Fans -  Ilija Trojanow,  Klaus Zeyringer

Fans (eBook)

Von den Höhen und Tiefen sportlicher Leidenschaft
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
272 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491345-2 (ISBN)
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Bestseller-Autor Ilija Trojanow und Klaus Zeyringer zeigen den Sport aus einer anderen Perspektive: aus der Perspektive von uns Fans! Denn wie der Sport erlebt wird, welche Höhepunkte, Emotionen, Rituale und Gemeinschaften er stiftet, das macht seine große Faszination aus. In Reportagen live vor Ort berichten sie von großen Wettkämpfen u.a. aus der Welt des Fußballs, des Tennis, des Biathlon und Handballs, des Schwingens und Darts, des Cricket und des Radfahrens. Sie erzählen von Bierduschen und Fangesängen, von Feuerwerk und Fanblocks - und von Stadien ohne Zuschauer, ohne Fans. Ergänzend zu den Reportagen denken sie über das Wesen des Fantums nach, über Emotionen, Nationalismus und Männlichkeit, über Fachsimpelei, Geld und VIP-Zonen, über Mythen, Inszenierung und Ersatzreligionen. Ihr Buch ist sowohl Feier wie Analyse der großen Leidenschaft, die wir Menschen dem Sport entgegenbringen: mitreißend erzählt, ungewöhnlich und voller Momente mitfühlender Erkenntnis.

Ilija Trojanow, geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielt. 1972 zog die Familie weiter nach Kenia. Unterbrochen von einem vierjährigen Deutschlandaufenthalt lebte Ilija Trojanow bis 1984 in Nairobi. Danach folgte ein Aufenthalt in Paris. Von 1984 bis 1989 studierte Trojanow Rechtswissenschaften und Ethnologie in München. Dort gründete er den Kyrill & Method Verlag und den Marino Verlag. 1998 zog Trojanow nach Mumbai, 2003 nach Kapstadt, heute lebt er, wenn er nicht reist, in Wien. Seine bekannten Romane wie z.B. ?Der Weltensammler? und ?Macht und Widerstand? sowie seine Reisereportagen wie ?An den inneren Ufern Indiens? sind gefeierte Bestseller und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei S. Fischer der literarisch-politische Essay ?Nach der Flucht? und die Romane ?Doppelte Spur? und ?Tausend und ein Morgen?.

Ilija Trojanow, geboren 1965 in Sofia, floh mit seiner Familie 1971 über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielt. 1972 zog die Familie weiter nach Kenia. Unterbrochen von einem vierjährigen Deutschlandaufenthalt lebte Ilija Trojanow bis 1984 in Nairobi. Danach folgte ein Aufenthalt in Paris. Von 1984 bis 1989 studierte Trojanow Rechtswissenschaften und Ethnologie in München. Dort gründete er den Kyrill & Method Verlag und den Marino Verlag. 1998 zog Trojanow nach Mumbai, 2003 nach Kapstadt, heute lebt er, wenn er nicht reist, in Wien. Seine bekannten Romane wie z.B. ›Der Weltensammler‹ und ›Macht und Widerstand‹ sowie seine Reisereportagen wie ›An den inneren Ufern Indiens‹ sind gefeierte Bestseller und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei S. Fischer der literarisch-politische Essay ›Nach der Flucht‹ und die Romane ›Doppelte Spur‹ und ›Tausend und ein Morgen‹. Klaus Zeyringer, geboren 1953 in Graz, habilitierte sich dort 1993 und war Professor für Germanistik in Frankreich. Er ist als Literaturkritiker u.a. für den »Standard« tätig sowie Jurymitglied der ORF-Bestenliste und moderiert Literatur-Veranstaltungen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Im S. Fischer Verlag ist »Fußball. Eine Kulturgeschichte« (2014) erschienen sowie das zweibändige Werk »Olympische Spiele. Eine Kulturgeschichte. Band 1: Sommer« (2016) und »Olympische Spiele. Eine Kulturgeschichte. Band 2: Winter« (2018). Klaus Zeyringer »ist ein begnadeter Erzähler, seine historischen Sachbücher sind eher Romane«. NZZ am Sonntag »Wie nur wenige WissenschaftlerInnen versteht es Klaus Zeyringer, seine LeserInnenschaft literarisch zu fesseln.« Die Wochenzeitung

1. Anspiel


Ilija, 1973–1977, Nairobi


Im Herbst Cricket, im Frühjahr Hockey, im Sommer Rugby.

