Putins Helfer (eBook)

Spiegel-Bestseller
Die Hintermänner der russischen Diktatur

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
279 Seiten
Quadriga (Verlag)
978-3-7517-4851-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Putins Helfer -  Guido Knopp
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Über zweieinhalb Jahrzehnte nach seinem Welt-Bestseller HITLERS HELFER porträtiert Guido Knopp in seinem neuen Buch nun die Mächtigen eines Reiches, das den Frieden in Europa mehr denn je bedroht: PUTINS HELFER. Sie halten ihren Herrscher an der Macht und profitieren allesamt von ihm. Es sind Oligarchen wie Roman Abramowitsch, die von der Nähe zum Diktator profitieren; routinierte Apparatschiks wie Sergej Lawrow, die als Sprachrohr ihres Herrn zu dienen haben - oder Kyrill der Erste, der als Patriarch von Moskau seine Kirche zum Erfüllungsgehilfen einer Diktatur macht. Sie alle sind die Träger einer Tyrannei, die sich längst nicht nur nach innen richtet, sondern mittlerweile auch nach außen.



<p><strong>Prof. Dr. Guido Knopp</strong>war jahrzehntelang der Chefhistoriker des ZDF. Er gilt als der wohl populärste Historiker Deutschlands. Sein Name ist untrennbar verbunden mit erfolgreichen TV-Formaten wie<i><b>DIE DEUTSCHEN</b></i>,<i><b>HISTORY</b></i>und<i><b>HITLERS HELFER</b></i>, die allesamt auch internationale Buch-Bestseller wurden. Er ist zudem erfolgreicher Publizist und Fernsehmoderator. Vor allem durch seine Einschätzungen zu zeitgeschichtlichen Themen, wird er gerne als kompetenter Experte befragt.</p>

Prof. Dr. Guido Knopp war jahrzehntelang der Chefhistoriker des ZDF. Er gilt als der wohl populärste Historiker Deutschlands. Sein Name ist untrennbar verbunden mit erfolgreichen TV-Formaten wie DIE DEUTSCHEN, HISTORY und HITLERS HELFER, die allesamt auch internationale Buch-Bestseller wurden. Er ist zudem erfolgreicher Publizist und Fernsehmoderator. Vor allem durch seine Einschätzungen zu zeitgeschichtlichen Themen, wird er gerne als kompetenter Experte befragt.

Der Schattenkrieger


Da steht er, haarlos, angetan mit einem erdbraunen Kampfanzug, auf dem Appellhofplatz inmitten eines russischen Straflagers in der Oblast Mari El. Um sich Gefangene: Mörder, Diebe, Vergewaltiger. Es ist Jewgeni Prigoschin, Chef der ominösen »Gruppe Wagner«. Er braucht Rekruten, Nachschub für die Front in der Ukraine, denn da bröckelt es. Er verspricht den Männern, die ihm lauschen, fast Unglaubliches: die Freiheit – wenn sie sich verpflichten, ihm und seiner Gruppe nur ein halbes Jahr zu dienen. Jeden Monat gibt es einen Sold im Wert von 1000 Dollar, mindestens, beim Einsatz noch ein bisschen mehr. Und natürlich gebe es, so tönt Prigoschin, Regeln: Alkohol und Drogen seien verboten, Vergewaltigungen auch – wobei er gleich selber einschränkt: »Doch Fehler passieren!« Am wichtigsten aber sei: »Wer desertiert, wird erschossen!« Er beschließt den Appell mit den Worten: »Der dritte Weltkrieg ist ausgebrochen. Ihr habt jetzt die Chance, euch aufseiten Russlands daran zu beteiligen!«

Es war ein weiter Weg von jenem Mann, der nach neun Jahren Haft wegen Raubüberfällen und der Beihilfe zu Kinderprostitution 1990 das Gefängnis in Leningrad verließ (noch hieß die Stadt so), hin zu jenem Milliardär, der mit Rückendeckung seines Präsidenten höchstpersönlich Kämpfer rekrutierte.

Jewgeni Prigoschin stammt aus einer armen Familie und wollte eigentlich Profi-Skifahrer im Langlauf werden. Doch in seinen Zwanzigern geriet er auf die schiefe Bahn und wurde 1981 zu 13 Jahren Haft verurteilt, von denen er neun absaß. Mit einigen Kumpanen hatte er mit gerade 18 Jahren eine Frau überfallen, um ihre Stiefel und goldenen Ohrringe zu stehlen.

Die Jahre in der Unterwelt von Leningrad und mehr noch im Gefängnis haben ihn geprägt. Auch wenn er selbst kein ausgesprochener Mafioso war, so wusste er doch, wie man, ohne bei der Staatsmacht anzuecken, in der wilden Jelzin-Zeit Geschäfte machen kann.

