Meine Mutmacher (eBook)

Wahre Geschichten übers Straucheln und wieder Halt finden

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023
208 Seiten
Kösel-Verlag
978-3-641-29964-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Meine Mutmacher - Steffi Neu
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»Egal, was passiert, es geht immer weiter: das beweisen die Menschen, von denen uns Steffi Neu hier berichtet. Ein Buch voller Lebensweisheit - ehrlich, sympathisch und überaus tröstlich.« Tamina Kallert, Bestsellerautorin und Moderatorin
Steffi Neu ist beliebte Radiomoderatorin und für ihre bodenständige, fröhliche und direkte Art bekannt. Doch auch sie hat Situationen erlebt, in denen es einem den Boden unter den Füßen wegzureißen droht. Nach dem Tod eines engen Freundes begann sie, nach Menschen zu suchen, die Schicksalsschläge erlebt und überwunden, die nach Krisen wieder Hoffnung gefunden haben. Wie macht man das? Was hilft dabei? Und kann man aus diesen Geschichten etwas für das eigene Leben lernen?

In diesem Buch erzählt Steffi Neu von ihren Mutmachern, von Begegnungen, die sie besonders beeindruckt haben. Es sind Geschichten von Menschen, die gegen alle Widerstände Dinge bewegt haben, ihren eigenen Weg durch schwere Lebensphasen gegangen sind. Ein Buch voller Hoffnung, guter Ideen und echter Gefühle.

Steffi Neu ist Journalistin, Moderatorin und Autorin. Sie wurde 1971 in Kleve geboren und lebt bis heute mit ihrem Mann, den zwei Kindern und Hund am Niederrhein. Nach Studium und journalistischer Ausbildung beim WDR begann sie 1996 als Redakteurin und Moderatorin bei WDR 1Live, seit 2000 moderiert sie bei WDR 2.

1

Wenn ein guter Freund gehen muss

Über Olaf und die Trauer

Ich möchte von Olaf erzählen. Olaf ist tot. Das zu schreiben, dieses Geschriebene zu lesen, tut unfassbar weh. Hätte ich nicht gedacht. Ist drei Jahre her.

Olaf war mein Kumpel, mein Partner, mein kreativer Inputter, mein Berater, Mut- und Lachenmacher. Es gibt diese Menschen: Die siehst du, hörst du, liest was von ihnen auf dem Handy – und die Sonne geht auf. Witzig und originell und leicht, das war Olaf. So ist er bis heute in meinem Handy-Verlauf.

Kennengelernt haben wir uns vor vielen Jahren bei 1LIVE, dem jungen Radiosender vom WDR. Er hat Comedy gemacht, ich war Redakteurin, also für die Programmplanung verantwortlich. Ein loser Kontakt, ein Mögen, dann haben wir uns Jahre nicht gesehen. Bis im Sommer 2016 eine SMS kommt: »Hast du Lust, beim wilden alternativen Karneval die Präsidentin zu sein? Mit mir. Ich bin der Präsident.« Alternativer Karneval, das ist doch das, wo jeder das macht, was er will? Wo es die Regeln nicht gibt, die ich aus meinem konventionellen Dorfkarneval kenne?

Ich bin neugierig, wir treffen uns. Und mögen uns wieder. Er erzählt voller Leidenschaft von »Deine Sitzung«, so heißt das Projekt. Dass Carolin Kebekus, die das normalerweise macht, eine Auszeit nimmt. Dass Mirja Boes mit dabei ist. Diese Namen! Diese Frauen! Und dann meine Füße in diesen Fußstapfen? Olaf hat null Zweifel, dass ich das hinkriege. Sein Vertrauen zu mir haut mich um. Ach ja, eine Band mit ’nem Haufen Musiker sei auch dabei. Ein bisschen singen soll ich auch und Stand-up-Comedy machen.

Das wird für mich der blanke Stress werden, das ist klar. Denn auf der Bühne sind alle Augen auf dich gerichtet und du musst liefern, die Leute haben schließlich Eintritt bezahlt. Im Radio schaut dich niemand an, da kannst du auch nicht tiefer fallen als bis zur nächsten Musik. Wenn du einen Aussetzer hast oder merkst, dass du dich ins Abseits verplappert hast, drückst du einfach die Not-Aus-Taste. Du musst gar nichts sagen, drückst den Knopf, Musik kommt, und du hast Zeit, wieder in die Spur zu kommen. Aber was, wenn mir das auf der Bühne passiert?

Olaf guckt mich mit seinen großen blauen Augen an und fragt: »Und? Oder willste dich erst mit deinem Anwalt besprechen?« Ich muss lachen. »Wenn du mir hilfst, bin ich dabei.« Niemals hätte ich mich das getraut ohne Olaf.

