Jahren jedoch zerbrach dieser Konsens in den Auseinandersetzungen über den Vietnamkrieg, den Rassenkonflikt und die Kulturrevolution der Radical Sixties. In den folgenden Jahrzehnten veränderten Globalisierung, Einwanderung, Wertewandel und Medienrevolution die amerikanische Gesellschaft dramatisch, führten aber gleichzeitig zu unerbittlichen Kulturkämpfen und einem lange unterschätzten Polarisierungs- und Radikalisierungsschub, der insbesondere das konservative Milieu erfasste. Heute stehen sich rote und blaue Staaten, Republikaner und Demokraten, Konservative und Liberale als unversöhnliche Feinde gegenüber. Die amerikanische Demokratie ist zum Krisenfall geworden. Wer die Krise der amerikanischen Demokratie und ihre jüngere Geschichte verstehen will, dem bietet dies Buch umfassende historische Orientierung.

Manfred Berg, geboren 1959, ist seit 2005 Professor für Amerikanische Geschichte an der Universität Heidelberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, die Rassenbeziehungen in den USA, Lynchjustiz und Mobgewalt sowie die Geschichte der US-Außenpolitik und die Politikgeschichte der USA. Er ist Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und schreibt regelmäßig für die ZEIT.

Manfred Berg, geboren 1959, ist seit 2005 Professor für Amerikanische Geschichte an der Universität Heidelberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung, die Rassenbeziehungen in den USA, Lynchjustiz und Mobgewalt sowie die Geschichte der US-Außenpolitik und die Politikgeschichte der USA. Er ist Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und schreibt regelmäßig für die ZEIT.

Einleitung
A House Divided


Im Juni 1858 hielt Abraham Lincoln, der damals für einen der beiden Sitze des Staates Illinois im US-Senat kandidierte, eine berühmt gewordene Rede, in der er, das Markus-Evangelium zitierend, prophezeite: »A house divided against itself, cannot stand« (Markus 3:25: »Und wenn ein Haus mit sich selbst uneins wird, kann es nicht bestehen«). Die USA, so Lincoln, würden nicht dauerhaft als eine Nation bestehen können, die sich zu einer Hälfte aus sklavenhaltenden und zur anderen Hälfte aus sklavenfreien Bundesstaaten zusammensetzt. Entweder werde das ganze Land frei werden oder die Sklaverei werde sich überall ausbreiten.[1] Die Entscheidung ließ nicht lange auf sich warten. Lincolns Wahl zum Präsidenten der USA im November 1860 nahm der sklavenhaltende Süden zum Anlass, sich von der Union loszusagen. Auf die Sezession folgte ein blutiger Bürgerkrieg, der zwar die nationale Einheit wiederherstellte und zum Ende der Sklaverei führte, jedoch über 700 000 Menschenleben forderte und bis in die Gegenwart ein nationales Trauma geblieben ist.

Mehr als 160 Jahre später stellen sich immer mehr Amerikaner die bange Frage, ob ihr Land vielleicht vor einem neuen Bürgerkrieg stehen könnte. So erschreckend dieses Szenario erscheinen mag, allein der Umstand, dass ernsthaft über die Analogien zwischen der Vorgeschichte des Bürgerkrieges und den Konflikten der Gegenwart diskutiert wird, ist ein Symptom dafür, wie weit die Polarisierung in den USA fortgeschritten ist.[2] Republikaner und Demokraten, die einstmals als austauschbare Patronageklüngel galten, sind zu verfeindeten »Stämmen« geworden, die tiefe ideologische und kulturelle Gräben voneinander trennen. Die USA, so scheint es, drohen in »blaue« (demokratische) und »rote« (republikanische) Staaten zu zerfallen. Und spätestens seit dem Putschversuch vom 6. Januar 2021, mit dem sich der abgewählte Präsident Donald Trump an der Macht zu halten versuchte, ist die Gefährdung der amerikanischen Demokratie in eine akute Phase getreten.

