Gesellschaft des Zuhörens (eBook)

Auf dem Weg in die Metamoderne
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
480 Seiten
Büchner-Verlag
978-3-96317-917-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gesellschaft des Zuhörens -  Hanzi Freinacht
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Wie jeder Philosoph, der etwas auf sich hält, hat der ?skandinavische Hegel unserer Zeit?, Hanzi Freinacht, sein (erstmals in deutscher Sprache vorliegendes) Buch in totaler Zurückgezogenheit verfasst: allein in den Alpen lebend und mit Ausblick auf eine majestätische Bergwelt. In einem atemberaubenden Parcours durch Geschichte, Politik und Entwicklungspsychologie pflügt sich Freinacht durch die moderne Welt und hinterlässt am Wegesrand eine lange Spur geschlagener Gegner und zerbrochener, überholter Ideen. Voller Witz und Poesie sowie in kühnen Posen, die oft ans Arrogante und Obskure grenzen, schreitet er voran, um seinen Leserinnen und Lesern ein tiefes, neues Verständnis unserer Zeit zu vermitteln. Dabei erforscht Freinacht auch die kulturelle Fortschrittlichkeit der skandinavischen Länder und stößt uns mit der Nase auf die wichtigsten Lösungen für einige der drängendsten Probleme der Welt: Wir müssen eine tiefere und psychologischere Form der Fürsorge entwickeln, eine, die Freinacht als »Gesellschaft des Zuhörens« bezeichnet. Freinachts Buch führt Sie nicht nur tief hinein in die metamoderne Philosophie und lehrt Sie die Bedeutung der Entwicklungspsychologie für ein Verständnis der Gegenwart. Es gibt Ihnen auch die Tools an die Hand, um sich selbst und die Menschen in Ihrer Umgebung neu kennenzulernen. Und: Sie werden erkennen, wie wichtig es ist, die Weiterentwicklung von Menschen und der Gesellschaft durch politische Maßnahmen zu unterstützen. Sind Sie bereit, an dieser wagemutigen grand tour teilzunehmen?

Pseudonym des Autorenduos Daniel P. Görtz und Emil Ejner Friiis.

Seit mehr als zehn Jahren widmet sich Hanzi Freinacht, der ›skandinavische Hegel unserer Zeit‹, dem Thema des politischen Metamodernismus. Seine radikale Neuerzählung gesellschaftlicher Prozesse hat unseren Blick auf Geschichte und Gegenwart nachhaltig verwandelt und vollkommen neue Wege in die Zukunft eröffnet. Sein Sprachrohr in Deutschland sind Daniel Görtz und Emil Ejner Friis, die mit seinem Werk auf das Intimste vertraut sind. Beide sind Gründer des Verlags Metamoderna, in dem 2017 Freinachts Werk The Listening Society erstmalig erschienen ist. Dr. Daniel P. Görtz, geb. 1983 in Malmö, ist ein schwedischer Soziologe, Polizeiethnograf und Theo­retiker der Philosophie sowie der Politik der Metamoderne. 2015 wurde er an der Universität Lund im Fachbereich Soziologie promoviert. Er war als Berater tätig für visionäre politische Parteien in Schweden und Dänemark sowie für Unternehmen im IT-Sektor. Emil Ejner Friis, geb. 1981 in Stenløse, Dänemark. Studium der Geschichtswissenschaften. Friis ist Theo­riekünstler (theory artist) und tätig als Autor, Redner und Lehrer zum Thema des Metamodernismus. Er hat in Heidelberg studiert und in Berlin gewohnt. Heute befindet er sich überall auf der Welt, wo er Hanzis Mission für eine Gesellschaft des Zuhörens erfüllen kann. Er spielt auch Akkordeon.

Prolog


»Okay, okay, ich hab’s verstanden, wirklich. Da gibt es dieses Gerede von etwas, das sich ›politischer Metamodernismus‹ nennt – man sagt, es sei eine neue Ideologie, die freiheitliche Demokratie und Kapitalismus, so wie wir sie kennen, ablöst. Heimlich, still und leise, so meinen ihre Verfechter, bewerkstellige sie die völlige Zerstörung von Sozialismus, Liberalismus, Konservatismus und ökologischer Bewegung, schlage sie diese mit ihren ureigenen Waffen – und ließe indes viele Menschen verletzt zurück. Es heißt, der politische Metamodernismus sei in der Lage, das Leben von Millionen und Abermillionen von Menschen langsam, aber auf umfassende Weise zum Besseren zu wenden, indem er Sozial- und Wirtschaftssystem tiefgehender ausgestaltet und uns so in eine vernünftigere und freundlichere Welt führen wird. Das Sozialsystem des politischen Metamodernismus bezeichnet man als eine ›Gesellschaft des Zuhörens‹ – eine listening society. Es heißt, all dies werde sich langsam, aber unweigerlich im Rahmen der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der sozial und technisch am weitetesten fortgeschrittenen Gesellschaften der Welt, wie zum Beispiel den skandinavischen, ergeben. Es sei nicht nur für jeden Einzelnen ausgesprochen empfehlenswert, sondern sogar ein Dienst an der Menschheit und dem Rest der leidenden Tierwelt, die ›Listening Society‹ zu verstehen und sich mit ihr zu verbünden. Natürlich sind damit, wie bei allen mächtigen Dingen, auch Risiken verbunden … Aber: Ist das überhaupt real

