'Guten Abend, meine Damen und Herren' (eBook)

Ein Gespräch über die Liebe, das Leben, Glück und die Nachrichten
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
168 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01506-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

'Guten Abend, meine Damen und Herren' -  Dagmar Berghoff,  Constantin Schreiber
Systemvoraussetzungen
16,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Dagmar Berghoff und Constantin Schreiber über das, was im Leben zählt Im Gespräch mit seiner Vorgängerin Dagmar Berghoff eröffnet der heutige Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber die einzigartige Geschichte ihres bewegten und bewegenden Lebens. Wo zunächst wenig darauf hindeutete, dass sie einmal Fernsehgeschichte schreiben würde - das Geld für die Schauspielschule musste sie sich hart erarbeiten -, wurde Dagmar Berghoff 1976 mit ihrem Einstieg als Sprecherin der Tagesschau zum Vorbild und zur Wegbereiterin einer ganzen Generation von Frauen. Sie stieg bis zur Chefsprecherin auf und verließ die Tagesschau zum Jahrtausendwechsel, um mit ihrem Mann ein neues Leben zu beginnen - wozu es aus tragischen Gründen nicht kommen sollte. Offen und ergreifend erzählt Dagmar Berghoff davon, wie sie trotz vieler Widrigkeiten und Schicksalsschläge immer wieder die Kraft fand weiterzumachen und warum es sich lohnt, unerschrocken durchs Leben zu gehen.    

Dagmar Berghoff wurde 1943 in Berlin geboren und wuchs in Hamburg auf, wo sie bis heute lebt. Am 16. Juni 1976 las sie zum ersten Mal die Nachrichten in der »Tagesschau«, die sie 1999 aus freien Stücken verließ. Sie wurde zweimal mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Ihren Abschied von der »Tagesschau« bereut sie bis heute nicht: »Ich finde es entspannend, dass ich mich nicht mehr schminken muss.«

Dagmar Berghoff wurde 1943 in Berlin geboren und wuchs in Hamburg auf, wo sie bis heute lebt. Am 16. Juni 1976 las sie zum ersten Mal die Nachrichten in der »Tagesschau«, die sie 1999 aus freien Stücken verließ. Sie wurde zweimal mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Ihren Abschied von der »Tagesschau« bereut sie bis heute nicht: »Ich finde es entspannend, dass ich mich nicht mehr schminken muss.«Constantin Schreiber, Jahrgang 1979, moderiert seit Januar 2021 die 20-Uhr-Nachrichten der »Tagesschau«. 2016 wurde er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Mit seiner 2019 gegründeten Deutschen Toleranzstiftung setzt er sich für interkulturellen Austausch im In- und Ausland ein. Er ist Autor mehrerer Bücher. Zuletzt erschienen bei Hoffmann und Campe sein Roman Die Kandidatin (2021) sowie Glück im Unglück (2023), die beide zu Spiegel-Bestellern wurden. Er lebt mit seiner Familie in Hamburg.

Cover
Verlagslogo
Titelseite
E-Mail von Frau Berghoff
2022
1943
Die fünfziger Jahre
Die sechziger Jahre
Die siebziger Jahre
Die achtziger Jahre
Die neunziger Jahre
Die Nullerjahre
Die Jahre seit 2010
Bildteil
Biographien
Impressum

Die fünfziger Jahre


Wenn ich meine Eltern nach den fünfziger Jahren frage, fällt ihnen zuerst eines ein: das Wunder von Bern. Deutschland wird 1954 Fußballweltmeister! Für sie wie für viele Kinder ihrer Generation ein prägendes Ereignis. Meine Mutter weiß noch genau, wie sie gemeinsam mit anderen Kindern vor dem Schwarz-Weiß-Fernseher mitfieberte. Der Gewinn der Weltmeisterschaft – ein Symbol, dass es aufwärts ging in dem noch immer vom Krieg gezeichneten Land.

Überhaupt sehen die fünfziger Jahre den Beginn des Wirtschaftswunders. Die ersten sogenannten Gastarbeiter kommen nach Deutschland, und die Länder Europas machen sich Gedanken darüber, wie ein dauerhafter Frieden auf dem Kontinent erreicht werden kann: 1957 werden die Römischen Verträge unterzeichnet, es ist der Beginn der europäischen Einigung.

Zugleich führt der Kalte Krieg zu neuen Krisen und Stellvertreterkriegen, so in Korea und Indochina. Der Ost-West-Konflikt gewinnt an Schärfe: 1952 unterbreitet der sowjetische Machthaber Stalin dem Westen das Angebot, Ost- und Westdeutschland zu vereinigen, unter der Bedingung, dass das vereinigte Deutschland keinem Militärbündnis angehören würde. Die Regierung Adenauer ignoriert das Angebot. Zudem erlebt die Welt den sogenannten Sputnikschock – den Start des ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik 1 durch die Sowjetunion.