Wie konnte es dazu kommen, dass die USA, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Modell einer konsensorientierten Staatsbürgerkultur galten, zum Krisenfall der Demokratie geworden sind? Diese Frage steht im Zentrum des vorliegenden Buches. Es erzählt die »lange« Geschichte der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Konflikte, die Amerika in der Gegenwart entzweien, deren Wurzeln jedoch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurückreichen. Die langfristige Perspektive soll Kontinuitäten, Zäsuren und Möglichkeitshorizonte sichtbar machen, doch zugleich will sich der Verfasser der Herausforderung stellen, die amerikanische Zeitgeschichte bis in die unmittelbare Gegenwart fortzuschreiben. Der erste Teil des Buches behandelt die 1960er- und 1970er-Jahre, als der sogenannte »liberale Konsens« in den Auseinandersetzungen über den Vietnamkrieg, den Rassenkonflikt und die Kulturrevolution der Radical Sixties zerbrach. Die Krisenjahre der »Vietnam-Watergate«-Ära liegen inzwischen zwar über ein halbes Jahrhundert zurück, sie sind aber keineswegs ein abgeschlossenes Kapitel der US-Geschichte, sondern eine Zeit entscheidender Weichenstellungen, deren Kenntnis für das Verständnis der heutigen politischen und gesellschaftlichen Polarisierung unverzichtbar ist. Dies gilt gleichermaßen für den Kulturkampf zwischen den liberal-säkularen und den konservativ-religiösen Milieus wie für die Neuausrichtung der Parteien und die demografische Transformation der USA.

Doch war die Polarisierung kein linear fortschreitender Prozess. Vielmehr lässt sich mit guten Gründen behaupten, dass die Amerikaner die 1980er- und 1990er-Jahre im Vergleich zu den beiden vorausgegangenen Dekaden überwiegend als eine Periode der politischen Stabilität und wirtschaftlichen Prosperität erlebten und sich das Krisenbewusstsein erst nach der Wende zum 21. Jahrhundert voll entfaltete. Um die Triebkräfte der Polarisierung schärfer zu konturieren, nimmt die Darstellung im zweiten Teil eine systematische Perspektive ein. Die sechs Kapitel dieses Teils decken nicht sämtliche Konfliktfelder der amerikanischen Politik ab, sondern behandeln die Themenkomplexe, denen die historische und politikwissenschaftliche Forschung die größte Bedeutung für die gesellschaftliche Spaltung zumisst.

Der dritte Teil nimmt den Weg in die Polarisierung von der Ära Reagan bis in die Gegenwart in den Blick. Im späten 20. Jahrhundert deutete zunächst vieles auf einen neuen, konservativen Konsens hin, doch tatsächlich dominierte der neoliberale Glaube an den freien Markt und an die Selbstverwirklichung des Individuums. Von der vielbeschworenen Rückkehr zu konservativen Werten war wenig zu spüren.[3] Das Hochgefühl über den Triumph im Kalten Krieg währte nur kurz, denn nach dem Ende des Systemkonflikts mit dem Ostblock erodierte das Fundament, auf dem die außen- und innenpolitische Konsensbildung jahrzehntelang beruht hatte. Auch die Terroranschläge vom 11. September 2001 einten die Nation allenfalls kurzfristig, heizten aber die Radikalisierung eines »verletzten und rachedurstigen Nationalismus« an, wie es der britische Politikwissenschaftler Anatol Lieven polemisch formulierte.[4] Zudem schlugen spätestens seit der Jahrhundertwende die zentrifugalen Kräfte der Globalisierung durch und schufen den Resonanzboden für die populistische Revolte, die Donald Trump ins Weiße Haus trug.

