Pornopositiv (eBook)

Was Pornografie mit Feminismus, Selbstbestimmung und gutem Sex zu tun hat | Sexuelle Befreiung durch Pornos
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
208 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3025-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Pornopositiv -  Paulita Pappel
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Wir können die Gesellschaft und unser Sexleben ändern, einen Porno nach dem anderen.  »Worauf hast du heute Lust? Worauf nicht?« Diese Fragen wurden Paulita Pappel zum ersten Mal an einem Pornoset gestellt. Dank ihrer Arbeit nackt vor der Kamera hat sie gelernt, ihren Körper zu lieben. Als Regisseurin und Intimitätskoordinatorin schafft sie Räume, in denen Menschen offen miteinander reden, wo gegenseitiges Einvernehmen etabliert und Grenzen ausgehandelt werden. Das alles hat ihr Privatleben bereichert, und sie ist überzeugt, dass viele andere Menschen von diesem Wissen profitieren können.  Paulita Pappel versteht Pornografie als Werkzeug der Emanzipation, als sicheren Ort der sexuellen Selbstentdeckung. Wenn der Porno nicht länger an den Rand der Gesellschaft gedrängt würde - in die Schmuddelecke -, wäre ein Kulturwandel möglich, mit dem wir Platz für Vielfalt, für Unterschiede und für Gleichheit schaffen könnten. In ihrem Buch zeigt Paulita Pappel, wie wir uns so von verinnerlichten Ängsten und Scham befreien und eine selbstbestimmte Sexualität leben können. 

Paulita Pappel (*1987) arbeitet unter diesem Pseudonym als Pornoentrepreneurin. Sie wuchs in Spanien auf und floh nach Berlin, sobald sie konnte, um sich sexuell auszutoben. Während ihres Studiums in Literaturwissenschaften fing sie an, in Pornos mitzuspielen, womit sie ihr Studium und hedonistisches Leben finanzierte. Heute steht sie zunehmend hinter der Kamera, als Produzentin und Regisseurin. Seit 2013 ist sie eine der Kuratorinnen und Organisatorinnen vom Pornfilmfestival Berlin. 2016 gründete sie Lustery, eine Plattform für Paare aus aller Welt, um ihr Sexleben in Videos zu teilen. 2020 gründete sie HardWerk, ein Filmstudio für hardcore-feministische Gangbangs.

Paulita Pappel (*1987) arbeitet unter diesem Pseudonym als Pornoentrepreneurin. Sie wuchs in Spanien auf und floh nach Berlin, sobald sie konnte, um sich sexuell auszutoben. Während ihres Studiums in Literaturwissenschaften fing sie an, in Pornos mitzuspielen, womit sie ihr Studium und hedonistisches Leben finanzierte. Heute steht sie zunehmend hinter der Kamera, als Produzentin und Regisseurin. Seit 2013 ist sie eine der Kuratorinnen und Organisatorinnen vom Pornfilmfestival Berlin. 2016 gründete sie Lustery, eine Plattform für Paare aus aller Welt, um ihr Sexleben in Videos zu teilen. 2020 gründete sie HardWerk, ein Filmstudio für hardcore-feministische Gangbangs.

Einleitung: Auf eine neue Sexualethik


Ich heiße Paulita Pappel. Nein, das ist nicht mein »richtiger« Name, es ist ein Pseudonym. Auch Künstler:innenname genannt. Oder Pornoname. Ich habe mir diesen Namen vor zehn Jahren ausgedacht, als ich meinen ersten Porno als Darstellerin gedreht habe. Früher haben Schriftstellerinnen unter Pseudonymen geschrieben, weil sich die Bücher unter männlichem Namen besser verkauft haben oder weil es für die Familie eine Schande war, dass eine Frau Bücher schreibt.1 Es war ein Skandal, wenn sich eine Frau in der Öffentlichkeit so offen zeigte. Das ist heute nicht anders mit dem Porno.

Ich bin in Spanien aufgewachsen, was 1987 noch ein ziemlich konservatives Land war. Eine vierzig Jahre andauernde katholisch-faschistische Diktatur hinterlässt ihre Spuren. Auch wenn meine Eltern atheistisch sind und ich deswegen zusammen mit drei weiteren Schüler:innen aus unserer dreißigköpfigen Grundschulklasse vom Religionsunterricht befreit wurde, hingen Kruzifixe in allen Schulräumen des staatlichen, vermeintlich nicht konfessionellen Schulgebäudes. Und mit ihnen das Vermächtnis von Schuld und Sünde. Als ich meiner Cousine erzählte, dass ich keine Erstkommunion haben würde, teilte sie mir mit der absoluten Ernsthaftigkeit einer Achtjährigen mit, dass ich in die Hölle käme.

