Ich. Will. Gefallen (eBook)

Der Preis, den Frauen zahlen, um gut genug zu sein | Wege aus dem Patriarchat
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
416 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-21770-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich. Will. Gefallen -  Elise Loehnen
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»Ich strengte mich so sehr an, gut genug zu sein. Mein ganzes Leben lang hatte ich versucht, gut genug zu sein. Ich gönnte mir keine Pause, sorgte hingebungsvoll für meine Familie, für Kolleginnen und Freunde. Ich kontrollierte meinen Körper, damit er in eine bestimmte Kleidergröße passte, achtete darauf, meine Gefühle im Griff zu haben. Was würde passieren, wenn ich mit all dem einfach aufhörte? Ich wusste keine Antwort, aber ich beschloss, es herauszufinden. Ich wusste, das würde mich eine Menge kosten. Aber es würde mir auch mein Leben zurückgeben.« Podcasterin und Bestseller-Autorin Elise Loehnen schreibt ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen über Eigenschaften und Verhaltensweisen, die bei Männern auf Zustimmung stoßen, bei Frauen jedoch sozial nicht anerkannt werden. Sie nennt sie die 7 Todsünden moderner Frauen: - Faulheit - Neid - Hochmut - Völlerei - Gier - Lust - Traurigkeit Ein kluges und unverzichtbares Buch, das zeigt, wie sehr unser Verhalten kulturell vorprogrammiert ist - und wie es Frauen gelingt, diese Programmierung zu ändern. Elise Loehnen ruft ihre Leserinnen dazu auf, ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen und für sich zu erkennen, wann sie aus dem Wunsch heraus handeln, anderen zu gefallen. Eine Ermutigung an alle Frauen, auszubrechen aus starren sozialen Normen und ihr authentisches weibliches Selbst zu leben.

Einführung


Genesis

Ende 2019 habe ich fast einen ganzen Monat lang hyperventiliert. Ich konnte keinen einzigen tiefen Atemzug nehmen, ohne zu gähnen, weil paradoxerweise meine Lunge mit Sauerstoff übersättigt waren. Die Hyperventilation ist ein klassisches Missverständnis zwischen Körper und Gehirn, das ich immer wieder erlebe, seit ich ungefähr zwanzig war. Als das zum ersten Mal passierte, fuhr ich gleich in die Notaufnahme. Ich dachte, mein letztes Stündlein habe geschlagen und ich müsste unverzüglich intubiert werden. Der Arzt aber meinte nur, das alles spiele sich bloß in meinem Kopf ab, klopfte mir auf die Schulter und schickte mich mit einem Alprazolam-Rezept nach Hause. Doch diese jüngste Attacke war anders. Sie hörte auch nicht auf, wenn ich mich mal ausschlief. Auf Koffein zu verzichten half kein bisschen. Ich kämpfte und litt, gähnte mich durch Meetings, Interviews und Mahlzeiten. Es ist eine merkwürdige Erfahrung, äußerlich total ruhig, ja fast schläfrig zu wirken, während sich innerlich die Angst aufbäumt. Ich fühlte mich ein wenig wie eine Ente, die unter der Wasseroberfläche verzweifelt mit den Füßen strampelt, während sie elegant über den See zu gleiten scheint.

In jenem Monat saß ich in der Praxis meines Therapeuten und brach erschöpft in Tränen aus.

»Ich habe das Gefühl, keine Luft zu kriegen«, sagte ich.

»Ich weiß«, antwortete er.

»Als würde ich ersticken, als wäre ich lebendig begraben.«

»Wo spüren Sie das im Körper?«

»Es fühlt sich an, als säße mir etwas auf der Brust und ich kann es nicht abschütteln, egal, was ich mache.«

»Das klingt wirklich beängstigend.«

Eine Weile saßen wir schweigend da.

»Ich bin einfach so unendlich müde. Ich verstehe das auch nicht. Ich versuche ja, alles richtig zu machen, perfekt zu sein. Alles zu sein für jeden Menschen.« Ich atmete ein. »Warum reicht das nicht, um mir Raum zu verschaffen? Was kann ich denn noch tun, damit das aufhört?« Pause. Dann fragte ich: »Wissen Sie, was das ist?«

»Nein«, sagte er. »Aber ich verstehe, warum Sie das unbedingt herausfinden wollen.«

»Ist es die Last meiner unrealistischen Erwartungen?«, fragte ich. »Mache ich mir selbst zu viel Druck? Beides hört sich für mich unsinnig an, aber Sie kennen mich ja doch recht gut.«

Er sah mich an. »Ja, ich glaube, dass Sie versuchen, irgendeinem heiligen Ideal gerecht zu werden. Aber ich glaube, das geht tiefer. So als würden Sie sich geliebt und wertgeschätzt fühlen, wenn Sie nur gut genug sind.«

Diese Bemerkung traf mich mitten ins Herz.

