Ich war der Hitler von Köln (eBook)

Mein Weg aus der Neonaziszene und wie Extremismus effektiv bekämpft werden kann - ein Aussteigerbericht

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
288 Seiten
FinanzBuch Verlag
978-3-98609-280-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich war der Hitler von Köln -  Axel Reitz
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Er war seit seinem 13. Lebensjahr einer der berüchtigtsten Rechtsextremisten der Bundesrepublik: 15 Jahre dominierte der von den Medien als »Hitler von Köln« bezeichnete Axel Reitz als Organisator, Netzwerker und Propagandaredner das öffentliche Bild der deutschen Neonaziszene. Sein Weg in den Rechtsextremismus begann in der Schule. In einer Projektwoche stellte er alle Parteien vor, die zur Bundestagswahl antraten. Doch die rechtsradikalen Parteien wurden zensiert. Eine Begründung? Gab es nicht. Das trieb ihn erst recht in die Hände rechtsextremer Bauernfänger und so schloss er sich erst der NPD und dann den Freien Kameradschaften an. Reitz verließ die Schule, widmete sich ganz seiner Karriere als Neonazikader. Doch dieses Leben führte ihn an einen Abgrund. 2012 erfolgte der Ausstieg und mithilfe eines staatlichen Programms begann eine intensive Aufarbeitung seiner Vergangenheit. Heute stellt er sich seiner Verantwortung und klärt über antidemokratische Ideen, Radikalisierung und die zerstörerischen Auswirkungen von Hass und Hetze auf. In diesem Buch erzählt er nicht nur seine eigene Geschichte, er zeigt auch auf, wie sich die von ihm erlebten und gelebten rechtsextremen Weltbilder, Strategien und Narrative in ähnlicher Form bei AfD, Identitären, Reichsbürgern und Querdenkern wiederfinden. Ein aufrüttelnder Bericht von einem Mann, der eine komplette weltanschauliche Kehrtwende geschafft hat.

Axel Reitz, geboren 1983, war eine der zentralen Figuren der deutschen Neonaziszene und bekannt als »Hitler von Köln«. Seit seiner kompletten Abkehr vom Extremismus im Jahr 2012 und seiner politischen, gesellschaftlichen und sozialen Rehabilitation engagiert er sich mit seinem YouTube- Kanal »Der Reitz-Effekt« gegen alle Arten von Extremismus, gleich ob politisch oder religiös motiviert. Sein Ziel: anderen dabei zu helfen, nicht genauso in der Radikalität zu versinken wie er selbst in seiner Jugend. Für den Verein Extremislos e. V. engagiert er sich als Vortragsredner und Ansprechpartner für Interessierte, Ausstiegswillige und Fachleute. Axel Reitz ist zertifizierter Antigewalt- Trainer, Deeskalations-Coach und Konflikt-Manager. Für verschiedene staatliche und akademische Projekte war er ebenso beratend und als Referent tätig wie für die Jugendorganisation der FDP, die Konrad-Adenauer-Stiftung sowie den Weltanschauungsbeauftragten der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Axel Reitz, geboren 1983, war eine der zentralen Figuren der deutschen Neonaziszene und bekannt als »Hitler von Köln«. Seit seiner kompletten Abkehr vom Extremismus im Jahr 2012 und seiner politischen, gesellschaftlichen und sozialen Rehabilitation engagiert er sich mit seinem YouTube- Kanal »Der Reitz-Effekt« gegen alle Arten von Extremismus, gleich ob politisch oder religiös motiviert. Sein Ziel: anderen dabei zu helfen, nicht genauso in der Radikalität zu versinken wie er selbst in seiner Jugend. Für den Verein Extremislos e. V. engagiert er sich als Vortragsredner und Ansprechpartner für Interessierte, Ausstiegswillige und Fachleute. Axel Reitz ist zertifizierter Antigewalt- Trainer, Deeskalations-Coach und Konflikt-Manager. Für verschiedene staatliche und akademische Projekte war er ebenso beratend und als Referent tätig wie für die Jugendorganisation der FDP, die Konrad-Adenauer-Stiftung sowie den Weltanschauungsbeauftragten der Evangelischen Kirche im Rheinland.

2. Radikalisierung


Mein angetretener Weg führte mich immer tiefer in die rechte Szene. Innerhalb kürzester Zeit radikalisierte ich mich zunehmend. Ich fühlte mich von meinen Lehrern, meinen Eltern und meinen politischen Gegnern so ungerecht behandelt, dass ihre Ablehnung auf mich wie ein Brandbeschleuniger wirkte. Und je tiefer ich mich in meiner neuen Welt verkapselte, desto starrsinniger wurde ich. Ich regte mich nun über Dinge auf, für die ich mich sonst nie interessiert hätte. Am meisten trieb es mich um, wie ungleich Rechte und Linke behandelt wurden. Ich konnte es nicht begreifen, dass die kommunistischen Parteien in Deutschland weiterhin erlaubt waren, während man die NSDAP und ihre Nachfolgeparteien verboten hatte. Ich fand das unfair. Es musste doch gleiches Recht für alle gelten, oder etwa nicht? Ich hätte es ja zumindest rational verstanden, wenn man auf deutschem Boden alle extremistischen Parteien untersagte. Die MLPD und die DKP standen weiterhin zur Wahl – die NSDAP und ihre Nachfolgeorganisationen hingegen wurden verboten. Auch bezüglich der NPD wurde immer wieder über ein Verbotsverfahren diskutiert. Warum war das so?

