Klima außer Kontrolle (eBook)

Fluten, Stürme, Hitze - Wie sich Deutschland schützen muss
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
336 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60209-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Klima außer Kontrolle -  Susanne Götze,  Annika Joeres
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Können wir uns noch retten? Wir steuern auf die größte Umweltkatastrophe der Geschichte zu. Aber wie gut ist Deutschland auf Hitze, Starkregen und steigende Meere vorbereitet? Noch immer unterschätzen Politik und Verwaltung die Gefahren von Extremwetter. In ihrem neuen Buch decken Susanne Götze und Annika Joeres auf, wie ausgeliefert wir der Klimakrise hierzulande sind. Gleichzeitig zeigen die Autorinnen, wie wir uns gegen die schlimmsten Folgen wappnen und Leben retten können - und wer dies bislang verhindert. Denn so viel ist sicher: Die Folgen des Klimawandels werden uns schneller und härter treffen, als wir denken.

Susanne Götze ist promovierte Historikerin, Autorin und Journalistin. Sie arbeitet als Redakteurin für den SPIEGEL. Für ihre Beiträge recherchiert sie in Europa, Afrika sowie Nord- und Südamerika zu den Folgen des  Klimawandels und internationaler Klima- und Energiepolitik. Ihr Buch Land unter im Paradies wurde im März 2019 mit dem ITB-Award ausgezeichnet, 2022 erhielt sie für Klima außer Kontrolle den NDR Sachbuchpreis.

Dr. Susanne Götze ist Historikerin und Journalistin. Sie ist Wissenschaftsredakteurin beim SPIEGEL, arbeitet für den Deutschlandfunk und schreibt u. a. für die Süddeutsche Zeitung, Cicero und Zeit Online über Um­­weltfragen und gesellschaftspolitische Themen. Ihr hochgelobtes Reportage-Buch »Land unter im Paradies« wurde im März 2019 mit dem ITB-Award ausgezeichnet. Annika Joeres arbeitet in Frankreich für die Investigativ-Redaktion correctiv.org und schreibt für verschiedene überregionale Medien wie DIE ZEIT, Süddeutsche Zeitung oder die taz. Für ihre grenzüberschreitenden Recherchen zu Europa, Frankreich und dem Thema Klimawandel wurde sie u. a. mit dem deutsch-französischen Journalistenpreis geehrt. Bei Piper erschien von den Autorinnen »Die Klimaschmutzlobby« (2020).

Einleitung


Dreitausend. Dreitausend Häuser wurden bei der Flutkatastrophe 2021 von der Ahr überschwemmt, ihre Keller mit Schlamm gefüllt, ihre Gärten mit giftigem Schlick bedeckt, manche ihrer Bewohnerinnen und Bewohner sind ertrunken. Trotzdem sollen sie bald wieder so aufgebaut werden, als sei nichts geschehen. Als hätte das idyllische Tal mit den Weinbergen nicht gerade erst die tödlichste und teuerste Hochwasserkatastrophe der Bundesrepublik erlebt.

Dass diese Stadt und das Land es offenbar in Kauf nehmen, Menschen wieder in der Gefahrenzone anzusiedeln, hat selbst uns überrascht, obwohl wir als Journalistinnen schon seit Jahren zur Klimakrise recherchieren – und deshalb wissen, wie mangelhaft wir auf ihre Folgen vorbereitet sind. Diese Menschen in den 3000 Häusern, die nun vor jedem Starkregen Angst haben müssen, waren ein wichtiger Anlass, dieses Buch zu schreiben. Diese Menschen und alle Bürgerinnen und Bürger, die künftige Hitzewellen überstehen, Hochwasser überleben und Erdrutsche aushalten müssen. Denn sie alle sind es, deren Leben mit der Klimakrise in Gefahr gerät – nur: Bislang spricht kaum jemand darüber, wie wir uns auf diese Veränderungen einstellen müssen. Dabei sprechen die Weltklimaberichte mittlerweile eine recht deutliche Sprache. Deren Autorinnen und Autoren aus aller Welt geben klare Hinweise, wie Extremwetterereignisse als Folge der Klimakrise unsere Lebenswelt bedrohen. Im Sommer 2021 enthielt der erste Teil des 6. Weltklimaberichtes erstmals ein eigenes Kapitel über Wetterextreme. Gleichzeitig werden die Klimamodelle immer besser, sodass regionale Phänomene besser abgeschätzt werden können. Und es gibt verlässliche Berechnungen, die den Anteil des Klimawandels an einem Wetterereignis beschreiben – und zeigen, dass solche Katastrophen wie im Ahrtal keine »Ausreißer« oder Zufall sind.[1]

