Die Diskontinuität der Moderne
Campus (Verlag)
978-3-593-37595-3 (ISBN)
Die Diskontinuität des sozialen Wandels moderner Gesellschaften war selten sichtbarer als gegenwärtig. Die historisch-soziologische Analyse beantwortet die Fragen, wie sich die Einbrüche auf dem Pfad des "Fortschritts" erklären lassen und was das Spektrum von Krisenlösungen zwischen Totalitarismus und demokratischer Kultur begrenzt. In dieser überarbeiteten Neuauflage erweitert Kurt Imhof die Grundlegung einer Theorie der Öffentlichkeit und politischer Entscheidungsprozesse, indem er Veränderungen öffentlicher Kommunikation herausarbeitet.
Kurt Imhof (1956-2015) war Leiter des Forschungsbereichs Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung und des Soziologischen Instituts der Universität Zürich.
Kapitel 1Entzauberung
1.1 Mythos und Magie
1.2 Ethische Rationalisierung
1.3 Kognitive Rationalisierung
1.4 Expressive Rationalisierung
1.5 Resümee I: Entzauberung und Sozialtheorie
1.5.1 Gesellschaftstheoretischer Ertrag: Eigenlogische Sphären Wissenschaft, Religion und Kunst
1.5.2 Lebenswelttheoretischer Ertrag: Weltbezüge, Reflexivität, Unsicherheit und Verdinglichung
1.5.3 Handlungstheoretischer Ertrag: Unsicherheit und Kreativität
Kapitel 2Transformation
2.1 Frühmoderne
2.2 Entwicklungsdivergenzen und -konvergenzen
2.2.1 Entwicklungsdivergenzen und Gesellschaftsmodelle
2.2.2 Entwicklungskonvergenzen und Revolution
2.3 Resümee II: Fragilität und Innovativität der Moderne
2.3.1 Öffentlichkeit als Bedingung der Vernunft
2.3.2 Dynamisierung der Zeit
Kapitel 3Moderne: Öffentlichkeit und sozialer Wandel
3.1 Brüche sozialtheoretischer Reflexion über Öffentlichkeit und sozialen Wandel
3.2 Öffentlichkeit als Zugangsportal zur modernen Gesellschaft
3.2.1 Verknüpfung von Gesellschafts- und Handlungstheorie
3.2.2 Entdeckungs- und Orientierungszusammenhang
3.2.3 Norm- und Wertbasis der Moderne
Einleitung Dieses Buch ist motiviert durch eine doppelte Lücke im Diskurs der Moderne. Erstens handelt es sich um den kurzen Zeithorizont der Erklärungskraft der meisten neueren Gesellschaftsbegriffe, die seit den achtziger Jahren in der scientific community und in der politischen Öffentlichkeit kursieren. Die schnelle Verabschiedung der Moderne im Zuge postmoderner End- und Neuzeithypothesen und der beeindruckende Erfolg einer neoliberalen politischen Programmatik, die ein radikales Neuarrangement von Politik und Wirtschaft einfordert, hat diese Verkürzung des Erfahrungsraumes zugunsten eines spekulativ aufgerissenen Erwartungshorizontes in Politik und Sozialtheorie befördert. Der Preis hierfür ist die zweite - und mit der ersten korrespondierende - Lücke im Diskurs der Moderne: die, gemessen am heuristischen Gehalt der gesellschaftstheoretischen Klassiker, geschwundene Fähigkeit, den sozialen Wandel in dieser ›Gesellschaftsformation‹ zu begreifen. Dem spekulativen Erwartungshorizont der politischen wie der gesellschaftstheoretischen Debatten des ausgehenden 20. Jahrhunderts entging die Einsicht in die grundsätzliche Diskontinuität dieser Moderne. Im Licht dieser Einsicht entpuppen sich die aufgeregten Theorie- und Politikdebatten als Regularität, die Perioden von Orientierungskrisen regelmäßig charakterisieren. Diese Regularitäten sind theoriefähig. In ihren Krisenphasen ist die Moderne immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen, in ihnen bilden sich neue Gesellschaftsmodelle heraus, in ihnen feiert der Diskurs der Moderne immer wieder Renaissance, in ihnen entscheidet sich auch immer wieder neu die Fortsetzung des Projekts der Moderne zwischen Zivilität und Barbarei. Diese Diskontinuität lässt sich