20 Jahre Euro (eBook)
528 Seiten
Siedler Verlag
978-3-641-29778-7 (ISBN)
Euro-Bargeld hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu dem greifbaren Symbol für wirtschaftliche Integration und Zusammenhalt in Europa entwickelt. Es steht für Stabilität und Vertrauen, gerade in Krisenzeiten. Doch der Blick nach vorne lässt besondere Herausforderungen für die europäische Gemeinschaftswährung erahnen. So hat etwa der digitale Wandel neue Bezahlformen und sogenannte Kryptowerte hervorgebracht, die den Stellenwert von Bargeld und staatlicher Währung grundsätzlich in Frage stellen. Die Autorinnen und Autoren dieses Buches betrachten die vielfältigen Aspekte von Geld und Währung aus unterschiedlichen Blickwinkeln. So entsteht ein differenziertes Gesamtbild mit vielen neuen Perspektiven in der oft allzu aufgeheizten Debatte zur Zukunft unseres Geldes.
Mit Beiträgen u.a. von Otmar Issing, Clemens Fuest, Hans-Jürgen Papier, Peter Sloterdijk, Barry Eichengreen, Viviana Zelizer, Gaspard Koenig
Der Euro: Weltweites Währungsvorbild und Meisterwerk der Banknotentechnologie
Wolfram Seidemann
Wenn zwölf Staaten einen elementaren Teil ihrer Souveränität freiwillig an ein gemeinsam beschlossenes, selbst geschaffenes Projekt delegieren und sich in der Folge sieben weitere Länder anschließen, dann müssen sie einen guten Grund dafür haben. Die Bereitstellung einer Währung als öffentliches Gut, als »Public Good«, ist eine der vornehmsten staatlichen Leistungen. Gleichzeitig ist das Währungsmonopol aber auch eines der wichtigsten Ordnungs- und Steuerungsinstrumente. Als die Euro-Staaten beschlossen, diese Aufgaben zukünftig gemeinsam anzugehen, taten sie dies in der begründeten Annahme, im weltweiten Spiel der wirtschafts- und währungspolitischen Kräfte zusammen weitaus stärker agieren und ihre Interessen besser verfolgen zu können als jeder für sich allein.
Der Euro als währungspolitischer Vorreiter
Wer die Chancen und Risiken solcher Großprojekte vernünftig abwägen und kalkulieren möchte, sucht zur Orientierung gerne nach Vorbildern. Historische Ansätze wie die Lateinische Münzunion, die Kronenzone oder die Skandinavische Münz- und Währungsunion waren jedoch in Ausmaß und Anspruch weitaus bescheidener angelegt. Die Recherche zu einem gemeinsamen Währungsprojekt in einer zum Euro vergleichbaren Größenordnung bleibt deshalb ergebnislos. Insofern ist er ein monetäres Fortschrittsprojekt, wie es die Welt seit den ersten bekannten Münzprägungen im Mesopotamien des 7. vorchristlichen Jahrhunderts noch nicht gesehen hat. Bei der Entwicklung und Umsetzung des Euro konstruktiv, operativ und produktiv dabei sein zu dürfen, war und ist daher ein ganz besonderes Highlight, vor allem weil er, vielen Vorbehalten im Vorfeld zum Trotz, gut geraten ist. Seine Stabilität und Resilienz hat er bei verschiedenen Gelegenheiten ja bereits unter Beweis stellen müssen – und können.
Als es 1999 losging, hatten wir es währungspolitisch also mit Neuland zu tun, auch wenn mit der Europäischen Währungsunion EWS und dem Euro-Buchgeld ECU bereits wichtige Fundamente gelegt worden waren. Aber auch die praktischen Dimensionen des Projekts übertrafen bei Weitem alles, was europäische Zentralbanken und deren Zulieferer bis dato auf die Beine gestellt hatten. Während das Münzgeld vom 1-Euro-Cent bis zur 2-Euro-Münze ausschließlich in den staatlichen Prägeanstalten hergestellt werden sollte, war für die Banknoten ein Produktionsmix aus staatlichen Zentralbank-Druckereien und qualifizierten privaten Industriepartnern vorgesehen. Der war auch notwendig, schließlich galt es, eine enorme Menge neuer Geldscheine in vergleichsweise kurzer Zeit nach gemeinsamen Qualitätsstandards herzustellen. Diese schiere Größe der Produktionsvorgaben in einem engen Zeitfenster sollte sich später als die größte Herausforderung herausstellen.
