Das Ende des Romantikdiktats (eBook)

Warum wir Nähe, Beziehungen und Liebe neu denken sollten
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
208 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-30035-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Ende des Romantikdiktats -  Andrea Newerla
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Revolutionieren wir die Welt der Liebe!
»Ein mutiges, kluges Buch über Formen intimen Zusammenlebens, über Nähe, Liebe, Sexualität - und das Ende der Romantiknorm. Ein Nachdenken, das neue Perspektiven öffnet!« Gert Scobel

»Dieses Buch öffnet Scheuklappen auf höchst interessante Weise! So entstehen neue Räume im Kopf. Als Paartherapeutin weiß ich, wie wichtig das ist.« Ann-Marlene Henning

Unsere Beziehungen funktionieren häufig nicht mehr: Die Zahl der Single-Haushalte steigt, die Kleinfamilie zerfällt und während uns Hollywood den Glanz der ganz großen Liebe ins Wohnzimmer strahlt, suchen wir mit Dating-Apps, polyamoren oder offenen Beziehungen den neuen Goldstandard für Nähe und Verbindlichkeit. Doch liegt darin wirklich die Erfüllung unserer intimsten Sehnsüchte? Steckt dahinter nicht ein Prinzip, das sich in Zeiten des ökonomisierten Dating-Marktes selbst überholt hat?

Soziologin Andrea Newerla blickt hinter die Glücksversprechen unserer Zeit, zeigt, was wir eigentlich suchen und warum unsere Beziehungskonzepte nicht wirklich so alternativlos sind, wie sie uns immer scheinen.

Andrea Newerla ist promovierte Soziologin und forschte zuletzt als Senior Scientist an der Paris Lodron Universität Salzburg zu Intimitäten, Onlinedating und Beziehungsmustern jenseits heteronormativer Standards. Ihre Forschungserkenntnisse dienen als Ausgangsfragen einer neuen Perspektive auf unsere intimen Beziehungen und bieten die Grundlage der Betrachtung sich wandelnder gesellschaftlicher Verbindlichkeiten für ihr Buch.

Sie ist eine der bekanntesten Stimmen der soziologischen Intimitätsforschung und war als Expertin unter anderem bereits bei Aspekte (ZDF), scobel und Kulturzeit (3sat) oder in der taz geladen.

VORWORT
Let’s talk about … Intimacy


Eine Straßenkreuzung in London: Der Buchhändler William stolpert in die Arme von Anna – eine bekannte Schauspielerin. Ungeschickterweise schüttet er ihr dabei seinen Orangensaft über die Bluse. Anna ist zunächst offensichtlich erschrocken und auch ein wenig wütend über dieses Missgeschick, William bietet ihr aber sofort an, sie könne das bei ihm zu Hause sauber machen, schließlich wohne er gleich ums Eck. Sie nimmt das charmante Angebot an, macht sich frisch und verlässt die Wohnung nach ein paar flüchtigen Worten schnell wieder – nur um kurze Zeit später zurückzukehren, da sie ihre Einkäufe vergessen hat. Es kommt zu einem erneuten verlegenen Verabschiedungsmoment, bei dem sich die beiden wortlos im Flur gegenüberstehen und einander tief in die Augen blicken. Und dann geschieht etwas Unerwartetes: Anna tritt einen Schritt näher und küsst William.

Diese schicksalhafte Zufallsbegegnung, die hier in Szene gesetzt wird, ist der Beginn einer großen Liebesgeschichte, die vermutlich vielen von uns bekannt ist, denn sie stammt aus dem erfolgreichen Liebesfilm Notting Hill mit Julia Roberts und Hugh Grant aus dem Jahr 1999. Und wie viele Liebesfilme ›made in Hollywood‹ hat auch diese Geschichte ein Happy End: Den Höhen und Tiefen des Kennenlernens zum Trotz endet der Film mit einem Blick auf die Traumhochzeit der beiden unsterblich Verliebten und ein paar anschließenden hochromantischen Schnappschüssen der gemeinsamen Zukunft: Die beiden sitzen happy auf einer Parkbank, Julia ist schwanger und schaut hochzufrieden in die Ferne, während Hugh erfüllt in ein Buch vertieft zu sein scheint. Dazu romantische Musik. Ende gut, alles gut. Könnte es nicht auch so schön einfach im wahren Leben sein?

