Offen lieben (eBook)
240 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3038-9 (ISBN)
Svenja Sörensen (*1985) ist Mindset- und Beziehungscoachin. Auf ihrem Instagramaccount (@svenjasoerensen) beleuchtet sie das Phänomen offener Beziehungen als Beziehungsexpertin sowie entlang ihrer persönlichen Erfahrungen als junge Frau, Ehefrau und Mutter in einer offenen Ehe.
Svenja Sörensen (*1985) ist Mindset- und Beziehungscoachin. Auf ihrem Instagramaccount (@svenjasoerensen) beleuchtet sie das Phänomen offener Beziehungen als Beziehungsexpertin sowie entlang ihrer persönlichen Erfahrungen als junge Frau, Ehefrau und Mutter in einer offenen Ehe.
Einleitung: Meine eigene Geschichte – warum das Öffnen unserer Beziehung diese NICHT gerettet hat
»Was hältst du eigentlich von einer offenen Beziehung?«
Diese Frage zu stellen dauert keine drei Sekunden. Drei Sekunden, die das Potenzial hatten, meine Beziehung und meinen Selbstwert zu zerstören. Mein persönlicher SuperGAU, der mein Leben und meine Beziehung für immer verändern sollte. Im Positiven – nur wusste ich das nicht zu dem Zeitpunkt, als mein Freund (mittlerweile sind wir verheiratet) die Frage stellte. Wir sitzen gemütlich auf dem Sofa, und plötzlich fragt er: »Was hältst du eigentlich von einer offenen Beziehung?« Er schaut mich an, und seine anfängliche Unbekümmertheit ist sofort verflogen. Ich schätze, mein Blick spricht Bände: WTF?!
Ich erinnere mich an diese Situation vor sieben Jahren, als wäre sie gestern gewesen. Hätte Johannes damals gewusst, was für eine Lawine er mit seiner Frage lostritt, hätte er sich vermutlich noch einmal auf die Zunge gebissen. Hat er aber nicht und mich damit heftig getroffen. Entsprechend fiel meine Reaktion aus: »Das ist nicht dein Ernst!« Es folgten Tränen, völlige Verzweiflung, heftige Ablehnung, Schockstarre und Panik. Heute weiß ich: Ich konnte nicht anders, als so zu reagieren. In meinem Mikrokosmos existierte nichts jenseits der Art von Liebe und Beziehung, die ich kannte und nie hinterfragt hatte. Sie war monogam. Darüber hinaus mit anderen Menschen intim werden? Unvorstellbar, gar ekelhaft. Für mein früheres Ich war dieser Standpunkt glasklar. Das Bild, das ich von offenen Beziehungen hatte, war geprägt von meinem monogamen Denken und Vorurteilen, Stigmatisierung und Abwertung. Realistische Vorbilder hatte ich keine, und so waren meine Ideen äußerst vage und ließen viel Raum für bedrohliche Fantasien. Höchstens von Swingerklubs hatte ich mal gehört, aber auch die schienen fernab meiner Realität, und das sollte gefälligst so bleiben. Die Angstbilder in meinem Kopf bildeten eine explosive Kombi mit den Selbstzweifeln, dem starken Gefühl, nicht gut genug zu sein, und alten Verletzungen, die plötzlich wieder wehtaten.
»Wenn das für dich so ein großes Thema ist, dann lassen wir das«, sagte Johannes und versuchte sich in Schadensbegrenzung. Ich konnte erst mal durchatmen. Nach meiner heftigen Reaktion auf Johannes’ Versuch, ein Gespräch über eine Öffnung unserer Beziehung anzustoßen, herrschten zunächst Stillschweigen und Pseudoharmonie. Wir kehrten das Thema unter den Teppich, und doch stand er da: der riesige Elefant im Raum, über den niemand sprach. Monatelang.
