Die Deutsche Welle und die Politik (eBook)

Deutscher Auslandsrundfunk 1953-2013
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
556 Seiten
Herbert von Halem Verlag
978-3-7445-0988-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Deutsche Welle und die Politik -  Anke Hagedorn
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Anke Hagedorn analysiert die Entstehung und Entwicklung der Deutschen Welle (DW) von der Gründung bis in die Gegenwart und schließt damit eine Forschungslücke in der deutschen Rundfunk- und Mediengeschichte. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem deutschen Auslandsrundfunk und der Politik, die mit Hilfe zahlreicher, bislang unerforschter Quellen beleuchtet wird. Der erste Teil geht auf die Anfänge des Auslandsrundfunks in Europa Ende der 1920er-Jahre sowie auf seine Rolle während des Zweiten Weltkriegs ein. Vor diesem Hintergrund wird anschließend die komplexe Gründungsgeschichte der DW nach 1945 dargestellt. Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Selbstverständnis und der Außenwahrnehmung der Rolle des Senders im Kalten Krieg. Und im dritten Teil geht es um die Neuorientierung der DW nach der Wende: Der Sender übernahm den ehemaligen Auslandsrundfunk der DDR, die Fernsehsparte sowie zahlreiche Mitarbeiter von RIAS und auch die Fremdsprachendredaktionen des Deutschlandfunks. Doch weder der technische und personelle Ausbau noch das neue DW-GeSetz konnten die Frage nach einer neuen Rollenbestimmung des deutschen Auslandsrundfunks befriedigend beantworten. 60 Jahre nach seiner Gründung ist die Existenz des Senders immer noch nicht selbstverständlich und wird stets aufs Neue debattiert. Durch das Aufbrechen alter Ost-West-Konfliktlinien und durch die Entstehung globaler kultureller Konflikte in den vergangenen Jahren ist die Frage nach der Funktion und der Bedeutung des Auslandsrundfunks wieder sehr aktuell.

Anke Hagedorn ist Dozentin für Journalismus in Zürich und freie Autorin für diverse Zeitungen und Zeitschriften. Von 2000 bis 2008 hat sie als Redakteurin für die Deutsche Welle gearbeitet, zuletzt als Korrespondentin des Senders in Brüssel. Mit dieser Arbeit wurde sie 2015 an der Universität Konstanz promoviert.

Anke Hagedorn ist Dozentin für Journalismus in Zürich und freie Autorin für diverse Zeitungen und Zeitschriften. Von 2000 bis 2008 hat sie als Redakteurin für die Deutsche Welle gearbeitet, zuletzt als Korrespondentin des Senders in Brüssel. Mit dieser Arbeit wurde sie 2015 an der Universität Konstanz promoviert.

2 Die schwere Geburt der Deutschen Welle


2.1 Die Anfänge des Auslandsrundfunks

Die Funktion des Auslandsfunks war von Anfang an eine eminent politische.79 Anders als beim Inlandsfunk stand nicht die Unterhaltungsfunktion im Vordergrund, sondern die Idee eines identitätsstiftenden Mediums, das die kulturellen und sprachlichen Gemeinsamkeiten pflegte und so eine Brücke zu den Landsleuten in aller Welt darstellte.

Bei den europäischen Kolonialmächten war der Auslandsrundfunk zunächst ein Kolonialfunk: Es ging darum, per Funk eine Verbindung zwischen dem Mutterland und den Kolonien herzustellen. Daher wurden die Sendungen nur in der jeweiligen Vaterlandessprache ausgestrahlt. Der erste reguläre Auslandsdienst entstand 1927 in den Niederlanden, die Firma Philips begann in Eindhoven mit Kurzwellen-Versuchssendungen. Noch im gleichen Jahr wurde der 35 kW-Sender nach Hilversum verlegt, wo schließlich das Zentrum des Niederländischen Rundfunks entstand. 1929 begann in Huizen die PHILIPS OMROEP HOLLAND-INDIE mit ihren Sendungen, wobei der Name schon die Zielsetzung der Sendungen nannte, nämlich eine Radioverbindung zur damaligen Kolonie Niederländisch-Ostindien herzustellen. Die Entfernung von rund 16.000 km stellte damals eine außerordentliche Herausforderung an die neue Technik dar. Es standen dafür zwei Sender mit je 24 kW und ein Sender mit 10 kW zur Verfügung.80

Die BRITISH BROADCASTING COMPANY (BBC) erhielt im Mai 1926 die Erlaubnis zur Aufstellung eines Kurzwellen-Versuchssenders mit maximal 20 kW Leistung auf dem Borough Hill bei Daventry. Aus Geldmangel begannen die Kurzwellensendungen aber erst im November 1927, und dann unter Nutzung eines 7 kW-Senders in Chelmsford/Essex. Die technische Qualität dieser Sendungen war zunächst nicht sehr überzeugend. Vor allem in den Zielgebieten Indien und Australien konnten die Programme nur zeitweise empfangen werden.

