Grundlagen der Medienökonomie (eBook)

Medien, Wirtschaft und Gesellschaft
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
589 Seiten
UTB GmbH (Verlag)
978-3-8463-6077-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Grundlagen der Medienökonomie -  Christian Fuchs
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Das Buch führt in eine Vielzahl von Methoden und Themen ein, darunter die politische Ökonomie der Kommunikation im Kapitalismus, Medienkonzentration, Werbung, globale Medien und transnationale Medienkonzerne, Klassenverhältnisse und Arbeitsbedingungen in der Medien- und Kommunikationsindustrie, das Internet und digitale Medien, die Informationsgesellschaft und der digitale Kapitalismus, die Medien in der Öffentlichkeit, öffentlich-rechtliche Medien, das öffentlich-rechtliche Internet und das Medienmanagement. Das Buch kann in Studiengängen mit den Schwerpunkten Medien- und Kommunikationswissenschaft, Digitale Medien, Medienökonomie, Soziologie, Politikwissenschaft, Management- und Organisationswissenschaft, Wirtschaftswissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre eingesetzt werden.

Prof. Dr. Christian Fuchs lehrt am Institut für Medienwissenschaft der Universität Paderborn und ist Inhaber der Professur für Mediensysteme und Medienorganisation.

1 Einleitung
1.1 Forschungstraditionen in der Medien- und Kommunikationswissenschaft
Die Lasswell-Formel: Ein traditioneller Forschungsansatz
Die Politische Ökonomie der Kommunikation und der Medien
1.2 Über dieses Buch
Literatur
TEIL I: GRUNDLAGEN
2 Was ist Politische Ökonomie?
2.1 Einleitung
2.2 Definitionen der Politischen Ökonomie
Politik und Ökonomie
Grundlagen der Politischen Ökonomie
2.3 Ansätze der Politischen Ökonomie
Ibn Khaldûn
Mainstream-Ökonomie und „Heterodoxe“ Ökonomie
Die Klassische Politische Ökonomie
Karl Marx: Die Kritik der Politischen Ökonomie
Die Neoklassische Politische Ökonomie
Die Keynesianische Politische Ökonomie
2.4 Weitere Ansätze der Politischen Ökonomie
Feministische Politische Ökonomie
Die Politische Ökonomie des Rassismus
Die Politische Ökonomie der Umwelt (Politische Ökologie)
2.5 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
3 Was ist die Medienökonomie?
3.1 Einleitung
3.2 Definitionen der Medienökonomie
Grundlagen der Medienökonomie: Was sind eigentlich Medien?
Medien- und Kommunikationswissenschaft als wissenschaftliches Feld
Ansätze der Medienökonomie
3.3 Ein Modell der Medienökonomie
3.4 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
4 Die Politische Ökonomie der Kommunikation und der Medien
4.1 Einleitung
4.2 Was ist die Politische Ökonomie der Kommunikation und der Medien?
Definitionen der Politischen Ökonomie der Kommunikation und der Medien
Eine Definition der Politischen Ökonomie der Kommunikation und der Medien
Politische Ökonomie der Kommunikation: Ansätze
4.3 Prinzipien und Dimensionen der Politischen Ökonomie der Kommunikation
Prinzipien der Politischen Ökonomie der Kommunikation
Dimensionen der Politischen Ökonomie der Kommunikation
Der Zyklus der Kapitalakkumulation
4.4 Eine Beispielanalyse: Die Politische Ökonomie von Facebook
4.5 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
Anhang 4.1: IBM und die Shoah
5 Die Kritische Tradition in der Analyse von Medien, Kommunikation, Wirtschaft und Gesellschaft
5.1 Einleitung
5.2 Die Politische Ökonomie der Kommunikation und der Medien
Der Name des Ansatzes
Die Geschichte des Ansatzes
Die Sektion Politische Ökonomie der IAMCR
Publikationen
Entwestlichung und Dekolonisation
5.3 Kapitalismus, Patriarchat, Rassismus & die Politische Ökonomie der Kommunikation und der Medien