Nun, mein Freund, da zäumen Sie das Pferd von der falschen Seite auf. Ob etwas »real« ist, ist in gewisser Weise die dümmste Frage, die man stellen kann. Zumindest wenn man wenigstens eine ungefähre Ahnung davon hat, was Realität ist. Realität ist nämlich sehr viel mehr als das, was gemeinhin als »Tatsachen« betrachtet wird. Die wirkliche Realität lebt an der Kreuzung von Fakten und Fiktion. Sie entsteht genau dann, wenn unsere Vorstellungskraft – die Geschichten, die wir uns selbst erzählen – auf die Tatsachen der Welt trifft und sie in einen Kontext setzt. Der politische Metamodernismus wird durch einen rebellischen Akt real: dadurch, dass wir eine gute Story erzählen, die ihre Zuhörerschaft nicht mehr loslässt und sie bereichert.

Dieses Buch besteht hauptsächlich aus Fakten und mischt sie mit einem Quäntchen Fiktion – das heißt, dass ich Gefühle, Träume, Aphorismen, geistige Bilder und ein paar fundierte Vermutungen mit einflechte. Dabei spiele ich mit der Sprache und mit meiner Beziehung zu Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser.

Abgesehen davon war Ihre Zusammenfassung aber ganz okay. Politischer Metamodernismus ist heute die weltweit wirkmächtigste Ideologie und es wäre dämlich, nichts darüber erfahren zu wollen. Ob Sie diese Ideologie nun mögen oder nicht, ob Sie sie befürworten oder nicht: Es ist angeraten, sich mit ihr zu beschäftigen.

Übrigens: Falls Ihnen beim Begriff »Ideologie« schaudert, können Sie ihn auch gerne ersetzen gegen »die Art und Weise, wie wir in Bezug auf die Gesellschaft denken und fühlen«. Denn das ist etwas, was wir alle unleugbar tun – selbst Sie.

Dieses Buch handelt von Ihnen: von Ihrer intellektuellen und emotionalen Entwicklung und Ihrem Platz und Status in dieser Welt. Es geht aber auch um die Gesellschaft und um Beziehungen, um andere Menschen und Tiere. Darum, wie uns ein tiefer gehendes soziologisches Verständnis der Welt helfen kann, ihr voll Mitgefühl zu dienen, und warum das so ist.

Fakten und Fiktion zu vermischen ist natürlicherweise etwas für Kinder und Verrückte. Genauer betrachtet wird allerdings klar, dass wir alle dies tun. Die Frage ist lediglich, wie bewusst und konstruktiv dies geschieht. Ich verwende das Quäntchen »Fiktion«, damit dieses Buch als Strömung der politischen und kulturellen Veränderung lebendig werden kann. Der Unterschied zwischen dieser Herangehensweise und trockeneren, eher traditionellen akademischen Büchern über Sozialwissenschaft besteht darin, dass dieses Buch zu seinem fiktionalen Anteil steht. Wir nehmen Hanzis Freinachts Rolle als Intellektueller nicht so ernst, aber dafür den notwendigerweise fiktionalen Anteil der Wirklichkeit umso mehr. Verabreicht mit einem Löffelchen fiktionalen Zuckers schmecken uns die Fakten am besten. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die bittere Medizin müssen wir trotzdem schlucken. So funktioniert das.

Die meisten politischen Intellektuellen, von Nancy Frazer bis Milton Friedman, von Noam Chomsky bis Arne Næss1, werfen sich in diese dämlichen Posen, um möglichst seriös und wissenschaftlich zu wirken. Doch dabei bleiben sie ihren Ideen emotional verhaftet und erzählen zu Tränen rührende (fiktive) Geschichten darüber, warum ihre eigene Perspektive die richtige ist und sie selbst demütige Helden und Diener der Wahrheit. Ich nehme diese lächerliche Maske hiermit ab. Und ehrlich gesagt sollten Sie dies auch tun. Aber wie lässt sich diese Maske abnehmen? Nun, indem Sie zugeben, dass Sie sie tragen – und sie anschließend bewusster einsetzen.

Ich erzähle Ihnen diese Geschichte jetzt einfach und dann können Sie damit herumspielen. Denn nur so beginnt das Handeln. Nur so können wir die Welt tatsächlich verändern – und unterwegs ein sehr schönes, wenn auch gefährliches Abenteuer erleben. Politik ist, genau wie das Leben, immer ein Experiment. Wir müssen bereit sein, Risiken einzugehen. Wir müssen bereit sein, verletzt zu werden, wenn wir tiefgehenden Wandel (mit allen Vor- und Nachteilen) herbeiführen wollen – eine echte Veränderung, die den Namen auch verdient hat.