Es ist nicht verwunderlich, dass es Szenen wie diese sind, die – fast automatisiert – in unseren Köpfen ablaufen, wenn wir selbst verliebt sind. Sie lassen uns fantasieren, wie es idealerweise sein wird mit dem Menschen, für den wir auf einmal ganz besondere Gefühle entwickelt haben. Da fliegen uns Schmetterlinge im Bauch umher, begleitet von romantischen Bildern. Diese kennen wir, seit wir klein sind, und sie wurden uns bereits unzählige Male erzählt. Es sind Geschichten von der großen Liebe, wie sie William und Anna im Film erleben: Erst der tiefe Blick, dann der alles verändernde Kuss – und fast wie von selbst folgen weitere Schritte, die schließlich in der Hochzeit münden, in der Gründung einer Familie und dem sprichwörtlichen Glück ›bis ans Ende ihrer Tage‹. Die entsprechenden Drehbuchanweisungen dafür kommen aus der uns nicht immer bewussten Regie: Klappe die Erste, »True Love« in fünf, vier, drei, zwei, eins, und los geht es mit unserem ganz persönlichen Liebesfilm. Gemeinsam schwingen wir uns ein in die fabelhafte Welt der romantischen Liebe.

Den Wenigsten von uns ist bewusst, dass das Skript, dem unsere Liebesgeschichten folgen, bereits feststeht und seit Jahrhunderten ungefähr gleich abläuft: Verliebt, verlobt, verheiratet – oder moderner: daten, crushen, verlieben, zusammenziehen, Kinder kriegen, Familie werden. Vielleicht auch heiraten oder ein Haus bauen, muss aber mittlerweile häufig auch nicht mehr unbedingt sein. Es ist ein wunderschönes Skript, geradezu ein Diktat, welches uns da immer wieder von Neuem vorgelesen wird und welches wir jedes Mal mit neuer Leidenschaft mitschreiben. Sind wir nicht am Schreiben, sehnen wir uns regelrecht danach, sie endlich wieder aufschreiben zu dürfen, unsere Liebesgeschichte – vielleicht schaffen wir es diesmal ohne Fehler. Oder ohne dass uns die Tinte auf halber Strecke ausgeht.

Geschichten wie die von William und Anna, die von der Schönheit und Leichtigkeit der romantischen Liebe erzählen, haben nach wie vor eine enorme Strahlkraft – mehr noch: sie entfalten einen Sog, dem wir uns kaum entziehen können. Dabei sieht die bittere Realität unseres intimen Zusammenlebens eher so aus: Seit Jahrzehnten sinkt die Anzahl an Heiratswilligen, zugleich steigt die Scheidungsrate, Ein-Personen-Haushalte nehmen stetig zu, und wo wir hinsehen, stemmen alleinerziehende Mütter und Väter ihren Alltag mit Kindern, leben Senior*innen allein und vereinsamen, sind Singles frustriert und überfordert von einem schier unendlichen Angebot auf dem Datingmarkt bei gleichzeitiger Unverfügbarkeit von tatsächlichen Dating Partner*innen. Das ist deshalb bitter, weil sich die meisten von uns etwas ganz anderes wünschen: Nämlich eingebunden sein in nahe Beziehungen, die uns stützen, die Halt geben und in denen wir uns geborgen und geliebt fühlen – und das auf Dauer.

Viele Menschen sind heute an einem Punkt, an dem sie enttäuscht feststellen: So wie es uns immer erzählt wurde und wie wir es uns oft erträumt haben, ist es einfach nicht. Unser persönliches Liebesglück ist oftmals nicht von Dauer, und häufig machen wir Trennungserfahrungen, die schneller kommen als gedacht. Etliche suchen ihr Glück dann eben woanders: nächste Beziehung – und der Liebeszauber geht von vorne los. Im Gepäck ist die Hoffnung, dass das mit dem Glück diesmal endlich klappen wird. Vielleicht fragt sich manch eine*r von uns in den Momenten des Übergangs – also zwischen der einen und der nächsten Liebesbeziehung –, was wohl zum Scheitern geführt haben könnte. Sind wir der Nähe nicht gewachsen gewesen? Wollten wir zu viel oder zu wenig? Müssen wir vielleicht einsehen, dass wir zunächst an uns selbst arbeiten müssen, um es beim nächsten Versuch besser machen zu können? Oder sind wir womöglich alle beziehungsunfähig geworden? Vielleicht haben einige aus den schmerzhaften Erfahrungen gelernt und sind persönlich gewachsen. Irgendwann muss es doch mal klappen mit dem ganz persönlichen Liebesglück.

