Konsens ist sexy (eBook)

Von persönlichen Grenzen und weiblicher Lust. Einblicke ins bisexuelle, queere und online Dating, offene Beziehungen, Depressionen und Identitätskonflikte

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
176 Seiten
mvg Verlag
978-3-96121-908-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Konsens ist sexy -  Nadine Primo
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Wer bin ich und wer will ich sein? Wen und wie liebe ich? Und wie stehe ich für mich selbst und meine Grenzen ein? Wie viele junge Menschen sieht sich auch Nadine Primo mit diesen tiefgehenden Fragen konfrontiert. Unterhaltsam, ehrlich und ungeschönt erzählt sie von ihren eigenen Erfahrungen und gibt dabei intime Einblicke in das Gefühls- und Datingleben einer bisexuellen Frau: Von Selbstfindung und Identitätskrisen über die Frage nach der sexuellen Orientierung bis hin zu alternativen Beziehungskonzepten zeigt sie, wie vielfältig und selbstbestimmt wir unser Leben gestalten können und warum es bei ihr erst zu Grenzüberschreitungen kommen musste, bevor sie ihre Grenzen wirklich erkennen und zu verteidigen lernte. So macht sie auch anderen Mut und gibt ihnen das Selbstvertrauen, alte Rollenbilder zu hinterfragen und für sich einzustehen.

Nadine Primo lebt in Berlin und ist selbstständig als freie Autorin, Redakteurin und Content Creatorin tätig. Als Vertreterin der queeren Community teilt sie auf ihrem Blog und Instagram persönliche Erlebnisse aus ihrem Alltag als bisexuelle Frau und macht auf anhaltende Ungerechtigkeiten im Patriarchat sowie mentale Gesundheit, allen voran Depressionen, aufmerksam.

Nadine Primo lebt in Berlin und ist selbstständig als freie Autorin, Redakteurin und Content Creatorin tätig. Als Vertreterin der queeren Community teilt sie auf ihrem Blog und Instagram persönliche Erlebnisse aus ihrem Alltag als bisexuelle Frau und macht auf anhaltende Ungerechtigkeiten im Patriarchat sowie mentale Gesundheit, allen voran Depressionen, aufmerksam.

Sexualisiert werden


Ich war gerade einmal drei Monate in Berlin, als die ersten Coronafälle auftauchten und innerhalb von wenigen Wochen der erste europaweite Lockdown im März 2020 ausgerufen werden sollte. Dies führte dazu, dass ich mein Projekt und im gleichen Atemzug meine Wohnung verlor und mich erst einmal wieder orientieren musste. Zurück nach Köln? In Berlin bleiben? Auf eine Teil- oder Vollzeitstelle bewerben und der Freiberuflichkeit vorläufig den Rücken kehren? Selbstständig sein in Deutschland ist wenig attraktiv, aber während einer globalen Pandemie, in der mehrere Branchen ums Überleben kämpfen, eine echte Herausforderung. Existenzangst wurde mal wieder mein Begleiter, der Herzschmerz rückte dafür kurzzeitig in den Hintergrund. Das alles sollte mir einiges an Kapazitäten abverlangen – vor allem aber emotionale Ressourcen. Ich entschied mich zu bleiben, mich vorläufig nirgends zu bewerben und abzuwarten, ob der Spuk nicht doch schneller vorbei sein würde als gedacht. Den Winter über hatte ich mich so dermaßen in die Arbeit gestürzt, dass ich mir zumindest für die erste Zeit finanziell keine großen Sorgen machen musste. Tat ich aber trotzdem, natürlich.

Ich fühlte mich oft einsam und überfordert von den neuen Gegebenheiten. Zumindest die Wohnungssuche klärte sich recht schnell, und plötzlich hatte ich eine große Altbauwohnung für mich allein. Aber jobtechnisch wurde ich für insgesamt drei Monate in eine Art Coronabedingte Zwangspause versetzt.

Aus viel Halligalli, Arbeit und Menschen in meiner Wohnung wurden einsame Abende auf dem Balkon oder lange Spaziergänge durch den neuen Kiez und ein sich immer wiederholender Tagesablauf, der durch seine Monotonie nicht zu überbieten war. Versteht mich nicht falsch: Ich habe die Zeit durchaus gut genutzt. Aber der Kontrast war einfach zu groß, kam zu schnell.