Und das tat er. Es waren die Jahre eines ungehemmten Kapitalismus. Prigoschin verkaufte Hotdogs und eröffnete mehrere Imbissbuden. »Den Senf haben wir bei mir in der Küche gemischt, dort hat Mama auch die Einnahmen gezählt, im Monat habe ich 1000 Dollar verdient, das war ein ganzer Berg an Rubeln«, erinnert sich Prigoschin in dem einzigen Interview, das es dazu von ihm gibt, an diese Zeit. In dem Milieu aus Sicherheitsmilizen, Mafiabossen, Geheimdienstlern, Spionen und Ex-Sträflingen fühlte sich Prigoschin wohl. Später war er dann mit alten Kumpels aus dem Knast in der St. Petersburger Glücksspielszene tätig. In der Stadtverwaltung für die entsprechenden Lizenzen zuständig: Wladimir Putin. Denn der war in seiner Eigenschaft als stellvertretender Bürgermeister der Millionenstadt bestrebt, den Zufluss von sogenanntem Schattengeld für die Bedürfnisse des Bürgermeisteramts zu sichern. Das Wirtschaftsleben von St. Petersburg wurde in jener Zeit zu mindestens zwei Dritteln von der organisierten Kriminalität kontrolliert. Und die staatlichen Behörden passten sich der Lage an. Dabei kam es zu Dienstleistungen, die damals üblich waren, zum Beispiel der Verkauf von Antiquitäten zu vielfach überhöhten Preisen. Das lief folgendermaßen ab: Ein Unternehmer wollte einen lukrativen Auftrag von der Stadt. Der Beamte gibt ihm beiläufig die Visitenkarte eines ganz bestimmten Antiquitätengeschäfts, das zufälligerweise einem guten Freund von Putin gehörte: Ilja Traber, genannt »Der Antiquar«. Der Unternehmer kauft dort für eine Million Dollar einen einzigartigen Tisch aus der Zeit der Zarin Katharina. Tatsächlich war es ein sowjetisches Modell für vielleicht 60 Dollar. Doch das war egal. Denn nun erhielt der Unternehmer vom Bürgermeisteramt der Stadt St. Petersburg eine Lizenz, deren Wert den des Tisches aus der Zeit der Zarin Katharina um ein Mehrfaches überstieg.

Wir dürfen also annehmen, dass die segensreiche Verbindung zweier ehrgeiziger Männer schon in den 1990er-Jahren begann. Gesichert ist, dass Prigoschin mithilfe diverser Investoren bald ein richtiges Lokal aufmachte, das binnen kurzer Zeit zu einem Hotspot in St. Petersburg geriet: Staraja Namoschnja, die Alte Zollstation, direkt gegenüber der Kunstkammer. Das erste Edelrestaurant der Newa-Metropole. Ein Restaurant der Extraklasse für Kunden, die es nach Prigoschins Worten leid waren, immer nur Schnitzel mit Wodka zu bestellen. Im Herbst 2002 habe ich es selbst einmal besucht. Es war nicht Michelin-verdächtig, aber doch sehr gut. Noch exklusiver geriet Prigoschins zweites Restaurant, das er auf einem Schiff vor den Ufern der Newa eröffnete: New Island.

Und es war ein Glücksfall für den vormaligen Sträfling, dass im Jahre 2000 der frischgebackene Präsident Wladimir Putin zusammen mit dem japanischen Premierminister Mori dieses Restaurant besuchte und Gefallen an dem dienstfertigen Inhaber fand. Denn, so der später inhaftierte Oppositionelle Alexej Nawalny, »der Chef bewirtete Putin persönlich und zog so Aufmerksamkeit an. Er freundete sich zunächst mit Putins Fahrer an, dann mit dessen Leibwächter, und dann wurde er so eine Art Hofnarr«. Prigoschin selbst beschreibt es etwas anders: »Er hat gesehen, dass ich mich nicht scheue, den hohen Gästen persönlich die Teller zu reichen, waren sie doch bei mir zu Gast.«

Von da an lief es bestens für Prigoschin: Putin schleppte weitere Staatsgäste wie Jacques Chirac und Georges W. Bush mit in die Alte Zollstation und erteilte dem eifrigen Helfer den lukrativen Auftrag, Feste für ihn selbst auszurichten. So entstand der Spitzname, mit dem sich unser Held sprichwörtlich machte: Putins Koch.

