Bindungstraumata bei fremdplatzierten Kindern in stationären Wohngruppen. Möglichkeiten und Herausforderungen für pädagogische Fachkräfte
Diplomica Verlag
978-3-96146-934-5 (ISBN)
Michael Hubig, Jahrgang 1963, in Minden geboren, ist verheiratet und hat 2 Töchter. Nach langer selbstständiger Tätigkeit studierte der Autor zunächst Soziale Arbeit und direkt im Anschluss Heilpädagogik. Praktische Erfahrungen konnte er vor und während des Studiums durch langjährige Tätigkeit in der rechtlichen Betreuung sowie Praktika im Bereich der Vormundschaft für Minderjährige sammeln. Sehr schnell war für den Autor klar, dass seine Perspektive im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe liegt. Es folgten mehrere Jahre in einer stationären Intensivwohngruppe sowie die Tätigkeit als Therapeut für autistische Kinder. Das besondere Interesse des Autors liegt eindeutig im Bereich der Traumapädagogik und der Psychotraumatologie, daher fokussiert sich seine weitere fachliche Ausrichtung auf diesen Bereich.
Textprobe:Kapitel 2.2.4: Transmission von Beziehungs- und Bindungserfahrungen:Bereits Bowlby postulierte, dass Kinder neben ihren primären Fürsorgepersonen Bindungen zu alternativen Bezugspersonen entwickeln können (Julius et. al., 2020, S. 127). Bisherige Forschungen zu Kontinuität und Diskontinuität von Bindungsmustern zeigen auf, dass Bindungsmuster grundsätzlich veränderbar sind, d. h. trotz einer Aufrechterhaltungstendenz eine gewisse Plastizität zur Modifikation in alle Richtungen ermöglichen (Julius et. al., 2009, S. 225). Bowlby selbst nahm dazu zwei Möglichkeiten der positiven Beeinflussung an: Reflexion und neue positive Bindungserfahrungen. Da die Reflexion aufgrund mangelnder kognitiver Reife im Alter von sechs bis zehn Jahren nicht möglich ist, bieten sich für Kinder in diesem Alter erfahrungsbasierte, bindungsgeleitete Interventionen an. Bei bindungstraumatisierten Kindern besteht in der Herkunftsfamilie oft keine Behandlungsmotivation, auch sind diese Kinder häufig fremdplatziert, daher gibt es hier bindungsgeleitete Interventionsansätze mit korrigierenden Beziehungserfahrungen zu Erzieher:innen in den stationären Einrichtungen (op. cit., S. 226).Pädagogische Fachkräfte, insbesondere in der Heimerziehung, bieten beständige vorhersehbare Präsenz sowie emotionale und physische Fürsorge für die dort wohnenden Kinder. Da diese Fürsorge von den Kindern in der Regel auch angenommen und erwartet wird, kann hier von einer Übernahme der Fürsorgefunktion ausgegangen werden. Eine solche Transmission von Bindung für von traumatischen Bindungserfahrungen betroffene Kinder in Wohngruppen kann sehr förderlich sein, wenn die pädagogischen Fachkräfte reflektiert mit der Thematik umgehen. Es besteht hier sonst die Gefahr, dass die entsprechenden Kinder im Sinne des Konzepts der Assimilation ihr inneres Schema von Bindung auf die neuen Bindungspersonen übertragen bzw. ihr Verhalten der eigenen Verhaltenserwartung anpassen. Wenn die Kinder sich dementsprechend zurückweisend, klammernd oder kontrollierend zeigen, könnten Erzieher:innen sich komplementär verhalten und somit die negative Bindungserfahrung unbewusst wiederholen (Julius et. al., 2020., S.129-131). Dieser Effekt auf ist auf Seite der pädagogischen Fachkräfte auf das Fürsorge-Verhaltenssystem zurückzuführen, welches sich unbewusst bzw. intuitiv an die Anforderung in bindungsrelevanten Situationen anpasst.Ein mögliches Verhalten der Kinder ist hier als Anpassungsleistung zu interpretieren, so hat z.B. ein niedriger Oxytocinspiegel im Falle misshandelnder Eltern dazu geführt, dass das Kind den Eltern nicht mehr vertraut und sich emotional verschließt, was in der Folge die Wirkung bestehender Traumata mindert. Die hoch aktivierten Stressachsen sorgen für eine Vorbereitung auf Gefahren und antizipatorische Wahrnehmung von Anzeichen einer erneuten bevorstehenden Misshandlung (op. cit., S.149). Aus der Erkenntnis der Bedeutung von Erzieher:innen als sekundären Fürsorgepersonen und der hemmenden bzw. negative Muster fördernden Wirkung komplementären Verhaltens entstand das CARE -Programm. Es handelt sich um ein seit 2010 von der Universität Rostock in Kooperation mit anderen internationalen Universitäten entwickeltes Interventionsprogram, welches auf die kurative Wirkung sicherer Bindungsbeziehungen verweist. Ein wichtiger Baustein des Programms ist das Erlernen bindungsmusterspezifischer Feinfühligkeit. Dies bedeutet, durch entsprechende Sensitivität auch intuitiv widersprüchliche oder herausforderndere Verhaltensweisen richtig zu interpretieren und mit Responsivität adäquat zu reagieren.Die pädagogischen Fachkräfte benötigen eine hohe Empathie und eine gut ausgebildete Theory of Mind (ToM) um das kindliche Verhalten nicht zu werten oder sanktionieren, sondern wirklich zu verstehen. Wenn es gelingt, in einem weiteren Schritt dem Kind mittels der Technik des Spiegelns zu zeigen, dass die wirkliche Intention des Verhaltens erkannt wurde, fühlt sich das Kind möglicherweise d
Erscheinungsdatum | 12.11.2022 |
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Sprache | deutsch |
Maße | 190 x 270 mm |
Gewicht | 232 g |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Allgemeine Soziologie |
Schlagworte | Belastende Kindheitserfahrung • Bindung • Bindungsperson • Dissoziation • Jugendhilfe • Kinderhilfe • Sexualisierte Gewalt • Traumapädagogik • Traumatisierung • Trigger • Wohngruppe |
ISBN-10 | 3-96146-934-2 / 3961469342 |
ISBN-13 | 978-3-96146-934-5 / 9783961469345 |
Zustand | Neuware |
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