Ehebruch und Gattenmord im frommen Land Tirol -  Peter Rohregger

Ehebruch und Gattenmord im frommen Land Tirol (eBook)

1914 - 1938
eBook Download: EPUB
2023 | 2. Auflage
234 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-3895-9 (ISBN)
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Nicht nur in der Stadt, auch auf dem Land, selbst am abgelegensten Bergbauernhof war das Böse nie fern. Gegen Ehebruch und Mordgedanken half auch der fleißige Kirchenbesuch nicht, und der Herrgottswinkel in der heimischen Stube versagte als geistiges Bollwerk gegen sündiges Denken und Handeln. In der sogenannten "guten alten Zeit", vor einem Jahrhundert, waren Beziehungstaten in Österreich nahezu an der Tagesordnung. Auch in Tirol wurde die "Dorfidylle" immer wieder einmal dadurch verdunkelt, dass ein Gemeindemitglied - ein Nachbar, eine Nachbarin - die moralischen und sittlichen Normen sprengte und selbst vor Mord nicht zurück schreckte, um frei zu werden für den Liebhaber oder die Geliebte - vielleicht auch "nur", um den lästig gewordenen Ehepartner vorzeitig zu beerben. Die spektakulärsten derartigen Verbrechen, die zwischen 1914 und 1938 in Tirol für Furore sorgten, wurden für dieses Buch aus dem Vergessen in das Heute geholt.

Peter Rohregger, Jahrgang 1950, ist ein freischaffender Tiroler Historiker. Ursprünglich kaufmännisch tätig, studierte er im zweiten Bildungsweg Geschichte und Politikwissenschaft. Das Studium an der Universität Innsbruck schloss Peter Rohregger mit dem Magister der Philosophie ab. In seinen bisher erschienenen Büchern beschäftigte er sich mit den Tollheiten und Merkwürdigkeiten des Glaubens, mit den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf lokaler Ebene, mit jenem "Bruderkrieg", der im Jahr 1866 Österreich von Deutschland trennte - sowie mit zahlreichen weiteren geschichtlichen Themen, deren unterhaltsam-informative Aufbereitung das historische Geschehen und den jeweiligen "Zeitgeist" verständlicher macht.

MÜHLBACHL 1922

»Mistvieh erster Klasse«


–––––––––––––––––––––––

Die männersüchtige Bäuerin

Gestern vormittags [29. September] begann vor dem Schwurgericht zu Innsbruck die Verhandlung gegen die des Meuchelmordes angeklagte Bäuerin Johanna Lener aus Mühlbachl im Wipptal, die beschuldigt wird, am 5. Dezember 1921 ihren Mann vergiftet zu haben.

Der Zudrang des Publikums zu dieser Verhandlung ist ein enormer. Als nach der Auslosung der Geschworenen gestern vormittags die Türen des Saales geöffnet wurden, stürzten die Leute, die schon lange Zeit im Hof des Gerichtsgebäudes gewartet hatten, wie eine »wilde Meute« in den Saal, übersprangen die Bänke und stritten und rissen sich um die Plätze. Die Türen mussten später, um eine fortwährende Störung der Verhandlung zu verhindern, abgesperrt werden. Schon nach fünf Minuten wurde in dem starken Gedränge eine greise Frau ohnmächtig und musste weggeführt werden.

Eine mittelgroße bleiche Frau, eine Mutter, die zehn Kindern das Leben schenkte, sitzt auf der Anklagebank. Es ist die 39‐jährige Johanna Lener, geborene Ofner, in St. Jodok gebürtig, nach Mühlbachl zuständig, Witwe, weil sie es selbst so wollte, die Bäuerin vom Rinderberghof, Gemeinde Mühlbachl bei Matrei am Brenner.

Der am 10. September 1873 geborene Franz Lener übernahm Ende August 1909 von seinem Vater Josef den von Matrei eine gute Stunde entfernt liegenden Rinderberghof und verehelichte sich am 10. Jänner 1910 mit der Beschuldigten Johanna Lener, geborene Ofner, die ihr im Jahre 1906 geborenes außereheliches Kind, Marie Ofner, mit auf den Hof brachte und in der Folge noch zehn Kinder, das letzte im Jahre 1918, gebar. Franz Lener hatte zahlreiche Geschwister, von denen die Schwester Antonie bis zum Jahre 1920 auf dem Hof arbeitete, während ihr Sohn Konrad dort weiter verblieb. Der Vater des Franz Lener hielt sich bis zum Jahre 1915 auf dem Rinderberghof auf, zog dann wegen schlechter Behandlung durch die Schwiegertochter zu seiner Tochter Notburga in Vill, kehrte aber bald von Heimweh getrieben wieder in seine alte Heimat zurück und starb dort im Sommer 1917.

