Unterhaltsrecht für die Soziale Arbeit -  Gabriele Janlewing

Unterhaltsrecht für die Soziale Arbeit (eBook)

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2023 | 1. Auflage
123 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-042835-5 (ISBN)
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Das Buch bereitet das Unterhaltsrecht für die Soziale Arbeit verständlich auf und arbeitet dabei die Besonderheiten der jeweiligen Handlungsfelder heraus. Auf diese Weise können Studierende und Fachkräfte der Sozialen Arbeit das jeweils geltende Unterhaltsrecht passgenau erfassen und dieses Wissen in Prüfungen abrufen bzw. direkt in der Praxis umsetzen. Zudem werden die relevanten Schnittstellen mit dem Sozialrecht (z. B. beim gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen), dem Strafrecht (z. B. die strafrechtlich relevante Verletzung der Unterhaltspflicht) und die zwangsweise Durchsetzung unterhaltsrechtlicher Ansprüche für die sozialarbeiterische Praxis erklärt.

Prof. Dr. jur. Gabriele Janlewing lehrt Recht in der Sozialen Arbeit, insbesondere Unterhalts- und Sozialrecht, an der Hochschule Koblenz.

Prof. Dr. jur. Gabriele Janlewing lehrt Recht in der Sozialen Arbeit, insbesondere Unterhalts- und Sozialrecht, an der Hochschule Koblenz.

2 Ermittlung, Berechnung und Dauer des Unterhaltsanspruchs


T Überblick

In diesem Kapitel geht es um die konkrete Unterhaltsberechnung: Wer kann wieviel von wem und wie lange verlangen?

2.1 Ermittlung des Unterhaltsanspruchs


Die Ermittlung und Berechnung des konkreten Unterhaltsanspruchs ist eine komplexe Angelegenheit. Familiengerichte, Anwält*innen und das Jugendamt nutzen in der Praxis i. d. R. ein Berechnungsprogramm, das sie bei der Berechnung unterstützt. Vor der Berechnung steht jedoch das Sammeln der benötigten Informationen. Um einen Unterhaltsanspruch feststellen zu können, sieht das Gesetz Auskunftspflichten und Vorlagepflichten von Belegen vor.

2.1.1 Auskunft und Vorlage von Belegen


Gemäß § 1605 BGB sind Verwandte in gerader Linie (z. B. Eltern gegenüber ihren Kindern und Kinder gegenüber ihren Eltern) gegenseitig verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, wenn dies für die Feststellung eines Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Für die Ermittlung beim Trennungsunterhalt und beim nachehelichen Unterhalt haben beide Ehegatten wechselseitig einen Auskunftsanspruch über die Höhe der Einkünfte und des Vermögens, §§ 1580, 1361 Abs. 4 Satz 4 i. V. m. § 1605 BGB. Ebenso steht dem kindererziehenden Elternteil eines nicht innerhalb einer Ehe geborenen Kindes gegen den Unterhaltsverpflichteten ein Auskunftsanspruch nach § 1615 l Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 1605 BGB zu. Der*die Auskunftspflichtige muss darüber hinaus auch Belege über die Höhe seiner*ihrer Einkünfte vorlegen (insbesondere Verdienstbescheinigungen sowie den letzten ergangenen Steuerbescheid). Nach § 1605 Abs. 2 BGB kann eine neue Auskunft nur alle zwei Jahre verlangt werden, es sei denn der Anspruchsteller kann glaubhaft machen, dass der*die Schuldner*in wesentlich höhere Einkünfte erzielt hat (zu den einzelnen Auskunfts- und Belegpflichten: Scholz, Stein & 2022, Teil G Rn. 196 – 201).

