Was bleibt, was wird - die Queen und ihr Erbe (eBook)

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2023 | 1. Auflage
288 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60349-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Was bleibt, was wird - die Queen und ihr Erbe -  Alexander von Schönburg
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Der Tod der Queen markiert das Ende einer Ära und zugleich eine Zeitenwende. Alexander von Schönburg, der Elizabeth II. oft begegnet ist, beleuchtet in seinem Buch ihr Vermächtnis. Er geht der Frage nach, was die Werte und Tugenden, für die Elizabeth II. stand, uns heute noch zu sagen haben. Anhand der Ereignisse und der zum Teil dramatischen Wendepunkte ihrer Regentschaft beschreibt er ihre charakterlichen Eigenschaften und zeigt, woran wir uns für kommende Herausforderungen ein Beispiel nehmen sollten und wo es für ihre Erben wichtig sein wird, ganz neu zu denken.

Alexander von Schönburg, Jahrgang 1969, lebt ein Doppelleben: Er arbeitet als Journalist und ist gleichzeitig Chef eines einst bedeutenden Adelsgeschlechts. Er war u. a. Redakteur der FAZ und Chefredakteur von Park Avenue, seit 2009 schreibt er für BILD. Seine Bücher »Die Kunst des stilvollen Verarmens« (2005), »Das Lexikon der überflüssigen Dinge« (2006), »Alles, was Sie schon immer über Könige wissen wollten, aber nie zu fragen wagten« (2008), »Smalltalk« (2015) und »Weltgeschichte to go« (2016) waren Bestseller. Alexander von Schönburg lebt in Berlin.

Alexander von Schönburg, Jahrgang 1969, war u.a. Redakteur der FAZ, Kolumnist bei »Vanity Fair« und Chefredakteur von Park Avenue, seit 2009 schreibt er für BILD. Seine Bücher »Die Kunst des stilvollen Verarmens«, »Smalltalk«, »Weltgeschichte to go« und »Die Kunst des lässigen Anstands« waren Bestseller. Alexander von Schönburg lebt in Berlin.

So war die Queen wirklich


Als ich der Queen zum ersten Mal begegnete, war ich so aufgeregt, dass ein nervöses Huhn neben mir wie ein Zen-Meister gewirkt hätte. Sie gab ein Abendessen in Windsor Castle, bei dem ich neben ihr platziert wurde. Ich hatte bis dahin nur einmal zuvor in meinem Leben eine Mahlzeit neben einer Königin eingenommen, und das war nicht so gut gelaufen.

Damals saß Königin Sofía von Spanien neben mir, in Schloss Wolfsgarten bei Frankfurt, Gastgeber war der dort lebende Moritz von Hessen. Gerade erst war die Vorspeise serviert worden, eine Vichyssoise, da beging Sofía von Spanien den fatalen Fehler, mich zu fragen, was ich beruflich tue.

Die WTSB-Frage (»Was tun Sie beruflich?«) ist bekanntlich an Spießigkeit nicht zu überbieten. Aber auch königliche Hoheiten sind gegen Spießertum nicht vollends immun, jedenfalls sah ich mich gezwungen, Königin Sofía zu offenbaren, dass ich Reporter einer Boulevardzeitung bin.

Ich arbeitete damals für die B. Z., Deutschlands traditionsreichstes Revolverblatt. Auch der große Billy Wilder hat einst für die B. Z. geschrieben, ebenso wie Wolfgang Rademann, dem die deutsche Hochkultur Werke wie »Traumschiff« und »Schwarzwaldklinik« verdankt, und, was weniger bekannt ist, auch Christian Kracht, immerhin einer der bedeutendsten Schriftsteller unserer Zeit. Aber all dies ins Felde zu führen, hätte in dem Moment wenig gebracht, weil Königin Sofía sicher noch nie die »Schwarzwaldklinik« gesehen hat, daneben womöglich weder »Some Like It Hot« noch »Faserland« kennt, und auch deshalb, weil ihre gesamte Aura nach meiner Offenbarung derart schockgefroren wirkte, dass sich auf der vor ihr stehenden Vichyssoise eine leichte Eisschicht abzuzeichnen schien.