Franz Lener ist von seinen Verwandten, Nachbarn und Bekannten, ja von seiner Frau selbst, als ausnehmend braver, ruhiger Mann geschildert, der seelengut und arbeitsfreudig und auch allgemein beliebt war. Er hing mit großer Liebe an seiner Frau, erfüllte alle ihre Wünsche und zeigte sich für jedes gute Wort von ihr dankbar. Die Frau war das gerade Gegenteil. Wie sie selbst zugibt und auch ihre Dienstboten, Bekannten, ja selbst wiederholt ihr Mann sagte, hat sie diesen niemals geliebt und konnte schon im kurzen Brautstand und bei der Hochzeit keine Gefühle für ihn aufbringen. Wie sie selbst sagt, heiratete sie mehr dem Willen ihrer Mutter folgend, während ihre Gedanken bei einem anderen verweilten. In der Folge gestalteten sich die ehelichen Verhältnisse, wie allseits hervorgehoben wird, einzig und allein aus dem Verschulden der Frau immer trauriger und sie machte ihrem Mann das Leben zur Hölle.

Während er sich redlich um das Hauswesen bemühte, unermüdlich arbeitete, auf Ordnung sah und sparsam war, erwies sie sich als unwirtschaftlich, aufgebrezelt, verschwenderisch und unverträglich und kam bald in der ganzen Umgebung in den Ruf eines bösen Weibes, das wohl für sich und andere gut zu sorgen verstand, nur nicht für ihren Mann, als dessen einzigen Fehler man seine allzu große Nachsicht bezeichnet. Selbst die bescheidensten Wünsche ihres Mannes versagten an ihrem Trotz, ja sie schreckte sogar nicht davor zurück, hinter seinem Rücken Intrigen zu spinnen, und männersüchtig, wie sie war, selbst die eheliche Treue in allergröbster Weise zu verletzen. Dies war insbesonders der Fall, seit im Mai 1921 Johann Helfer, ein Brudersohn ihres Mannes, aus russischer Gefangenschaft auf den Rinderberghof zurückkehrte. Helfer war schon als 14‐jähriges Kind vor der Heirat des Bauern auf dem Hof gewesen, hatte diesen jedoch, da das eheliche Verhältnis gleich nach der Hochzeit als ein getrübtes erschien, verlassen und war erst ein Jahr vor dem Einrücken wieder als Knecht auf dem Hof, wo er sofort sah, dass die Eheleute noch immer nicht gut harmonierten. Nunmehr schon zum Mann herangewachsen, wurde Helfer bald von der Bäuerin mit Liebesanträgen verfolgt. Obwohl mit einem braven Mädchen aus Matrei verlobt, ließ er sich bald betören und trat zur Bäuerin in ein ehebrecherisches Verhältnis, das sich bald so offen gestaltete, dass es sogar dem arglosen Bauer auffiel. Im Herbst 1921 kam es deshalb zu einer scharfen Auseinandersetzung, wo der Bauer seine Frau vom Hof jagen wollte und es dieser nur unter Berufung auf ihre Wirtschaftsführung während der Kriegsjahre, da ihr Mann zum Kriegsdienst eingerückt war, gelang, gleiches Recht auf den Hof geltend zu machen. Nach diesem Streit verließ die Bäuerin die gemeinsame Schlafkammer. Auch Helfer wollte jetzt den Hof verlassen und es gelang nur den Bitten des Bauern, der ihn als Arbeitskraft schätzte, ihn zurückzuhalten.

Scheinbar schienen nun die ehelichen Differenzen beigelegt, trotzdem das ehebrecherische Verhältnis fortgesetzt wurde, bis sich Helfer Ende November 1921 zurückzog. Zur gleichen Zeit wurde die Bäuerin zu ihrem Mann auffallend freundlich. Am 30. November 1921 fuhren beide nach Innsbruck, angeblich in der Absicht, nach Absam zu wallfahren, welcher Plan aber abgeändert wurde, worauf die beiden Eheleute nach Steinach zu Gericht fuhren, wo mit Bezug auf das eheliche Verhältnis der sogenannte Einstand der Bäuerin in das Vermögen des Mannes zum vierten Anteil erfolgte. Der Übergabevertrag erfolgte schenkungsweise und wurde noch am gleichen Tag bewilligt.