Uns war klar, dass wir aus dieser Nummer nicht so einfach rauskommen würden. Denn ganz unabhängig von der Frage nach einer offenen Beziehung mussten wir uns offensichtlich damit auseinandersetzen, ob und wie es mit uns weitergehen könnte. Denn zu dem Zeitpunkt waren wir beide in unserer Beziehung nicht mehr wahrhaftig glücklich. Nach außen versuchten wir das Bild der heilen (monogamen) Beziehung aufrechtzuerhalten. Ja, es gab sie, die schönen Momente, und uns verband auch unglaublich viel Liebe. Doch unsere ungelösten Probleme waren dabei, unser Glück wie ein Schwelbrand zu zerstören. Unsere Unfähigkeit, ehrlich und offen miteinander zu sprechen, für uns als Individuen und unsere individuellen Bedürfnisse und Wünsche einzustehen, Konflikte konstruktiv zu lösen – das alles hätte uns fast das Genick gebrochen. Die Frage nach einer offenen Beziehung war das Zünglein an der Waage.
Mein Mann und ich sind inzwischen seit zehn Jahren ein Paar. Kennengelernt haben wir uns während des Studiums an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Damals war Facebook noch ein großes Ding, und nach seiner Freundschaftsanfrage verabredeten wir uns recht schnell für ein erstes Date. Von da an legten wir eine richtige Lovestory hin. Ich zog schon bald inoffiziell zu ihm in seine kleine Bude auf dem Uni-Campus, wir lebten mit Hochbett auf zehn Quadratmetern und hatten eine richtig tolle Zeit. Von Anfang an fühlte sich unsere Beziehung leicht und unkompliziert an, und wir waren sehr, sehr verliebt.
Diese Harmonie blieb leider nicht auf ewig bestehen. Nach ein paar Jahren wurde es schwierig. Obwohl wir noch immer sehr verliebt waren und uns auch sehr gut verstanden, entwickelte sich unsere Beziehung in die falsche Richtung: Johannes entdecke die Hamburger Clubszene für sich und – ohne zu dramatisch klingen zu wollen – fing an, partytechnisch ein Doppelleben zu führen. Ich konnte der Feierei damals nichts abgewinnen, obwohl Johannes sich das sehr gewünscht hätte. Entweder war ich müde, mochte die Musik nicht oder war eifersüchtig auf seine weiblichen Bekanntschaften. Einige Versuche, gemeinsam um die Häuser zu ziehen, scheiterten. Ich mochte diese Welt nicht. Er liebte sie. Mit der Zeit baute er sich einen neuen Freundeskreis auf, und die Partynächte wurden häufiger und länger. Dann bekam er die ein oder andere Nachricht von Frauen, die ich nicht kannte. Mein Bauchgefühl schlug Alarm, ich hakte hin und wieder nach. Bitte nicht schon wieder! Auch in der Beziehung davor war ich betrogen worden, und meine Angst war riesengroß, dass sich das wiederholen könnte.
Obwohl ich wusste, dass etwas nicht stimmte, und ich ein ungutes Gefühl hatte, gab ich mich mit seinen Antworten auf meine Fragen zufrieden: »Da ist nichts!«, »Mach dir keine Sorgen, das ist die Freundin von xy.« Dieses Gefühl der Erleichterung, wenn die Lüge so viel besser klingt als die Wahrheit, die man eigentlich schon längst kennt. Ich werde es nie vergessen. Er betrog mich in der Zeit mehrfach. Unter der Woche mimten wir das glückliche Paar, fuhren gemeinsam in den Urlaub und schmiedeten Pläne für die Zukunft.