Hätte ich ihr gesagt, dass ich Waffenhändler bin oder mit kongolesischen Blutdiamanten handele, sie hätte konsterniert geblickt und dann seelenruhig die Tischkonversation fortgesetzt. Nachdem ich ihr aber verraten hatte, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, fühlte sie sich außerstande, jene »petit conversation du table« aufrechtzuerhalten (so nennt man in diesen Kreisen die Kunst des angenehm-oberflächlichen Tischgesprächs), bei der es jede allzu große Offenheit und jeden Anflug von Tiefschürfen zu meiden gilt. Stattdessen erklärte sie mir geradeheraus, dass ihr jegliches Verständnis dafür fehle, dass jemand mit meinem Familienhintergrund Journalist geworden sei, da dies so etwas wie Seitenwechsel und somit Verrat bedeute, und wandte sich den Rest des Mittagessens von mir ab.

Die Königin von England war da anders.

Als diese bei einem späteren Zusammentreffen – auf das allererste, von dem ich eingangs zu erzählen begann, werde ich gleich noch zurückkommen – erfuhr, dass ich als Angestellter in einem Zeitungsverlag versuche, meine Familie über Wasser zu halten, reagierte sie verständnisvoll. Ich glaube, dass die Queen sich bewusst war, dass ihr Status, ihr mit Prunk und Pomp gepampertes Dasein als Staatsoberhaupt, ein Anachronismus ist. Dass die Zeit der adeligen Vorrechte, der Schlösser und Kutschen, des Hofstaats und des Brimboriums eigentlich vorbei ist. Die Queen hat immer in Palästen gelebt, sie hat nie ihr Haupt gebettet, wo nicht ein Butler in Rufnähe war, aber ich bin sicher, dass sie ahnte, dass sie das letzte und somit untypische Exemplar einer verschwindenden Spezies war. Die Adeligen unserer Tage, das wusste sie genau, leben nicht in Palästen. Vielmehr sind sie Überbleibsel einer vergangenen Welt, die sich nur noch durch gewisse Rituale, Redeweisen und kulturelle Eigentümlichkeiten so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu bewahren versuchen, die mit mehrfach geflickten Schuhen durch die Welt gehen und auf jede Form des Bling-Bling verächtlich herabblicken. Die Queen wusste genau, dass für die allermeisten Angehörigen ihrer Schicht eine herausragende gesellschaftliche Stellung nur noch eine blasse Erinnerung ist, die keine materielle Grundlage mehr hat, und dass die Hauptleistung der meisten ihrer Artverwandten darin besteht, sich mit einer ihnen feindlich gesinnten Moderne zu arrangieren. Deshalb wurde mir als Angehörigem besagter Schicht, die man »verarmter Adel« nennt, bei Besuchen auf Schloss Windsor spürbar Sympathie entgegengebracht. Außer von Prinz Andrew, der immer schon bewundernd auf die Jachten-und-Privatinsel-Klasse schielte, was ihm ja auch zum Verhängnis wurde. Für Leute wie mich, die in alten, mehrfach geflickten Smokings herumlaufen und nicht über Learjets verfügen, die er sich ausleihen kann, hat er nichts übrig. Die Queen hingegen entschied sich schon bei der Wahl ihres Gatten für den Typ Abenteurer ohne Kohle, sie hegte seit jeher, was man an ihren engsten Freundinnen ablesen kann, ein Misstrauen gegen wohlhabende Angehörige der Oberklasse und Neureiche und hatte eine Schwäche für Menschen mit Stammbaum, denen das Lametta verloren gegangen war; jedenfalls reagierte sie, als sie von meinem Beruf erfuhr, mit einem zärtlichen, mitfühlsamen »This must be rather difficult«.

Deswegen wird sie auch, sollte sie im Himmel von diesem Buch erfahren, sicher Verständnis haben, zumal ich jene Leser zu enttäuschen beabsichtige, die ein plumpes Ausschlachten privater Begegnungen oder ein indiskretes Wühlen in ihrer Intimsphäre erwarten.

Die Queen war der bekannteste Mensch der Welt. Und zugleich ein höchst privater. Man glaubt, alles über sie zu wissen. Und weiß doch gar nichts.