Irgendwann fing ich an, die Einsamkeit zu genießen und immer mehr zu reflektieren, was eigentlich in den letzten Monaten nach der Trennung geschehen war. Es passierte viel, aber irgendwie auch nicht. Während draußen die Welt stillstand, tobte es in meinem Inneren. Gedankenspiralen, die sich mit der letzten Trennung beschäftigen und Gründe für das Scheitern unserer offenen Beziehung suchten, holten mich immer wieder ein. Allerdings auf eine friedvollere Art, und ich war auf einmal in der Lage, mich auch in meinen Expartner Felix hineinzuversetzen und das erste Mal wirklich zu reflektieren, wieso wir es uns beide in manchen Momenten so schwer gemacht hatten. Wieso unsere offene Beziehung am Ende aufgrund mangelnder Kommunikation gescheitert war. Ich hatte nach unserer Trennung recht schnell die Stadt verlassen und kam erst während des Lockdowns wirklich dazu, mir dessen bewusst zu werden.

Nachdem ich auch den letzten Winkel im Kiez erkundet hatte, saß ich fortan immer öfter irgendwo am Wasser und verarbeitete all die Eindrücke, die einige Menschen bei mir hinterlassen hatten. Auch unschöne Erlebnisse, die mich zeitweise sehr beschäftigten, teilweise sogar traumatisiert hatten, bahnten sich erneut ihren Weg in mein Bewusstsein. Jetzt war ich in der Lage, das Geschehene differenzierter zu betrachten und nicht von unschönen Gefühlen überschwemmt zu werden.

Gerade leben wir in einer Zeit, in der wir über scheinbar nichts mehr die Kontrolle haben. Aktuell ist es schwierig zu planen. Herbst 2020: die Stimmung schlecht, das Wetter noch schlechter. Immerhin gab es einige Tage, an denen die Sonne schien, das letzte bunte Herbstlaub seinen Charme versprühte und irgendwie ein Funken Hoffnung und Frohsinn über allem lag. Das Jahr 2020 neigte sich dem Ende zu, und gefühlt hatte es gar nicht stattgefunden. Natürlich hatte es stattgefunden, aber es war alles anders gelaufen als geplant. Für uns alle. Zumindest war es für mich schwer vorstellbar, dass es Menschen gab, die mit all der Corona-Craziness gerechnet haben.

Auch wenn alles im Moment eher nichts zu sein schien. Denn genau so viel konnte Mensch derzeit unternehmen. Okay, das war vielleicht etwas dramatisch ausgedrückt, aber die Aussicht, dass nirgendwo die Möglichkeit bestand, grenzenlos gemeinsam erlebnisreiche Momente zu verbringen, verleitete schnell zu solch theatralischen Gedanken.

Konsum soll Langeweile vertreiben, Konsum macht langweilig. Klamotten, Spielekonsolen, Dinge, die wir angeblich unbedingt brauchen. Serien und Filme, die wir unbedingt sehen müssen, weil sie unser Leben abwechslungsreicher gestalten sollen, aber letztlich gelähmt auf der Couch versacken lassen. Alles Dinge, mit denen wir uns in diesem Herbst beschäftigen konnten und die manche von uns, mich auf jeden Fall, auf die Dauer in den Wahnsinn trieben. Ich habe mich für kreative Beschäftigungen entschieden, in der Hoffnung, am Abend wenigstens halb befriedigt ins Bett zu gehen, weil ich nicht nur Serien geglotzt, sondern ein Bild gemalt oder ein Puzzle geschafft habe. Jede*r erzählte sich eine andere Geschichte, benutzte eigene Strategien zur Bewältigung der neuartigen Beschäftigungslosigkeit und des auf einmal fehlenden Angebots – zur Ablenkung.

Wie bereits erwähnt: Ich habe während des ersten und auch zweiten Lockdowns viel Zeit damit verbracht, mich mit meinen Dämonen zu konfrontieren und Dinge zu verarbeiten, die mich schon lange beschäftigten. Und endlich diesen Herzschmerz loszuwerden, der mich seit meinem überstürzten Umzug nach Berlin gerade nachts immer wieder heimsuchte. Im Nachhinein betrachtet war der Umzug nicht wirklich überstürzt, sondern genau richtig. Aber in dem Moment selbst empfand ich mich als sehr impulsiv – und bekam es auch zwei, drei Mal zu hören. Aber es hat auch nicht wirklich jemand versucht, mich abzuhalten. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass ich meinen Wohnort abrupt wechselte.