Kapitalismus, Patriarchat, Rassismus
Die Politische Ökonomie der Kommunikation und der Medien & die Cultural Studies
Die Politische Ökonomie der Kommunikation und der Medien & der Feminismus
Die Politische Ökonomie der Kommunikation und der Medien & die Analyse des Rassismus
5.4 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
TEIL 2: ANWENDUNGEN
6 Die Politische Ökonomie der Medienkonzentration
6.1 Einleitung
6.2 Strategien der Medienkonzentration
Ein Beispiel: Internet-Suche
Konzentrationsstrategien
Die Walt Disney Corporation
6.3 Ursachen und Auswirkungen der Medienkonzentration
Ursachen der Medienkonzentration
Auswirkungen der Medienkonzentration auf die Gesellschaft
Der Strukturwandel der Öffentlichkeit: Reiche kapitalistische Medien, arme Demokratie
6.4 Definition und Messung der Medienkonzentration
Der C4-Koeffizient
Der Herfindahl-Hirschman-Index
Die Berechnung der Medienkonzentration: Der britische Pressemarkt
Die Berechnung der Medienkonzentration: Der deutsche Pressemarkt
Die Berechnung der Medienkonzentration: Suchmaschinen
6.5 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
Anhang 1: Lösung der Übung 6.2
Anhang 2: Lösung der Übung 6.3
7 Die Politische Ökonomie der Werbung
7.1 Einleitung
7.2 Was ist Werbung?
Procter & Gamble
Definitionen von Werbung
Marx über Werbung im Kapitalismus
Werbung und Täuschung
7.3 Die Entwicklung der Werbung im Kapitalismus
Die historische Entwicklung der Werbung im Kapitalismus
Werbung und die Entwicklung des Kapitalismus
Die Messung der Werbung
7.4 Dallas Smythe: Das Publikum als Ware
Die politische Ökonomie der Werbung
Die Einschaltquotenindustrie
Kapitalakkumulation in der Werbeindustrie
7.5 Die Bewertung der Werbung
Legitimation
Kritische Positionen zur Werbung
7.6 Werbung als Ideologie
Diamanten sind der beste Freund des Kapitalismus…
Was ist Ideologie?
Der Warenfetisch
Herman und Chomsky: Das Propaganda-Modell
Branding (Markenbildung)
7.7 Die Hinterfragung von Werbung, Markenbildung und Warenkultur
Verbraucherschutzbewegungen
Protest: Das Beispiel von Adbusters
Unternehmens-Watchdogs
Regulierung
Nichtkommerzielle Alternativen zu werbefinanzierten Medien
7.8 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
Anhang 7.1: Leitfaden zur Werbeanalyse: Ideologie in der Werbung
8 Die Politische Ökonomie Globaler Medien
8.1 Einleitung
8.2 Was ist die Globalisierung?
Globalisierung und Kapitalakkumulation
Die Folgen der kapitalistischen Globalisierung
Die Kommerzialisierung, Liberalisierung und Globalisierung der Telekommunikation
8.3 Globale Medien
Die Macht der Transnationalen Konzerne
Der Transnationalitätsindex
Globale Medien
Die Entwicklung der Weltwirtschaft
8.4 Kultur- und Medien-Imperialismus
Kultur-Imperialismus und das amerikanische Imperium
Kritik an der Theorie des Kultur- und Medien-Imperialismus
Herbert Schiller: Transnationale kulturelle Herrschaft
Der Globale Kapitalismus
Die Medien und der globale Kapitalismus
8.5 China, globaler Kapitalismus und Kulturimperialismus
China und der Westen
8.6 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
9 Medienarbeit: Die Politische Ökonomie der Kulturellen Arbeit und der Arbeit in der Medienindustrie
9.1 Einleitung
9.2 Was ist Arbeit?
Was ist Kultur?
Was ist Werktätigkeit?
Der Verwertungsprozess
Wirtschaftliche Entfremdung
Die Arbeiterklasse
Die Analyse der Arbeitsbedingungen
9.3 Was ist Kulturelle Arbeit?
Kulturelle Arbeit und Kulturwaren
9.4 Arbeit in der Kulturindustrie
Prekäre Arbeit
Kulturgenossenschaften
9.5 Arbeit und die COVID-19-Krise
Raum-zeitliche Aspekte der Veränderungen der Arbeit im Kontext von COVID-19