Wonach wir in diesen Momenten nicht fragen, ist die soziale Beschaffenheit unserer romantischen Träume, Sehnsüchte und Wünsche – und unseres permanenten Scheiterns. Wir fragen nicht, warum in unseren Köpfen immer wieder die Filme mit den schönen, romantischen Skripten ablaufen, die uns unsere persönlichen Liebesgeschichten vorzuschreiben scheinen. Wir fragen nicht, warum diese Geschichten so wirkmächtig sind und wir uns keine anderen Sehnsuchtsorte ersinnen wollen als romantische. Wir fragen nicht, warum wir kaum andere Vorstellungen von einem glücklichen und zufriedenen Zusammenleben haben als die der romantischen Liebesbeziehung und der im besten Fall daraus erwachsenden Kleinfamilie. Wir fragen nicht ganz grundsätzlich nach den Regeln, Funktionen und Normen unserer persönlichen Liebesgeschichten. Es ist fast so, als würden wir uns nicht trauen, da genauer hinzuschauen. Vielleicht weil wir dann erkennen – oder sagen wir: anerkennen – würden, wie viel Gesellschaft in unseren Schlafzimmern steckt.

Und genau hier möchte dieses Buch ansetzen. Gemeinsam werden wir herausarbeiten, wie eng unsere persönlichen und sehr nahen Beziehungen sowie unsere Vorstellungen von Intimität, Beziehungen und Liebe geprägt sind durch die Gesellschaft, in der wir leben – und sie sind nicht nur geprägt durch unsere gegenwärtige Gesellschaft und Kultur, sondern auch durch die vergangene. Die Krisen, die viele von uns in ihren Liebesbeziehungen, Ehen und Familien erleben und die heute zu vielen Brüchen und Zerwürfnissen führen, sind eng verbunden mit gesellschaftlichen Mechanismen, Regeln, Strukturen und Normen. Über diese Verwobenheiten von Intimität und Gesellschaft sprechen wir allerdings kaum, mehr noch: Sie sind uns oft nicht einmal bewusst.

Dabei wäre es überaus hilfreich, würden wir anfangen, über diese Dinge nachzudenken und zu sprechen – auch außerhalb unserer Schlafzimmer und fernab des Privaten. Dann würden wir erkennen, dass wir nicht allein sind mit den Herausforderungen in Sachen Liebe, dass viele ähnliche Nähe-, Beziehungs- und Liebeskrisen erleben, dass wir es hier mit Mustern zu tun haben, die sich wiederholen. Wir würden erkennen, dass romantische Beziehungen als diejenige Form des Zusammenlebens, die wir als ganz normal wahrnehmen, Ergebnis historisch-gesellschaftlicher Prozesse sind. Prozesse, die zeigen, dass unsere nahen Beziehungen nicht »schon immer« auf der Vorstellung der romantischen Liebe basierten, sondern sich im Laufe der Zeit verändert haben und dies auch in Zukunft weiter tun werden.

Ich bin überzeugt davon, dass in all diesen Erkenntnissen ein großes Potenzial schlummert, welches wir kaum nutzen. Denn wenn es so ist, dass wir als Menschen unser intimes Leben selbst herstellen, dass es sich stetig gewandelt hat und weiterhin wandeln wird, dann bedeutet das auch, dass wir es auch heute aktiv gestalten können. Und wir können es auch anders gestalten. Möglicherweise begegnen wir den Krisen und dem ständigen Scheitern auf andere Weise, wenn wir verstanden haben, wie die soziale Beschaffenheit unserer nahen Beziehungen ist. Vielleicht können wir dann sehen, dass neben der romantischen Liebesbeziehung, die noch stets der Goldstandard unter den Beziehungen ist, auch andere, sehr nahe Beziehungen existieren, die wertvoll für uns sind. Was ist zum Beispiel mit unseren Freundschaften: Ist es nicht unsere Erfahrung, dass sie viel eher von Dauer sind als unsere romantischen Liebesbeziehungen? Oder was ist mit selbst gewählten Familien? Oder unseren Wohngemeinschaften? Können dies nicht auch Orte sein, die uns ein Zuhause bieten, die Raum bieten zur Planung von Zukunft und wo wir nahe Beziehungen führen können, die uns erfüllen und zufrieden machen, in denen wir uns gehalten, geborgen und geliebt...

Erscheint lt. Verlag 28.6.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2023 • Allein leben • Allgemeinbildung • Beziehung • Beziehungsratgeber • Bindungsangst • Dating • eBooks • Einsamkeit • Frauen • Freundin • Freundschaft • Friedemann Karig • Gefühle • Gesundheit • Glücklich sein • intimacy • Intimität • Liebe • Love • Neuerscheinung • Partnerschaft & Beziehungen • Polyamorie • Radikale Zärtlichkeit • Selbstliebe • Sex • Single • Sozialforschung • Soziologie • tinder • Verantwortungsgemeinschaft • Wahlfamilie
ISBN-10 3-641-30035-5 / 3641300355
ISBN-13 978-3-641-30035-7 / 9783641300357
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