Der politische Metamodernismus ist die Zukunft


Ich will Ihnen also etwas erzählen über das, was ich politischen Metamodernismus nenne. Dabei handelt es sich um eine neue Sicht auf Politik, die nicht nur verändert, wie wir Politik machen, sondern auch und zuallererst die Rolle, die ihr in der Gesellschaft zukommt. Natürlich verändert diese neue Sicht auch unsere Ziele in Hinblick darauf, was wir in der Gesellschaft erreichen wollen, und erklärt uns, warum das so ist.

Grob vereinfacht strebt der politische Metamodernismus eine Gesellschaftsform an, die als Nachfolgerin der »modernen Gesellschaft« betrachtet werden kann und gleichzeitig über das hinausgeht, was wir für gewöhnlich darunter verstehen. Nehmen wir zum Beispiel ein modernes Land wie Schweden und machen wir uns bewusst, wie sehr es sich politisch, sozial und wirtschaftlich in den letzten hundert Jahren verändert hat. Wie sehr sich seine Bevölkerung verändert hat. Wo kommen zum Beispiel die ganzen Hacker, Yoga-Praktizierenden und veganen Feministinnen her?

Die Sozialdemokraten des frühen 20. Jahrhunderts hatten eine Ideologie – und zwar eine Vision beziehungsweise eine klare Vorstellung davon, wie der zukünftige Sozialstaat aussehen sollte. Dieser Staat hat sich zu großen Teilen erfolgreich materialisiert. Aber seit ein paar Jahrzehnten fehlen uns solche Visionen oder Ziele, obwohl die Welt sich schneller verändert als je zuvor und wir mehr technische Möglichkeiten haben, als dies jemals der Fall war. Wo also sind unsere großen politischen Visionen?

Im Ernst: Wo sind sie? Die Linke kämpft nur noch um den Erhalt des Sozialstaats, die Grünen setzen sich für die Nachhaltigkeit unserer bestehenden Gesellschaft ein, die Rechtsliberalen wollen weiter das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die Rechtsnationalen beziehungsweise die Rechtskonservativen wollen angesichts von Immigration und Globalisierung den alten Nationalstaat aufrechterhalten. All diese Bewegungen und Ideologien sind einer Vorstellung von Parteipolitik verhaftet, wie sie in der industriellen Gesellschaft mitsamt ihren Klassen und Problemen entstanden ist. Nichts davon bringt uns etwas wirklich Neues oder Substanzielles, was unsere Leben heute auf eine Art und Weise verbessern könnte, wie das einst der Aufbau einer modernen, freiheitlichen Demokratie mit Marktwirtschaft und Sozialstaat vollbracht hat. Welches System würde Entsprechendes für die Gesellschaft der Zukunft leisten, einer Gesellschaft, die – wie wir wissen – globalisiert, digitalisiert und postindustriell sein wird? In welche Richtung kann und soll sich unsere Gesellschaft entwickeln? Hat diese Frage keine Berechtigung? Ich finde, das hat sie. Ich finde, es ist zutiefst verstörend, dass wir – die Menschheit – nicht über diese Frage diskutieren.

Und hier kommt der politische Metamodernismus ins Spiel. Der politische Metamodernismus möchte eine Gesellschaft verwirklichen, die sich ebenso stark von der heutigen Gesellschaft (in Schweden, aber auch anderswo) unterscheidet wie das Schweden von heute von dem des frühen 20. Jahrhunderts. Alles wird sich ändern, sei es zum Guten oder zum Schlechten: Die Menschen werden anders wählen, anders lernen, anders arbeiten, leben und reisen. Sie werden sogar anders lieben und sich anders sozialisieren. Wir werden andere Vorstellungen von der Welt und unserem Platz in ihr haben. Einfach nur am Leben zu sein – selbst das – wird sich anders anfühlen.

Das Ziel des politischen Metamodernismus besteht also darin, uns von der »modernen« Stufe der Gesellschaftsentwicklung (freiheitliche Demokratie, Parteipolitik, Kapitalismus, Sozialstaat) auf die nächste, »metamoderne« Entwicklungsstufe zu heben. Es geht darum, unsere freiheitliche Demokratie als politisches System, unsere politischen Parteien und ihre Ideologien, den Kapitalismus...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2023
Verlagsort Marburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Commons • Entwicklungstheorie • Gesellschaftsentwicklung • Globalisierung • Kulturelle Entwicklung • kulturelle Evolution • Metamoderne • metamoderne Politik • Michael Lamport • Michael Lamport Commons • Persönliche Entwicklung • Sozialsystem • Stufentheorien • Zukunft
ISBN-10 3-96317-917-1 / 3963179171
ISBN-13 978-3-96317-917-4 / 9783963179174
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