Kaffee -  Toni Keppeler,  Laura Nadolski,  Cecibel Romero

Kaffee (eBook)

Eine Geschichte von Genuss und Gewalt
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
272 Seiten
Rotpunktverlag
978-3-03973-010-0 (ISBN)
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Durchschnittliche Mitteleuropäer trinken zwei oder drei Tassen Kaffee am Tag, Nordeuropäer noch mehr. Kaum jemand denkt dabei an die Arbeit, die Armut und die Umweltzerstörung, die in dieser Alltagsdroge stecken. Kaffee war in Europa von Anfang an eine Kolonialware und ist es im Grund noch immer. Dieses Buch erklärt die verschiedenen Methoden, Kaffee anzubauen und aufzubereiten mit allen damit verbundenen Gefahren für die Umwelt. Es zeigt, wie die Produktion der Bohnen zum Klimawandel beigetragen hat und warum sie nun von ihm bedroht wird. Es erzählt die Geschichte der Ausbreitung des Kaffees von seinen Anfängen als wilder Waldkaffee in Äthiopien, seinem Weg über die arabische Welt nach Asien und übers Meer nach Lateinamerika, der heute bei weitem wichtigsten Anbauregion. Diese Geschichte war immer auch eine Geschichte des Kahlschlags von Regenwäldern, der Zwangsarbeit und der Sklaverei, des ungezügelten Kapitalismus und der Gewalt bis hin zum Völkermord. Auf vielen Plantagen gilt noch heute, was man in Lateinamerika sagt: Kaffee wird auf Armut angebaut. Das muss nicht so sein. Das Buch zeigt auch, dass es möglich ist, umwelt- und sozialverträglichen Kaffee zu produzieren. Der ist in aller Regel viel besser als die unter menschenverachtenden Bedingungen produzierte Massenware.

Toni Keppeler, geboren 1956, ist Journalist und Buchautor. Er schreibt seit vier Jahrzehnten über Lateinamerika und arbeitete lange als Korrespondent in El Salvador. Heute lebt er in Tübingen. Laura Nadolski, geboren 1997, ist Klima- und Umweltwissenschaftlerin und arbeitet bei großen journalistischen Projekten mit. Derzeit promoviert sie am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Cecibel Romero, geboren 1971, ist Journalistin und Kaffeesommelière. Sie hat zwölf Jahre lang auf einer kleinen Plantage umwelt- und sozialverträglichen Qualitätskaffee produziert. Sie lebt in San Salvador. Die drei arbeiten gemeinsam im Journalismusbüro Latinomedia in Tübingen und San Salvador für deutsch- und spanischsprachige Medien.

Toni Keppeler, geboren 1956, ist Journalist und Buchautor. Er schreibt seit vier Jahrzehnten über Lateinamerika und arbeitete lange als Korrespondent in El Salvador. Heute lebt er in Tübingen. Laura Nadolski, geboren 1997, ist Klima- und Umweltwissenschaftlerin und arbeitet bei großen journalistischen Projekten mit. Derzeit promoviert sie am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Cecibel Romero, geboren 1971, ist Journalistin und Kaffeesommelière. Sie hat zwölf Jahre lang auf einer kleinen Plantage umwelt- und sozialverträglichen Qualitätskaffee produziert. Sie lebt in San Salvador. Die drei arbeiten gemeinsam im Journalismusbüro Latinomedia in Tübingen und San Salvador für deutsch- und spanischsprachige Medien.

Einführung


Kaffee ist eine psychoaktive Droge. Das in seinen Bohnen enthaltene Koffein ist ein Alkaloid, so wie das Kokain im Kokablatt oder das Nikotin im Tabak. Es kann genauso süchtig machen. Regelmäßige Kaffeetrinker stehen ständig unter Drogen, denn Koffein wirkt länger, als man gemeinhin denkt. Seine Halbwertszeit liegt bei vier bis fünf, bei manchen Menschen sogar bei acht Stunden. Das bedeutet, dass von der Menge, die wir mit einem Kaffee am Abend zu uns genommen haben, mindestens die Hälfte um Mitternacht noch immer im Körper vorhanden ist und im Gehirn wirkt. Koffein muntert auf, macht wach und agil und verbessert die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit – die ideale Droge für eine moderne Industriegesellschaft. Das unterscheidet Koffein von den meisten anderen Drogen. Opium etwa entspannt und macht schläfrig, Mescalin – auch das ein Alkaloid – ist halluzinogen. Für rational durchorganisierte Leistungsgesellschaften taugen solche Drogen ganz und gar nicht. Kaffee aber hatte von Anfang an ein fast symbiotisches Verhältnis mit dem Kapitalismus.