Verbreitet ist zum Beispiel das Bild eines konservativen, überaus beherrschten, ja steifen Menschen. Helen Mirren stellt sie in Stephen Frears Film »Die Queen« so dar. Dieses Bild könnte kaum weiter entfernt von der Wahrheit sein. Sie hatte eine warme Seite, ich habe sie als überaupt nicht gefühlskalt erlebt. Die Hinsicht, in der sie wirklich dem Klischee entsprach, war ihre herrlich altmodische Aussprache. Wie noch wenige verbliebene Aristo-Dinosaurier sprach sie »girl« wirklich »gärl« aus und sagte »orf« statt »of«. In politischen Dingen war sie überhaupt nicht konservativ, handelte – zum Entsetzen des Establishments – oftmals eher wie eine Revoluzzerin. Unter ihrer Regentschaft wurde die Thronregelung zugunsten von weiblichen Königskindern geändert, unter ihrer Ägide wurde das British Empire aufgelöst und der Commonwealth-Bund reformiert; sie war es, die misstrauisch beäugt von den Konservativen bereits in den 1950-er Jahren die Aussöhnung mit dem ehemaligen Kriegsgegner Deutschland forcierte und am Ende ihrer Regentschaft, zum Entsetzen des Establishments, in Irland einen Bußgang für die kolonialistischen Exzesse ihrer Vorfahren unternahm. Sie war es auch, die den Buckingham-Palast öffentlich zugänglich machte und das Königshaus zum Steuerzahlen zwang. Und die Premierminister, mit denen sie sich am besten verstand, waren Politiker der Arbeiterpartei und keine Torys. Im Vergleich zu ihrer reaktionären Mutter (die ich auch noch das Vergnügen und die Ehre hatte, kennenlernen zu dürfen) war sie geradezu ein Punk.

Zunächst aber endlich zu dem erwähnten allerersten Zusammentreffen: Der Anlass des Abendessens in Windsor Castle, bei dem ich zu meinem Schrecken neben der Queen platziert wurde, war ein Familienereignis, zu dem ich als Neuankömmling an der äußersten Peripherie der Königsfamilie eingeladen war. Da saß ich also neben ihr und litt Höllenqualen. Worüber redet man mit der Queen? Ein ganzes Abendessen lang? Über Pferde? Davon verstehe ich nicht genug. Übers Essen? Das wäre spießig. Über Politik? Sicher nicht. Die Nervensäge Tony Blair war damals Premierminister, es wäre falsch gewesen, sie dazu zu verleiten, schlecht über ihr eigenes Personal zu reden. Allzu Offensichtliches à la »Nett ham Sie’s hier« wäre ebenso unpassend. Ich versuchte, cool und weltmännisch zu tun, und scheiterte kläglich. Zwar hatte ich mit den vor dem Dinner gereichten Dry Martinis probiert, mir Mut anzutrinken, aber es war hoffnungslos. Ich brachte kein Wort heraus. Unsicherheit vermittelt sich ja leider vor allem nonverbal. Man kann Nervosität förmlich mit Händen greifen. Sie strahlt aus. Sie hat fast etwas Toxisches. Wahrscheinlich hat das mit Quantenphysik zu tun. So wie Selbstsicherheit anziehend wirkt, so abstoßend ist Unsicherheit bei Menschen.

Außer bei der Queen. Sie war unempfänglich für diese Form von sozialer Aussätzigkeit. Sie kannte es nicht anders. Sie begegnete in ihrem Alltag – bis auf Prinz Philip, der Einzige weltweit, der sich das...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte ALEXANDER VON SCHÖNBURG • Biografie • Britische Monarchie • Britisches Königshaus • Buckingham Palace • Camilla • Commonwealth • Diana • Die Queen • Edinburgh • Englisches Königshaus • Großbritannien • Harry und Meghan • Her Majesty • Kate Middleton • king charles • König Charles III. • Königin Elisabeth • Königin Elisabeth II. • Königin von England • königliche Familie • Königliche Hoheit • Königshaus • Krönung • Lady Di • meghan markle • Paola Calvetti • Prinz Charles • Prinz Harry • Prinz Philip • Prinz William • Queen-Biografie • Queen Elizabeth II. • Royals • Tod der Queen • Trauer um Queen • Vereinigtes Königreich • Windsor
ISBN-10 3-492-60349-1 / 3492603491
ISBN-13 978-3-492-60349-2 / 9783492603492
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