Die Menschen, mit denen ich mich nun umgab, flüsterten mir alle möglichen Verschwörungstheorien ein. Der Staat, sagten sie mir, wolle uns mundtot machen, weil er Angst vor uns hätte, weil wir im Besitz der Wahrheit waren. Hier setzten sie bei meinem großen Thema an. Der Meinungsfreiheit. Was denkst du denn, fragten sie mich, warum es keine Meinungsfreiheit gibt? Na, weil hinter dem ein viel größerer Plan steckt. Irgendwelche finsteren Mächte wollen verhindern, dass das Volk diese Wahrheit erfährt. Denn, so hieß es in der Szene, wenn die Deutschen erst einmal die historische Wahrheit erkannten, statt das Zerrbild, dass einem in der Schule beigebracht wurde, dann würden sich die Massen unserer Bewegung anschließen.

Ich war zwiegespalten. Einerseits konnte ich es mir noch immer nicht vorstellen, dass irgendwelche dunklen Mächte das Land dumm halten wollten. Auf der anderen Seite merkte ich aber schon, dass irgendwas nicht stimmte. Mir wurde stets erzählt, die Nazis seien das Böse. Aber die Menschen, die ich in der Szene kennengelernt hatte, waren doch nicht böse. Das waren in meinen Augen normale Leute. Okay, einige Verrückte hatten wir schon in unseren Reihen – aber geschenkt. Das waren doch nur harmlose Spinner. Keine gefährlichen Mörder! Und so wie man mir in der Szene den Nationalsozialismus erklärte, war die Ideologie auch weit entfernt von dem, was ich bisher immer gehört hatte.

In der Schule brachte man uns bei, es handele sich um eine mörderische Ideologie, welche die weiße Rasse über alles setzte. Dass die Deutschen alle Nichtarier auslöschen wollten. Aber meine neuen Freunde erklärten mir, es sei ganz anders. Dass man gar nichts gegen andere Rassen habe. Im Gegenteil, man wolle doch einfach nur, dass jede Rasse in ihrem vorgesehenen Lebensraum blieb und sich so die Völker und Kulturen frei entwickeln konnten. Die Türken sollten ihre türkische Kultur behalten, die Nigerianer ihre nigerianische Kultur. Und die Deutschen sollten eben ihre deutsche Kultur leben. Die geistige Transferleistung, dass man ein »reinrassiges Volksgebiet« nur mit Gewalt schaffen könnte, konnte oder wollte ich damals noch nicht vollbringen. Für mich als 14-Jähriger war nur klar: Man versuchte, uns als Monster darzustellen, die wir in meinen Augen nicht waren. Man rückte die Idee des Nationalsozialismus in ein schlechtes Licht. Und ich war überzeugt, dagegenhalten zu müssen. Von diesem Moment an begriff ich mich – aus Prinzip – selbst als Nazi.

Extremisten versuchen immer die subjektiven Erfahrungen eines Menschen in einen großen, allgemeinen Kontext zu rücken. Erlebte Ungerechtigkeiten werden instrumentalisiert, um einen großen, dahinterstehenden Plan zu skizzieren. Dafür sind Menschen anfällig. Umso wichtiger ist es, dass gesellschaftliche Ungerechtigkeiten immer auch von demokratischen Kräften als solche benannt werden, damit radikale Kräfte gar keine Angriffspunkte haben.

Mein Gedanke war: Man müsste den Leuten nur klarmachen, dass es eine andere Erklärung für den Nationalsozialismus gab. Dass ihnen ein falsches Bild vermittelt wurde. Wenn die Menschen anfangen würden, sich einmal richtig mit der Ideologie zu beschäftigen, dann würden sie verstehen, dass man ihnen nicht die Wahrheit erzählt hatte. Also setzte ich auf subversive Propaganda. Wir mussten den Deutschen einfach nur zeigen, dass es uns noch gab, dann würden sie sich schon mit uns und unserer Ideologie beschäftigen. Und die Wahrheit erkennen. Wir brauchten dafür noch nicht einmal eine zentrale Organisation, die der Staat dann sowieso wieder verbieten würde. Ein Zellensystem reichte aus: Hunderte von NS-Einzelkämpfern, welche die Flamme am Leben erhielten.