Dennoch: Die nötige Anpassung an die Wetterextreme der Klimakrise ist in Deutschland kaum ein Thema, weder im Bundestag noch in den Medien, ja selbst bei Fridays for Future nicht. Doch unsere Recherchen zeigen: Wir müssen darüber ins Gespräch kommen und Maßnahmen ergreifen. International betrachtet gibt es längst ganze Staaten, die von Extremwetter bedroht sind – erinnert sei etwa an die verheerenden Brände in Kalifornien oder die Überschwemmungen in Bangladesch. Oder kleinere Länder wie Puerto Rico, Myanmar und Haiti, die im jährlichen Klima-Risiko-Index ganz oben stehen und in einem Jahr gleich mehrere Ereignisse verarbeiten müssen.[2]

 

Doch auch wir werden nicht verschont. Dieses Buch will darüber aufklären, wie wir in Deutschland Wetterextreme nicht nur überleben, sondern uns vor ihnen schützen und uns rechtzeitig vorbereiten können. Denn dass die Welt, unsere Städte und unser Alltag sich ändern müssen in einer heißeren Welt, ist inzwischen unstrittig. Es dämmert nun Politikerinnen und Bürgern, dass auch Deutschland kein so sicheres Land ist, wie alle immer geglaubt haben. Die Vorstellung, die Republik sei ein sicherer Hafen, an der der Klimawandel vorbeigehe, ist obsolet geworden. Deutschland ist vielleicht beim Katastrophenschutz besser gerüstet als weit entfernte Dörfer in Mittelamerika oder in Bangladesch – aber trotzdem schlecht auf die Naturgewalten vorbereitet, an deren Frequenz man hierzulande nicht gewöhnt ist. Auch das hat uns bei den Recherchen für dieses Buch erstaunt: Wir sind auf die Veränderungen, die mit rasender Geschwindigkeit auf uns zukommen, nicht vorbereitet. Aus Geiz, Unwissenheit und Profitgier treffen wir an vielen Stellen nicht die nötigen Vorbereitungen, um unsere Bevölkerung zu schützen. Das grenzt an Fahrlässigkeit.

