Beziehungsgestaltung in der Sozialen Arbeit (eBook)

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2023 | 2. Auflage
147 Seiten
UTB GmbH (Verlag)
978-3-8463-6015-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Beziehungsgestaltung in der Sozialen Arbeit -  Sabrina Amanda Hancken
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Beziehungsarbeit ist ein zentrales Merkmal sozialarbeiterischer Professionalität. Eine gute Arbeitsbeziehung kommt nicht zufällig zustande und hängt zu weiten Teilen auch nicht von der Persönlichkeit der Sozialarbeitenden ab: Sie ist lernbar. Im Buch werden Ideen zur schrittweisen Umsetzung eigener Beziehungsarbeit entwickelt und Grundlagen der Beziehungsarbeit vorgestellt, die als Ausgangspunkt für professionelles Handeln verstanden werden. Neben der Auseinandersetzung mit den verschiedenen (personalen und strukturellen) Einflussgrößen auf die Beziehungsarbeit runden Übungs- und Reflexionsaufgaben die einzelnen Abschnitte ab. Anhand von Fallbeispielen, die die Beziehungsgestaltung mit Adressat:innen in spezifischen Handlungssituationen der Sozialen Arbeit beschreiben, werden zentrale Kompetenzen herausgearbeitet.

Prof. Dr. Sabrina Amanda Hancken, Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin, M. A. Soziale Arbeit, Sozialtherapeutin, ist Professorin für Sozialarbeitswissenschaften an der Hochschule Merseburg.

Vorwort7
1 Einleitung9
Zum Inhalt und Aufbau des Buches10
2 Soziale Arbeit – eine Beziehungsprofession12
2.1 Ausbildungsgeschichte der Sozialen Arbeit12
2.2 Bezugswissenschaften im Studium15
2.3 Ausbilden nach Bologna-Reform24
2.4 Lebenslagen und Handlungsfelder im Wandel27
2.5 Fallbeispiel und Übungsaufgabe34
2.6 Auf einen Blick38
3 Sozial kompetent in die Praxis starten40
3.1 Handlungskompetenzen in der Sozialen Arbeit42
3.2 Fallbeispiel und Übungsaufgabe52
3.3 Auf einen Blick53
4 Therapeutische Beziehungsgestaltung55
4.1 Professionelle versus freundschaftliche Beziehung56
4.2 Die therapeutische Beziehung57
4.3 Bindungsforschung und therapeutische Beziehung61
4.4 Herausforderungen der Beziehungsgestaltung63
4.5 Auf einen Blick69
5 Grundlagen der Beziehungsgestaltung71
5.1 Konzepte sozialer Beziehungen72
5.2 Beratung und Therapie – eine Abgrenzung82
5.3 Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Beziehungsarbeit85
5.4 Auf einen Blick92
6 Gestaltung einer professionellen Arbeitsbeziehung95
6.1 Grundlagen der Beratung in der Sozialen Arbeit96
6.2 Fallbeispiel und Übungsaufgabe104
6.3 Einflussgrößen der sozialarbeiterischen Beziehung106
6.4 Beziehungsarbeit in psychiatrischen Kontexten117
6.5 Auf einen Blick133
7 Wie geht es beziehungsweise weiter?135
Literatur139

3Sozial kompetent in die Praxis starten

Wer als Sozialarbeiter*in tätig ist, benötigt spezielle berufsbedingte Kompetenzen – gerade auch im Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse. Schaut man sich einmal das sozialarbeiterische Berufsbild an, wird man schnell an die ironische Metapher der eierlegenden Wollmilchsau erinnert.

Auf den Internetseiten der Bundesagentur für Arbeit (2019) befindet sich folgende Beschreibung: Sozialarbeiter*innen beschäftigen sich mit der Prävention, der Lösung und der Beseitigung von Problemstellungen im sozialen Bereich. Aufgabe ist es, einzelnen Personen, Personengruppen oder Familien in belastenden Situationen beratend und betreuend zur Seite zu stehen. Daneben fallen weiterhin organisatorische, verwaltende und planerische Arbeiten, wie Dokumentation, das Erarbeiten von Konzepten, das Planen von sozialen Angeboten usw., an. Aber auch die Netzwerkarbeit und die Öffentlichkeitsarbeit sind wesentliche Aufgabe von Sozialarbeiter*innen.

Ein Blick in die Stellenausschreibungen aktueller Tageszeitungen liefert weitere Hinweise, was heute von Sozialarbeitenden im Praxisfeld verlangt wird. Neben Grundkenntnissen für die jeweilige Zielgruppe in den unterschiedlichen Bereichen werden oft verschiedenste Methoden und Techniken genannt. Ein besonderer Wert wird auf die personalen und sozialen Fähigkeiten gelegt. Eigenschaften wie Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit, Lernbereitschaft, selbstständiges Arbeiten, Teamfähigkeit finden sich ebenfalls immer wieder. Auffällig ist, dass nur selten explizit auf Beziehungsfähigkeit und eine professionelle Beziehungsgestaltung hingewiesen wird. Bevor es nun an die inhaltliche Auseinandersetzung geht, zunächst eine Übungsaufgabe.