9.6 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
10 Die Politische Ökonomie des Internets und der Digitalen Medien
10.1 Einleitung
10.2 Die Politische Ökonomie der Sozialen Medien
Zielgerichtete Werbung und die Politik der Internetplattformen
Google und zielgerichtete Werbung
Die Unterschiede zwischen klassischer und digitaler, zielgerichteter Werbung
Internet-Ideologien
10.3 Digitale Arbeit
Die internationale Teilung der digitalen Arbeit
Digitale Waren und digitale Arbeit
Die politische Ökonomie des Apple-iPhone: Die Ausbeutung von Arbeitskräften bei Foxconn
10.4 Digitale Überwachung
Internet-Überwachung in China
Facebook und der Cambridge Analytica-Skandal
10.5 Auf dem Weg zu einer Alternativen Politischen Ökonomie des Internets
10.6 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
11 Die Politische Ökonomie der Informationsgesellschaft und des Digitalen Kapitalismus
11.1 Einleitung
11.2 Theorien der Informationsgesellschaft
Fritz Machlups Theorie der Informationsgesellschaft
Daniel Bells Theorie der Informationsgesellschaft
Manuel Castells‘ Theorie der Informationsgesellschaft
11.3 Skepsis und Kritik an Theorien der Informationsgesellschaft
Ist die Informationsgesellschaft eine neue Gesellschaft?
Kritik an der Theorie der Informationsgesellschaft
11.4 Kapitalismus oder Informationsgesellschaft?
Was ist der Kapitalismus?
Informationskapitalismus
Eine Typologie von Theorien der Informationsgesellschaft
Kapitalismus oder Informationsgesellschaft?
Manuel Castells: Der informationelle Kapitalismus
Radovan Richtas Ansatz
Die Entwicklung der landwirtschaftlichen, industriellen und informationellen Arbeit
Wie Theoretiker:innen der Informationsgesellschaft auf ihre Kritiker:innen reagieren
Der kognitive Kapitalismus in der Gesellschaft der Singularitäten
Der kognitive Kapitalismus
Datenkapitalismus, Plattform-Kapitalismus, Überwachungskapitalismus
Der digitale Kapitalismus
11.5 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
12 Die Politische Ökonomie der Öffentlichkeit und der Digitalen Öffentlichkeit
12.1 Einleitung
12.2 Die Politische Ökonomie der Öffentlichkeit
Jürgen Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit
Slavko Splichal: Öffentlichkeit und Öffentliche Sphäre
12.3 Die Digitale Öffentlichkeit
12.4 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
13 Die Politische Ökonomie Öffentlich-Rechtlicher Medien und des Öffentlich-Rechtlichen Internets
13.1 Einleitung
13.2 Öffentlich-Rechtliche Medien
Die Medien und die Öffentlichkeit
Vier politische Ökonomien der Medien
Definitionen der öffentlich-rechtlichen Medien
Ein Modell öffentlich-rechtlicher Medien
Öffentlich-rechtliche Medien und Entwicklungsländer
British Broadcasting Corporation (BBC)
Öffentlich-rechtliche Medien in Deutschland
13.3 Das Öffentlich-Rechtliche Internet
Das Manifest für Öffentlich-Rechtliche Medien und ein Öffentlich-Rechtliches Internet
13.4 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen
14 Die Politische Ökonomie des Medienmanagements
14.1 Einleitung
14.2 Was ist Management?
Die Entstehung des Managements als Teil der Arbeitsteilung
Management und Manager:in: Etymologie und Definition
CEOs in transnationalen Digitalkonzernen
Die selbstverwalteten Betriebe
14.3 Was ist Medienmanagement?
14.4 Fordistisch-tayloristisches und postfordistisches Management
Fordismus und Taylorismus
Das postfordistische Management
14.5 Das Management von Kultur, Medien und Kreativität
Kreativität
Kultur- und Medienmanagement als Destruktivkraft: Vom Management zur Selbstverwaltung
14.6 Schlussfolgerungen
Literatur
Empfohlene Lektüre und Übungen