Wenige Tage später, am 5. Dezember 1921 um 7 Uhr abends, starb Lener, ein bisher kerngesunder und in den besten Jahren stehender Mann, plötzlich an Gift. Die Ereignisse dieses Tages und des Vortages waren folgende: Sonntag, den 4. Dezember, wollte Johanna Lener, die Bäuerin, mit ihren Verwandten ins Theater nach Matrei gehen, als plötzlich der Bauer aus seiner Schlafkammer trat und über großes Übelsein klagte, weil er ein auf dem Ofen gefundenes Butterbrot gegessen habe, das einen ganz hantigen Beigeschmack hatte, wodurch er auf einmal große Kopfschmerzen und Schwere in den Füßen verspürte. Diesen Mitteilungen wurde speziell von Seiten der Bäuerin keine Bedeutung beigemessen. Man ging ins Theater. Der Bauer blieb zurück. Am Weg wurde der Plan abgeändert, man suchte ein Wirtshaus auf und kam um 10 Uhr nach Hause. Die Bäuerin gab ihrem Knecht Helfer und ihrem Pflegesohn Konrad Lener sowie ihrer außerehelichen Tochter Marie Ofner noch Milch und Brot und ging dann unter dem Vorwand, dass es in der Wohnstube zu kalt sei, zum Ofen. Plötzlich hörten sie in der Stille der Nacht im Stockwerk über sich, wo der Bauer schlief, ein Geräusch und Schreien. Doch die Bäuerin, die sonst immer gut hörte, wollte von diesen merkwürdigen Geräuschen nichts gehört haben, als ihre Verwandten sie darauf aufmerksam machten und zeigte sich darüber nur sehr erschrocken. Auf einmal war es ihnen, als wenn jemand oben aus dem Bett falle. Die zwei Männer wollten hinaus und hinauf, doch die Bäuerin verlegte sich aufs Bitten und versperrte ihnen den Ausgang, indem sie den Männern vormachte, dass Einbrecher da seien, bis auch die starken Bauern die Schneid verloren. Die Bäuerin schlief vor lauter Angst auf den Brettern eines Bettes während der ganzen Nacht mit den Männern in einem Raum. Am Morgen des nächsten Tages forderte sie ihren Pflegesohn auf, die Tür der Wohnstube zu öffnen, wo der Bauer noch etwas schwindlig, ansonsten ganz munter beim Tisch saß und ihnen erklärte, wie schlecht es ihm in der Nacht ergangen sei. Dass er nämlich von plötzlichem Unwohlsein erfasst worden und aus dem Bett gefallen sei.

Der Bauer tat während des Tages seine gewohnte Arbeit und fütterte abends noch das Vieh. Darauf setzte er sich zu seiner Frau in die Küche, die ihm Krapfen und Kaffee vorsetzte. Nach dem Genuss des Kaffees sagte der Bauer, dass es ihm nun gerade so schlecht werde, wie am Vortag und der Kaffee auch denselben bitteren Beigeschmack habe, wie das Butterbrot.

Die Frau, die nun auf einmal sehr besorgt wurde, drückte ihrem Mann ein wenige Tage vorher geweihtes Sterbekreuz in die Hand und sprach ihm Sterbegebete vor. Sie rief ihre Verwandten herbei. Franz Lener rührte sich aber nicht mehr. Die Bäuerin ging dann mit den anderen fort, um ihre übrigen Verwandten zu verständigen, ohne sich um ihren Mann umzuschauen. Nachdem alle das Haus verlassen hatten, blieb nur noch der elfjährige Sohn Siegfried zurück, der den Vater noch Husten und die Worte sprechen hörte: »Mein Gott verzeih mir.« Der Sohn zog den Vater, der unter dem Ofen lag, hervor, konnte aber nun kein Lebenszeichen mehr bemerken. Auf dem Weg nach Matrei soll die Bäuerin den Sachverhalt erzählt haben und als die Verwandten dem Arzt vom Tod...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7578-3895-5 / 3757838955
ISBN-13 978-3-7578-3895-9 / 9783757838959
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