Am Vormittag Unterricht, am Nachmittag Sport.

Das ganze Jahr über Tennis.

Am Sonntag Wettkampf.

In den Ferien Turniere.

Aber es war kein wirklicher Herbst und kein wirkliches Frühjahr und auch nicht Sommer. Wie die Sportarten waren auch die Jahreszeiten importiert, aus dem englischen Mutterland, im kolonialen Jahr 1929 oder 1931.

Es gab kalte Morgen und warme Vormittage und heiße Nachmittage, es gab eine lange Trockenzeit, es gab eine kurze Regenzeit, es gab Tage, an denen der Platz, ob für Cricket, Hockey oder Rugby, zu matschig war oder überflutet. Dann liefen wir querfeldein durch den Busch, sprangen in den eisigen (so kam es mir damals vor) Swimmingpool, mussten Länge um Länge schwimmen, einen ganzen Kilometer, so lautete die unbeugsame Vorgabe. Danach liefen wir bibbernd zur Dusche. Eklige Meter der unvermeidbaren Selbstüberwindung. An solchen Abenden war der graue Pullover selbst am Äquator dringend notwendig. Grau war die dominante Farbe unserer Schuluniform, Purpur die Schmuckfarbe. Aus der Ferne sahen wir alle gleich aus. Die Uniformen für die Sportarten hingegen unterschieden sich: Tennis in reinstem Weiß, Rugby in einer hellen Farbe, die sich der rötlich braunen Erde anpasste, Hockey in Türkis. Sport war bunt.

Im Korridor nach dem Eingang zum Hauptgebäude hingen vier Listen. Die houses des Internats: Oryx, Bongo, Kudu und Eland. Vier seltene Antilopenarten (es gibt wenige Menschen, die alle vier in freier Wildbahn gesehen haben). Der Oryx ist ohne Zweifel das schönste Tier auf Erden – ich war Mitglied des Oryx-Hauses. Jeder Schüler war einem der Häuser zugeteilt – nach welchem Prinzip, entzieht sich meiner Kenntnis, aber wenn es Prinzip Zufall gewesen sein sollte, so war bemerkenswert, wie schnell wir diesen Zufall umarmten. Ohne dass es einer besonderen Erklärung bedurft hätte, war jedem Neuen klar, dass er alles für sein Haus zu geben hatte, damit dieses besser abschnitte als die anderen Häuser. Innerhalb weniger Wochen nach meiner Ankunft als verängstigter und desorientierter Neuling war ich ein feurig flammender Oryx-Patriot. Für jede gute schulische oder sportliche Leistung erhielten wir (spätestens jetzt sollte ich anmerken, dass Kenton College ein reines Jungeninternat war) einen, zwei oder drei Sterne, die in die Listen eingetragen wurden, für alle sichtbar, damit jeder wusste, welches Haus in Führung lag, aber auch welchen Anteil welcher Schüler zu diesem Erfolg beitrug. Am Ende des Schuljahres wurde abgerechnet, und es gehört zu den großen Erfolgen meines Lebens, dass ich 1976 zusammen mit vierzig oder fünfzig anderen Mitschülern für das Haus Oryx den Sieg errang. Selbst für das häufige Ausleihen von Büchern aus der Schulbibliothek gab es einmal im Monat Sterne. Ich war auf drei Sterne abonniert. Zusammen mit Nganga, einem Jungen aus Sambia, dessen Vornamen ich leider vergessen habe, wie auch die der meisten anderen Schüler.

