Mami ist die Beste! Meistens (eBook)
224 Seiten
Blanvalet Verlag
978-3-641-28338-4 (ISBN)
Was ist eigentlich los in der Gesellschaft, die Jungsmütter häufig bemitleidet? Mit einer großen Portion Humor und schonungsloser Ehrlichkeit erzählt Adrienne Friedlaender, Mutter von vier wilden Söhnen, von Tortenschlachten in der Badewanne, von Lehrergesprächen, nächtlichen Besuchen auf der Polizeiwache - von Chaos, Katastrophen und kostbaren Momenten mit ihren vier Söhnen.
Heute weiß sie, dass das Leben mit Jungs nicht nur ein nachhaltiges Workout für die Nerven ist, sondern auch eine wertvolle Schule für Mütter. Eine Liebeserklärung an das Leben mit Jungs.
Fröhlich und lebensklug schreibt Adrienne Friedlaender über Themen, die uns bewegen. Lesen Sie auch:
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Adrienne Friedlaender, Jahrgang 1962, ist freie Journalistin. Seit mehr als zehn Jahren schreibt sie Porträts, Kurzgeschichten, Interviews und Reisereportagen aus aller Welt für Tageszeitungen, Magazine und Online-Medien. 2017 erschien ihr erstes Buch »Willkommen bei den Friedlaenders!«, mit dem sie die SPIEGEL-Bestsellerliste eroberte. Seitdem widmet sie sich in ihren fröhlichen und lebensklugen Büchern den Themen, die sie ganz persönlich bewegen. Adrienne Friedlaender lebt mit zwei ihrer vier Söhne in Hamburg.
Vorwort
»Es wird ein Junge!« – erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier …
Was hat das Schicksal sich bloß dabei gedacht, einer wie mir vier Söhne hintereinander zu schenken? Ich meine, man setzt doch auch niemanden mit Mofa-Führerschein in einen Ferrari. Als ich zum ersten Mal schwanger wurde, war ich felsenfest davon überzeugt, ein Mädchen zu bekommen. Nicht, weil ich mir keinen Sohn gewünscht hätte, sondern einfach deswegen, weil ich aus einer Mädchenfamilie kam und mir schlichtweg nichts anderes vorstellen konnte. Natürlich ist das bei einer Fifty-fifty-Chance vollkommen unlogisch und spricht sogar gegen die Statistik. Aber wer denkt schon rund um die Uhr logisch – vor allem, wenn die Schwangerschaftshormone durch den Körper galoppieren. Auf meiner Wunschbaby-Namensliste standen »Anouk«, »Eva« und »Emma«. Und ich träumte von Töchtern, die summend die Teppichfransen kämmen und aus Bananenschalen Blumenmuster legen. Ich war vorbereitet auf mein Mädchenmutter-Leben: Sobald sie laufen könnten, würde ich ihnen das Reiten beibringen, so wie ich es früher gelernt hatte – die meisten Mädchen sind doch vernarrt in Pferde. Ich wusste, wie es sich anfühlt, wenn Mädchen sich streiten, wenn sie ihre gemeine Ader ausleben, indem sie der Lieblingspuppe der Schwester einen Kurzhaarschnitt verpassen oder sie am Bett aufhängen. Ich wusste, was es mit einem macht, wenn sie eine Bürste unter das Laken legen oder beim Versteckspielen ewig hinterm Busch sitzen, weil eben gar nicht nach ihnen gesucht wird … In allen Mädchen-Lebenslagen würde ich Trost spenden können. Ich sah mich Zöpfe flechten, Ponys striegeln, Fußnägel lackieren, auf dem Bett liegen und Liebesschnulzen gucken. Bis zur Ultraschalluntersuchung.
»Ihr Baby liegt fantastisch und zeigt sich uns gerade prächtig. Möchten Sie gern wissen, was es wird?«, fragte die Ärztin, während sie die Sonde über meinen Bauch gleiten ließ. Mit einem wissenden Lächeln nickte ich ihr zu.
»Sie bekommen einen Jungen«, sagte sie und lächelte.
Für einen kleinen Moment guckte ich leicht bedröppelt aus der Wäsche. Dann schlug mein Erstaunen in Freude um: Wahnsinn! Was für ein überraschendes Abenteuer! Ich bekam einen Sohn! Erwartungen, Wünsche und Pläne hatten sich innerhalb von Sekunden in Luft und Liebe aufgelöst. Glück ist nun mal nicht planbar.
Ein paar Monate später war er da: ein 51 Zentimeter blau angelaufenes, verrunzeltes, glitschiges Glück. Kaum lag er auf meinem Bauch, war ich schockverliebt.
