Die Pionierinnen des Internets (eBook)

Die unbekannte Geschichte der Frauen des digitalen Zeitalters
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
320 Seiten
REDLINE Verlag
978-3-96267-518-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Pionierinnen des Internets -  Claire L. Evans
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Die Frauen, die unsere digitale Welt erschaffen haben Das Internet ist eine der größten Errungenschaften der Menschheit und verändert unsere Gesellschaft tiefgreifend. Doch die wenigsten kennen die Frauen, die hinter dieser technischen Revolution stehen. Claire Evans erzählt erstmalig die faszinierenden Geschichten von den Pionierinnen, die die digitale Revolution mitgestaltet und vorangetrieben haben. Von Ada Lovelace, die als die Erfinderin der Computerprogramme gilt, von Programmiererinnen, die im Zweiten Weltkrieg kriegswichtige Rechenmaschinen bedienten, Internetpionierinnen wie Grace Hopper und Elizabeth Feinler, die die Grundlagen für die Vernetzung der Welt schufen, bis hin zu Frauen wie Sadie Plant und Stacy Horn, die bis heute für mehr Gerechtigkeit und Freiheit im Netz kämpfen. Dieses Buch ist eine Hommage an die weiblichen Visionärinnen der Technik, die zeigen, dass das Internet zu keiner Zeit eine Männerdomäne war!

Claire L. Evans ist Schriftstellerin, Musikerin und Gründerin von Terraform, dem Science-Fiction-Vertical von VICE. Sie schrieb für Motherboard und National Geographics populärwissenschaftlichem Blog Universe. Heute schreibt sie außerdem für VICE, The Guardian, WIRED u.a. und berät Designstudenten am Art Center College of Design.

Claire L. Evans ist Schriftstellerin, Musikerin und Gründerin von Terraform, dem Science-Fiction-Vertical von VICE. Sie schrieb für Motherboard und National Geographics populärwissenschaftlichem Blog Universe. Heute schreibt sie außerdem für VICE, The Guardian, WIRED u.a. und berät Designstudenten am Art Center College of Design.

KAPITEL DREI
UNBESCHWERTE ZEITEN


Der Zweite Weltkrieg war ein Technologiekrieg. Die Beziehungen zwischen Regierung, Privatwirtschaft und der akademischen Welt waren geknüpft worden, um Amerika einen Vorsprung vor den Achsenmächten zu verschaffen. Sie brachten ein militärisch-industrielles Konglomerat hervor und finanzierten eine ganze Generation von technologischen Innovatoren in diesem Prozess. Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Computertechnik so schnell als Fachgebiet oder als Industrie entwickelt hätte, ohne die komplexen Berechnungen, die die Kriegsmaschinerie erforderte. Der Krieg machte es lohnenswert, Risiken einzugehen und beschleunigte alles. Er ließ auch Frauen in dem Prozess zu. Männer haben zwar Bomben abgeworfen, aber es waren Frauen, die ihnen sagten, wo sie es tun sollten.

Eigentlich fühlt es sich falsch an, einen Krieg als Chance zu betrachten und etwas Positives daran zu finden, vor allem einen so hässlichen. Aber die Arbeit an militärischen Berechnungen während des Zweiten Weltkriegs ermöglichte es Betty Jean Jennings, Betty Snyder, Grace Hopper und ihren Kolleginnen, mehr aus ihrem Leben zu machen, als nur zu unterrichten, zu heiraten oder Sekretärin zu werden. Sie eröffnete den Frauen ein völlig neues technisches Betätigungsfeld, dessen Bedeutung erst sichtbar wurde, nachdem sie gezeigt hatten, welch bemerkenswerte Dinge durch das Zusammentreffen von Mensch und Computer erreicht werden konnten. Aber Wandel ist nie ganz unkompliziert. So einfach wie der Krieg diesen Frauen einen Ausweg aus möglicherweise langweiligen Ehen und aussichtslosen Sekretariatskarrieren bot, so leicht drohte der Frieden, ihnen all das wieder zu nehmen.

