Als Steuerfahnderin auf der Spur des Geldes (eBook)
368 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2893-5 (ISBN)
Birgit E. Orths, geboren 1965, ermittelt seit zwei Jahrzehnten bei der Steuerfahndung Düsseldorf. 2015 wurde sie in eine Sondereinheit beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen berufen. Sie ist dort ständige Vertreterin der Sachgebietsleitung.
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Birgit E. Orths, geboren 1965, ermittelt seit zwei Jahrzehnten bei der Steuerfahndung Düsseldorf. 2015 wurde sie in eine Sondereinheit beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen berufen. Sie ist dort ständige Vertreterin der Sachgebietsleitung.
Kapitel 1
Durchsuchung
Wie jeden Morgen fahre ich in mein Büro in einem Siebzigerjahre-Bau in Düsseldorf. Ich habe kein besonders schönes Büro. Immerhin hat es ein Waschbecken. Die Toiletten, es gibt jeweils vier für insgesamt zwei Flure, sehen auch nicht wirklich gut aus. An diesem Morgen im Juli 2009 will ich eigentlich an einem schon älteren Verfahren weiterermitteln. Doch jetzt passt mich meine Chefin, Frau Fallner, auf dem Flur ab. Christine Fallner ist seit vier Jahren meine Chefin. Sie ist studierte Juristin wie die meisten unserer Sachgebietsleiter in der Steuerfahndung. Wir haben uns nicht immer so gut verstanden wie heute. Sie kann schon mal launisch sein und aus der Haut fahren, wenn man damit am wenigsten rechnet. Ich bin auch schon mal aus ihrem Sachgebiet geflogen, weil ich eine für mich vermeintlich sinnlose Anweisung nicht ausführen wollte; zumindest hatte sie mir das angedroht. Ich kann nämlich dann auch stur sein. Aber das Gute an ihr ist, sie sieht ein, wenn sie zu weit gegangen ist; sie hat sich damals entschuldigt. Ich dann natürlich auch. Manchmal muss es zwischen Alphatierchen erst mal rumpeln, aber dann wird es gut. Heute verstehe ich sie viel besser, und ich arbeite gerne mit ihr.
»Morgen, Frau Orths, hätten Sie kurz Zeit für mich?«
Klar. Ziehe nur schnell meine Jacke aus. Ich weiß, dass ich bei meiner Chefin immer erst mal einen guten Kaffee bekomme. Bei ebendiesem erzählt sie mir von einem Amtshilfeersuchen von Kollegen aus Baden-Württemberg. Es gebe einen Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts der Umsatzsteuer-Hinterziehung für eine Firma in unserem Beritt. Die Firma heiße A-Phon GmbH.
Handys mal wieder.
»Die Kollegen brauchen Unterstützung, und da dachte ich an Sie. Sind ja mittendrin im Thema.«
Ja, so ist das. Um Ermittlungsfälle muss man sich hier eher nicht bewerben.
»Wieso eigentlich ich?«, frage ich deshalb. »Gibt’s keinen, der zurzeit etwas weniger zu tun hat als ich?«
Fallner hat lange blonde Haare, die sie jetzt etwas verlegen mit ihren Händen durchfährt. »Tja, was soll ich sagen? Die haben schon alle Nein gesagt, sie hätten gerade keine Zeit. Und ich dachte, da Sie die Kollegen da unten ja kennen, wär das was für Sie.«
Okay, schon gut. Mal wieder überredet. Ich nehme die Unterlagen und verschwinde in meinem Büro. Klar kenne ich die. Mit zwei Kollegen von hier und zwei einer anderen Dienststelle bin ich drei Wochen da unten gewesen und habe geholfen, über 7500 Speditionsmappen in eine große Datenbank einzugeben.