Denn nun erhielt der Koch, an dem der Präsident Gefallen gefunden hatte, so viele Aufträge, dass er ein eigenes Unternehmen gründete: die Concorde AG. Erst wurde er damit wohlhabend, nach ein paar Jahren steinreich. Denn er sammelte die öffentlichen Aufträge wie schlichtere Gemüter Briefmarken. Er bewirtete in St. Petersburg nicht nur weitere Staatsgäste Putins, sondern durfte sogar das Geburtstagsfest des Präsidenten kulinarisch ausrichten. Und die Concorde AG bekam immer mehr lohnende Aufträge von staatlichen Behörden – nicht nur etwa für das neu geschaffene St. Petersburger Wirtschaftsforum, sondern auch für Schulen, Kindergärten und Kasernen. So wurde Prigoschin gleichsam zum Proviantmeister der russischen Streitkräfte. Zu Beginn der 2010er-Jahre lieferten seine mittlerweile 22 Firmen 90 Prozent der Verpflegung an die Kasernen. Das waren Aufträge im Wert von über einer Milliarde Dollar jährlich. Und unser Held verpflegte darüber hinaus nicht nur den nationalen Katastrophenschutz (der unterstand bekanntlich Schoigu), sondern auch die kommunale Wohnungsverwaltung in Hunderten von russischen Garnisonsstädten, später auch die Krankenhäuser. Und schließlich landeten selbst die Aufträge zum Bau neuer Garnisonsstädte ausschließlich bei Prigoschin. Der damals noch nicht inhaftierte Oppositionelle Alexej Nawalny befand: »Er ist der wichtigste Mann für die russische Armee nach dem Verteidigungsminister.« Da war Prigoschin längst schon Milliardär.

Die Qualität der Verpflegung für öffentliche Einrichtungen war freilich häufig unterirdisch. Prigoschins Firmen lieferten nicht nur die Nahrungsmittel, sondern bereiteten diese auch zu und stellten sie als Mahlzeiten bereit. Lebensmittelkontrolleure fanden immer wieder Verstöße wie zu geringe Mengen, abgelaufene Produkte oder vielfach billige Ersatzstoffe. Und das waren noch die ungefährlicheren Missetaten. So fanden sich in den Portionen von Prigoschin gefährliche Bakterien wie Escherichia coli, Staphylococcus aureus und Salmonellen, aber auch Würmer, Käfer, Schaben sowie Plastikteile und menschliche Haare. Bei Kontrollen von Prigoschin-Betrieben seien zudem völlig verdreckte Küchen, Köche ohne Gesundheitszeugnis und falsch gelagerte Lebensmittel entdeckt worden, schrieb ein noch unabhängiges russisches Internetportal. Tausende von Kindern, Soldaten und Krankenhauspatienten erkrankten so im Lauf der Jahre. Einen ausgewachsenen Skandal erregten Prigoschins Firmen im Dezember 2018, als in sieben Moskauer Kindergärten die Ruhr ausbrach. 127 Kinder fingen sich die schwere Durchfallkrankheit ein, nachdem sie Hüttenkäse gegessen hatten. Im Januar 2019 erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow die Epidemie für beendet. Sanktionen für Prigoschin gab es nicht. Der Mann war offenkundig sakrosankt.

Wir dürfen wohl mit Recht vermuten, dass Putins Koch bei der Vermehrung seines Wohlstands zweigleisig fuhr. Öffentliche Massenverpflegung so billig herzustellen, dass in der Summe möglichst viel Profit heraussprang – auf Kosten der Qualität und letztlich der Gesundheit.

Auf der anderen Seite hatte er den Ehrgeiz, bei besonderen Events das Beste vom Besten aufzutischen. Denn da ging es um das Essen der Elite. Und so gelang es ihm zum Beispiel, das einzig lizenzierte Restaurant im russischen Parlament zu begründen.

Inzwischen war der Koch so reich geworden, dass er nun die Vollendung seines Privatlebens vorantrieb. Mittlerweile hatte er eine junge Apothekerin geheiratet, Lyubov Prigoschina, die ihm zwei Kinder gebar: Polina und Pawel. Auch die Ehefrau erwies sich als geschäftstüchtig. Sie erwarb, wohl mit den Mitteln ihres Mannes, eine Kette von Boutiquen in St. Petersburg, errichtete dort ein »Schokoladenmuseum«, kaufte ein Wellnesscenter und besitzt ein populäres Boutique-Hotel: das »Crystal Spa and Residence«, das 2013 den...

Erscheint lt. Verlag 29.9.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abramowitsch • Angriff • Angriffskrieg • Diktatur • Finanzier • Fluch • Geheimdienst • Gewalt • Historiker • Hitlers Helfer • Iwanow • KGB • Kleptokratie • Korruption • KPdSU • Krieg • Kyrill1 • Lawrow • Macht • Medwedjew • Milliardäre • Millionäre • Moskau • Panzer • Patriarch • Politik und Gesellschaft • Prigoschin • Raketen • Russisch Orthodoxe Kirche • Scharfmacher • Schoigu • Solowjow • Straflager • Technologie • Tote • Truppen • Ukraine • Waffen • Wagner • Widerstand • Wladimir • ZDF • Zerstörung
ISBN-10 3-7517-4851-2 / 3751748512
ISBN-13 978-3-7517-4851-3 / 9783751748513
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