 

Die jungen Menschen in Deutschland schauen derweil nach vorn, suchen Zerstreuung und Fortschritt. Man trifft sich in Milchbars, hört Musik aus Jukeboxen. Pärchen sitzen knutschend in Autokinos oder tanzen zu Rock ’n’ Roll. Der Petticoat ist in, genauso wie der Nierentisch. John Steinbeck schreibt Jenseits von Eden – später verfilmt mit James Dean –, Günter Grass Die Blechtrommel und Hemingway Der alte Mann und das Meer. In vielen deutschen Küchen bereitet man »arabisches Reiterfleisch« zu, eine Phantasiebeschreibung für ein eigentlich herkömmliches Fleischgericht, das aber ungemein populär wurde. Derweil laufen im Kino große Hollywoodklassiker wie Das Fenster zum Hof, Manche mögen’s heiß oder … denn sie wissen nicht, was sie tun.

 

1950 wird die ARD gegründet, die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands, und 1952 geht erstmals die Tagesschau auf Sendung. Gesendet aus einem Bunker am Hamburger Heiligengeistfeld, berichtet die allererste Meldung von einem Besuch Eisenhowers in Korea. Darüber hinaus werden Cocktailkleider für Abendempfänge gezeigt. Die älteste vollständig erhaltene Tagesschau-Aufzeichnung stammt übrigens erst aus den sechziger Jahren.

 

Nicht weit entfernt von dem Bunker, in dem die Tagesschau einst auf Sendung ging, erlebt in Hamburg die junge Dagmar Berghoff eine schwierige Kindheit.

 

 

Constantin Schreiber: So weit mir bekannt ist, ist deine Mutter früh gestorben. Was genau ist passiert?

Dagmar Berghoff: Meine Mutter war manisch-depressiv und hat sich schließlich das Leben genommen. Sie hat sich vor einen Zug geworfen, als ich sieben Jahre alt war und mein Bruder Detlef sechs.

CS: Oh, das wusste ich nicht.

DB: Das kannst du auch nicht, denn ich habe es noch nie erzählt. Ich habe immer nur gesagt: Meine Mutter ist gestorben, als ich sieben war.

CS: Wie kam es dazu?

DB: Sie war vorher schon öfter im Krankenhaus gewesen wegen ihrer Depressionen. Und irgendwann hat sie das Leben wohl nicht mehr ertragen.

CS: Wie blickst du heute auf den Tod deiner Mutter?

DB: Vor allem eines will mir bis heute nicht in den Sinn: Wie kann sie ihren Mann und ihre zwei kleinen Kinder einfach zurücklassen? Das habe ich ihr nie verziehen. Und ich habe ihr auch nie die Art und Weise dieses Selbstmordes verziehen. Wie kann sie noch andere Menschen mit hineinziehen? Der arme Zugführer! Die armen Polizisten, die sie fanden!

CS: Ich persönlich verstehe auch nicht, warum sich jemand auf diese Weise das Leben nimmt, aber wahrscheinlich können Menschen in dieser Situation und in der Depression nicht an andere denken.

DB: Als sich damals der Fußballer Robert Enke das Leben nahm, da kam das bei mir alles noch einmal hoch. Sicherlich ist dieser Schritt der Krankheit geschuldet, aber es gibt aus meiner Sicht viele Möglichkeiten, sich das Leben zu nehmen, ohne Unbeteiligte mit hineinzuziehen. Es muss für sie doch so schwer sein, damit weiterzuleben.

CS: Wie hast du vom Tod der Mutter erfahren?

DB: Durch meinen Vater. Der kam in dieser Nacht nach Hause zu mir ans Bett und umarmte mich verzweifelt. Er hat bei seiner kleinen siebenjährigen Tochter Halt gesucht und fürchterlich geweint. So habe ich letztlich davon erfahren. »Sie ist tot«, hat er gesagt. Das war ein ganz furchtbarer Augenblick.

CS: Warst du bei ihrer Beerdigung?

DB: Nein. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr, aber ich glaube nicht.

CS: Wie hat dich diese neue Lebenssituation geprägt?