Kaffee verbreitete sich zu der Zeit in Europa, zu der auch das elektrische Licht und die Fabrik erfunden wurden. Der Aufbau einer Fabrik samt ihren Maschinen war eine große Investition. Sollte sie möglichst schnell rentabel sein, musste möglichst lange darin gearbeitet werden. Künstliches Licht machte die Nachtschichten erst möglich. Kaffee verhinderte, dass die Arbeiter bei den meist monotonen Handgriffen, die sie zu verrichten hatten, einschliefen. Wie wichtig er für die Arbeit an diesen Orten war, zeigt der Vergleich mit der vor seiner Verbreitung üblichen Diät. Mittel- und Nordeuropäer deckten da ihren Flüssigkeitsbedarf am Morgen meist mit einer Biersuppe. Und weil das Wasser verschmutzt war und krank machte, tranken sie, wenn sie Durst hatten, lieber Bier oder je nach Region auch Wein. Nach heutigen Maßstäben waren die Menschen damals den ganzen Tag über angetrunken. Für Fabriken waren sie so nicht sehr funktional. Sie wurden es erst durch den Kaffee. Insofern ist das schwarze Getränk die Droge der Industrialisierung.

Die Mithilfe bei der Zurichtung des Menschen auf monotone Fabrikarbeit ist nur eine der vielen dunklen Seiten des Kaffees. Es gibt auch helle. So war das Getränk für die Aufklärung wichtig. Zuvor gingen die Männer in eher dunkle Spelunken, tranken Bier oder Wein, und wenn sie zu viel davon hatten, schlugen sie sich und schliefen danach ein. In der Zeit der Aufklärung aber verbreiteten sich die Kaffeehäuser als Treffpunkte. Dort war man – eben wegen des neuen Modegetränks – hellwach und konzentriert und diskutierte sich die Köpfe heiß. Man versuchte, alles zu begreifen. Das Obskure, das Mythische, das Vage wurden blass und blässer. Damit verloren die Kirchen an Einfluss und mit ihnen die Feudalherren ihre göttliche Legitimation. Maximilien de Robespierre, Jean-Paul Marat und Georges Danton trafen sich in Kaffeehäusern mit ihren Mitstreitern und debattierten über die Grundlagen der Französischen Revolution.

Kaffee hat also auch eine Rolle bei der Geburt der europäischen liberalen Demokratie gespielt. Aber eben genauso bei der Verbreitung des Wirtschaftsliberalismus, der rationalen Produktion und der Ausbeutung von Menschen, die auch Sklaverei einschließt. Dieselben Franzosen, die Ende des 18. Jahrhunderts für die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auf die Straße gingen, hielten gleichzeitig in ihrer Kolonie Saint-Domingue, dem heutigen Haiti, am wahrscheinlich brutalsten Sklavereiregime fest, das es jemals gegeben hat. Saint-Domingue war damals der weltweit größte Kaffeeproduzent.

Kaffee brachte oft den Tod. Schon im US-amerikanischen Bürgerkrieg 1861 bis 1865 verabreichten Generäle ihren Soldaten Kaffee, um sie genau dann in entscheidende Schlachten zu führen, wenn die Koffeinkonzentration in ihrem Blut am höchsten war. In Lateinamerika wurden Indígenas gewaltsam vertrieben, damit auf ihren Ländereien Plantagen angelegt werden konnten. In El Salvador kam es wegen des Kaffees 1932 sogar zu einem Völkermord. In Brasilien wurden für Plantagen große Teile eines Regenwaldgebiets abgeholzt, das fast so groß war wie der Amazonasurwald. Das hat Auswirkungen bis heute. Zum einen fehlt der Welt ein riesiger Speicher für Treibhausgase, zum anderen reagiert die aus dem Gleichgewicht gebrachte Natur mit Überschwemmungen und Erdrutschen. Mit dem Klimawandel werden die Naturkatastrophen dramatischer werden. Die Zukunft des Kaffees sieht mit steigenden Temperaturen und unberechenbareren Niederschlägen immer schwärzer aus. Pilze und Insekten, die die Pflanze bedrohen und schon heute nur mit Mühe unter Kontrolle gehalten werden, können in hochgezüchteten monokulturellen Plantagen ungehindert wüten. Kaffee könnte zu einem knappen Gut werden.

Dieses Buch will die Geschichten des Kaffees erzählen. Der erste Teil schafft dabei die Grundlagen: Was ist eigentlich Kaffee, wie kann er angebaut, wie aufbereitet, geröstet und schließlich getrunken werden. Dabei werden nicht nur verschiedene Methoden vorgestellt, sondern auch ihre Auswirkungen auf den Menschen, die Umwelt und das Klima diskutiert. Der zweite Teil erzählt dann die Geschichte des Kaffees. Sie beginnt in den Wäldern im Hochland von Äthiopien und führt von dort zu den Sufis Arabiens, die das schwarze Getränk als wachmachende Droge in ihren nächtlichen Zeremonien verwendeten. Im Jemen nahmen die Europäer zum ersten Mal die Bohnen wahr und machten sie zu einer Kolonialware, zunächst in Asien, dann in Lateinamerika und der Karibik, mit allen grausamen Begleiterscheinungen des Kolonialismus. Kaffee hat ganze Regionen für die Kolonialmächte sehr wertvoll gemacht. Er hat aber auch ganze Regionen wirtschaftlich und ökologisch zugrunde gerichtet und tut es noch heute. Er ist ein globalisiertes Agrarprodukt und für das Oligopol weniger Großhändler und Großröster ein extrem lukratives Geschäft. Die sozialen Bedingungen der rund 250 Millionen Menschen, die weltweit vom Kaffeeanbau leben, haben sich jedoch seit der Kolonialzeit kaum verändert. Und doch ist die Lage nicht nur düster. Es ist durchaus möglich, Kaffee so anzubauen, aufzubereiten und zu handeln, dass Umwelt und Klima geschont werden und die Menschen, die ihn produzieren, ein würdiges Auskommen haben. Solchem Kaffee wünschen wir einen wachsenden Markt.