Gelegentlich verließen wir unser weiträumiges Internatsareal und fuhren zu einem Kräftemessen in eine andere Schule. Sie hieß Pembroke oder Banda oder Hillcrest. Wir spielten mit entschiedener Verbissenheit, unser Stolz nun anders definiert, nicht mehr einem der Häuser verpflichtet, sondern gänzlich unserer Schule. Wir vertraten Kenton College und keiner konnte es mit den Jungs von Kenton aufnehmen. Selbst wenn wir verloren, was selten geschah, waren wir besser. Noch Jahre später habe ich Streitgespräche mit Absolventen anderer Schulen geführt, die dreist behaupteten, Banda School habe Kenton stets den Hintern versohlt.

Am nächsten Tag wurde im Rahmen der morgendlichen Zusammenkunft, dem assembly, nach Kirchenlied und Bibelstelle ein Spielbericht vorgetragen, eine kurze, den Fakten verpflichtete Chronik unseres »Drei-Tore-Siegs« in Banda, unserer knappen Niederlage (a two wicket loss) in Hillcrest.

Manchmal wurde am Wochenende ein Turnier veranstaltet, Schulmannschaften aus aller Welt, so kam es mir vor, lungerten auf unserem Gelände herum, wir stolzierten an den Gästen vorbei, das hier ist unser Heim, unser Spielfeld. Es war kühl im Schatten und lecker am Buffet, wo ausnahmsweise Shortbread angeboten wurde, zusammen mit dem obligaten Tee. Wir missbrauchten unsere Sporttrikots, um möglichst viel Shortbread zu raffen, zu verstecken, beiseitezuschaffen, eine Delikatesse sondergleichen in Zeiten des täglichen Porridge (damit es keine kulinarischen Missverständnisse gibt: Haferflocken mit Wasser zu einer glibberigen Masse verkocht, die wir allmorgendlich aufessen mussten, eine paramilitärische Prüfung, die unter anderem den Erfolg des britischen Empire ermöglichte, weil Generationen von Kolonialisten auf diese Weise früh gestählt wurden).

Sport war so wichtig wie der Unterricht, aber er wurde dramatischer inszeniert, intensiver gefeiert. Auf dem Feld spielte die Herkunft eine noch geringere Rolle als im Klassenzimmer. Wir stammten aus zwei Dutzend Nationen, wir waren Afrikaner, Asiaten, Europäer, die Mehrheit Kenianer, darunter Kikuyu und Kalenjin und Kamba, wir waren Gujaratis und Sikhs, wir stammten aus England (die Kenya Cowboys) oder aus Europa, und einer sogar aus Griechenland. Dass die anderen Schüler aus so vielen verschiedenen Ländern kamen, war keinem von uns bewusst, bis Headmaster Stagg eines Tages einen Jungen mit libanesischen Eltern und mich aus dem Klassenzimmer abholte, für ein gestelltes Gruppenbild, das die kulturelle Vielfalt von Kenton College stolz demonstrieren sollte. Lange bewahrte ich einen Abzug dieses Fotos auf, bevor er einem Umzug zum Opfer gefallen ist, und betrachtete es gelegentlich: Wir sahen keineswegs so unterschiedlich aus, wie die Bildunterschrift behauptete: »Schüler aus 23 Ländern«.

Ich habe versucht, mich zu erinnern, ob es in den vier Jahren, die ich dort verbrachte, einen einzigen Vorfall gab, bei dem die Herkunft eines Schülers von Bedeutung war, in eine Konfrontation, Beleidigung oder Beschimpfung resultierte. Wir rauften und wurden dafür hart bestraft (Schläge auf das Hinterteil mit einem Bambusstock), stets unabhängig von Hautfarbe oder Glauben. Kein einziges Mal.

Aufgrund der Vielzahl und Vielfalt der angebotenen Sportarten hatte jeder Schüler die Chance, seine verborgenen Talente zu entdecken. Nur sehr wenige waren in allen Disziplinen gut, aber es gab kaum jemanden, der nicht in einer Sportart zumindest bescheidene Fähigkeiten an den Nachmittag gelegt hätte.