So ignorierte ich mein Bauchgefühl eine ganze Weile und wollte die Wahrheit nicht sehen, bis ich durch einen (un-)glücklichen Zufall auf seinem Laptop eine Nachricht las, die nicht für meine Augen bestimmt war. Welch Ironie des Schicksals, dass ich in dem Moment ausnahmsweise mal keine investigativen Absichten hatte, als ich seinen Laptop öffnete, sondern eigentlich nur etwas auf Netflix schauen wollte. Die Nachricht war eindeutig, und meine Kehle schnürte sich augenblicklich zu. Ich konnte kaum atmen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Johannes war für ein paar Tage im Urlaub, und ich konfrontierte ihn sofort per WhatsApp mit dem, was ich gelesen hatte. Der Name der Absenderin war mir nicht fremd. »Da ist nichts«, hatte er mehrfach beteuert. Es war – wie ich im Nachhinein erfuhr – mit ihr tatsächlich »nur« ein Kuss, aber ich hatte die Schnauze voll. Was zur Hölle machen wir eigentlich gerade, fragte ich mich. Als Johannes von seinem Kurztrip nach Hause kam, setzte ich ihm ein Ultimatum: »Entweder du erzählst mir jetzt die ganze Wahrheit, oder es ist vorbei.« Sein Blick sprach Bände, und sein Lügenkonstrukt brach vor unser beider Augen zusammen. »Was willst du wissen?«, fragte er und schaute mich unsicher und irgendwie auch erleichtert an. »Alles«, antwortete ich ruhig.
Ich kann mir vorstellen, wie das klingt: Ach siehst du, er ist fremdgegangen, und dann haben sie die Beziehung geöffnet, um sie zu retten. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass das Öffnen der Beziehung NICHT unsere Beziehung gerettet hat. Das hätte es nicht gekonnt. Ich bin davon überzeugt, dass die Öffnung eine Beziehung nie retten kann, wenn das Fundament nicht stimmt. Vielmehr wirkt eine offene Beziehung wie ein Brennglas für all das, was nicht funktioniert. Die finale Entscheidung, unsere Beziehung zu öffnen, war für uns auch nicht die Konsequenz oder Folge der aufgeflogenen Affären meines Mannes. Die Entscheidung, unsere Beziehung zu öffnen, trafen wir erst Monate später.
Was unsere Beziehung letzten Endes gerettet hat, waren zwei Dinge. Erstens: der Entschluss, uns trotz der Vergangenheit füreinander zu entscheiden. Zweitens: die Bereitschaft, in unser Beziehungsfundament zu investieren und aus vergangenen Fehlern zu lernen. Ich nenne das gerne »Hausaufgaben machen«, wozu bei uns natürlich auch die Bewältigung des Fremdgehens gehörte. Wir nahmen uns mehr Zeit füreinander und planten gemeinsame Erlebnisse. Wir stritten und versöhnten uns. Wir etablierten eine Entschuldigungskultur. Wir begegneten uns auf Augenhöhe, indem wir uns als Individuen mit teils unterschiedlichen Bedürfnissen und Wünschen achteten. Wir reflektierten, was wir in unserer Beziehung bisher richtig gut gemacht hatten – das war zum Beispiel unser sehr liebevoller Umgang miteinander und dass wir immer schon ein ehrliches Interesse daran hatten, uns gegenseitig zu unterstützen. Wir redeten endlich auch über unangenehme Dinge. Über Frust und Ärger, über unerfüllte Bedürfnisse und Wünsche. Wir waren ehrlich. Bedingungslos ehrlich. Radikale Ehrlichkeit statt Pseudoharmonie. Das war neu.
Mit Ehrlichkeit in Beziehungen ist das so eine Sache: Ehrlichkeit ist den meisten von uns sehr wichtig, stimmt’s? Aber Ehrlichkeit wird eigentlich nur dann gern gesehen, wenn sie positive Konsequenzen für uns hat. Ernsthaft … Ich hätte Johannes die Hölle heiß gemacht, wenn er mir damals – bevor der ganze Betrug...
Erscheint lt. Verlag | 26.10.2023 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Alternativ • Beziehung • erfüllt • Kommunikation • Monogamie • offen • Partnerschaft • polyamor • Selbstbestimmt • Sex |
ISBN-10 | 3-8437-3038-5 / 3843730385 |
ISBN-13 | 978-3-8437-3038-9 / 9783843730389 |
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Größe: 2,4 MB
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