Didaktik in Modellen -  Rotraud Coriand

Didaktik in Modellen (eBook)

Verstehen lehren - Lehren verstehen
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
187 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-035707-5 (ISBN)
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Die Didaktik muss ihren Erkenntnisfortschritt über die Praxiswirksamkeit nachweisen. Die Erwartungen konzentrieren sich aktuell auf die messbare Beeinflussung der Unterrichtsqualität. Lehrbefähigung ist jedoch mehr als der Gebrauch von Methoden, die berechenbar zu gewünschten Ergebnissen führen. Guter Unterricht ist keine technische Errungenschaft, die in Serie gehen kann. Das Buch nimmt das an der Subjektivität der Akteure orientierte Grundmotiv der Didaktik in Anlehnung an Martin Wagenschein auf: das Verstehen zu lehren. Das wiederum verlangt, das Lehren selbst zu verstehen. In diesem Spannungsbogen werden ausgewählte didaktische Theorien in ihren Antworten auf der Suche nach der 'richtigen' Lehrweise dargestellt.

Prof. Dr. paed. habil. Rotraud Coriand (Diplomlehrerin für Mathematik und Physik) ist Professorin (im Ruhestand) für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Allgemeine Didaktik an der Universität Duisburg-Essen.

Prof. Dr. paed. habil. Rotraud Coriand (Diplomlehrerin für Mathematik und Physik) ist Professorin (im Ruhestand) für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Allgemeine Didaktik an der Universität Duisburg-Essen.

2 Ausgewählte Modelle der wissenschaftlichen Schule Herbarts


Einführung


Will man zu den Wissenschaftlern in der Disziplingeschichte zurückkehren, die für einen Anfang der Etablierung der Didaktik als akademisches Fach stehen, so ist bei dem Pädagogen und Philosophen Johann Friedrich Herbart (1776 – 1841) zu beginnen. Er zählt zu den Begründern der wissenschaftlichen Pädagogik und wirkte im damit verbundenen Anliegen der pädagogischen Professionalisierung so nachhaltig, dass sich in dessen Nachfolge eine wissenschaftliche Schule herausbildete, die bis in das 20. Jahrhundert hinein weltweit in pädagogischer Theorie und Praxis an Einfluss gewann. Er entwarf in der »Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung angeleitet« (1806/21982) die Didaktik als notwendigen Bestandteil einer Erziehungstheorie. An dieses systematische Eingebunden-Sein der Didaktik schloss sein direkter Schüler und Jenaer wie Heidelberger Universitätspädagoge Karl Volkmar Stoy (1815 – 1885) unmittelbar an, entwickelte sie jedoch in den Dimensionen allgemeiner und besonderer Didaktik weiter. Auf Stoys theoretischen Kontrahenten, den Leipziger Universitätspädagogen Tuiskon Ziller (1817 – 1882), geht der Terminus des Erziehenden Unterrichts zurück. Wilhelm Rein (1847 – 1929), akademischer Schüler Zillers und Stoys sowie ordentlicher Professor für Pädagogik an der Universität Jena, schloss an Zillers Didaktik unmittelbar an und brachte eine Elementardidaktik hervor, die weltweit rezipiert wurde. Um die wissenschaftstheoretische Grundlegung der Didaktik hat sich der ordentliche Professor für Philosophie und Pädagogik der deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag, Otto Willmann (1839 – 1920), verdient gemacht. Er entwickelte zudem im Unterschied zu Herbart, Ziller und Stoy eine didaktische Theorie, in der er die »Hoheitsrechte der Pädagogik« (Willmann 1882/21894, S. 85) gegenüber der Didaktik entkräftet. Damit stellt er die Didaktik systematisch als bildungswissenschaftliche Disziplin autonom neben die Pädagogik als Erziehungswissenschaft.

Alle vier prominenten Herbartianer repräsentieren die in sich sehr differenzierte und widerstreitende Auseinandersetzung mit Herbarts wissenschaftlichen Positionen, die nach seinem Tod weltweit einsetzte. Trotz z. T. großer inhaltlicher Kontroversen innerhalb der Herbart-Schule, die sich auch in den hier vorgestellten didaktischen Modellen widerspiegeln, lässt sich ihre Verbundenheit anhand zweier großen Reformthemen nachvollziehen, die auf Herbart zurückgehen: Es ist das Motiv der pädagogischen Professionalisierung angehender Lehrer und Erzieher sowie der damit in Verbindung stehende Kampf um die Etablierung der Pädagogik als autonomes akademisches Fach an den Universitäten – und zwar eingebunden in ein hochschuldidaktisches Bildungskonzept, das theoriegeleitete Reflexion in systematisch arrangierten pädagogischen Erfahrungsräumen ermöglichte.

2.1 Johann Friedrich Herbart: Didaktik als Teil der Allgemeinen Pädagogik


Wahrscheinlich hätte sich Herbart gewundert, mit einem didaktischen Modell hier präsent zu sein, denn er verfasste weder eine Monographie noch Aufsätze über Didaktik. Auch erwähnt er in seinem pädagogischen Hauptwerkt »Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet« (1806/21982) die Didaktik an keiner Stelle. Erst 1814 (vgl. Herbart 1814/1852) äußert sich Herbart im Streit mit der Modephilosophie, insbesondere in seinem massiven Ärger über die vernichtende Kritik zu besagter Schrift durch den Kantianer Reinhold Bernhard Jachmann, über die Stellung der Didaktik in seiner 1806 veröffentlichten Erziehungstheorie: Es muss

»etwas Drittes zwischen Erzieher und Zögling in die Mitte gestellt werden, als ein solches, womit dieser von jenem beschäftigt wird. So etwas heisst Unterrichten; das Dritte ist der Gegenstand, worin unterrichtet wird; der hieher gehörige Theil der Erziehungslehre ist die Didaktik« (ebd., S. 235, Hervorh. i. Orig.).

