Jedem Zauber wohnt ein radikaler Anfang inne (eBook)

Warum uns ein bisschen Genderwahn guttut - Von der Gründerin von Pinkstinks
eBook Download: EPUB
2023
256 Seiten
Kösel-Verlag
978-3-641-30130-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jedem Zauber wohnt ein radikaler Anfang inne - Stevie Schmiedel
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Eine Mischung aus Donnerwetter und Liebeserklärung an die feministische Szene
»Stevie Schmiedel macht, wonach ich mich immer gesehnt habe: Sie baut Brücken über sich jäh erweiternde Abgründe. Denn nur so kommen wir voran.« Mithu Sanyal

»Es braucht gute Argumente und großen Mut, eine Haltung zu vertreten, mit der man sich zwischen alle Fronten begibt. Stevie Schmiedel hat von beidem genug.« Julia Karnick

Die Genderstudies sind ein Minenfeld: Eine ?woke? Jugend cancelt, was nicht bunt genug ist, während ein Großteil der feministischen Fortysomethings fragt, was die Streite um Privilegien, Gendersternchen oder Pronomen-Salat überhaupt sollen. Ist das Problem im heutigen Feminismus in Wahrheit ein Generationenkonflikt? Dabei könnte es doch so einfach sein: Raus aus dem »ich weiß alles besser« - und zwar auf beiden Seiten! Sagt jedenfalls Stevie Schmiedel, das Gesicht der deutschen Genderforschung und Gründerin von Pinkstinks.

Fundiert, verständlich und mit einer ordentlichen Portion Humor holt sie die Generationen an einen Tisch und zeigt, wie ein moderner Feminismus aussieht, in dem man Fragen stellen darf und der Debatte zulassen kann. Ganz getreu dem Motto: »Allem Zauber wohnt ein radikaler Anfang inne.«

Dr. Stevie Meriel Schmiedel, geboren 1971, ist Deutsch-Britin und promovierte Kulturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Genderforschung. Als Dozentin für Genderstudies lehrte sie an Hamburger Hochschulen, bevor sie 2012 Pinkstinks gründete - die heute reichweitenstärkste Bildungsorganisation gegen Sexismus in Deutschland. Neben Beratung und Vorträgen zu Sexismusprävention ist sie regelmäßig als Expertin in den Medien gefragt, so u. a. in Spiegel, SZ, DlF, FAZ und diversen ARD und ZDF Dokumentationen.

Einleitung


Was ist heute eigentlich los mit dir, Feminismus?


Mal im Ernst: Der heutige Feminismus ist ein einziges Gemetzel. Rechts und links gibt es scharfe Worte, Freundschaftskündigungen, Abgrenzungen und Grabenkämpfe. Muss das sein? »Seufz«, denke ich mir, anscheinend ja, leider. Denn bei Auseinandersetzungen innerhalb der Frauenbewegung geht es vor allem um unsere eigene Identität, unsere Identität als Frauen. Die Frage, wer wir sind, wie wir leben wollen und was »uns Frauen« ausmacht oder ausmachen sollte, bestimmt oft unsere Meinung darüber, was feministisch also – für uns Frauen – ist, und was nicht. Damit wird verständlich: Was die eine als Errungenschaft für Frauen empfindet, mag eine andere als Zumutung ansehen.

Vor allem ältere Frauen, deren Kinder langsam erwachsen werden oder es schon sind, schauen manchmal ratlos auf die vielen Entwicklungen. »Ganz ehrlich«, denkt die eine, »ich habe immer als Ärztin gearbeitet und mein eigenes Geld verdient. Ich habe mich aber nie diskriminiert gefühlt, weil es nicht ›Ärzt*innenkammer‹ heißt. Was soll dieser Gendersprache-Blödsinn neuerdings?« Die Nächste fragt sich: »Ich bin immer gegen sexualisierte Gewalt auf die Straße gegangen. Aber mit #MeToo gehen die zu weit: Männer dürfen gar nichts mehr sagen! Das ist mir jetzt echt zu doll.« Und auch Frauen, die eher traditionelle Rollenmuster leben, sehen manches skeptisch. »Na super«, meint die eine oder andere, »früher waren wir mindestens drei Jahre zu Hause bei den Kindern – jetzt stressen sich die jungen Frauen ab und geben ihre Säuglinge schon nach sechs Monaten in die Kita. Ist das so schlau? Ich war gerne Hausfrau, heute ist das verpönt!«