Als Single war es in diesem Herbst 2020 auf jeden Fall schwierig, neue Menschen kennenzulernen. Selbst, wenn man sich irgendwann gemeinsam dazu entschlossen hatte, die Corona-konformen Spaziergänge auszuweiten und danach noch gemeinsam zu kochen oder am Ende des Tages doch im Bett zu landen, hieß das nicht, dass man sich wirklich kennenlernte – oder es noch tun würde. Ich glaube, der Großteil der Menschen befand sich in einer Ausnahmesituation, sei es psychisch, beruflich, sozial oder existenziell. Ein normaler Alltag, unsere Realität, wie wir sie bis Anfang 2020 noch (er-)lebten, war vorerst nicht möglich. In meiner Bubble und meinem Umfeld, aber auch auf den Straßen, sah ich meistens Menschen, die es, zumindest von außen betrachtet, nicht schwer im eigentlichen Sinne haben. Gerade zu Beginn der Coronazeit hatten viele von uns es jedoch schwerer als sonst. Kontrollverlust, aufkeimende Existenzängste, unsichere und sich stetig ändernde Regelungen/Maßnahmen und soziale Isolation.

Irgendwann reichte es mir dann auch mit der Selbstreflektion und dem selbstauferlegten Eremiten-Status. Ich hatte Bock zu daten! In Lockdown-Zeiten funktionierte das am besten über Dating-Apps; es gab einfach keine geöffneten Cafés/Restaurants, geschweige denn Veranstaltungen oder öffentliche Orte, wie das Sportstudio oder Museen, wo Mensch hätte Menschen treffen können.

Mein erstes Date in dieser Zeit war ein geschiedener Anwalt in seinen Fünfzigern. Er machte viel Sport, ein Tennisspieler, der viel Wert auf sein Erscheinungsbild legte. Die Angst vor dem Alter hörte ich schnell heraus. Er hatte sich gut gehalten – keine Frage! Ein attraktiver, witziger Mann mit einem liebevollen Lächeln.

Der Anwalt kam mit Rum und Weintrauben vorbei und fühlte sich direkt wie zu Hause in meiner Wohnung. Ich war überrascht, seine Art und sein Wesen stimmten nur teilweise mit meinen Erwartungen, die ich im Vorfeld von ihm gehabt hatte, überein. Er wirkte unruhig und abwesend, aber dann wieder lebendig und voll da. Er gestikulierte wild, wenn er, in erster Linie von sich, erzählte. Ich machte meine üblichen Witze und provozierte mit der ein oder anderen Aussage. Ich erzählte, dass ich irgendwann begonnen hatte zu modeln. Denn so hatte ich die Chance, mir das Schreiben und andere Projekte zu finanzieren, die anfangs nicht wirklich Geld abgeworfen haben. Es dauerte nicht lang und wir küssten uns. Dann hatten wir Sex. Nicht nur einmal. Und er blieb lang. Die Zeit verflog, wir lachten viel.

Es wirkte wie ein gelungener Abend, bis er anfing, mich zu überreden, über Nacht bleiben zu dürfen. Für mich keine Option: Ich mag es nicht gerne, gleich in der ersten Nacht, und auch nicht zwangsläufig in der zweiten, beieinander zu übernachten. Ich bin danach gerne noch etwas für mich und wache auch lieber allein auf, was in erster Linie damit zu tun hat, dass ich eine unruhige Schläferin bin. Ich zeigte ihm also meine Grenzen auf, indem ich ihm klar und deutlich sagte, dass ich nicht auf Übernachtungsgäste stehe. Vor allem dann nicht, wenn ich sie gerade erst kennengelernt habe, zumal Schlafen für mich etwas sehr Intimes ist. Schließlich sind wir im Schlaf wehrlos. Meine Grenzen aufzuzeigen, ist mir in dem Fall nicht schwergefallen, denn wenn es um meine Nachtruhe geht, mache ich keine Kompromisse. Er akzeptierte es und zog, wenn auch ein wenig mürrisch, ab.

Keine zwei Tage später war er wieder bei mir. Es schien, als würde sich die erste Nacht wiederholen. Aber irgendwas war anders. Auf einmal änderte sich seine Stimmung, er wirkte noch unruhiger, fordernd und ganz woanders. Er redete viel, von seinen Affären und seinen Vorstellungen von oder mit mir. Darin war ich das Model, die mit den schönen Bildern und dem großartigen Aussehen. In seiner Fantasie war ich die promiskuitive, lüsterne, verruchte Schönheit, die weniger infrage stellte, und stattdessen sein Ego aufwertete und (ihn) befriedigte. Ich sah es in seinen Augen. Auffällig war außerdem die Beharrlichkeit, mit der er...

Erscheint lt. Verlag 19.2.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Partnerschaft / Sexualität
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Bisexualität • Coming out • Dating Erfahrungen • feminismus buch • mentale Gesundheit • Mental Health • Narzissmus • offene Beziehungen • Online Dating • Polyamorie • Queeres Dating • Selbstfindung • toxische Beziehungen
ISBN-10 3-96121-908-7 / 3961219087
ISBN-13 978-3-96121-908-7 / 9783961219087
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