»Was sitzt denn da auf meiner Brust?«

»Das, was Ihnen sagt, dass Sie eben nicht gut genug sind.«

Nach unserer Sitzung blieb ich im Auto sitzen. Ich spürte, wie eine urtümliche Wut in mir aufstieg, etwas Rebellisches, Verärgertes. Ich wollte ja gut sein. Ich hatte immer versucht, gut zu sein. Ich habe mich dafür abgeschuftet. Ich habe mich pflichtgemäß um Familie, Freunde und Kollegen gekümmert. Ich bestrafte meinen Körper, damit er in eine bestimmte Kleidergröße passte. Ich legte meinem Temperament Zügel an. Was würde geschehen, wenn ich all das … einfach sein ließ? Ich kannte die Antwort nicht, aber an jenem Tag in meinem Auto beschloss ich, es herauszufinden. Ich pflanzte einen winzigen Samen, einen Forschungsauftrag, der zum Keim dieses Buches werden sollte: Seine Entfaltung kostete mich viel, aber sie gab mir mein Leben zurück.

*

Ich wünschte, ich könnte sagen, dass die Offenbarung in der therapeutischen Praxis ausgereicht hätte, um den Bann zu brechen, meine Atmung zu normalisieren und mir Erleichterung zu verschaffen. Aber mir einzugestehen, dass ich mich von irgendetwas unter Druck gesetzt fühlte, ließ das Phantom keineswegs verschwinden, so als machte ich einfach das Licht an, wenn eines meiner Kinder einen seltsamen Schatten sieht. Aber herauszufinden, wie sehr dieses Gespenst auf mir lastete, gab meinen Nachforschungen eine Richtung: Woher kam dieses Biest? Wodurch hatte es diese Macht bekommen? Und warum unterwarf ich mich ihm freiwillig? Ich begann die Geschichte zu durchforsten, weil ich wissen wollte, wann Anerkanntwerden und Bravsein für Frauen erstmals eine untrennbare Verbindung eingegangen waren. Und ich kehrte in meine Kindheit zurück, um herauszufinden, wann man mich auf diese Prägung konditioniert hatte.

Ich habe immer schon gerne Fragen gestellt. Ich war ein neugieriges, frühreifes Kind, das mit seinen leidenschaftlichen Fragen vielleicht ein wenig lästig war: Warum? Warum? Warum? Zu meinem Glück machte meine Mutter die Bücherei zu meinem Babysitter. Ich steckte die Nase immer in irgendein Buch. Ich suchte nach Antworten in Romanen, Geschichtsbüchern und naturwissenschaftlichen Lehrbüchern – wo auch immer sie möglicherweise verborgen waren. Und auf unseren täglichen Fahrten in die Stadt (wir lebten in einem waldreichen Tal außerhalb von Missoula in Montana) hörten meine Eltern immer das Programm von National Public Radio. Ich hörte also schon früh guten Journalismus von Leuten, die ebenfalls Fragen stellten, um die Welt begreiflich zu machen. Heute weiß ich, dass ich versuchte, einer Gesellschaft, die sich für mich chaotisch anfühlte, mit Logik beizukommen: Ich spürte, dass es eine grundlegende Struktur gab, einen Verhaltenskodex, eine Art zu leben, wie sie sein sollte. Ich musste die Demarkationslinien dieser Landkarte erfassen – die Grenzen der Akzeptanz, Zugehörigkeit und Güte –, damit ich den rechten Weg finden konnte. Einen Weg, der mir Schutz, Erfolg und Überleben sicherte.

Als Erwachsene hatte ich Jobs, in denen ich schreiben und Texte bearbeiten konnte. Durchweg Positionen, in denen ich bezahlt wurde, um meine Interessen zu verfolgen, nachzuhaken, wie Systeme funktionierten und warum wir tun, was wir tun. Ich habe Hunderte kluger Köpfe und Menschen, die kulturell Einfluss nehmen, interviewt: Ärzte, Wissenschaftlerinnen, Theologen, Therapeuten, Aktivistinnen, Politiker, Historikerinnen, Heiler, Schauspielerinnen, Dichter und Journalistinnen. Ich habe sie befragt, was es heißt, Mensch zu sein. In den vergangenen zehn Jahren habe ich mit dem Anwalt Bryan Stevenson gesprochen, der Menschen im Todestrakt vertritt. Er sagt, wir seien besser als das Schlimmste, was wir je getan hätten, und daher verdiene es niemand, zum Henker eines anderen Menschen bestimmt zu werden. Ich habe Zeit mit Laura Lynne Jackson verbracht, einem berühmten Medium mit der Gabe, sich mit den Toten zu verbinden, und diese Gabe deutet darauf hin, dass wir alle Teil eines großen energetischen Systems zu sein scheinen. Dass wir im Tod nicht verschwinden, sondern weiterleben, dass der Aufenthalt auf der Erde uns etwas lehren soll, damit wir wachsen und gedeihen können. Und ich habe mit der legendären Historikerin Mary Beard darüber gesprochen, wie Frauen im Laufe der Menschheitsgeschichte literarisch zum Schweigen verdammt wurden. Mit dem Arzt Gabor Maté darüber, wie traumatische Erfahrungen an die folgenden Generationen vererbt werden. Ich habe mit dem Leiter des US-Gesundheitssystems Vivek Murthy ein Gespräch über die grassierende Einsamkeit geführt. Und mit der Historikerin Isabel Wilkerson über unser unsichtbares, aber ausgedehntes rassistisches Kastensystem. Mit den Paartherapeuten John und Julie Gottman darüber, warum manche Paare unweigerlich auf eine Scheidung zusteuern und andere nicht. Und mit vielen anderen Schriftstellern, Philosophinnen, Künstlern und Akademikerinnen. Wenn jemand eine Einsicht ins menschliche Dasein zu bieten hat, sammele ich sie ein und füge sie meinem eigenen Netzwerk hinzu.