2.3 Ansätze der Politischen Ökonomie


Ibn Khaldûn


Im vorangegangenen Abschnitt haben wir bereits erwähnt, dass Ibn Khaldûn einer der Begründer der Politischen Ökonomie ist. Seine Muqaddima (Prolegomena, Einleitung) ist ein Frühwerk der Politischen Ökonomie.

Khaldûn formulierte die Annahme, dass Arbeit die Quelle von Reichtum und Gewinn ist:

„Alsdann musst du wissen, dass der Erwerb nur durch die Bemühung, ihn anzuschaffen, und die Absicht, ihn zu erlangen, zustande kommt. Es ist auch bei der Versorgung unerlässlich, dass man sich anstrengt und arbeitet […] Jedoch ist bei allem, was zu erwerben und an Kapital anzusammeln ist, die menschliche Arbeit unerlässlich. Wenn dies eine eigene Arbeit ist, wie irgendein Handwerk, dann ist das offenkundig. Wenn die Quellen des Erwerbs jedoch Tiere, Pflanzen oder Mineralien sind, so ist dabei die menschliche Arbeit (ebenfalls) unumgänglich, wie du siehst. Wenn nicht, dann kommt nichts zustande, und es fällt kein Nutzen an. […] Wenn nun dies alles feststeht, dann musst du wissen, dass das Kapital, das der Mensch gewinnt und erwirbt, wenn es aus dem Handwerk kommt, der Wert der Arbeit ist, (die) dafür (geleistet) wurde“ (Khaldûn 2011, 340-341).

Die Analyse der Arbeit als Quelle des Reichtums und der Arbeitszeit als Maß für den Reichtum wird auch als Arbeitswerttheorie bezeichnet. Sie besagt, dass der Wert einer Ware dem durchschnittlichen Arbeitsaufwand entspricht, der für ihre Herstellung erforderlich ist. Ein Gut wird als wertvoller angesehen, wenn es schwieriger zu produzieren ist und mehr Arbeitszeit für seine Herstellung benötigt wird. In Tauschgesellschaften führt dies dazu, dass die Preise für wertvollere Güter, deren Produktionszeit länger ist, tendenziell höher sind.

Die Arbeitswerttheorie findet sich in der Klassischen und Kritischen Politischen Ökonomie, insbesondere in den Werken von Adam Smith, David Ricardo und Karl Marx.

Adam Smith formulierte die Arbeitswerttheeorie mit den folgenden Worten: „Der wirkliche oder reale Preis aller Dinge, also das, was sie einem Menschen, der sie haben möchte, in Wahrheit kosten, sind die Anstrengung und Mühe, die er zu ihrem Erwerb aufwenden muss. Was Dinge wrklich für jemanden wert sind, der sie erworben hat und der über sie verfügen oder sie gegen ewas anderes tauschen möchte, sind die Anstrengung und Mühe, die er sich damit ersparen und dier er anderen aufbürden kann“ (Smith 1776/2001, 28).

„Anstrengung und Mühe“ ist die Formulierung, mit der Smith zum Ausdruck bringt, dass der Wert eines Gutes von der aufgewendeten Arbeitszeit abhängt, die zu seiner Produktion erforderlich ist. Auch David Ricardo formulierte eine Arbeitswertlehre. Er betont, dass die Arbeitszeit das Maß für den Wert einer Ware ist:

„Sobald sie Nützlichkeit besitzen, beziehen Waren ihren Tauschwert aus zwei Quellen: aus ihrer Seltenheit und der zu ihrer Gewinnung nötigen Arbeitsmenge. […] Wenn die in den Waren enthaltene Arbeitsmenge ihren Tauschwert bestimmt, dann muss jede Vergrößerung des Arbeitsquantums den Wert der Ware, für die es aufgewendet wurde, erhöhen, ebenso wie jede Verminderung ihn senken muss“ (Ricardo 1824/2006, 5, 7).