Praxishinweis

/

Bei abhängig beschäftigten Unterhaltsschuldner*innen wird regelmäßig auf die Einkünfte der letzten zwölf Monate abgestellt, teilweise auch auf das letzte Kalenderjahr. Da selbstständig Tätige in ihren Umsätzen und Gewinnen stärkeren Schwankungen ausgesetzt sind, wird von der Rechtsprechung regelmäßig auf die letzten drei Kalenderjahre vor dem Unterhaltszeitraum abgestellt.

2.1.2 Anspruchsgrundlagen


In allen juristischen Fällen muss zur Beantwortung der Frage »Wer bekommt was vom wem?« zunächst die Anspruchsgrundlage herausgesucht werden. Aus der Anspruchsgrundlage ergeben sich die (begehrte) Rechtsfolge und die hierfür zu verwirklichenden Tatbestandsvoraussetzungen.

Exkurs: Juristische Fallarbeit (»Wer bekommt was von wem?«)

Zur Beantwortung der Frage, ob A von B etwas verlangen, bekommen oder erhalten kann, muss stets die Anspruchsgrundlage im Gesetz herausgesucht werden. Eine Anspruchsgrundlage beschreibt abstrakt die begehrte Rechtsfolge und stellt die Tatbestandsvoraussetzungen auf, unter denen sie erlangt werden kann. Unter Rechtsfolge ist die begehrte Zahlung, der begehrte Gegenstand etc. zu verstehen. Tatbestandsvoraussetzungen sind die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um die Rechtsfolge und somit den Anspruch zu erhalten. Das juristische ›Handwerk‹ besteht darin, den konkret zu lösenden Fall auf die abstrakten Tatbestandvoraussetzungen zu übertragen. Diesen Vorgang nennt man »Subsumtion« (vgl. eingehend hierzu Falterbaum 2020, 24 ff.).

Praxisbeispiel

Moritz (18) möchte von seinem Vater Jan Unterhalt bekommen. Die Anspruchsgrundlage, aus der sich ein solcher Anspruch verwirklichen lässt, ist § 1601 BGB. Hiernach sind Verwandte in gerader Linie einander zur Unterhaltsgewährung verpflichtet. Rechtsfolge ist hier die »Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung«, Tatbestandvoraussetzung ist die »Verwandtschaft in gerader Linie«. Ob Moritz nun konkret Unterhalt erwarten kann, ist durch Subsumtion zu ermitteln: Moritz ist als Jans Sohn in gerader Linie mit Jan verwandt, so dass Jan zum Unterhalt verpflichtet ist.

Beachte

Hierbei handelt es sich zunächst nur um eine Unterhaltspflicht dem Grunde nach. Weitere Fragen zum Bedarf, Bedürftigkeit und zur Leistungsfähigkeit sind im Anschluss (in den auf § 1601 BGB folgenden Gesetzen) zu klären.

In Fragen des Verwandtenunterhalts sind demnach die §§ 1601 ff. BGB die entsprechenden Anspruchsgrundlagen. Für den Familienunterhalt ist § 1360 BGB die Anspruchsgrundlage (»Verpflichtung zum Familienunterhalt«). Trennungsunterhalt richtet sich nach § 1361 BGB (»Unterhalt nach Getrenntleben«). Für die verschiedenen Formen des Nach-Scheidungsunterhalts enthalten die §§ 1570 ff. BGB die entsprechenden Anspruchsgrundlagen (z. B. ist § 1570 BGB die Anspruchsgrundlage für den Betreuungsunterhalt). Der Betreuungsunterhalt Unverheirateter wiederum richtet sich nach der Anspruchsgrundlage des § 1615 l BGB.

2.1.3 Bedarf und Bedürftigkeit des*der Berechtigten


Zunächst muss geklärt werden, was der*die Unterhaltsberechtigte an finanzieller Unterstützung konkret benötigt.