Die Steuerfahnder dort hatten mit der Ermittlungsgruppe »Waldläufer« einige Firmen durchsucht. Die ganzen Handys, die auf den Rechnungen stehen, lagerten alle bei zwei Speditionen in Hessen. Die durchsuchte man dann auch und beschlagnahmte alle Mappen. Jede dieser Mappen besteht aus rund 20 Blättern mit Informationen. Von wem die Handys kommen, an wen sie weiterfakturiert werden, eigentlich ist den Mappen die komplette Warenkette zu entnehmen. Die Handys durchlaufen offensichtlich in kurzer Zeit jede Menge Firmen.
Ich recherchiere jetzt für die Bitte der Kollegen mal in unseren Systemen. Danach rufe ich den Kollegen unten im Südwesten an.
»Hey, Martin, wie geht’s? Länger nicht mehr gehört und gesehen.«
»Hey, Birgit, schön, von dir zu hören. Sag bloß, du hast unser Amtshilfeersuchen wegen der Durchsuchung bei der A-Phon bekommen?«
Ich nicke stumm vor Glück vor mich hin, obwohl Martin mich gar nicht sehen kann.
»Ja, habe ich. Wo siehst du Zusammenhänge zu eurem Verfahren?«
Martin erklärt, dass es im Umsatzsteuer-Betrugsverfahren gegen die Hot Stone GmbH verschiedene Verzweigungen zu anderen Firmen gebe, die wiederum etwas von der Hot Stone gekauft hätten. Aus den ganzen Speditionsmappen ergebe sich inzwischen der Verdacht, dass das alles ein abgekartetes Spiel zwischen den Firmen ist.
Das heißt, der angebliche Lieferant der Hot Stone war inzwischen verschwunden und hatte keine Umsatzsteuer erklärt und bezahlt. Die Hot Stone hatte sich aber diese Umsatzsteuer vom Finanzamt erstatten lassen. Und die Hot Stone hat dann die Handys weiterverkauft, wobei zusätzlich noch der Verdacht besteht, dass es gar keine Handys gibt oder nicht so viele, wie auf den Rechnungen draufstehen – oder dass die Handys nur bei den Speditionen lagern und gar nicht bewegt werden. Wahrscheinlich, sagt Martin, würden nur Rechnungen geschrieben, bis die letzte Firma in der ganzen Kette die Handys ohne Umsatzsteuer ins Ausland fakturiert. Vermutlich sei die ganze Firmenkette abgesprochen. Die Beute, nämlich die erstattete Umsatzsteuer, die nie bezahlt wurde, würde dann vermutlich irgendwie untereinander aufgeteilt. In der Kette mit der Hot Stone sei wohl auch die A-Phon mit im Spiel.
Aha.
»Bei meinen Verfahren hier habe ich auch so das Gefühl, dass die alle Bescheid wussten in der Kette. Aber wie kann man das beweisen? Kannst du mir nicht mal für drei von meinen Firmen die Auszüge aus den Datenbanken schicken? Ich mach dir gleich eine Liste von den Firmen.«
Das erledigt Martin gerne.
Die Firma A-Phon aus unserem Zuständigkeitsgebiet, um die sich die Amtshilfe dreht, handelt natürlich auch mit Handys, genau wie die Hot Stone und die anderen Firmen, die Martin im Fokus hat. Irgendwie kommt mir der Name A-Phon bekannt vor. Ich rufe Martin noch mal an.
»Hör mal, haben da die Frankfurter Kollegen nicht schon mal durchsucht? Ich hatte so was gehört von einer Kollegin dort.«
Papiergeraschel. Kurze Pause. »Ja, stimmt, die waren wegen einer anderen Firma aus Hessen auch schon bei der A-Phon. Die A-Phon ist irgendwie auch in noch weitere Handelsketten mit Handys verstrickt.«
Das ist seltsam, denke ich. Wieso haben Martin oder wir dazu keine Infos bekommen? Wäre ja mal interessant. »Okay, wann wollt ihr los?«, frage ich mit Blick auf die anstehende Durchsuchung und blättere in meinem vorsintflutlichen analogen Kalenderbuch. Ich mag keine elektronischen Kalender, denn was ist, wenn der Strom ausfällt? Dann weiß ich nicht mehr, wann ich einen Friseurtermin habe. Scherz, ich geh nicht zum Friseur. Hab lange Haare, die kann ich selber schneiden. Martin zückt auch seinen Kalender, und wir vereinbaren einen gemeinsamen Termin für eine Durchsuchung der Firmenräume der A-Phon GmbH.
