Praxisbuch Berufliche Freiheit und Erfolg (eBook)

Hat uns Corona die Freiheit genommen? Wenig Zweifel gibt es an den Einschränkungen unserer äußeren Freiheiten. Ob das Ausmaß dieser Einschränkungen immer angemessen ist oder war, darüber gab und gibt es viele hitzige Debatten. Ich möchte die Frage hier nicht beantworten. Das mag jede und jeder für sich allein tun. Grundsätzlich ist es unsere rechtliche, soziale und politische Ordnung, die uns einen gewissen Rahmen an äußerer Freiheit vorgibt oder auch einschränkt. In einer Demokratie genießen wir, im Vergleich zu anderen Systemen, grundsätzlich ein hohes Maß an äußerer Freiheit und Mitbestimmung. Die Demokratie unterstützt uns dabei, dass wir die oben erwähnten Diskussionen überhaupt öffentlich führen dürfen, dass auch die Meinungsfreiheit, genauso wie die Freiheit im Ganzen, als hohes Gut gilt. Tauschen Sie sich weiter darüber aus, hören Sie anderen zu, versuchen Sie zu verstehen, auch wenn andere Ihre Meinung nicht teilen.

Was im Kontext dieses Buches von besonderem Interesse ist, ist unsere innere Freiheit, denn diese besteht unabhängig von den äußeren Umständen und Systemen, in denen wir gerade leben. Diese Freiheit wird uns eben nicht von außen durch die politische Ordnung eingeräumt. Die innere Freiheit können wir uns nur selbst einräumen. Sie steht für die Freiheit von uns Menschen, unsere zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen und eine Wahl zu treffen.

Stephen R. Covey zeigt in seinem Buch »Der 8. Weg« (2006) eindrucksvoll, dass von allen Geburtsgeschenken, die wir Menschen erhalten, die Freiheit zu wählen das wichtigste sei. Sie stehe in starkem Gegensatz zur Kultur von Schuldzuweisungen und Opfermentalität, die in der heutigen Zeit sehr weit verbreitet seien (Covey 2006, S. 57. Diese Freiheit zu wählen schenkt uns die Möglichkeit, unser Leben selbst nach unseren persönlichen Werten zu gestalten. Gleichzeitig erwächst dadurch eine große Verantwortung, die auch die deutsch-amerikanische Lehrerin und Schriftstellerin Edith Hamilton unterstreicht: »Verantwortung ist der Preis, den wir alle für unsere Freiheit bezahlen müssen«.

Wer selbst entscheiden und sein Handeln danach ausrichten kann, trägt gleichzeitig die Verantwortung für die Konsequenzen dieses Handelns. Es liegt dann am Handelnden selbst, aktiv zu werden, um die gewünschten Ergebnisse zu erreichen, anstatt die Schuld für Misserfolge im Außen zu suchen. Freiheit und Verantwortung sind also nicht immer bequem (ebd. S. 60). Die Freiheit hat ihren Preis. Ausreden fallen weg. Man muss die Dinge selbst in die Hand nehmen, mögliches Scheitern riskieren, Veränderungen bewältigen, sich dafür vielleicht unbeliebt machen, Erwartungen möglicherweise enttäuschen, manchmal auch einmal gegen den Strom schwimmen. Aus diesem Grund ziehen es viele vor, in der bequemen Unzufriedenheit zu verharren, als das Risiko einer Veränderung einzugehen. Berufliche Freiheit wird aber schwer zu realisieren sein, wenn wir jedes Risiko vermeiden.

Natürlich haben wir es nicht selbst in der Hand, wie der Arbeitsmarkt gerade aussieht. Auch können wir uns nicht aussuchen, mit welchen Genen oder Talenten wir auf die Welt gekommen sind oder welche Erfahrungen uns unsere Kindheit beschert hat. All das liegt außerhalb unseres Einflussbereichs. Wir haben aber definitiv eine Wahl, wie wir mit all diesen Gegebenheiten umgehen und was wir daraus machen. Jay Niblick hat es sehr treffend formuliert: »You may not be able to control what talents you possess, but you can definitively control what to do with them« (Niblick 2009, S. 114).