Der Euro als Vorreiter im Logistikverbund
In der Zeit vor dem Euro schrieben Zentralbanken die Produktionschargen für ihre Banknoten noch nach ihren Vorgaben aus, die dann von eigenen Druckereien oder einer sehr begrenzten Zahl spezialisierter Partner gedruckt wurden. Jetzt aber waren sehr viel mehr Spieler nötig, um gemeinsam die notwendigen Geldmengen in entsprechender Quantität und Qualität zu produzieren. Die Zahl der Partner war dementsprechend hoch: Zusätzlich zu den diversen staatlichen Druckereien waren über fünfzig Lieferanten in das Projekt eingebunden, die nach einheitlichen Regeln die neue Gemeinschaftswährung in Form bringen sollten.
Die verschiedenen, bislang landesspezifischen Prozesse und Vorgaben mussten folglich synchronisiert und nach neuen Standards ausgerichtet werden. Das ging nur durch eine intensive Koordination. Die noch junge Europäische Zentralbank (EZB) wuchs rasch in diese anspruchsvolle Aufgabe hinein und übernahm die Funktion der Hüterin einer Ordnung, die sich erst im Laufe des Projekts herausbildete. In dieser für sie neuen Rolle entwickelte die EZB eine Kooperations-, Koordinations- und Führungskompetenz, ohne die das Projekt nicht erfolgreich hätte umgesetzt werden können. Sie sorgte unter anderem für die Definition der Spezifikationen, die Steuerung der komplexen Prozesse in der Zusammenarbeit und der Aufgabenverteilung sowie den Aufbau eines ausgefeilten Qualitätswesens von A wie Auditierungen bis Z wie Zertifizierungen.
Trotzdem blieb das Zusammenspiel von EZB, Partnern und Lieferanten anspruchsvoll und zeitintensiv. So konnte es vorkommen, dass montags ein Abstimmungstreffen für den 5-Euro-Schein in Lissabon stattfand, sich die Gruppe für die 10-Euro-Banknote am Dienstag in Frankfurt traf und es am Mittwoch in Madrid in ähnlicher personeller Konstellation um den 20-Euro-Schein ging. Für die Beteiligten waren es quasi »miles & more« im Dienste des Euro.
Der Euro als Vorreiter bei der Banknotentechnologie
Aus der Sicht eines Industriepartners konnten wir bei der praktischen Umsetzung des Euro-Projekts auf die jahrzehntelange Erfahrung und Expertise in der Entwicklung und Produktion sicherer Banknoten bauen. Wir waren uns der enormen Verantwortung bewusst, zum Erfolg dieses Projekts beizutragen. Das damit verbundene Kribbeln im Bauch war während der gesamten Arbeit am Euro spürbar – und ist es manchmal selbst heute noch.
Für die erste Generation des Euro (ES1) war die Herstellung von 14,9 Milliarden Banknoten im Gesamtnennwert von rund 633 Mrd € vorgesehen, für die die Deutsche Bundesbank und damit wir als Bundesbank-Partner den größten Anteil übernehmen sollten. Diese enorme Auflage an neuen Geldscheinen bereitzustellen, war die größte Herausforderung im gesamten Euro-Projekt und führte dazu, dass die personellen Ressourcen über die ursprünglich geplante Größe hinaus sukzessive hochgefahren werden mussten. Parallel zu der Erfüllung der quantitativen Richtmarke war zudem die Umsetzung der hohen qualitativen Ansprüche zu leisten, die von vornherein klar und eindeutig vorgegeben waren: Die neuen Euro-Scheine sollten technologisch »State of the Art« sein, also den letzten Stand innovativer Banknotentechnologie praktisch zu Papier bringen.