Während ich über diese Gespräche nachdachte, erkannte ich, dass letztlich alle dasselbe sagten: Wir Menschen mühen uns ab, um gesehen zu werden, um unser tiefinnerstes, zartestes Selbst zeigen zu können, um unsere Gaben zum Ausdruck zu bringen. Wir fragen uns: Wer bin ich? Was will und brauche ich? Wie finde ich meinen Lebenssinn? Unsere innigsten Wünsche sind: dazuzugehören, zu lieben und geliebt zu werden. Aber das Leben kommt uns dabei in die Quere. Das hat mit einschränkenden Umständen zu tun, die wir nicht unter Kontrolle haben, wie eine traumatische Kindheit, systemische Ungerechtigkeit oder Naturkatastrophen. Häufig aber sind die Hindernisse, die unseren vollständigen Selbstausdruck verhindern, nicht greifbar. Sie äußern sich in Selbstzweifeln, in einschränkenden Glaubenssätzen oder sozialen Konstrukten von Rollen und Verantwortlichkeiten: Welche unserer Wünsche sind angemessen? Diese Spinnweben binden uns oder ziehen an uns wie die Fäden von Marionetten. Das sind die Pfauenschleppen der kulturellen Prägung, ein Erbe, das an uns hängt wie eine Klette, während wir die Welt durchmessen.

Der visionäre Anthropologe Ashley Montagu war der Ansicht, wir Menschen hätten eine »erste Natur« und eine »zweite Natur«. Unsere erste Natur ist das, was wir sind, unsere Wurzeln, unsere Ganzheit: unsere einzigartige Genetik und unsere natürlichen Instinkte. Unsere zweite Natur ist nach Montagu das, was die Gesellschaft aus diesen biologischen Grundlagen macht und prägt, was wir von uns glauben. Montagu schreibt:

Die Verhaltensweisen, die uns als menschliche Wesen charakterisieren, werden bestimmt vom Sozialisierungsprozess, den wir durchlaufen, von der kulturellen Konditionierung, die uns prägt, den Gewohnheiten, durch die wir alle geschaffen werden. Der Haken dabei ist, dass wir die lernfähigsten Kreaturen auf dieser Erde sind … Alles, was wir als Menschen sind, wissen und tun, müssen wir von anderen...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Anpassung der Frauen • Authentisches weibliches Selbstbild • Beeinträchtigung der individuellen Freiheit der Frau • Emanzipation der Frau • Empowerment der Frau • Erfahrungen einer Frau • Erschöpfung • es anderen recht machen • female empowerment • Feminismus • feministische bücher • Feministische Theorie • Frauenbild • Frauenbücher • Frauenfeindlichkeit unter Frauen • Frauenklischees • Frauenliteratur • Frauenrollen • Frauen und Beziehung • Gender-Diskurs • Gender Pay Gap • geschlechterklischees • Geschlechterrollen • Geschlechterstereotypen • gesellschaft buch • gesellschaftliche Erwartungen • Gleichberechtigung • Gwyneth Paltrow • internalisierte Misogynie • Internalisierter Sexismus • Körperbild der Frau • Lebenshilfe • lisa taddeo • Männerrollen • Misogynie • Mitarbeiterin Goop • Negative Bewertung von Frauen • Nein sagen • New-York-Times-Bestseller-Autorin • on our best behaviour • Patriarchat • Persönlichkeitsentwicklung • Podcasterin Elise Loehnen • Podcast Pulling The Thread • Ratgeber • Ratgeber für Frauen • Rolle der Frau • Rollenbild Mann und Frau • Soziale Normen • sozialer Druck • Typisches Rollenbild • Typische Verhaltensmuster Frauen • Überanpassung • Verhalten von Frauen • Verinnerlichter Sexismus
ISBN-10 3-426-21770-8 / 3426217708
ISBN-13 978-3-426-21770-2 / 9783426217702
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