Karl Marx hat ähnlich argumentiert: „Die Grundlage, der Ausgangspunkt der Physiologie des bürgerlichen Systems – des Begreifens seines innren organischen Zusammenhangs und Lebensprozesses – ist die Bestimmung des Werts durch die Arbeitszeit” (Marx 1862/1863, Teil 2, 163).

Marx argumentiert, dass die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, d. h. die durchschnittliche Arbeitszeit, die zur Produktion einer Ware erforderlich ist, den Wert der Ware bestimmt:

„Ein Gebrauchswert oder Gut hat also nur einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht oder materialisiert ist. Wie nun die Größe seines Werts messen? Durch das Quantum der in ihm enthaltenen ‚wertbildenden Substanz‘, der Arbeit. Die Quantität der Arbeit selbst misst sich an ihrer Zeitdauer, und die Arbeitszeit besitzt wieder ihren Maßstab an bestimmten Zeitteilen, wie Stunde, Tag usw. […] Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist Arbeitszeit, erheischt, um irgendeinen Gebrauchswert mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darzustellen“ (Marx 1867, 53).

Marx unterscheidet sich von Smith und Ricardo dadurch, dass sein Ansatz eine Kritik der Politischen Ökonomie ist, die eine Wertkritik beinhaltet. Er betont, dass das Kapital die Arbeit in einem Klassenverhältnis ausbeutet, in dem die Arbeitenden dazu gebracht werden, einen Teil der Ware und des Arbeitstages ohne Bezahlung zu produzieren. In diesem Zusammenhang führt er die Begriffe der Mehrarbeit und des Mehrwerts ein. Seine Theorie will verstehen, wie der Mehrwert produziert wird, und formuliert den Kategorischen Imperativ, den Mehrwert zu vergesellschaften, damit der gesellschaftliche Überschuss nicht von einzelnen Kapitalist:innen, sondern von der Gesellschaft kontrolliert wird.

„Wir haben gesehn, dass der Arbeiter während eines Abschnitts des Arbeitsprozesses nur den Wert seiner Arbeitskraft produziert, d. h. den Wert seiner notwendigen Lebensmittel. […] Den Teil des Arbeitstags also, worin diese Reproduktion vorgeht, nenne ich notwendige Arbeitszeit, die während derselben verausgabte Arbeit notwendige Arbeit. Notwendig für den Arbeiter, weil unabhängig von der gesellschaftlichen Form seiner Arbeit. Notwendig für das Kapital und seine Welt, weil das beständige Dasein des Arbeiters ihre Basis.

Die zweite Periode des Arbeitsprozesses, die der Arbeiter über die Grenzen der notwendigen Arbeit hinaus schanzt, kostet ihm zwar Arbeit, Verausgabung von Arbeitskraft, bildet aber keinen Wert für ihn. Sie bildet Mehrwert, der den Kapitalisten mit allem Reiz einer Schöpfung aus Nichts anlacht. Diesen Teil des Arbeitstags nenne ich Surplusarbeitszeit, und die in ihr verausgabte Arbeit: Mehrarbeit (suplus labour). So entscheidend es für die Erkenntnis des Werts überhaupt, ihn als bloße Gerinnung von Arbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Arbeit, so entscheidend ist es für die Erkenntnis des Mehrwerts, ihn als bloße Gerinnung von Surplusarbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Mehrarbeit zu begreifen. Nur die Form, worin diese Mehrarbeit dem unmittelbaren Produzenten, dem Arbeiter, abgepreßt wird, unterscheidet die ökonomischen Gesellschaftsformationen, z. B. die Gesellschaft der Sklaverei von der der Lohnarbeit“ (Marx 1867, 231, 230-231).

Für Marx ist die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit jene Zeit, die benötigt wird, um die für die Gesellschaft nowendigen Güter zu prodzieren. Die darüber hinaus geleistete Arbeitszeit bezeichnet er als Mehrarbeitszeit. Sie ist im Kapitalismus die materielle Grundlages des Profits, der den Kapitalist:innen gehört, von den Arbeiter:innen produziert wird und durch den Verkauf von Waren erzielt wird.