Und Herbart entwickelt in der Antwort auf Jachmann nun tatsächlich – quasi im Nachgang zur publizierten Erziehungslehre – ein didaktisches Modell, das er als »Plan der Didaktik« (ebd., S. 239) bezeichnet und mittels logischer Kombinatorik in die Allgemeine Pädagogik einwebt. Die Didaktik ist demgemäß bei Herbart – wie hier zu zeigen sein wird – ein notweniger Bestandteil der Allgemeinen Pädagogik; isoliert betrachtet wäre sie pädagogisch sinnentleert.

2.1.1 Herbarts allgemein-pädagogische »Landkarte«


Seine inzwischen zum Klassiker gewordene Forderung, die Pädagogik möge sich »so genau als möglich auf ihre einheimischen Begriffe besinnen und ein selbständiges Denken mehr kultivieren« (Herbart 1806/21982, S. 21, Hervorh. i. Orig.), begründet er wissenschaftlich und praktisch motiviert: Einerseits könne die Pädagogik nur so »zum Mittelpunkte eines Forschungskreises« werden und sich als eigenständige Wissenschaft im »wohltätige‍[n] Verkehr« (ebd.) mit ihren Nachbardisziplinen behaupten. Andererseits – so die praktische Perspektive –,

»[w]‌oran dem Erzieher gelegen sein soll, das muß ihm wie eine Landkarte vorliegen oder womöglich wie der Grundriß einer wohl gebauten Stadt [...]. Eine solche Landkarte biete ich hier dar für die Unerfahrnen, die zu wissen wünschen, welcherlei Erfahrungen sie aufsuchen und bereiten sollen (ebd., S. 22, Hervorh. i. Orig.).

Gemäß seiner These – »Regierung, Unterricht, und Zucht, das sind demnach die drei Hauptbegriffe, nach welchen die ganze Erziehungslehre abzuhandeln ist« (Herbart 1814/1852, S. 237) – entfaltet Herbart die pädagogische Wissenschaft in den drei eng miteinander verwobenen Teilen (vgl. Herbart 1806/21982): Im Ersten Buch »Zweck der Erziehung überhaupt« behandelt er die Regierung. Das Zweite Buch »Vielseitigkeit des Interesses« wendet sich dem Unterricht zu und das Dritte Buch »Charakterstärke der Sittlichkeit« der Zucht.

Herbart deduziert die wesentlichen Begriffe (▶ Abb. 1) und Grundgedanken seiner Erziehungslehre aus einem obersten Prinzip, aus dem der Moralität, und lässt – der Deduktion folgend – bereits im Titel der Publikation erkennen, dass er die Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung ableitet.

Abb. 1:Pädagogisches Begriffssystem Herbarts

Für das umfassende Verständnis der Methode, »auf einen Begriff eine Wissenschaft zu bauen« (ebd., S. 40, Hervorh. i. Orig.), sowie des Zusammenhangs von Erziehung und Moralität verweist er den Leser auf das Buch »Pestalozzi's Idee eines ABC der Anschauung (Herbart 21804/1851) inklusive der Nachschrift zur zweiten Auflage »Über die ästhetische Darstellung der Welt, als das Hauptgeschäft der Erziehung«.

Dort bestimmt Herbart die »Moralität« als höchsten und ganzen Zweck des Menschen »und folglich der Erziehung« (ebd., S. 213) und beschreibt die daraus gefolgerte Aufgabe der Erziehung:

»Machen, dass der Zögling sich selbst finde, als wählend das Gute, als verwerfend das Böse: dies, oder Nichts, ist Charakterbildung! Diese Erhebung zur selbstbewussten Persönlichkeit, soll ohne Zweifel im Gemüth des Zöglings selbst vorgehn und durch dessen eigne Thätigkeit vollzogen werden; es wäre Unsinn, wenn der Erzieher das eigentliche Wesen der Kraft dazu erschaffen, und in die Seele eines Andern hineinflössen wollte. Aber die schon vorhandene und ihrer Natur nothwendig getreue Kraft in eine solche Lage zu setzen, dass sie jene Erhebung unfehlbar und zuverlässig gewiss vollziehn müsse: das ist es, was sich der Erzieher als möglich denken, was er [...] als die grosse Aufgabe seiner Versuche ansehn muss.« (Ebd., S. 217, Hervorh. i. Orig.)

Somit birgt Moralität als Erziehungszweck zwei Dimensionen: Für die begründete Unterscheidung von »gut« und »böse« muss der Zögling Kenntnis von den Dingen und den Menschen gewinnen sowie Urteilsfähigkeit ausprägen. Das wiederum erfordere, dem Zu-Erziehenden nicht »gewisse Prinzipien von Ehre« (Herbart 1806/21982, S. 43, Hervorh. i. Orig.) vorzugeben. Vielmehr solle er »das Gute selbst aufsuchen, es zum Gegenstand seines Willens, zum Ziel seines Lebens, zum Richtmaß seiner Selbstkritik machen« (ebd., Hervorh. i. Orig.). Moralität beinhaltet außerdem, dass das als gut Erkannte auch tatsächlich gewählt wird; der Heranwachsende soll verinnerlichen, der Erkenntnis gemäß zu handeln, denn das »Handeln ist das Prinzip des Charakters« (ebd.,...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2022
Zusatzinfo 14 Abb., 1 Tab.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Didaktik
Sozialwissenschaften Pädagogik Schulpädagogik / Grundschule
Schlagworte Didaktik • Lehrer • Unterricht
ISBN-10 3-17-035707-7 / 3170357077
ISBN-13 978-3-17-035707-5 / 9783170357075
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