Sie finden sicher noch sehr viel mehr Themen, über die sich ältere und jüngere Frauen heute streiten. Ob eine Frau beispielsweise die ungehinderte Ausübung von Sexarbeit unterstützt, hängt oft mit ihrem Alter oder ihrer Sozialisierung zusammen. Frauen finden eher, dass Sexarbeit ein Beruf wie jeder andere ist, wenn sie Sexualität nicht nur als etwas sehr Privates empfinden, sondern auch als Dienstleistung denken können. Wer mit Lifestyle-Magazin-Titeln à la »Ich bin eine Sexarbeiterin, na und?« oder »One-Night-Stand leicht gemacht« groß geworden ist, hat oft ein anderes Verhältnis zu Sexualität als jene, die sich nie vorstellen könnten, mit einem Fremden intim zu sein. Hier geht es nicht um ein Urteil darüber, was nun die »richtige« Einstellung zu Sexualität ist. Die unterschiedlichen Sichtweisen wirken sich aber oft auf die Bewertung aus, ob Sexarbeit per se Gewalt an Frauen sei oder nicht.

Ebenso zerkriegen sich Feministinnen heute gerne über die Frage, ob Muslimas Kopftuch tragen sollten. Ist dieser islamische Brauch ein Instrument der Unterdrückung und Gewalt – oder der religiösen Freiheit und Selbstbestimmung? Die Antwort ist oft abhängig davon, ob man selbst Hijab-Trägerin ist oder Freundinnen hat, die ihr Kopftuch lieben, oder ob man Kontakt zu einer oder mehreren Frauen hat, die als Mädchen gezwungen wurden, Kopftuch zu tragen. Und sie hat damit tun, wie viel und mit welcher Literatur man sich mit der eigenen Rolle als weiße Frau, die über als »migrantisch« gelesene Frauen urteilt, beschäftigt hat. Auch hier sind oft Altersunterschiede zu erkennen. Häufig sind es Frauen einer jüngeren Generation, die sich dagegen aussprechen, Kopftücher in bestimmten Institutionen zu verbieten, weil sie das als rassistisch und übergriffig wahrnehmen. Selbstredend empfinden sie ihren Feminismus als den »richtigeren« und grenzen sich oft gegen die von ihnen als »alt-feministisch« bezeichnete Generation ab.

Die Positionen zwischen den beiden Generationen könnten heute unterschiedlicher kaum sein. Je mehr wir uns uneins sind, desto stärker verhärten sich indes die Fronten. »Seufz«, denke ich mir da wieder, denn irgendwie scheint sich in dieser Art, die Auseinandersetzung zu führen, nicht viel zu bewegen. Dabei wollen wir das doch alle – etwas bewegen, für uns Frauen und für uns alle als Gesellschaft. Gibt es nicht einen Weg, auf dem wir gemeinsam vorankommen können? Einen Weg, raus aus dem »Ich weiß alles besser«, das es uns so schwer macht, miteinander ins Gespräch zu kommen?

Wir Alten wissen es besser! Ist das so?


Ich frage mich, was mit mir passiert ist, seit ich als junge Studentin bedingungslos feierte, dass Menschen Geschlechtergrenzen überschreiten. Ich las die revolutionäre Genderphilosophin Judith Butler, schrieb meine Doktorarbeit über sie und erklärte darin, dass Geschlecht unordentlicher und komplizierter ist, als in Klischees und Büchern wie Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus gern behauptet wird. Heute, über zwanzig Jahre später, sehe ich manches anders. Ich bin kritischer. Ich feiere nicht mehr alles, worauf ich einmal schwor, und manchmal recke ich bockig mein Kinn gen Himmel, polarisiere und übertreibe ins Konservative, weil ich von manchen heutigen Positionen sehr genervt bin. Um es klar zu sagen: von feministischen, linken Positionen. Von derselben feministischen Linken, die ich gegen meine Eltern einst vehement verteidigte. Überhaupt geht mir »woke«, die aktuelle Bezeichnung für politisch-korrekt, manchmal unfassbar auf den Zeiger.

Wenn mir bei einer Konferenz oder Veranstaltung, auf der ich rede, mal wieder gesagt wird, dass beim Mittagssnack »natürlich alles vegan« ist, sage ich meist kühl: »Oh, schade!«, und bekunde fast kindisch, dass ich viel und gerne Fleisch esse. Biofleisch! Aber eben dennoch CO2-pupsende und oft niedliche Tiere, die ich zur Not auch selbst erlegen würde, wenn es sie nicht mehr bequem im Kühlregal zu kaufen gäbe. Dabei war auch ich als junge Frau überzeugte Vegetarierin – später sogar militante Veganerin. Zwanzig Jahre lang rührte ich kein Fleisch an und verstand nicht, warum andere es tun: Wir müssen doch die Welt retten! Heute sehe ich überall vegane Cafés und mache mir Sorgen um die bleich wirkenden jungen Menschen, zu denen auch ich einst gehörte. Und gleichzeitig gehen sie mir mit ihrem unreflektierten Nachgeplapper dessen, was ihnen »woke« erscheint – und was gefühlt alle in ihrer Generation sagen, die urban, hip und nachhaltig leben wollen –, manchmal irre auf die Nerven. Ich denke, damit bin ich nicht allein.