Ich war im Cricket ein Versager, weil ich das äußere Spielfeld als einladende Fläche zum Tagträumen missverstand, weil der Ball nur jede halbe Stunde in meine Richtung flog. Aber wenn dies geschah, wurde zu meiner Verwunderung von mir erwartet, hellwach auf dem Posten zu sein und mit einem Sprung den Ball zu stoppen oder gar zu fangen. Erst die Schreie der Mitspieler alarmierten mich, stets zu spät – mir blieb nichts anderes übrig, als dem roten Ball hinterherzuschauen, wie er zur Begrenzung des ovalen Spielfeldes rollte (was der gegnerischen Mannschaft satte vier runs einbrachte).

Beim Feldhockey war ich eine Niete, frei von der nötigen Geschicklichkeit, mit dem krummen, widerborstigen Schläger umzugehen. Aber aufgrund meines Mutes erwies ich mich als brauchbarer Torhüter (wie beim Eishockey wird dieser aus allen Winkeln beschossen und wer Angst vor dem Ball hat, ist für diese Position ungeeignet). Als Torwart der Schulmannschaft rettete ich einmal unsere knappe Führung, als ich mich vor zwei auf mich zustürzende Stürmer warf. Für die Dauer einer Dusche war ich ein Held.

Beim Rugby war ich wegen meiner schweren Brille derart benachteiligt, dass mir die Aufgabe zugewiesen wurde, den anderen Spielern Wasser zu reichen. Das verletzte meinen Stolz nicht, denn ich konnte zu jeder Jahreszeit, solange es nicht regnete, Tennis trainieren, zweimal die Woche. Mir machte mein Versagen im Cricket und Rugby nichts aus, weil ich beim Tennis ein Könner war (Sieg beim Nairobi Open U-10). Meine zuverlässige Vorhand und mein giftiger Rückhandslice zwangen die Gegenspieler, einen Winner zu schlagen, ich retournierte, bis ihnen ein Fehler unterlief. Ich war ein Verteidiger, der jedem Ball hinterherjagte, der nie aufgab, so dass mir die ruhmreiche Aufgabe zufiel, beim allmorgendlichen assembly den Spielbericht vorzulesen, die Tennismannschaft von Kenton College habe die kenianische Schulmeisterschaft gewonnen. So sehr identifizierte ich mich mit meiner Rolle als Tennisspieler, ich lernte das Regelbuch auswendig und wurde deswegen bei Turnieren gebeten, als Umpire (siehe das Kapitel über Wimbledon, »Erdbeeren mit Aufschlag«) zu fungieren – ich wusste sogar, was ein Fußfehler ist.

Abgesehen von Hemmings, der später in der englischen Hockey-Jugendnationalmannschaft spielte, gab es keinen, der in allen Sportarten für die Schulauswahl aufgestellt wurde. Mein Freund Sachu war groß und ungelenk, aber wenn er mit einem Cricketschläger in den Händen vor dem wicket (siehe das Kapitel über Cricket, »Träume auf engstem Raum«) stand, traf er so gut wie jeden Ball, weswegen alle aufstöhnten, wenn er beim batten an der Reihe war, denn wir wussten, dass wir an diesem Nachmittag zum Zuschauen verdammt waren. Seine Lethargie ließ ihn geduldig jeden scharfen, gefährlichen Ball abblocken, bis ein zu kurzer oder langsamer Ball auf ihn zuflog, den er wie eine lästige Fliege wegscheuchte. Einmal musste ich den...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2024
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Baseball • Beach-Volleyball • Biathlon • Cricket • DART • Emotion • Fachsimpelei • Fußball • Geld • Golf • Inszenierung • Männlichkeit • Nationalismus • Radrennen • Ruhr-Derby • Schwingen • Tennis • Tour de France • VIP-Tribüne • Wimbledon
ISBN-10 3-10-491345-5 / 3104913455
ISBN-13 978-3-10-491345-2 / 9783104913452
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