Aber warum ist Freiheit bedeutsam für den Erfolg? Betriebswirtschaftlich gesehen wird der Erfolg monetär gemessen. Allgemeiner betrachtet steht Erfolg für das Erreichen bestimmter gesteckter Ziele. Sowohl Unternehmen oder Organisationen als auch Individuen sind also dann erfolgreich, wenn sie ihre definierten Ziele erreichen. Welche Ziele das im Einzelfall sind, kann sehr verschieden sein. Während Unternehmen meist den betriebswirtschaftlichen oder auch gesellschaftlichen Erfolg messen, kann es beim Individuum die Karriere, das familiäre Glück, die berufliche Erfüllung oder ein Mix aus verschiedenen individuellen Zielen sein. Gerade erzählte mir ein Klient, dass es ihn mit großem Stolz erfülle, dass er zu seinen Kindern trotz ehelicher Scheidung einen so vertrauensvollen und guten Kontakt aufrechterhalten konnte. Dieser Erfolg sei für ihn viel wichtiger als jeder noch so spannende Karriereschritt. Was wer als Erfolg verbucht, ist also eine sehr individuelle Angelegenheit. Jeder Mensch hat die Freiheit zu wählen, wo er die Prioritäten setzt.

Das betrifft auch den Erfolg im Beruf. Jeder kann aus seiner individuellen Perspektive bewerten, was richtig und wichtig ist, und die eigene Karriere und das tägliche Tun entsprechend ausrichten.

Der renommierte deutsche Psychologe Klaus Grawe definiert in seinem Blog (https://www.klaus-grawe-institut.ch/blog/) vier Grundbedürfnisse, die für uns Menschen generell bedeutsam sind.

Berufliche Freiheit, das heißt die Möglichkeit, den eigenen beruflichen Weg selbstbestimmt nach eigenen Prioritäten zu gestalten, leistet also einen unmittelbaren Beitrag zu unseren menschlichen Grundbedürfnissen. Dazu gehört ein Tätigkeits- und Arbeitsumfeld, das zur individuellen Persönlichkeit passt, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die den individuellen Selbstwert sowie unser Bedürfnis nach verlässlichen beruflichen Bindungen stärkt. Aber: Finden Mitarbeitende solche Rahmenbedingungen nicht vor, laufen grundlegende menschliche Bedürfnisse ins Leere.

Leider ist das Maß an Freiheit, welches Mitarbeitenden in vielen Unternehmen zugestanden wird, meiner Ansicht nach immer noch sehr klein. Der bekannte Managementberater und Bestsellerautor Reinhard K. Sprenger fordert, Mitarbeitende ernst zu nehmen, sie nicht zu bevormunden, gar an ihnen »herumzuschrauben«, sondern ihnen den Raum zu geben, sie selbst zu sein und ihr bestes Selbst im Job einzubringen (Sprenger 2013, S. 100). Wer sich ständig nach den Erwartungen und Vorschriften anderer richten muss, wer sich unter Dauerkontrolle befindet, der ständigen Angst ausgesetzt, etwas falsch zu machen, der wird kaum Verantwortung übernehmen, der wird Vorsicht über Mut walten lassen. Ohne die persönliche Freiheit, nach eigenen Überzeugungen handeln zu dürfen, werden Motivation und Verantwortungsbewusstsein Mangelware bleiben. Dann werden Menschen zu Befehlsempfängern, Innovations- und Veränderungsfähigkeit werden im Keim erstickt.

Das passiert tagtäglich in vielen Unternehmen. Man nimmt den Mitarbeitenden die Verantwortung weg, schreibt ihnen in allen Details vor, was sie wie zu erledigen haben und wundert sich dann, dass niemand mehr Eigeninitiative entwickelt. Mitarbeitende werden unter dem ständigen Druck, externen Anforderungen gerecht zu werden, montags schon auf den Freitag warten, um am Wochenende endlich sie selbst zu sein. Wie soll da berufliche Freude entstehen? Wie die Bereitschaft, etwas zu riskieren?

Wo Vertrauen durch Kontrolle, wo Freiraum durch ständige Anweisungen ersetzt werden, werden Selbstverantwortung und Leistungsstärke zu Angst und Gehorsam. Freiheit fördert ...