Stellen Sie sich vor, dass Sie am Ende Ihres Studiums stehen. Am Schwarzen Brett Ihrer Hochschule sehen Sie folgende Stellenausschreibung:

Wir suchen Sie zur Verstärkung unseres Teams!

Der Verein für Geflüchtete e. V. in B. sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n Mitarbeiter*in mit einem B. A.-Abschluss in Sozialer Arbeit.

Unser Verein ist gemeinnützig und unterstützt seit 2016 geflüchtete Menschen sowie Migrant*innen bei allen Fragen des Alltags.

Wir bieten einen unbefristeten Arbeitsplatz in Vollzeit und erwarten:

•Erfahrung im genannten Bereich

•Beratungskompetenz

•Zusammenarbeit mit Netzwerkpartner*innen/Kooperationspartner*innen/Ehrenamtlichen

•Organisationsgeschick

•Kreativität zur Förderung der Integration und des interkulturellen Austausches

•selbstständiges, eigenverantwortliches Handeln

Wir freuen uns über Ihre elektronische Bewerbung: bewerbung.hilfe-fuer-gefluechtete@xyz.de

Vergütung: Orientierung am TVöD-SuE Ansprechpartnerin: Maxime Musterfrau

Aufgabe

Nachdem Sie Ihre Bewerbung abgeschickt haben, werden Sie zeitnah zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde, in der Sie auch Ihre Motivation für den Beruf schildern, stellt Ihnen Frau Musterfrau folgende Fragen:

–Welche Fähig- und Fertigkeiten bringen Sie für dieses Arbeitsfeld mit?

–Wo liegen Ihre Stärken?

–Was glauben Sie, unterscheidet Sie von den anderen Bewerber*innen?

Nach Beantwortung der Fragen clustern Sie diese bitte und ordnen ihnen Oberbegriffe zu.

Im weiteren Verlauf dieses Buches werden Sie ähnliche oder andere Oberbegriffe für Ihre genannten Fähig- und Fertigkeiten kennenlernen und sich selbst verorten können.

3.1Handlungskompetenzen in der Sozialen Arbeit

Um kompetent in der Sozialen Arbeit handeln zu können, bedarf es eines Bündels von Fähig- und Fertigkeiten, damit die unterschiedlichsten Problemlagen gelungen bearbeitet werden können. Häufig werden dafür die Begriffe Handlungs- und Schlüsselkompetenz synonym gebraucht.

Eine erste Annährung, was unter Schlüsselkompetenzen zu verstehen ist, gibt Franz E. Weinert (2001, S. 27). So liegen Schlüsselkompetenzen dann vor, wenn »[…] kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen […] Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können«, vorhanden sind. Hierbei handelt es sich um Wissensbestände, Fähig- und Fertigkeiten, die nicht für die Ausübung spezieller Tätigkeiten erforderlich sind.

Im Unterschied dazu wird unter professioneller Handlungskompetenz in der modernen Sozialen Arbeit die Befähigung der Mitarbeiter*innen in sozialen Einrichtungen zur Multiperspektivität und zur eigenen bzw. konzeptionellen Entwicklungsfähigkeit verstanden (vgl. Maykus 2017).

Friedrich Maus, Wilfried Nodes und Dieter Röh (2013, S. 12) gehen noch einen Schritt weiter. Sie sprechen von sozialarbeiterischer Kompetenz und verstehen diese ebenfalls als Handlungskompetenz. Sie zeige sich darin, unterschiedliche Fähig- und Fertigkeiten im Hilfeprozess zu professioneller Hilfe verknüpfen zu können. Was dieses nun konkret bedeutet, wird spätestens seit der Bologna-Reform vielfach diskutiert (vgl. Fachbereichstag Soziale Arbeit 2016). In diesem Zusammenhang wurde das Ziel angestrebt, auf nationaler und europäischer Ebene Qualifikationsrahmen, zwecks internationaler Vergleichbarkeit von Studiengängen, zu entwickeln. Für die Disziplin Soziale Arbeit wurde ein entsprechender Qualifikationsrahmen entwickelt und vom Fachbereichstag Soziale Arbeit verabschiedet. Er liegt in der Fassung 6.0 (2016) vor. Hierin wird

»kompetentes Handeln in der Sozialen Arbeit [verstanden] als Fähigkeit zu angemessener Situations- und kritischer Selbstwahrnehmung, zur Reflexion des eigenen Standpunktes auch aus der Perspektive von anderen und zur innovativen Bewältigung von Herausforderungen und Krisensituationen der zu beratenden, zu betreuenden und/oder zu begleitenden Menschen« (Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit des Fachbereichstags Soziale Arbeit 2016, S. 16).