Je näher der Auftritt rückt, desto nervöser werde ich. Kurz vor der Premiere schreibe ich Mirja Boes, dass ich Riesenrespekt habe. Da kommt sie grinsend mit einer großen Tasche in die WDR 2-Redaktion und sagt: »Ich habe dir Respektlosigkeit mitgebracht.« Da hat diese Frau mein Herz gewonnen. Weil sie selbst so ein großes hat. Eine echte Mutmacherin. Nicht auf den anderen einreden, sondern: kleine Geste, großer Effekt. Merken.

»Deine Sitzung« ist für mich ein Urknall. Nach dem Karneval ist mir klar: Ich will mehr davon. Ich will ein Bühnenprogramm machen. Will singen vor Menschen, sie bodenständig und interaktiv unterhalten. Jetzt erst merke ich, dass das, wovor ich am meisten Angst gehabt hatte, schon immer ein tiefer Wunsch in mir gewesen ist. Sofort ist in meinem Kopf ein Gefühl, wie es sein soll: keine großen, unpersönlichen Hallen, sondern kleine Dorfsäle, wie ich sie seit meiner Kindheit kenne. Mit ihnen bin ich aufgewachsen.

In einer Dorfgemeinschaft ist der Dorfsaal der wichtigste place to be. Hier wird gelacht und geweint. Hier werden Hochzeiten gefeiert und Beerdigungskaffees gehalten. Jeder Dorfsaal hat seine Dorfgeschichte, seinen eigenen Geruch, seine eigene Patina. Und vor allem: Die Gäste sind dort zu Hause – oder sie kommen aus dem Nachbardorf. Im besten Fall stehen da mehr Fahrräder als Autos vor der Tür.

In einer Tour über Land, von Dorfsaal zu Dorfsaal, steckt viel Organisation und Logistik drin. Allein kann ich das nicht. Und wieder weiß ich: Ohne Olaf geht es nicht, er ist die perfekte Ergänzung. Er ist Schauspieler, Comedian, Autor, er ist unglaublich witzig und hat ein Lachen, bei dem jeder mit muss. Für ihn gibt es nichts, was nicht geht. Je verrückter, desto besser. Ich frage ihn und er ist sehr angetan von der Idee. Von da an sind wir Buddies.

So wird »Steffis Kneipenquiz« geboren: Teams aus dem Publikum kämpfen um den Ehrenpokal des Abends. Noch im gleichen Jahr starten wir, mit kleiner Live-Band, Talk-Gästen und freiwilligen Helfern aus meinem Freundeskreis, präsentiert von WDR 2. Ein Showprogramm, das wir über hundert Mal gespielt haben – Stand Anfang 2023.

Zu viele davon ohne Olaf.

***

Nach der ersten erfolgreichen Tour in ausschließlich ausverkauften Dorfkneipen starten wir im Sommer 2018 die Besichtigungsreise für die nächste Tour. Alle Veranstaltungssäle werden von Olaf und mir persönlich ausgesucht. Keine Blindflüge. Ich bin offen und nahbar, und es ist mir wichtig, auch auf der Bühne so sein zu dürfen. Dazu braucht es den richtigen Ort. Die aufwendige Suche danach ist für die einen ein nerviger Tick, für die anderen eine Haltung. Ich nehme das Letztere.

Eines Tages fahren Olaf und ich zum Dorfkneipen-Gucken nach Vettweiß bei Aachen. Olaf hat Kopfschmerzen und fragt, ob ich fahren könne. Klar, kann ich. Im Auto reden wir, Olaf mit Bleistift im Mund. So eine Art Zähnezusammenbeißen, sehr unpraktisch beim Sprechen. Ich beobachte das vom Fahrersitz aus und wundere mich. Sage es ihm. Er lacht und nimmt den Bleistift raus.

Zwei Wochen später frage ich ihn am Telefon, was aus seinem Kopfschmerz geworden ist. Er erzählt, dass er beim Arzt war. Olaf hatte auf einen beginnenden Burn-out getippt, doch der Doc hatte ihn gleich an eine neurologische Abteilung überwiesen. Ein paar Tage darauf erfahre ich von einer Freundin, dass Olaf einen Tumor im Kopf hat und operiert werden soll. Ich bin schockiert, will was sagen. Und während ich noch nach Worten suche, weiß ich doch, dass ich keine Ahnung habe, was man in so einer Situation sagen kann.

Was dann folgt, ist eine Achterbahn. Zuerst heißt es: »Die OP ist gut gelaufen. Er lacht schon wieder.« Später sagt mir Olaf, dass es ein Tumor ist, der gerne wiederkommt. Er will das mit ein paar Witzen überspielen, und wieder bin ich überfordert: »Hör mal auf zu lachen!«, pampe ich ihn an. »Es ist doch gerade Scheiße!« Die absolute Hilflosigkeit.