Ich hatte das Gefühl, nicht »normal« zu sein. Ich wollte früh rumknutschen und später auch viel Sex haben. Mit Menschen unterschiedlicher Geschlechter und auch nicht nur, wenn ich sie liebte und mit ihnen zusammen war oder sein wollte. Kurz nach meinem zehnten Geburtstag wurde ich zum ersten Mal als »puta« beleidigt, also als Hure, weil ich einen Jungen auf die Lippen geküsst hatte. Diesen Ruf behielt ich bis zum Abitur. Rückblickend passierte mir der Sex, den ich während meiner Schulzeit hatte, meistens einfach. Ich nahm wenig Einfluss darauf, wie er genau ablief. Eine Situation, die mehr Intimität als Knutschen ermöglichte, ergibt sich nicht oft, wenn alle Beteiligten noch bei den Eltern wohnen. Es konnte tagsüber im eigenen Kinderzimmer sein, wenn die Eltern beide arbeiten waren, in einer dunklen Straßenecke auf dem Heimweg oder im Park in den Büschen, ein paar Meter entfernt vom Freundeskreis.

Was dann kam, wurde nie im Voraus besprochen oder verhandelt – dafür war gar keine Zeit. Es war ein Glücksspiel. Vielleicht beschäftigte sich ein Mund intensiv mit den Nippeln. Auf einmal könnte sich eine Hand zwischen Körper und Hose in den Schritt runterquetschen. Finger tauchten eventuell in Körperöffnungen auf. Es war alles tierisch aufregend und mal befriedigend bis ekstatisch, mal etwas ungeschickt oder unangenehm. Bei der Abifeier, wo es übrigens eine offene Bar gab, habe ich gegen drei Uhr morgens mit einem Mitschüler neben der Tanzfläche auf einem Sofa gefickt. Wir wurden daraufhin von einem Türsteher aus dem Club geschmissen. Das war das letzte Mal, dass ich meine Schulkamerad:innen gesehen habe. Denn direkt danach bin ich nach Berlin gezogen.

Ich konnte damals nicht in Worte fassen, was mich an der Stadt so anzog, dass ich lieber gestorben wäre, als ihr noch ein Jahr länger fernzubleiben. Heute weiß ich, dass Berlin wie ein Magnet auf Menschen wirkt, die nicht heteronormativ leben können oder wollen. Denn hier gibt es Raum für sie. Als ich mit fünfzehn bei einer Klassenfahrt zum ersten Mal einen Fuß auf Berliner Boden setzte, wusste ich, dass ich hierhergehöre. Mit achtzehn stand ich zum ersten Mal auf der Tanzfläche vom Berghain, umgeben von Männern mit freiem Oberkörper, die schwitzten und tanzten und durch mich hindurchgucken konnten zum nächsten leicht bekleideten Schwulen. Ich war wie unsichtbar und wusste, ich kann mich hier nackt ausziehen, und keinen interessiert es. Ich fühlte mich befreit von den Blicken, den Urteilen, der sexuellen Belästigung, die ich in vielen spanischen Bars erfahren habe. Ein paar Monate später bin ich in die Liebig 34, ein autonomes, lange besetztes Haus in Friedrichshain, eingezogen, in dem damals keine cis Männer leben durften. Ein feministisches, separatistisches Wohnprojekt, wo ich lernen musste, mit Kohle zu heizen. Es war himmlisch.

Damals dachte ich, Pornografie sei nur Werkzeug des Patriarchats, um Frauen auszubeuten. Ich hätte darauf geschworen, dass keine Frau »freiwillig ihren Körper verkaufen würde«. Gleichzeitig faszinierte mich die Idee von Pornografie. Ich sehnte mich nach Orten, wo Sexualität frei von gesellschaftlichen Normen ausgelebt werden konnte. Pornografie war verpönt und somit irgendwie außerhalb der klassischen Erzählungen von Liebe und Beziehung, gegen die ich mich so wehrte. Aber zum Objekt gemacht zu werden, das durfte ich als Feministin natürlich nicht zulassen. Ich spielte oft mit dem Gedanken, Telefonsex anzubieten oder als Camgirl zu performen, fand aber keinen richtigen Zugang. Bis eines Tages das Wort »Sexarbeit« in einem Genderstudies-Seminar fiel, das ich lieber als meine Literaturpflichtvorlesung besuchte. Die zwei Dozentinnen, offenkundig Feministinnen, erwähnten im Nebensatz Prostitution, und das nicht abwertend. Ich war schockiert. Nach dem Unterricht eilte ich zu ihnen, um mehr darüber herauszufinden, was es mit Sexarbeit auf sich hatte und was ihre Haltung zu Prostitution und Pornografie war. Sie klärten mich auf, erzählten, dass Sexarbeit ein politischer Begriff für Prostitution ist, um für die Rechte von Sexarbeitenden zu kämpfen und den Beruf als selbstbestimmte Arbeit zu definieren und von Zwangsarbeit oder Menschenhandel abzugrenzen. Das war für mich wie eine Offenbarung. Ich lernte, dass Pornografie ein Medium ist, das für eine feministische Praxis in Anspruch genommen werden kann. Ich konnte also weiterhin Feministin sein und Pornos machen.