Am 19. Dezember 1932 nahm der BBC EMPIRE SERVICE über zwei neue Sender mit je 15 kW Leistung seinen regulären Sendebetrieb auf. Das Programm richtete sich ausschließlich in englischer Sprache an Hörer in den britischen Kolonien, Protektoraten und Mitgliedsländern des Commonwealth, the »men and women, so cut off by the snow, the desert, or the sea, that only voices out of the air can reach them«81, wie es König Georg V. in seiner ersten königlichen Weihnachtsansprache formulierte. Britische Auswanderer und Anhänger der Krone sollten mit Hilfe des Auslandsrundfunks in einem ständigen Kontakt mit dem Mutterland gehalten werden: »It sought to promote enthusiams at home for Britain’s imperial role, and to link Britons in these islands with a wider British diaspora in the ›white settler dominions‹ of Canada, Australia, New Zealand, and South Africa.«82 Es gab kein Sonderprogramm, das speziell auf Hörer im Ausland zugeschnitten war; die rein englischsprachigen Sendungen bestanden zu einem Großteil aus Übernahmen aus dem Inlandsdienst.

Der POSTE COLONIAL ging 1931 im Rahmen der Pariser Weltausstellung erstmals auf Sendung. Zielpublikum waren die Landsleute in den französischen Kolonien in Asien, Afrika und Lateinamerika. Erste Kurzwellensendungen aus Italien wurden von Prato Smeraldo in der Nähe von Rom ab 1930 ausgestrahlt. Hauptempfänger waren die Kolonialgebiete in Afrika.83

Abb. 1: Postkarte Poste Colonial

(RFI)

In Deutschland gab es bereits Mitte der zwanziger Jahre die ersten Ansätze für ein Rundfunkprogramm für Hörer im Ausland. Das Deutsche Reich hatte laut den Bestimmungen des Versailler Vertrags alle seine Kolonien verloren; dennoch oder gerade deswegen schien es umso wichtiger zu sein, den Kontakt zu den Landsleuten in diesen Gebieten, aber auch in anderen Ländern aufrecht zu erhalten und deren Gefühl der Zugehörigkeit zu Deutschland zu stärken. Theodor Gustav Wanner, Gründer des Deutschen Ausland-Instituts entwickelte nach einer Reise durch die USA die Idee, dafür den Rundfunk zu nutzen.84 Im März 1924 wurde auf seine Anregung hin die SÜDDEUTSCHE RUNDFUNK AG (SÜRAG) gegründet, dessen Aufsichtsratsvorsitzender er wurde.85 Ab Herbst 1924 wurden über die SÜRAG erste wöchentliche Halbstundensendungen für das Ausland via Mittelwelle ausgestrahlt, ab Anfang Dezember gab es regelmäßige Nachrichtensendungen mit Meldungen aus den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten. Die Reichweite dieser Sendungen war aufgrund der Ausstrahlung über Mittelwelle allerdings recht begrenzt. Daher entwickelte Wanner die Idee einer Ausstrahlung von Programmen für Auslandsdeutsche über einen ›Weltsender‹ auf Kurzwelle vom neuen Stuttgarter ›Haus des Deutschtums‹ aus.86 Allerdings wurden zunächst noch keine eigenen Sender für diese Programme gebaut, das ›Auslandsdeutschtum‹ aber blieb vorrangiges Argument für die Forderungen nach einem deutschsprachigen grenzüberschreitenden Kurzwellenprogramm.87

Erste Rundfunksendungen auf Kurzwelle wurden ab September 1926 von der als DEUTSCHLANDSENDER I bezeichneten Sendeanlage in Königs Wusterhausen bei Berlin ausgestrahlt. Diese Sendeanlage gehörte zu dem im August 1924 von Ernst Ludwig Voss gegründeten Hörfunksender DEUTSCHE WELLE GMBH. Eigentümer waren zunächst zu 70 % die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft und zu 30 % das Land Preußen.