Kindesunterhalt

Bei dem unterhaltsrechtlichen Bedarf handelt es sich um den Betrag, den der*die Unterhaltsberechtigte zur Lebensführung benötigt. Bei Kindern werden hierunter, neben den Kosten für Nahrung, Wohnen, Kleidung, Freizeitangeboten etc., auch die Ausbildungs- und Erziehungskosten gezählt. Beim Kindesunterhalt wird der Bedarf seit 1962 pauschaliert in der sog. Düsseldorfer Tabelle (s. u. »Düsseldorfer Tabelle und Mindestunterhalt«) ausgewiesen. Gemäß § 1610 BGB wird zur Ermittlung des Bedarfs die Lebensstellung des*der Bedürftigen herangezogen. Minderjährige und privilegiert Volljährige leiten ihre Lebensstellung vom Lebensstandard ihrer Eltern ab. Da sich ihr Anspruch gegen den Barunterhaltsverpflichteten (▸ Kap. 2.2) richtet, kommt es zur Bestimmung ihres Bedarfs somit auf das Einkommen des Barunterhaltsverpflichteten an. Diese Grundsätze gelten auch für behinderte Kinder. In diesem Fall kommt dem Mehrbedarf (s. u. »Mehrbedarf und Sonderbedarf«) jedoch eine besondere Bedeutung zu.

Bedürftig ist gemäß § 1602 Abs. 1 BGB, wer nicht im Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Hat der*die Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte, muss er*sie diese für seinen*ihren eigenen Unterhalt einsetzen. Eine Bedürftigkeit liegt daher nur dann vor, wenn die Einkünfte und das Vermögen nicht ausreichen, den eigenen Bedarf des*der Unterhaltsberechtigten zu decken.

Praxisbeispiel

Justus (5) und Justin (10) machen durch ihre Mutter Ilka Unterhalt gegen ihren Vater Manuel geltend. Manuel verdient als Mechatroniker 2.400 € netto, weitere Unterhaltsverpflichtungen bestehen nicht. Der Bedarf der beiden Jungen richtet sich nach dem Nettoeinkommen des Barunterhaltsverpflichteten. Nach der seit 1. 1. 2023 gültigen Düsseldorfer Tabelle ist Manuel mit einem Nettoeinkommen i. H. v. 2.600 € in Gruppe 3 der Düsseldorfer Tabelle einzuordnen (die Tabelle bezieht sich auf das Vorhandensein zweier Unterhaltsberechtigter, bei einer größeren/geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter können Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in niedrigere/höhere Gruppen angemessen sein). Der monatliche Bedarf des fünfjährigen Justus beträgt 481 € und des zehnjährigen Justin 553 €. Allerdings wird der Bedarf zum Teil durch das Kindergeld gedeckt; dieses mindert somit die Bedürftigkeit. Bei minderjährigen Kindern wird das Kindergeld (seit 1. 1. 2023 einheitlich 250 € pro Kind) daher zur Hälfte vom Tabellenbetrag abgezogen (bei Volljährigen wird es voll abgezogen). Unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldanteils hat Manuel für Justus 356 € und für Justin 428 € zu bezahlen.

Praxishinweis

/

Auf den Internetseiten aller Oberlandesgerichte finden sich die aktuelle Düsseldorfer Tabelle (https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/Tabelle-2023/Duesseldorfer-Tabelle-2023.pdf) und die wichtigsten unterhaltsrechtlichen Orientierungshilfen des Gerichts unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (sog. Leitlinien). Im Anhang zur Düsseldorfer Tabelle findet sich zudem die sog. Zahlbetragstabelle, hier ist der Kindergeldanteil bereits herausgerechnet.

Bei volljährigen Kindern, die nicht mehr zu Hause wohnen (z. B. Studierende), richtet sich der Bedarf nicht nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle. Er wird pauschal festgelegt und beträgt derzeit...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2023
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Rudolf Bieker, Heike Niemeyer
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
Schlagworte Ehe • Eltern • Kinder
ISBN-10 3-17-042835-7 / 3170428357
ISBN-13 978-3-17-042835-5 / 9783170428355
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