Nach dem Krieg, als die militärischen Mittel versiegten und die Zuständigkeit für Computerprojekte wieder in zivile Hände überging, befand sich Grace Hopper an einem Scheideweg. In kurzer Zeit war sie zu einer Expertin in einem aufstrebenden Bereich geworden, aber sie hatte auch viele Opfer gebracht. Obwohl sie und Vincent seit Kriegsbeginn getrennt lebten, ließen sie sich erst 1945 scheiden. Er heiratete sofort wieder1 – eine Freundin von Grace, die bei ihrer Hochzeit Brautjungfer gewesen war. Das war für sie bestimmt nicht einfach. Sie war 39, und nach allem, was sie durchgemacht hatte, konnte sie nicht darauf hoffen, wieder wie früher Studenten in Analysis zu unterrichten und das bequeme Leben einer Kleinstadt-College-Professorin zu führen. Als die vom Kriegsdienst heimkehrenden Soldaten ihren Platz in der amerikanischen Gesellschaft zurückeroberten, kehrten viele Frauen um Grace in ihre Vorkriegsrollen zurück. Sogar einige der sechs ENIAC-Frauen wurden zu Hausfrauen. Als Frau, die alles hinter sich gelassen hatte, um Karriere an der doppelt männerdominierten Schnittstelle zwischen Militär und akademischem Leben zu machen, war Grace nervös.

Howard Aiken verschaffte den Angestellten des Computerzentrums durch seine Arbeit während des Krieges eine Verlängerung ihrer Anstellung in Harvard, und er behielt Grace, die für den Betrieb des Rechenzentrums unentbehrlich war, drei weitere Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin. In ihrer neuen Funktion war Grace nicht mehr für das Programmieren zuständig. Stattdessen unterstützte sie Aiken und schrieb ein Benutzerhandbuch für den Mark II, wofür sie – wie schon beim ersten Handbuch – keinerlei Unterstützung erhielt. Sie leitete Führungen durch die Anlage und erklärte angesehenen Besuchern die vielen Anwendungen der einst geheimen Rechenmaschine. Aiken versuchte den Eindruck aufrechtzuerhalten, dass das Computerzentrum dringend notwendig war, aber die Zeiten waren nicht mehr dieselben; er versuchte, in der Zeit des hart erkämpften Friedens, eine Atmosphäre des Krieges aufrechtzuerhalten. Das verlieh dem Alltag dort einen leicht sadistischen Anstrich. Grace war schon immer Gelegenheitstrinkerin gewesen, aber als sie sah, wie ihre Bedeutung dahinschwand, trank sie auch während der Arbeit und bewahrte einen Flachmann in ihrem Schreibtisch auf. 1949 lief der Vertrag von Harvard mit der Marine aus. Aiken, der eine feste Anstellung hatte, blieb, aber die Universität bot Frauen keine Weiterbeschäftigung oder Beförderung an, und so verlor Grace, die mit Abstand die führende nationale Expertin für das Programmieren von Computern war, ihren Job in dem Rechenzentrum, das sie jahrelang geleitet hatte. »Meine Zeit war abgelaufen«,2 sagte sie.

Das ENIAC-Rechenzentrum in Penn gab es ebenfalls nicht mehr. Der Computer selbst wurde zum Aberdeen Proving Ground gebracht – man musste eine ganze Wand des Moore-Schulgebäudes herausreißen, um ihn zu entfernen –, und schließlich arbeiteten sieben weitere Frauen am ENIAC in Aberdeen, wo er bis zu seiner Stilllegung im Jahr 1955 lief. Die sechs ENIAC-Frauen, die in den nächsten Lebensabschnitt wechselten, sollten ihren Namensgeber nie wieder programmieren.

Während des Krieges hatte es keine Rolle gespielt, wem der ENIAC gehörte. Er war mit Geldern der Armee gebaut worden und wurde im Dienst der Armee betrieben. Nach dem Krieg wurde die Notwendigkeit des Computers jedoch anfechtbar. Eckert und Mauchly wollten ihre Erfindung patentieren lassen, aber die Universität verlangte alle möglichen Lizenzen und Unterlizenzen für ihren Entwurf sowie die Rechte an jeder Maschine, die sie danach bauen wollten. Penn bot ihnen eine Festanstellung im Austausch gegen eine Patentfreigabe an, doch die beiden Ingenieure wollten nicht für den Rest ihrer Karriere an die Universität gebunden sein. Eckert und Mauchley beschlossen, den ENIAC abzuschreiben, ihre Verluste zu begrenzen und sich selbstständig zu machen.