Bis in die 1990er Jahre hinein waren Banknoten noch anfällig für einfache Fälschungen, Farbkopierer galten als der Schrecken jeder Zentralbank. Für den Euro jedoch durfte nach Maßgabe der EZB jede der beteiligten Zentralbanken das für sie wichtigste Sicherheitsfeature einbringen. Dadurch entstand ein »Best of Breed«-Paket, das die fortschrittlichsten Banknotentechnologien in sich vereinte. So kamen beispielsweise für das neue Papier besonders dünne Sicherheitsfäden mit nur 1,2 Millimeter Breite zum Einsatz. Erstmals genutzt wurden auch eine Sicherheitsfarbe mit Farbwechsel (Optical Variable Ink) und Folienelemente, wie es sie bis dato in Währungen noch nicht gegeben hatte. Dazu kamen unter anderem neue Pigmente, Siebdruckelemente und Markierungsstoffe. Nicht zuletzt trug man dem hohen Anspruch der Deutschen Bundesbank an maschinenlesbare Sicherheitsmerkmale Rechnung. Das Resultat waren Banknoten, die höchste Haltbarkeits-, Sicherheits- und Effizienzstandards erfüllten.
Der Euro und die Fälschungssicherheit
In der permanenten Hase-Igel-Konstellation gegen Fälscher wurden die Hürden damit extrem hochgelegt. Sie waren und sind umso höher, je größer der Nennwert einer Euro-Banknote ist. Alle Sicherheitsmerkmale sind generell gesehen für eine Sicherheitsarchitektur auf drei Ebenen ausgelegt. Die offensichtlichen Charakteristika (Level 1) wie beispielsweise Wasserzeichen, Sicherheitsstreifen oder Durchsichtfenster sind für jedermann haptisch und optisch sofort erkennbar und einfach nachzuprüfen. Dazu gehört als wesentlicher Bestandteil auch die charakteristische Haptik des Stichtiefdrucks in Verbindung mit baumwollbasierten Substraten. Zu der nächsthöheren Stufe (Level 2) zählen Merkmale wie magnetische Pigmente, fluoreszierende Farben oder elektrische Leitfähigkeit. Sie sind nur mit Hilfsmitteln wie etwa einer Lupe oder einer UV-Lampe oder maschinell durch eine entsprechende Sensorik in Bezahlautomaten, Geldeinzahlgeräten oder Banknotenbearbeitungsmaschinen zu erkennen. Und dann gibt es noch eine weitere Reihe von Sicherheitselementen, deren Spezifikationen, Merkmale und Identifizierungsmöglichkeiten den Zentralbanken in einer Geheimhaltungsstufe (Level 3) vorbehalten sind. Sie werden nicht öffentlich bekannt gemacht, um Nachahmungsversuche von vornherein zu verhindern, und sind damit die höchste Hürde für Fälscher.
Die zur Einführung des Euro entwickelte Papierqualität und deren Sicherheitsmerkmale waren so gut, dass für die zweite Auflage, die sogenannte Europa-Serie (ES2), keine umfassenden Änderungen mehr vorgenommen werden mussten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Banknoten der ES1-Serie ihre Praxistauglichkeit und Fälschungssicherheit bereits unter Beweis gestellt. Bei der 2003 begonnenen Entwicklung der ES2-Generation ging es daher um Verbesserungen im Detail, nicht um gravierende Maßnahmen oder gar grundsätzliche Neuentwicklungen. Die größten Fortschritte wurden bei den maschinenlesbaren Farben, den Folienstreifen mit Fenster und den Siebdruckelementen umgesetzt. Auf das Durchsichtsregister und den Wasserzeichen-Strichcode konnte dagegen verzichtet werden.
Die technologische Zukunft des Euro
Angesichts der wachsenden Herausforderungen ist ein Ende der technologischen Entwicklungen nicht absehbar. Da Banknoten immer höhere Anforderungen zu erfüllen haben und Fälscher stets neue technische Möglichkeiten finden, müssen ständig Anpassungen...
Erscheint lt. Verlag | 24.8.2022 |
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Zusatzinfo | mit zahlreichen farbigen Abbildungen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | 2022 • Digitale Zahlungsmittel • eBooks • Euro-Bargeld • Eurowährung • Kryptowährung • Neuerscheinung • Unternehmensgeschichte • Wirtschaft • Wirtschaftsgeschichte • Zukunft des Geldes |
ISBN-10 | 3-641-29778-8 / 3641297788 |
ISBN-13 | 978-3-641-29778-7 / 9783641297787 |
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