Und so ging es weiter: Zwei Jahre später wurde Sohn Nummer zwei geboren. Ich wollte gern eine junge Mutter sein. Sechs Jahre danach sah ich das ganz anders und freute mich sehr über Sohn Nummer drei, und last but not least kam mit Abstand von wiederum vier Jahren Sohn Nummer vier zur Welt. Vier wilde Jungs, die jeden Morgen mit einer Energie aus dem Bett sprangen, als hätten sie nicht Schlaf, sondern Strom getankt. Als die Tochter meiner Freundin anfing zu sprechen, war ihr erstes Wort »Mama« – einmal heraus, wiederholte sie es wie aufgezogen, während sie ständig wie festgeklebt am Mutterhals hing, sie küsste und streichelte. Das erste verständliche Wort aus dem süßen Mund von Sohn Nummer eins war »Ball«, und statt kuschelig auf meinem Schoß zu sitzen, tobte er, sobald er laufen konnte, wie ein Tornado durchs Haus. Mal als Polizist, mal als Cowboy, mal als Bankräuber – immer bewaffnet. Oft mit Bananen – »peng!« Und das war erst der Anfang meines Lebens unter Männern.
Der Alltag mit vier Söhnen unter einem Dach fühlt sich selbst heute manchmal noch so fremd an wie ein Leben im Zoo. Auch beim zigsten Spaziergang durch den Tierpark Hagenbeck staune ich über das Gerangel der dominanten Mandrill-Männchen, über die ewig Futter suchenden Nasenbären und die kraftvollen, majestätischen Löwen. So werde ich wohl auch nie begreifen, warum meine Jungs sich statt einer Umarmung gern zur Begrüßung in die Seite knuffen, und zwar heftig. Und meine Jungs werden nie verstehen, warum ich lieber am hübsch gedeckten Tisch zu Abend esse und unbedingt über die Erlebnisse des Tages sprechen möchte, wo es doch viel gemütlicher ist, mit dem Teller auf dem Schoß vom Sofa aus Ballerfilme zu gucken. Vertraut und nah sind wir uns und dennoch manchmal fremd.
Nach über 25 Jahren Muttererfahrung weiß ich: Viele Jungs toben testosterongepeitscht durchs Leben, bescheren Schutzengeln Überstunden und ihren Müttern schlaflose Nächte plus graue Haare. Mädchenmutter und Jungsmutter – das ist in den meisten Fällen so, als würde man ein Bad im See an einem lauen Sommernachmittag mit einem Sprung in den Ozean bei Windstärke fünf vergleichen. Wobei: Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel.
Heute sind drei meiner Jungs volljährig, die Hälfte von ihnen ist bereits ausgezogen. Während sie in ihr Erwachsenenleben starten, frage ich mich: Habe ich ihnen alles mitgeben können, was es für den neuen Lebensabschnitt braucht? Mit welchen Gedanken und Gefühlen verlassen sie ihr Elternhaus? Wie erzieht man als Frau Jungs zu glücklichen Männern? Und: Welche Tricks gibt es, um zwischen diesen wunderbaren Wilden zu überleben?
Ich habe genauso viele »Jungs-verstehen«- und Erziehungs-Ratgeber im Regal wie Fußbälle im Garten. Aber ich kann ja auch nicht fliegen, egal wie viele Vogelbücher ich gelesen habe … Und immer wenn ich glaube, etwas begriffen zu haben, heißt das noch lange nicht, dass das für alle Söhne funktioniert. Denn auch wenn Jungs ganz allgemein eine fremde Spezies für mich sind, gibt es unter ihnen viele Unterschiede – genau wie bei Hunden. Während ein Basset Hound lieber faul auf dem Sofa liegt, rettet der Neufundländer leidenschaftlich gern Ertrinkende. Also überlasse ich das Ratgeberschreiben anderen und öffne dafür lieber die Tür zu meinem Leben und meinen Gedanken: Wie habe ich verarbeitet, dass ich, ob im HSV-Stadion oder als Kantinenmutter, überwiegend peinlich bin? Lässt sich Jungsfreizeit artgerecht und gleichzeitig mutterkompatibel gestalten? Wie kommuniziert man mit Jungs, die Schweigen viel attraktiver finden als Reden? Und wie überlebe ich mein »An-den-Herd-gekettet-Sein« im Kampf gegen den unstillbaren Hunger? Muss ich als allein lebende Mama den Mann in mir entdecken, um mich durchzusetzen und ein gutes Vorbild zu sein? Und wie gehe ich um mit den häufig so vorwurfsvoll-schrägen Blicken, die mir als mehrfache Jungsmutter von anderen Müttern, Lehrern, Spießern zugeworfen werden, wenn es mal wieder etwas wilder und lauter zugeht? Frei nach dem Motto: Du hast ein fehlerhaftes Wesen auf die Welt gebracht – sieh mal zu, dass du das jetzt zum Funktionieren bringst. Und es sind keineswegs nur Blicke, die ich in den vergangenen Jahren ertragen musste. Die Hitliste der lieblosen und unverschämten Bemerkungen ist lang: Als ich mit Sohn Nummer vier schwanger war, musste ich mir tatsächlich anhören: »Das war doch sicher ein Unfall, oder?«
Unfall? Fassungslos schaute ich mein Gegenüber an. In den letzten fünf Monaten hatte ich sechs verschiedene Schwangerschaftstests gemacht. Beim letzten Mal war ich sogar noch mal losgelaufen und hatte gegen den Rat des Apothekers einen weiteren Test gekauft. Ich war einfach nicht bereit gewesen, das negative Ergebnis zu akzeptieren. Als der Test ein paar Monate später dann wirklich »positiv« anzeigte, war ich die glücklichste Frau unter dem Hamburger Himmel. Und das sollte ein Unfall sein?