Wir, das ist Latinomedia, ein kleines dreiköpfiges Journalismusteam, das seit seiner Gründung 2010 hauptsächlich über Lateinamerika berichtet und Büros in Tübingen und San Salvador unterhält. Cecibel Romero ist von uns dreien dem Kaffee am nächsten. Sie ist nicht nur Journalistin, sondern auch ausgebildete Kaffeeverkosterin, und sie hat zwölf Jahre lang in der Nähe von Juayúa in El Salvador auf einer kleinen Plantage umweltschonend und sozialverträglich Kaffee angebaut. Wegen zunehmender Ernteverluste durch den Klimawandel und wegen der hohen Kriminalität in der Gegend hat sie das Stück Land nach der Ernte 2021/2022 verkauft. Laura Nadolski ist Klima- und Umweltwissenschaftlerin. Als solche brachte sie einen Aspekt in dieses Buch, der für ihre beiden Mitautoren neu war und den wir so oder ähnlich in keinem der vielen Kaffeebücher, die in unseren Regalen stehen, gefunden haben. Toni Keppeler arbeitet seit vier Jahrzehnten über die politische und soziale Geschichte Lateinamerikas und der Karibik. Er hat sich schon mit anderen Pflanzen beschäftigt, die die Wirtschaft dieser Weltgegend prägen, mit Bananen etwa oder mit Koka, aber mit keiner so ausführlich wie mit Kaffee.

Wir haben bei den Recherchen unseren Schwerpunkt beispielhaft auf die lateinamerikanischen Anbaugebiete gelegt. Auf den dortigen Plantagen wachsen über sechzig Prozent des weltweit geernteten Kaffees, bei Arabicas sind es sogar über achtzig Prozent. Ökologische und soziale Sünden, die dort begangen wurden und noch immer werden, kamen und kommen so oder ähnlich auch in den Anbauregionen Afrikas und Asiens vor. Wir haben Dutzende Bücher und noch mehr wissenschaftliche Studien durchgearbeitet. Sie können dem Literaturverzeichnis entnommen werden. Wir haben viele Plantagen besucht, haben mit Kaffeebauern, professionellen Verkostern, Verbandsfunktionären und Historikern gesprochen. Und wir haben über hundert verschiedene Kaffees probiert. Wir hatten dabei Raritäten in der Tasse, die so teuer sind, dass man sie sich nur einmal im Leben leisten kann, aber auch lieblos aufbereitete Massenware, die so schlecht war, dass man sie nur einmal im Leben trinken will. Am Ende war unser Lieblingskaffee derjenige, der es schon am Anfang war: Café Cereza, der Kaffee, den Cecibel Romero angebaut, aufbereitet und geröstet hat. Das hat natürlich mit seiner Qualität zu tun – aber auch mit Gefühlen: Die letzte Ernte geht langsam zur Neige.

Beim Verfassen dieses Buchs haben sich Toni Keppeler, Laura Nadolski und Cecibel Romero aus Gründen der besseren Lesbarkeit für das generische...

Erscheint lt. Verlag 19.7.2023
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abholzung des Regenwalds • Alkaloide • Alltagsdrogen • Anbaugebiet • arabica • Armut • Äthiopien • bio • Café • Ceylon • coffee-table book • El Salvador • Fairer Handel • Fair-Trade • Genussmittel • Guatemala • Haiti • Industrialisierung • Kaffeeanbau • Kaffeebauern • Kaffeebuch • Kaffeeexperte • Kaffeeexpertin • Kaffeegeschmack • Kaffeehäuser • Kaffeemarkt • Kaffeeplantage • Kaffeeproduktion • Kaffeeproduzent • Kaffeerost • Kaffee Sorten • Kaffeeverkoster • Kahlschlag • Kapitalismus • Karibik • Klimaerhitzung • Klimaerwärmung • Klimaforschung • Klimawandel • koffein • Kolonialisierung • Kolonialismus • Kolonialmächte • Kolonialware • Kolonisation • Kolonisierung • Kolumbien • Lateinamerika • Latinomedia • Leistungsgesellschaft • Neokolonialismus • Nicaragua • ökologischer Anbau • Qualitätskaffee • Regenwald • Robusta • Sklaven • Sklavenarbeit • Sklaverei • sozialer umweltverträglicher Handel • Südostasien • Tee • Toni Keppeler • Umweltgeschichte • Umweltzerstörung • Völkermord • Waldkaffee • Zentralamerika • Zwangsarbeit
ISBN-10 3-03973-010-X / 303973010X
ISBN-13 978-3-03973-010-0 / 9783039730100
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