In Bezug auf das Studium der Sozialen Arbeit bedeutet Kompetenzorientierung, dass sich Schlüsselkompetenzen angeeignet werden und nach Abschluss anwendbar sind, um professionell handeln zu können. Im Masterstudiengang werden diese dann noch weiterentwickelt. Welchen Stellenwert dabei die Beziehungsarbeit einnimmt, ist nicht klar. Nachfolgend findet deshalb eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen theoretischen Konzepten, die sich mit sozialarbeiterischen Kompetenzen beschäftigen, statt mit dem Ziel, wesentliche Erkenntnisse für die professionelle Beziehungsgestaltung zu generieren.

3.1.1 Orientierungsrahmen für Handlungskompetenz

Professionelle Handlungskompetenz verlangt nach Hiltrud von Spiegel (2001) ein Zusammenwirken von Wissen, Können und Haltung. Hierzu entwirft die Autorin einen Orientierungsrahmen, der arbeitsfeldübergreifende Anforderungen darstellt. Dabei unterscheidet sie zwischen der Fall- und der Managementebene, wobei nachfolgend der Fokus auf der Fallebene im Hinblick auf die professionelle Beziehungsarbeit liegt. Hier wird bestimmt, welche Fähigkeiten Sozialarbeitende benötigen, um ihre Person als Werkzeug – im Sinne von Kopf-Hand-Herz – einsetzen zu können.

Wissen

Bezogen auf das Fachwissen, über das psychosozial Helfende verfügen sollten, wird unterschieden zwischen Beobachtungs- und Beschreibungswissen, Erklärungs- und Begründungswissen, Wertewissen sowie Handlungs- und Interventionswissen. Damit wird Wissen auf die zu erfüllenden Funktionen bezogen. Mit Beobachtungs- und Beschreibungswissen ist die strukturierte Informationssammlung über eine aktuelle Situation oder ein Problem gemeint. Dafür werden Begriffe und Raster zur Verfügung gestellt, die bei der Überwindung der Begrenzung der eigenen Perspektive helfen sollen. Eine Defizitorientierung soll durch die Suche nach Ressourcen und Ausnahmesituation in der Lebensgeschichte überwunden werden und so die Sicht auf Entwicklungspotenziale enthüllen. Erklärungs- und Begründungswissen beziehen sich auf wissenschaftliches Wissen, das zur Erklärung von Zusammenhängen und zur Begründung von Handlungen eingesetzt wird. Das Wertewissen nimmt auf normative Postulate Bezug, z. B. wie die Beziehung zwischen Sozialarbeitenden und Adressat*in auszusehen hat. Diese wertebasierten Vorstellungen begründen also Verhaltensleitlinien, wie sie beispielsweise in den berufsethischen Prinzipien des Deutschen Berufsverbands für Soziale Arbeit (DBSH) zu finden sind. Das Interventionswissen umfasst die Handlungskonzepte, in denen wiederum die oben genannten Wissensbestände genutzt werden. Die erfolgreiche Umsetzung wurde dokumentiert und reflektiert (vgl. von Spiegel 2004). Dies entspricht zugleich dem, was oft als strategisches Wissen bezeichnet wird. Es bedarf sowohl Faktenwissen als auch Wissen über die Anwendung.

Für Sozialarbeitende bedeutet dies, dass es sich bei Wissensbeständen um eine Komponente für ihr professionelles Selbstverständnis handelt. So...

Erscheint lt. Verlag 16.1.2023
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
Schlagworte Beziehungsarbeit • Beziehungsarbeit in der Psychiatrie • Beziehungsbildung • Bindung • Bindungsfähigkeit • Bindungsforschung • Bologna-Reform • Freundschaft • freundschaftliche Beziehung • Geschichte der Sozialen Arbeit • Jugendamt • Jugendarbeit • Jugendsozialarbeit • Klienten • klientinnen • Lehrbuch • Medizinischer Dienst • Professionelle Arbeitsbeziehung • professionelle Beziehung • Professionelles Handeln • Sozialarbeit • sozialarbeiterische Beziehung • Soziale Arbeit studieren • Soziale Bindung • Soziale Kompetenzen • Sozialer Dienst • Sozialpädagogik • Sozialpädagogische Beratung • Studium Soziale Arbeit • Therapeutische Beziehung • Vertrauen
ISBN-10 3-8463-6015-5 / 3846360155
ISBN-13 978-3-8463-6015-6 / 9783846360156
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