Die Erste, die von meinem Glück erfuhr, war die Sprechstundenhilfe beim Zahnarzt, als ich anrief, um die geplante Krone zu verschieben. Ich hatte recherchiert: Zu viel Stress und Adrenalinausstoß auf dem Behandlungsstuhl könnten eine Fehlgeburt auslösen. Und ich stoße schon beim Öffnen des Mundes für die Kontrolluntersuchung mehr Adrenalin aus als eine Antilope, die vor einem Gepard flüchtet.
Ein paar Monate später beugte sich dann beim Bäcker tatsächlich eine Frau aus der Nachbarschaft über den Kinderwagen und sagte: »Schon wieder ein Junge? Sie Ärmste! Dann müssen Sie wohl weiterüben.« Sie blinzelte mir zu und ging davon, während ich mit Tränen in den Augen zurückblieb.
Was denken sich Menschen dabei, einer werdenden Mutter solche Bewertungen vor den Bauch zu werfen? Anhören musste ich mir auch: »Noch ein Junge – oh, wie schade. Da bist du bestimmt enttäuscht, oder?« Und: »Ein Junge, na ja, Hauptsache gesund.« Solche absurden Kommentare kommen keineswegs nur von Außenstehenden. Im Geburtsvorbereitungskurs hörte ich einmal, wie eine werdende Mutter einer anderen zuflüsterte: »Ich bin so froh, dass ich ein Mädchen bekomme.« Diese antwortete sogleich: »Das verstehe ich gut. Mir tun die Jungsmütter auch leid.«
Wie traurig. In vielen Ländern ist es genau umgekehrt: Da wird die Geburt eines Jungen mit Freudenschreien begrüßt, Mädchen hingegen werden von Anfang an vernachlässigt, benachteiligt oder sogar abgetrieben. Aber der Wert, der Jungs und Mädchen zugemessen wird, scheint nicht nur kulturabhängig zu sein, sondern variiert sogar in der eigenen Familie. Meine fünfundneunzigjährige Mutter erzählte noch bis zu ihrem Tod im Jahr 2021 bei jeder Gelegenheit: »Du hast ja so ein Glück gehabt mit deinen vier Jungs. Das ist eine großartige Leistung. Du kannst wirklich sehr stolz sein. Wie sehr hätte ich mir das gewünscht!« Das verstehe ich weder als Mutter noch als ihre Tochter.
Sind Jungs irgendwann unbemerkt zu Kindern zweiter Klasse geworden? Und wenn ja, warum? Viele meinen, dass in den Hinterköpfen der Eltern nach wie vor Stammhalterträume kursieren, dass Jungs deshalb mehr geschätzt werden als Mädchen, aber die Realität sieht ganz anders aus. Ich spreche jetzt nicht über Aussagen...
Erscheint lt. Verlag | 3.5.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | 2023 • Anleitung • Das Pubertier • eBooks • Eltern • Elternschaft • Erziehung • Geschenkbuch • Geschenk für Mütter • Geschenkidee • Humor • Jungs • Jungsmama • Jungsmütter • lustig • lustige • Muttersein • Muttertag • Neuerscheinung • Söhne • Spiegel Bestseller Autorin • Streiche |
ISBN-10 | 3-641-28338-8 / 3641283388 |
ISBN-13 | 978-3-641-28338-4 / 9783641283384 |
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