Diese Funksendestelle war aber zum damaligen Zeitpunkt schon nicht mehr erweiterungsfähig. So erteilte die Reichspost 1928 der Firma Telefunken den Auftrag, auf einem Flugplatzgelände im benachbarten Zeesen einen leistungsfähigeren Kurzwellensender zu errichten. Im Juli 1929 berichtete das BERLINER TAGEBLATT hoffnungsvoll: »Der Großkurzwellensender Königs Wusterhausen wird ebenso wie der amerikanische in Shenectady und der bekannte holländische Phillips-Sender in Eindhoven – vielleicht erst nach mehrmonatigen Versuchen – in der ganzen Welt hörbar sein und den Deutschen in Übersee eine Erinnerung an ihre Heimat schaffen, deren Wert gar nicht hoch genug zu schätzen ist.«88

Abb. 2: Die Funktürme des Deutschlandsenders in Königs Wusterhausen, 1925

(Bundesarchiv, Bild 101-02026)

Mehrmonatige Versuche waren allerdings nicht mehr notwendig: Bereits am 26. August 1929 meldete sich der WELTRUNDFUNK-KURZWELLENSENDER mit der regelmäßigen Ausstrahlung von Sendungen – einem täglich zweistündigen Programm – für Deutsche im Ausland. Hauptziel war Nordamerika; das Programm konnte aber dank der Kurzwelle auch in anderen Teilen der Welt empfangen werden.89 Die Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit dem DEUTSCHLANDSENDER I erstellt: Am ersten Abend strahlte der WELTRUNDFUNK-KURZWELLEN-SENDER zunächst Auszüge von Millöckers Operette »Der Feldprediger« aus; darauf folgten Nachrichten sowie als Übernahme von der Berliner »Funk-Stunde«90 eine Tanzstunde mit Egon Kaiser, ein leichtes Unterhaltungsprogramm also, das im Laufe der folgenden Wochen immer weiter ausgedehnt wurde. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1929 wurde erstmals eine Musiksendung des Weltrundfunksenders von 21 amerikanischen Stationen der NATIONAL BROAD-CASTING COMPANY (NBC) übernommen. Als Gegengabe strahlten die amerikanischen kW-Sender am zweiten Weihnachtsfeiertag ein Programm für Deutschland aus, das vom DEUTSCHLANDSENDER übernommen wurde.91

Ab Oktober 1930 nannte sich der WELTRUNDFUNK-KURZWELLENSENDER in DEUTSCHER KURZWELLENSENDER (KWS) um. Das Programm gestaltete sich zunehmend vielfältiger. Es wurden nun täglich acht Sendestunden ausgestrahlt. Ab 1. Mai 1931 fand zweimal pro Woche ein Deutschkurs statt, der für Ausländer deutscher Abstammung bestimmt war, die so wieder Zugang zu der Sprache ihrer Vorfahren erhalten sollten. Der Programmaustausch mit den USA wurde intensiviert: Ab 1932 wurden alle zwei Wochen sonntags eine »Deutsche Stunde« mit Musik vom KWS ausgestrahlt und von allen der NBC angeschlossenen Stationen übernommen. In dieser Sendung kamen prominente deutsche Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wissenschaft zu Wort.92

Im Inland wurde die Existenz eines deutschen Auslandssenders anfangs kaum registriert. Aus dem Ausland trafen jedoch bald die ersten begeisterten Hörerbriefe ein, meist aus den USA, von Hörern, die die von der NBC übernommenen Sendungen über UKW gehört hatten. Ein Ereignis sorgte allerdings auch in Deutschland für mehrere Schlagzeilen: Im Oktober 1932 führte der für den Programmaustausch verantwortliche Kurt Rathke das erste Hörfunk-Interview mit Übersee; er sprach von Berlin aus mit dem Weltflieger Wolfgang von Gronau in Batavia (Jakarta).93 Doch wenn sich auch die technische Entwicklung verbesserte, so blieb die Programmgestaltung insgesamt recht unbefriedigend. Die Sendungen waren nicht speziell auf die Auslandszuhörer zugeschnitten, sondern bestanden bis 1933 im Wesentlichen aus Zulieferungen der FUNK-STUNDE AG in Berlin und anderer regionaler Rundfunkgesellschaften, die nur notdürftig und kostengünstig den Wünschen und...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2016
Zusatzinfo 65 s/w Abb.
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Kommunikation / Medien Kommunikationswissenschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Auslandssender • Deutschand • Deutsche Welle • Mediengeschichte • Politik • Public Diplomacy • Rundfunk • Rundfunkgeschichte
ISBN-10 3-7445-0988-5 / 3744509885
ISBN-13 978-3-7445-0988-6 / 9783744509886
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