mit der grundsätzlichen Orientierungsbedürftigkeit des dezentrierten modernen Weltbildes begründen. Zu diesem Zweck beschäftigte ich mich in diesem Buch mit der wieder erstarkten Debatte über die Genese der Moderne sowie der Rolle von Vernunft und Aufklärung. Damit spreche ich Auseinandersetzungen in der Kulturgeschichte und der Sozialtheorie an. Hierzu ist es notwendig, im ersten Kapitel "Entzauberung" an Max Webers Rationalisierungstheorie anzusetzen, um die Dezentrierung des modernen Weltbildes und die Abhängigkeit der Moderne von Erwartungssicherheit aufzuzeigen. Von besonderem Interesse sind dabei die Rationalisierungsprozesse unterschiedlicher Hochkulturen in ihren kognitiven, ethischen und expressiv-künstlerischen Dimensionen, weil sich diese Rationalisierungsprozesse im Okzident wechselseitig vorangetrieben haben. In gesellschaftstheoretischer Hinsicht führt dies zur Bestimmung der Handlungsbereiche und der Funktionen von Wissenschaft (kognitiver Weltbezug), Religion (moralisch-normativer Weltbezug) und Kunst (expressiver Weltbezug). In lebenswelttheoretischer Hinsicht lassen sich die Bedeutung und die Funktionen von ideologischen Leitideen und politischen Differenzsemantiken aufzeigen und in handlungstheoretischer Hinsicht gelang es, mit den Kategorien ›Kreativität‹ und ›Unsicherheit‹ das "kommunikative Handeln" auf Situationen zurückzuführen, in denen die Akteure nicht anders handeln können, weil sie orientierungslos sind und nur den einzigen Zweck verfolgen, Orientierung wieder zu erlangen. Daran anschließend folgt im zweiten Kapitel "Transformation" die Sattelzeitdebatte. Hier gilt es in Auseinandersetzung mit Webers Protestantismusthese und der Historiographie der Frühmoderne zu zeigen, dass der Durchbruch zur Moderne erstens die sozialökonomischen Entwicklungsdynamiken und die Konfliktstrukturen der frühen Neuzeit zu beachten hat und zweitens, dass er sich bei weitem nicht nur auf die protestantische Gesinnungsethik beschränkt, sondern dass neben der religiösen Entwicklung auch die Entfaltung der frühmodernen Wissenschaft (und ihre Verbindung mit der Technik) sowie die Dynamik der Kunst berücksichtigt werden müssen, um Aufklärung, Revolution und industriellen ›take off‹ zu verstehen. Die Aufklärung entwickelte mit ihrem Öffentlichkeitsverständnis gleichzeitig die Basisnormen der Moderne und durch sie wurde die moderne Kultur durch eine Fortschrittsorientierung geprägt, in der ›Schicksal‹ und ›Fügung‹ als Erklärung für den kollektiven Lauf der Dinge keinen Platz mehr haben. Allerdings muss die Last dieser Säkularisierung vor allem die öffentliche Kommunikation tragen. In ihr und durch sie steigert sich die Komplexität in einer Welt, in der nun alle wesentlichen Kontingenzen erklärt und die Zukunft vorentworfen werden muss, um Erwartungssicherheit zu gewährleisten. Das abschließende dritte Kapitel "Moderne: Öffentlichkeit und sozialer Wandel" fasst die Ergebnisse im Hinblick auf die sozialtheoretischen Konsequenzen für eine Theorie sozialen Wandels der modernen Gesellschaft zusammen.
Erscheint lt. Verlag | 9.10.2006 |
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Reihe/Serie | Theorie und Gesellschaft ; 36 |
Verlagsort | Frankfurt |
Sprache | deutsch |
Maße | 140 x 213 mm |
Gewicht | 293 g |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Allgemeines / Lexika |
Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Allgemeine Soziologie | |
Schlagworte | Moderne • Sozialer Wandel • Soziologie |
ISBN-10 | 3-593-37595-8 / 3593375958 |
ISBN-13 | 978-3-593-37595-3 / 9783593375953 |
Zustand | Neuware |
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