Das gespaltene Haus ist keine Gesamtdarstellung der amerikanischen Geschichte der zurückliegenden sieben Jahrzehnte, sondern richtet den Fokus auf die Ereigniskomplexe und Entwicklungen, die nach Einschätzung des Verfassers die Polarisierung von Politik und Gesellschaft am stärksten befeuert haben. So findet zum Beispiel die Außenpolitik nur insofern Berücksichtigung, als sie, wie bei den Entscheidungen für die Amerikanisierung des Vietnamkrieges und die Invasion des Irak 2003, unmittelbare Rückwirkungen auf die innenpolitische Stabilität hatte. Natürlich haben Kontroversen über den außenpolitischen Kurs in den USA eine lange Tradition. Aber zur innen- und parteipolitischen Mobilisierung hat die Außenpolitik nur ausnahmsweise und vor allem im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen getaugt. Während des Kalten Krieges herrschte ein überparteilicher Elitenkonsens über die Weltmachtrolle der USA und die Eindämmung des Kommunismus, der auch durch den Vietnamkrieg nicht grundsätzlich erschüttert wurde. Wenn Politikwissenschaftler heute eine wachsende Polarisierung in den außenpolitischen Orientierungen der beiden großen Parteien feststellen, spiegelt dies in erster Linie die innenpolitische Konfrontation. Dass der rechte Flügel der Republikanischen Partei, die einst Moskau zum »Reich des Bösen« erklärte, inzwischen unverhohlene Sympathien für Wladimir Putin zeigt, habe, so ein Kommentator, wenig mit außenpolitischer Analyse oder russischer Propaganda zu tun, sondern liege schlicht am »Hass auf den politischen Gegner«.[5] Ob eine außenpolitische Bedrohung der USA, etwa durch eine militärische Konfrontation mit der Volksrepublik China, einen neuen Konsens herstellen könnte, ist eine Frage, deren Beantwortung sich niemand wünschen kann.

Dass sich die chronologische Ordnung dieses Buches stark an den Präsidentschaften orientiert, ist kein Bekenntnis zu einer »altmodischen« Politikgeschichte »großer Männer«, sondern der überragenden Bedeutung geschuldet, die diese Institution im 20. Jahrhundert gewonnen hat. Mit dem Präsidentenamt verbinden sich hohe und oft unrealistische Erwartungen ebenso wie die ständige Versuchung des Machtmissbrauchs. Der Präsident ist der einzige politische Amtsträger der USA, der in einer, wenngleich indirekten, nationalen Wahl bestimmt wird. Als Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte verfügt er über enorme Macht und soll zugleich die Einheit der Nation repräsentieren. Alle neugewählten Amtsinhaber versprechen feierlich, Präsident aller Amerikanerinnen und Amerikaner sein zu wollen. Dass die Präsidenten der USA in einem Buch über die Polarisierung der amerikanischen Politik eine zentrale Rolle spielen, liegt mithin in der Natur der Sache.[6]

Politikgeschichtsschreibung verbindet die historische Erzählung, in deren Zentrum handelnde Personen stehen, mit der Analyse der materiellen, institutionellen und kulturellen Strukturen und Rahmenbedingungen von Politik. In die vorliegende Darstellung fließen daher zahlreiche Forschungsergebnisse und Interpretationsansätze der Politik- und Sozialwissenschaften ein, aber als Historiker will ich in erster Linie der Frage nachgehen, wie und warum die amerikanische Demokratie in ihre schwerste Krise seit dem Bürgerkrieg geraten ist.[7] Da die Polarisierung kein spezifisch amerikanisches Problem ist, werden vergleichende Perspektiven gelegentlich angedeutet, doch welche Einsichten sich aus der amerikanischen Geschichte für andere westliche Gesellschaften ergeben, überlasse ich dem Urteil der Leser. Dies ist auch kein weiteres Buch über die allgemeine Krise der liberalen Demokratie und die zu ihrer Rettung erforderlichen Remeduren.[8] Als deutscher Historiker, der für ein deutsches Lesepublikum schreibt, sehe ich von...

Erscheint lt. Verlag 15.6.2024
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Al Gore • Atomwaffen • barack obama • Bill Clinton • Buch • Demokraten • Donald J. Trump • George Bush Sen. • George W. Bush • Gerald Ford • Golfkrieg • Henry Kissinger • Hillary Clinton • Jimmy Carter • Joe Biden • John F. Kennedy • John McCain • Kalter Krieg und die Supermächte USA und UdSSR • Mondlandung • neue Bücher 2024 • Neues Sachbuch 2024 • Republikaner • Richard Nixon • Robert Kennedy • Ronald Reagan • USA nach 1945 • Watergate
ISBN-10 3-608-12325-3 / 3608123253
ISBN-13 978-3-608-12325-8 / 9783608123258
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