Aber das Konzept stammte nicht von mir. Es gab eine Organisation, die sich dieser Aufgabe verschrieben hatte: die NSDAP-AO. Das AO stand für Auslands- und Aufbauorganisation. Man setzte sich für eine Wiederzulassung der NSDAP ein und baute dabei auf die Mittel, die ich auch für sinnvoll erachtete – Propaganda. Hinter dem Verein steckte ein gewisser Gary Lauck, ein US-Amerikaner mit deutschen Wurzeln, der ein glühender Antisemit und Hitler-Verehrer war. Er hatte in Amerika einen Versandhandel gegründet, bei dem die deutsche Neonaziszene alles bestellen konnte, wonach ihr der Sinn stand – angefangen von verbotener rechtsextremer Lektüre bis hin zu radikalen Stickern, Flaggen und Plakaten mit Nazisymbolik.

Die Adresse der NSDAP-AO hatte ich aus einem Verfassungsschutzbericht. Dort wurde breit über die Organisation berichtet. Zur Illustrierung druckte man einen ihrer Flyer ab – samt der Postanschrift, die ich mir direkt notierte.

Auf diese Weise gelangte ich an Material, an das ich sonst nicht gekommen wäre. Ich bestellte mir alle möglichen Sticker und Flyer, die ich überall in der Stadt anbrachte. Die Sticker, die ich verklebte, verkündeten allerdings keine politisch tiefgründigen Botschaften. Sie bestanden einfach nur aus plumper Hetze. Das waren Aufkleber mit Hakenkreuzen oder dummen Sprüchen wie »Ausländer raus«. Ich war so verblendet, dass ich überhaupt nicht begriff, wie sehr solche stumpfen Parolen die Menschen anekeln würden. Ich dachte wirklich, damit würde ich meinen Teil dazu beitragen, dass das Volk endlich aufwachen würde. Es sollten einfach alle sehen: Die Nazis waren noch da.

Wie dumm das alles war, verstand ich damals nicht. Nicht nur, dass ich auf diese Weise niemanden erreichte, im Gegenteil, die Leute sogar noch verschreckte – ich brachte mich auch selbst in Bedrängnis. Immer wieder wurde ich beim Verkleben der Sticker erwischt und erhielt zahlreiche Anzeigen und Hausdurchsuchungen. Meine Eltern trieb das zur Verzweiflung, aber ich war unbeirrbar. Ich machte einfach weiter. Bis die Justiz schließlich die Reißleine zog. Ich war so unbelehrbar, dass ich als Strafe einen zweiwöchigen Jugendarrest aufgedrückt bekam. Aber auch das beeindruckte mich nicht all zu sehr. Da ich an schweren gesundheitlichen Problemen aufgrund meiner Diabetes litt, attestierte mir ein Arzt, haftunfähig zu sein. Ich schickte das Attest an die entsprechenden Stellen.

Bis es eines Morgens an der Haustür klingelte. Ich machte mich gerade fertig für die Schule, als ich die Türe öffnete und zwei Polizisten sah, die den Kopf schräg legten. »Bist du Axel Reitz?«

Ich nickte. »Gut«, sagte einer der beiden. »Du hast deinen Haftantritt versäumt. Darum nehmen wir dich jetzt mit.« »Moment, Moment …«, versuchte ich, die Lage ein wenig zu beruhigen und erklärte den beiden Männern, ich hätte ein Attest vorgelegt. »Was denn für ein Attest?«, fragten sie leicht spöttisch.

»Ich bin krank, ich habe …«

»Du siehst nicht krank aus, wir nehmen dich mit.«

Wieder wehrte ich mich: »Nein, wirklich, das geht nicht, ich …« Keine Chance, die beiden zogen mich aus dem Haus und steckten mich auf den Rücksitz ihres Polizeiwagens. »Hören Sie«, bettelte ich regelrecht. »Selbst wenn Sie mir nicht glauben und mich mitnehmen – ich bin Diabetiker. Ich brauche dringend Insulin. Bitte lassen Sie mich das einpacken.« Die beiden ignorierten mein Flehen. Sie hielten mich wirklich für einen Simulanten. Ich nahm an, dass sie bei so ziemlich jedem Jugendlichen, den sie einkassieren wollten, irgendwelche Ausreden zu hören bekamen. Ich bin krank und mir geht es nicht so gut, waren sicherlich die beliebtesten Sprüche.

Als wir die Jugendarrestanstalt Remscheid erreichten, spürte ich, wie es mir zunehmend schlechter ging. Mir war schwindelig und übel. Mein Blutzucker war sicher deutlich angestiegen. »Bitte«, flehte ich die Männer ein letztes Mal an. »Ich brauche mein Insulin.« Ich muss in diesem Moment schon wie ein Gespenst ausgesehen haben, zumindest nahmen die Beamten mich jetzt ein wenig...

Erscheint lt. Verlag 18.6.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Biografie • Extremismus • Hass • Hetze • Nationalismus • Neonazi
ISBN-10 3-98609-280-3 / 3986092803
ISBN-13 978-3-98609-280-1 / 9783986092801
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