DB: Das Verhältnis zu meinen Eltern hat mich sicherlich fürs Leben geprägt. Gerade später, als mein Bruder und ich alleine waren mit meinem Vater. Er war für mich unerreichbar. Ich hatte stets das Gefühl, er liebt mich nicht. Ständig habe ich versucht, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Etwa indem ich mir, wenn ich krank war, lauter Fragen ausdachte, damit er länger bei mir am Bett bliebe. Ich fühlte mich sehr allein als Kind. Obwohl da ja noch mein Bruder war. Mit dem habe ich mich aber immer gestritten – und wie! So laut, dass manchmal die Nachbarn vor der Tür standen. Dann aber, als ich 13 und er 12 war, rief ich mitten in einem solchen Streit: »Ich habe ein Feuer im Gehirn!« Woraufhin er antwortete: »Und ich bin das Streichholz, das dein Feuer anzündet.« Das hat sich mir tief eingeprägt, da war ich platt. Seitdem haben wir nicht mehr gestritten, sondern waren uns sehr nah.

CS: Wie ging es weiter, nachdem deine Mutter sich das Leben genommen hatte?

DB: Mein Vater war plötzlich alleinerziehend, fünf Jahre lang. Er arbeitete in Wilhelmsburg und war immer nur mittwochs, sonnabends und sonntags zu Hause. Die anderen Tage haben wir Kinder bei Tante Grethe gelebt, wie wir sie nannten. Das war eine ganz liebe Frau, die toll kochen konnte, aber der tanzten wir ganz schön auf der Nase herum. Später hatte mein Vater auch mal eine Freundin, die ich und mein Bruder aber vergrault haben. Einmal hatte er sogar eine Freundin mit Kind, die konnten wir überhaupt nicht ausstehen. Als ich zwölf Jahre alt war, lernte mein Vater schließlich meine Stiefmutter kennen. Sie war damals mit 25 Jahren noch sehr jung. Mein Bruder und ich haben sie sofort akzeptiert, weil sie so hübsch und so nett war und – ich will ehrlich sein – weil sie einen Süßwarenladen betrieb. Wenn ich so zurückblicke, denke ich, wir hatten ein ziemlich wildes Leben. Manchmal frage ich mich, wie mein wunderbarer Bruder bei alledem Arzt werden konnte und ich Moderatorin. Eigentlich hätten zwei völlig verkorkste Erwachsene dabei herauskommen müssen.

CS: Wenn du an die Kindheit bei deinem Vater denkst, woran denkst du dann zuerst?

DB: An rohe Leber (lacht)! Mein Vater brachte mittwochs immer rohe Leber mit, die wir dann essen mussten. Er selbst natürlich auch. Er hatte irgendwo gelesen, dass das die Abwehrkräfte stärke. Es war furchtbar – für alle Beteiligten.

CS: Manche Menschen denken, Depressionen seien eine Art Wohlstandserkrankung. Die Menschen hätten zu viel Zeit, in sich hineinzuhorchen.

DB: Ich glaube, gerade junge Menschen leiden unter Depressionen oder zumindest verzweifelten Gefühlen, weil sie verunsichert sind, weil sie Angst haben, Ansprüche nicht erfüllen zu können, weil sie gemobbt werden oder auf andere Art und Weise mit dem Leben nicht klarkommen. Früher gab es das genauso.

CS: Wie erging es dir selbst in der Jugend?

DB: Es war eine fast normale und zugleich schreckliche Zeit. Mir gingen die Haare aus. Mein Vater hat mich daraufhin zu einer Strahlentherapie geschickt, mit der das behandelt werden sollte. Außerdem waren meine Fesseln so dünn, dass ich ständig umknickte. Deshalb musste ich ab dem Alter von neun Jahren spezielle orthopädische Stiefel tragen. Bis ich vierzehn war! Das war nicht einfach. Noch dazu war mein Gebiss schief. Der Zahnarzt hatte mir daraufhin eine Zahnspange eingesetzt, aber nicht wie heute, wo das gar nicht groß auffällt. Also: Meine Mutter war tot, ich musste diese hässlichen Stiefel tragen, hatte eine riesige Zahnspange im Mund und auf dem Kopf dünne Haare. Ich war wirklich kein...

Erscheint lt. Verlag 3.11.2022
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte ARD • Biografie • Deutsche Fernsehgeschichte • Lebensgeschichte • Nachrichtengeschichte • Politik • Tagesschau • Tagesschau-Sprecherin • TV-Geschichte • Vorbild • Vorreiterin • Wirtschaft
ISBN-10 3-455-01506-9 / 3455015069
ISBN-13 978-3-455-01506-5 / 9783455015065
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten

von Florian Illies

eBook Download (2023)
S. Fischer Verlag GmbH
22,99
Eine Familiengeschichte der Menschheit

von Simon Sebag Montefiore

eBook Download (2023)
Klett-Cotta (Verlag)
38,99
Die Biografie

von Walter Isaacson

eBook Download (2023)
C. Bertelsmann (Verlag)
24,99