Mainstream-Ökonomie und „Heterodoxe“ Ökonomie


Die Mainstream-Ökonomie tendiert dazu, die Arbeitswerttheorie weitgehend zu ignorieren. So diskutieren weit verbreitete Lehrbücher der Wirtschaftswissenschaft wie Blanchards (2017) Macroeconomics oder Williamsons (2018) Macroeconomics nicht die Arbeit, definieren Geld als Maß für den wirtschaftlichen Wert (z. B. Mankiw 2018, 321) und lassen die Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Arbeit im Kapitalismus außer Acht. Obwohl die Arbeitswerttheorie in der heutigen Mainstream-Ökonomie keine wichtige Rolle spielt, ist sie im Zeitalter des digitalen Kapitalismus weiterhin von Bedeutung. Zum Beispiel sind die Kämpfe um die Automatisierung und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft Kämpfe um Wert und Arbeitszeit (siehe Fuchs 2021, Kapitel 5). Das Kapital versucht, durch digitale und heutzutage KI-basierte Automatisierung die Produktivität der Arbeit zu steigern, so dass mehr Wert in weniger Zeit produziert werden kann, was die Einstellung und Bezahlung von weniger Arbeitskräften erfordert und mehr Profit verspricht. Vertreter:innen von Arbeiterklasseinteressen hingegen befürchten und betonen, dass die Automatisierung im Kapitalismus Arbeitslosigkeit, Armut und Ungleichheit erhöhen kann.

Seit der Weltwirtschaftskrise 2008 gibt es neue Forderungen nach einer Überarbeitung der wirtschaftswissenschaftlichen Lehrpläne und Versuche, alternative, heterodoxe Lehrbücher für Makroökonomie/Politische Ökonomie zu etablieren (siehe z. B. De und Thomas 2018, Thomas 2021).

Die Krise und die zunehmende Kritik am Neoliberalismus und damit auch an der neoklassischen Wirtschaftslehre hat zu einigen Veränderungen in der Wirtschaftstheorie geführt. N. Gregory Mankiw ist der Autor von sehr weit verbreiteten Lehrbüchern der Wirtschaftswissenschaften wie Principles of Economics (Mankiw 2021, neunte Auflage) und Economics (Mankiw & Taylor 2020, fünfte Auflage). In der dritten Auflage von Economics gibt es keine wirkliche Diskussion über kritische Ansätze wie die marxistische und feministische Wirtschaftstheorie (Mankiw & Taylor 2014). Die Autoren fügten der vierten Auflage eine Diskussion derartiger Ansätze, einschließlich Marxismus und Feminismus, hinzu und erkannten an, dass diese Ansätze den „neoklassischen Ansatz“, der auch als „Mainstream-Ökonomie“ bezeichnet wird, und die neoklassische Ansicht, dass „der Markt ein zentrales Merkmal bei der Schaffung von Wohlstand ist“, in Frage stellen (Mankiw & Taylor 2014, 16).

In der fünften Auflage von Economics...

Erscheint lt. Verlag 4.9.2023
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Kommunikation / Medien Medienwissenschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Branding • Cambridge Analytics • China • Chomsky • Covid-19 • Cultural Studies • Dallas • Digitale Medien • Digitale Überwachung • Facebook • Feminismus • Gesellschaft • Globalisierung Liberalisierung • Habermas • IBM • Imperialismus • Informationsgesellschaft • Internet • internet überwachung • Kapitalismus • Karl Marx • Keynes • Kommunikation • Kommunikationswissenschaften • Kulturelle Arbeit • Lehrbuch • Medien • Medienanalyse • Medienarbeit • Medienindustrie • Medienkonzentration • Medienkonzerne • Medienwissenschaften • Neoklassische Politische Ökonomie • Öffentlichkeit • Öffentlich-rechtliche Medien • Patriarchat • Politische Ökonomie • Rassismus • Shoah • Telekommunikation • USA • Walt Disney • Weltwirtschaft • Werbung • Wirtschaft
ISBN-10 3-8463-6077-5 / 3846360775
ISBN-13 978-3-8463-6077-4 / 9783846360774
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