Man nennt das sicher älter werden. Vielleicht Generationenkonflikt. Ich höre mich zu meinen jugendlichen Kindern heute Sätze sagen, mit denen meine Eltern mich damals zur Weißglut brachten, und fühle mich grässlich dabei. »Geh du erst mal arbeiten!«, »So schlimm ist Kapitalismus nun auch nicht!« und »Sag mal, weißt du eigentlich, was der Kommunismus in der Welt so angerichtet hat?« Wenn ich mich derart zur jüngeren Generation abgrenze, die mich und viele von uns Älteren irritiert, passiert mit mir nichts anderes als das, was sie in Bezug auf mich spürt: Ich möchte nicht vereinnahmt werden. Ich möchte nicht die Kontrolle und Selbstbestimmung über mein Leben verlieren. Diese Selbstbestimmung haben auch wir älteren Erwachsenen einst mit harten Pubertätskämpfen und konsequenten Abgrenzungen errungen. Ich möchte gesehen werden! Mit meinen Erfahrungen, meinem Widerstand, mit dem, was ich als mein Wissen und meine Kompetenz erachte. Ich lebe nicht in der Haut der heutigen jüngeren Generation, ich bin in einer anderen »Bubble«. Auch wir Älteren haben jedoch berechtigte Sorgen und Standpunkte. Ich habe länger studiert, mehr gelesen, mehr gelebt und mehr gekämpft als die »Ich-habe-Pride-Socken-von-H&M«-Kids, die heute meinen, alles besser zu wissen. Das klingt sicher furchtbar arrogant und stur. Gleichzeitig aber glaube ich, dass wir uns gegenseitig bereichern können – wenn wir uns gut zuhören. Ich meine sogar, dass diese anstrengende neue Generation, die radikal fordert, an unseren Grundfesten rüttelt und über die sozialen Netzwerke in die Medien drängt, gehört werden muss. Ich sehe nämlich Glitzer hinter dem Regenbogen, und der ist für uns alle da. Wenn wir uns mehr austauschen, langsamer vorgehen und Kompromisse finden.

Mit dem Alter kommt nicht nur genervtes Augenrollen, sondern auch Verantwortung. Ich bin keine Teenagerin mehr. Das Privileg der Jugend, sich brutal abzugrenzen, einfach rauszuhauen, was man fühlt und denkt, habe ich im Lauf des Erwachsenwerdens verloren. Ich habe mit der Gründung und dem zehn Jahre dauernden Aufbau der feministischen Bildungsorganisation Pinkstinks und als häufige Interviewpartnerin für Genderthemen eine hohe mediale Reichweite erlangt und damit die ethische Pflicht, meine Einstellung – meine Genervtheit – zu hinterfragen und auf den Prüfstand zu stellen. »Leider!«, sagt das bockige Kind in mir. Viel zu oft stöhne ich dieser Tage ungeduldig auf, ein Phänomen, das Leserinnen in den Wechseljahren sicher gut kennen. Aber zum Glück ist mir neben der trotzigen und berechtigten Wut, die Frauen um die fünfzig oft empfinden, eigen geblieben, dass ich doch noch irgendwie »die Welt retten« oder wenigstens dabei helfen möchte. Der ungestüme Drang der Jugend konzentriert sich im Alter aufgrund schwindender Energie jedoch auf eine realistische Einschätzung dessen, was man als Individuum zum Fortschritt der Gesellschaft beitragen kann und will. Auf Fleisch verzichten, das haben wir schon mal festgestellt, wird es bei mir nicht sein. Was dann?

Ich möchte einen Diskurs zum Thema »Gender« zwischen festgefahrenen Positionen anstoßen: einen produktiven Dialog zwischen Jung und Alt, konservativ und progressiv. Ich möchte, dass wir ins Reden kommen und sich jede und jeder zu Wort melden darf. Um dafür eine Grundlage zu schaffen, möchte ich ein paar überraschende Tatsachen und komplexe...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2023 • Allgemeinbildung • Alte weiße Männer • Bernadine Evaristo • cancel culture • eBooks • Frauen • Freundin • Gendersternchen • Gender Studies • Gewohnheiten ändern • Gleichberechtigung • Inklusion • Kommunikation • Mithu Sanyal • Neuerscheinung • Patriarchat • Pinkstinks • Rassismus • Sex • Social Media • Sophie Passmann • Transrechte • woke
ISBN-10 3-641-30130-0 / 3641301300
ISBN-13 978-3-641-30130-9 / 9783641301309
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