In Berlin feministische Pornofilmemacherinnen ausfindig zu machen, war natürlich nicht schwierig. Ich bewarb mich als Darstellerin bei der schwedischen Regisseurin Marit Östberg. Wir trafen uns in einem der frühen hippen Neuköllner Cafés und redeten über Feminismus und Croissants. Sie fragte mich, ob ich mir sicher sei, dass ich in einem Porno mitspielen möchte. Ich war inzwischen zweiundzwanzig, aber sie fand mich sehr jung und wollte sichergehen, dass ich mir bewusst war, was für Konsequenzen diese Entscheidung für mein Leben haben könnte, sodass ich es später nicht bereuen würde. In diesem Moment wurde mir klar: Ich will in einer Gesellschaft leben, in der Pornos keine negativen Konsequenzen auf unser Leben haben. Wenn das nicht die Gesellschaft ist, in der wir leben, will ich Pornos machen und damit die Gesellschaft ändern. Ich bekam die Rolle.

Pornos haben mein Leben seitdem geprägt und verändert. Ich bin inzwischen Pornoregisseurin, -produzentin, -darstellerin und Intimitätskoordinatorin. Ich leite zwei Pornoplattformen, bin also mittlerweile auch Porno-Entrepreneurin, und ich kokuratiere und koorganisiere das Pornfilmfestival Berlin. Dank meiner Arbeit nackt vor der Kamera habe ich gelernt, meinen Körper zu lieben. Durch meine Arbeit als Produzentin und als Filmfestivalkuratorin habe ich die immense Vielfältigkeit von Sex kennengelernt. Als Regisseurin und Intimitätskoordinatorin schaffe ich Räume, in denen Menschen offen miteinander reden, wo Einvernehmlichkeit etabliert und Grenzen ausgehandelt werden. Das alles hat mein Privatleben enorm bereichert, und ich denke, dass viele andere Menschen von diesem Wissen profitieren können. Ja, ich denke, dass Pornos unseren Umgang mit Sexualität und das Sexleben vieler Menschen revolutionieren und bereichern können.

Doch Pornografie wird politisch so diskriminiert, dass es in der Praxis nahezu unmöglich ist, sich an die Regeln zu halten und gleichzeitig ein hochwertiges Produkt anzubieten. Ein hochwertiges Produkt ist teuer, und die Auswertungsmöglichkeiten sind unprofitabel, wenn man nicht die Ressourcen hat, in Masse zu produzieren. Deutschland hat die strikteste Regulierung von Pornografie in Europa. Der deutsche Jugendschutz schreibt nämlich vor, dass sich jede Person, die einen Porno ansehen möchte, erst identifizieren muss. Die Anbieter müssen eben diese Identifikation sicherstellen. Der Prozess ist aber teuer, umständlich und für Nutzende unattraktiv. Aus diesem Grund haben fast alle Pornounternehmen ihren Sitz außerhalb von Deutschland. Es ist im internationalen Markt nicht möglich, dem deutschen Gesetz zu folgen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Gerade für kleine unabhängige Pornounternehmen ist das eine wirtschaftlich unüberwindbare Hürde. Ich musste letztes Jahr mit meinem feministischen Pornogeschäft aus Deutschland auswandern, weil ich es in diesem Land nicht wirtschaftlich tragbar führen konnte.

Für den Aufbau solcher Hindernisse spielt Religion immer noch eine große Rolle. Ich rede nicht über den persönlichen Glauben von Individuen, sondern über institutionalisierte Religionen; über die christliche Kirche, um präzise zu sein. Wir unterschätzen, inwiefern die religiöse Prägung der Gesellschaft uns bis heute in unserem Verständnis von Sex, Sexualität und Beziehungen beeinflusst. Außerdem ist vielen von uns nicht bewusst, wie viel Macht, Geld und politischen Einfluss religiöse Organisationen heute noch haben, auch in Deutschland, und inwieweit...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2023
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Aufklärung • ausleben • Befreiung • Fantasien • Feminismus • Filme • Frei • Lieben • Pappel • Paulita • Porno • Selbstbestimmung • sexuell
ISBN-10 3-8437-3025-3 / 3843730253
ISBN-13 978-3-8437-3025-9 / 9783843730259
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