Drei Wochen später sammeln wir uns morgens um acht Uhr diskret in der Nähe der neuen Firmenräume der A-Phon GmbH. Bisher hatte die Firma ihren Sitz mitten in Köln, jetzt liegt er in einem Neubaugebiet am Rande der Stadt. Es ist Ende Oktober, und morgens, wenn man draußen warten muss, gibt das schon mal ein kaltes Füßchen. Die Firma soll um acht Uhr öffnen, doch weil die Chefs gern mal etwas später kommen, ist der Zugriff für 8.30 Uhr geplant. Wir wollen die Verantwortlichen ja persönlich antreffen.
Im Vorfeld habe auch ich ein wenig recherchiert. Das hier ist zwar nicht mein Verfahren, doch ich bin auch bei Amtshilfe gerne vorbereitet, um den Kollegen auch tatsächlich helfen zu können und nicht nur unwissend mitzulaufen. Dabei ist mir aufgefallen, dass es zwei Gesellschafter gibt. Das ist bei einer GmbH nicht unüblich. Einer wohnt auch hier in der Nähe und ist nicht nur Gesellschafter, sondern auch der Geschäftsführer der Firma. Aber die zweite Person ist eine Frau und wohnt in San Francisco in den USA. Diese Frau dient treugeberisch einer nicht bekannten Person als Gesellschafterin. Ein merkwürdiges Konstrukt. Die Alarmglöckchen in meinem Hinterhirn sind in Position. Sie klingeln noch nicht, aber mal sehen.
Nun setzt sich unser Trupp von fünfzehn Leuten nicht mehr ganz so diskret in Bewegung. Wir klingeln an der Tür des nicht allzu großen Bürogebäudes, eine junge, dunkelhaarige Frau öffnet. Martin begrüßt sie und sagt, dass wir mit dem Geschäftsführer sprechen wollen. Die Dame weiß nicht, wie sie reagieren soll. So viele Leute stehen wohl nicht jeden Morgen vor der Tür. Aber wir könnten ja auch Kunden sein. So bittet sie uns schließlich herein und verschwindet in den hinteren Räumlichkeiten. Nach zwei Minuten taucht ein südländisch aussehender großer, kräftiger Mann auf und stellt sich als Mesut Aktas vor, Geschäftsführer.
Martin erklärt ihm, wer wir sind und warum wir hier sind, und überreicht den Durchsuchungsbeschluss. Aktas setzt sich. Der Tatvorwurf lautet Umsatzsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Firma Hot Stone. Beim Lesen des Beschlusses wechselt die Gesichtsfarbe des Geschäftsführers von warm-braun in dunkelrot.
In dem Beschluss ist auch zu lesen, dass der Verdacht besteht, dass die Handys, die die A-Phon bei der Hot Stone gekauft hat, gar nicht existieren. Die A-Phon habe offensichtlich auch Rechnungen über den Weiterverkauf von Handys erstellt, obwohl diese gar nicht vorhanden sind. Zudem bestehe der Verdacht, dass die A-Phon wisse, dass sie sich in einer festen Betrugskette befinde, und daher falsche Angaben in der Erklärung gemacht habe und sich unberechtigterweise die Umsatzsteuer erstatten lassen habe.
Er springt vom...
Erscheint lt. Verlag | 26.1.2023 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Cum-Ex • Finanzamt • Insiderbericht • Justiz • Kavaliersdelikt • Mafia • Oberfinanzdirektion • Organisierte Kriminalität • Politikversagen • Schwarzgeld • Steuerbetrug • Steuerhinterziehung • Steuervermeidung • Strafverfolgung • True Crime • Wirtschafsskandal |
ISBN-10 | 3-8437-2893-3 / 3843728933 |
ISBN-13 | 978-3-8437-2893-5 / 9783843728935 |
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