Sie gründeten 1947 ihr eigenes Unternehmen, die Electronic Control Company, die später in Eckert-Mauchly Computer Corporation (EMCC) umbenannt wurde. Ihre Büros in der Ridge Avenue in Philadelphia waren nichts Besonderes: Sie befanden sich in einer alten Trikotagefabrik ohne Klimaanlage und waren ausgestattet mit ein paar Reihen von Holzschreibtischen, die jemand in einem Secondhand-Laden gekauft hatte. Direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ein Schrottplatz. Auf der anderen Seite des Gebäudes war der Friedhof von Mount Vernon. Wenn der Computer nicht funktionierte, scherzte Grace Hopper, konnten sie ihn aus einem Fenster auf den Schrottplatz werfen und dann aus dem anderen springen.3

Uns sind heutzutage zahlreiche Geschichten vertraut von jungen, unternehmungslustigen und risikobereiten Technologie-Freaks, die auf eigene Faust loslegen, um die Welt zu verändern. Jede Silicon-Valley-Geschichte, die von der Garage zum Reichtum führt, scheint in etwa dem gleichen Muster zu folgen. Aber die Eckert-Mauchly Computer Corporation war zur damaligen Zeit das erste kommerzielle Computerunternehmen der Welt. Bis zur Gründung von EMCC waren Computer Einzelstücke, die speziell für Kriegszwecke gebaut wurden: für Berechnungen zu Ballistik, Code-Entzifferung und zur Strömungsdynamik von Atombomben. Doch für Computer gab es in der Wissenschaft und in rechenintensiven Branchen wie der Luftfahrt einen gewaltigen potenziellen Markt.4 Für große Unternehmen konnten sie Probleme der Buchhaltung und Gehaltsabrechnung blitzschnell lösen. Eckert und Mauchly waren nicht die Einzigen, die das enorme kommerzielle Potenzial von Computern erkannten, aber sie gehörten zu den ersten, die die standardisierte Produktion von Computern in größeren Stückzahlen ausprobierten. Als Erbauer des inzwischen weltberühmten ENIAC hatten sie dafür die besten Voraussetzungen.

Die EMCC erhielt schon früh wichtige Aufträge: Das Statistische Bundesamt, das Institut für Nationale Standards, Northrop Aviation (ein führender amerikanischer Flugzeughersteller) und der Army Map Service (die kartografisches Material produzierten) – sie alle wollten ihre eigene Version des ENIAC. Jede Installation musste an die spezifischen Bedürfnisse des Kunden angepasst werden, zusammen mit Systemen, Dienstleistungen und Support. Software gab es noch nicht von der Stange – es gab nicht einmal ein Wort dafür –, sodass EMCC Programmierer brauchte. Glücklicherweise waren die besten der Welt ihre ehemaligen Kolleginnen an der Moore School – Betty Snyder, Betty Jean Jennings und Kathleen »Kay« McNulty und die Grande Dame des Codes selbst, Grace Hopper, die nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes in Harvard nach einer neuen Aufgabe suchte. Eckert und Mauchly waren klug genug, sie alle einzustellen.

In ihren ersten Jahren war die Eckert-Mauchly Computer Company ein Anachronismus. Umgeben von Unternehmensgiganten war EMCC ein kleines, technisches Start-up-Unternehmen, das die modernsten Computer der Welt baute. Die Computer liefen alle mit maßgeschneidertem Code, der von talentierten Programmiererinnen geschrieben wurde, die die Softwareentwicklungsteams leiteten. Betty Jean Jennings erinnerte sich an diese magische Zeit. »Ich habe es geliebt«, schrieb sie, »und ich habe mich nie wieder so lebendig gefühlt. Wir haben ständig gearbeitet. Wir kamen früh. Wir legten Besprechungen in die Kaffee- und Mittagspausen. Wir machten Überstunden.«5 Es gab keine formellen Titel und die Abteilungen waren durchlässig. Die Leute arbeiteten direkt miteinander, wenn es die Projekte erforderten. Es gab keine starren Hierarchien, keine Bürokratie. Jeder kümmerte sich um die anliegenden Probleme und ergriff die Initiative, wo immer sie hinführte. »Tatsache ist«, so Betty Snyder, »dass wir alle so sehr an das glaubten, was wir taten, dass wir zusammenarbeiteten, das war alles.«6

Die beiden Gründer waren bei ihren weiblichen Mitarbeitern sehr beliebt und wurden bewundert, weil sie gute Lehrer waren, zuhörten und Visionen hatten. Wenn John Mauchly Kunden traf, konnte er auf der Stelle neue...

Erscheint lt. Verlag 17.9.2023
Übersetzer Christina Hackenberg, Sigrid Schmid
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Biografien • Branche • Computer • Denkmal • Domäne • Dominanz • Erfindungen • Frauen • Geschichte • Gesellschaft • Informatik • inspierierend • Internet • IT • Karrieren • Leben • Männersache • Perspektive • Programm • Programmieren • Prominent • Technik • Technologie • unsichtbar • Weiblich
ISBN-10 3-96267-518-3 / 3962675183
ISBN-13 978-3-96267-518-9 / 9783962675189
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