Du kennst solche Momente: zu viele Informationen, Gefühle, Gedanken, und am Ende bringt man nur Schrott raus. Was sagst du zu Eltern, deren Kind vom Auto angefahren wurde und schwer verletzt im Krankenhaus liegt? Was sagst du zu einem Menschen, dessen Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt wird und der nicht weiß, ob er jemals wieder Boden unter die Füße bekommen wird? »Wird schon wieder«? Oder: »Die Ärzte kriegen das in den Griff«? Manchmal stimmt das, manchmal aber auch nicht. Und ab wann macht Mitgefühl die Sache nur noch schlimmer?

Auch Olaf hat keine Ahnung, wie er mit der Situation umgehen soll. Also lassen wir das mit dem Reden über den Tumor. Konzentrieren uns lieber auf unser Projekt, das wir mit Leidenschaft und Freude weitermachen wollen. Aber das heißt noch lange nicht, dass seine Krankheit vergessen und verdrängt ist. Wir sind mitten in der Tour und ständig laufen bei mir die stillen Fragen mit: Was kann ich ihm abnehmen, ohne ihn auszugrenzen? Was kann ich sagen, ohne ihn zu verletzen? Ganz schwierig. Dazu kommen meine eigenen Ängste: Wie soll ich das alleine hinkriegen, wenn Olaf ausfällt? Ich schäme mich für diesen Gedanken, aber ich kann ihn nicht ausblenden.

Es gibt keinen Ausweg aus diesem Dilemma. Da ist der Freund, dessen Leben durch einen kleinen Zellhaufen im Kopf aus der Bahn geworfen wird. Und da bin ich, die nicht weiß, wie sie mit ihren Gefühlen und Sorgen umgehen soll, und um die richtigen Worte ringt. Es ist wirklich eine sauschwere Zeit, aber wir schaffen die Tour. Im Nachgang kann ich sagen: Ich habe es genau richtig gemacht. Ich habe Olaf machen lassen, wie er wollte. Und übernommen, wenn er nicht konnte.

Im August-Urlaub kommt eine SMS: »Es ist ein Glioblastom«. Ich google. Überlebenschance: gegen null. Ich weine, voller Verzweiflung. So viele Tränen! Manche Tumore bedeuten, dass es ein Von-bis gibt. Sechs bis zwölf Monate. Oder: zwei bis fünf Jahre. Dank seines Glioblastoms hat jetzt auch Olaf ein Von-bis. Überlebenszeit etwa ein Jahr.

Er wird noch einmal operiert, das Ding ist raus. Er wird bestrahlt. Er ist fast wieder der Alte. Als ich bei ihm zu Hause bin, um über die nächste Tour zu sprechen, geht er in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Nach 30 Sekunden fragt er, was er eigentlich in der Küche will. So what! Ist nur ’n Kaffee.

Ich schreibe die Lieder, ich schreibe die Quizze, plane die Auftritte der Talk-Gäste, lasse mir bei Verträgen helfen und gründe meine eigene Firma, die das Ganze juristisch auf sichere Beine stellt. Bislang hat Olaf das gemacht mit seiner Firma, aber ich will ihm das abnehmen. Und ehrlich: Ich denke auch an mich. Ich muss sicher sein, dass er nichts vergisst.

Wieder so eine Sache, die einen schier zerreißt. Da wird jemand, der mit dem Tod kämpft, nicht mehr für voll genommen. Seine Lebensleistung langsam von seinen besten Freunden ausgeblendet. Wie soll man damit umgehen? Da hilft nur Offenheit. Ich sage Olaf, dass ich nun viele seiner Aufgaben übernehmen werde. Er guckt traurig, aber er versteht mich. Ob er in diesem Moment denkt, dass ich ihn aufgegeben habe? Damals habe ich die Sache einfach nur praktisch gesehen: Die nächsten Monate...

Erscheint lt. Verlag 29.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2023 • buch zum podcast • eBooks • Ermutigung • Hoffnung • Lebenskrise • Mentale Stärke • Mental Health • Mutmachbuch • Neuerscheinung • Neues Leben • Persönlichkeitsentwicklung • podcast mutmacher • Psychologie Ratgeber • Ratgeber • Resilienz • Schicksale wahre Geschichten • Schicksalsschlag • steffi neu podcast • Steffis Kneipenquiz • WDR Podcast • Zweites Leben
ISBN-10 3-641-29964-0 / 3641299640
ISBN-13 978-3-641-29964-4 / 9783641299644
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