Mit diesem Buch wollen wir diese Verfehlungen sichtbar machen, aber wir wollen auch ganz praktisch dazu beitragen, dass Menschen in Deutschland sich auf die Krise vorbereiten können, ja, sie zu überleben lernen. Wir wollen zeigen, wie ein Land aussehen kann, in dem Bürgerinnen und Bürger städtische Hitzenächte überstehen, in denen unsere Ernte in dürren Zeiten sicher eingefahren werden kann und Menschen in Bergdörfern vor Steinschlägen geschützt werden. Denn die Klimaforschung kommt zu eindeutigen Prognosen: Die Ereignisse, die uns schon jetzt zusetzen, werden sich mehren und verstärken. Um zu erfahren, wie gut oder schlecht Deutschland für die Klimakrise gerüstet ist, haben wir monatelang die deutschen Behörden – von der Regierung in Berlin bis in die Stadtverwaltungen – mit Fragen gelöchert und unzählige Menschen vom hohen Norden bis in den tiefen Süden der Republik getroffen, die sich genau darüber bereits den Kopf zerbrechen: Wir sind mit Stadtplanerinnen durch betonlastige Innenstädte gelaufen, um Hitzeinseln zu verstehen, sind mit Biologen und Forstwissenschaftlern durch den bayerischen Forst gestreift, im Harz gewandert und haben abgebrannte Kiefernwälder in Brandenburg besichtigt. Wir sind mit Geografen im Hochgebirge über metertiefe Erdspalten geklettert, standen mit Landschaftsökologen im Wattenmeer und sind mit Geologen in eisige Tunnel an der Zugspitze geklettert. Wir standen mit Weinbäuerinnen an den Hängen der Mosel, sind mit Bodenökologen über Test-Äcker in Sachsen-Anhalt gelaufen und haben mit einem Hüttenwart des Alpenvereins über seine bedrohten Bergunterkünfte gesprochen. Dieses Buch ruht sich nicht darauf aus, die Zukunftsängste und Bedenken zu beschreiben. Wir wollten wissen, was jetzt getan werden müsste. Die Wissenschaftlerinnen, Landwirte und Umweltschützerinnen, die wir trafen, haben alle große Ideen, wie wir Deutschland krisenfest machen können. Die meisten sagten uns auch: Es geht nur mit der Natur und nicht gegen sie. Anpassung heißt nicht Betonbunker zu bauen und uns in Prepper-Manier vor der Katastrophe zu verstecken. Wir müssen unser Verhältnis zur Umwelt neu überdenken und unsere Infrastruktur umbauen. Beides schützt nicht nur uns, sondern hilft in den meisten Fällen auch der Natur, resilienter zu werden. Es ist ein Geben und Nehmen – keine Konfrontation. Und Expertinnen warnen: Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wir müssten es jetzt anpacken.

 

Die Herausforderungen sind tatsächlich riesig. Folgende Klimarisiken könnten das Leben in Deutschland verändern – und damit der Bevölkerung gefährlich werden:

  • Extreme Hitze bedroht unsere Gesundheit.
  • Bei Trockenheit und Niedrigwasser mangelt es an Trinkwasser, Landwirte und wasserintensive Industrien wie Chemie- und Kraftwerke müssen den Betrieb einstellen.
  • Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser bringen kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser und Kraftwerke in Gefahr, und auch viele Häuser und Wohnungen sind hochwassergefährdet.
  • In den Hochgebirgen drohen Hangrutsche und Steinschlag, wenn es eine Häufung von Starkregenereignissen gibt und in hohen Zonen zudem der Permafrost schmilzt.
  • Durch höhere Meeresspiegel sind Küstenzonen größeren Hochwasser- und Flutrisiken ausgesetzt, Städte und Dörfer können überschwemmt werden.
  • Wälder könnten durch Wassermangel anfällig für Schädlinge werden und weiter großflächig absterben – und damit ihre Funktionen für Biodiversität, für Tierarten, saubere Luft und CO2-Speicherung verloren gehen. Waldbrände können Siedlungen gefährden und die Luftqualität stark belasten.
  • Moore könnten weiter ausgasen und zu gefährlichen Brandherden und degradierten Böden werden.

 

Wie stark diese klimatischen Veränderungen das Leben in Deutschland einschränken werden, hängt davon ab, wie gut wir gegen diese Risiken gewappnet sind. Es gibt eine Fülle an potenziellen Gefahrenquellen durch Extremwetter – aber bisher werden die Risiken nur begrenzt erfasst. So will das Bundesumweltministerium in den nächsten Jahren zwar ein Klima-Schadenskataster aufbauen. Dort sollen langfristige Schäden und Schadenskosten durch den Klimawandel gebündelt werden. Man wolle wissen, wer am meisten unter den Folgen des Klimawandels leidet und was Schäden und Vorsorgemaßnahmen wirklich kosten. Nur so könne man die Bedarfe besser abschätzen. Das verkündete das Ministerium im Sommer 2021 nach der Katastrophe im Ahrtal, als Tausende Menschen ihr Zuhause verloren hatten. Die Politik scheint den Ereignissen hinterherzueilen, statt ihnen voraus zu sein.

Welchen...

Erscheint lt. Verlag 28.7.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2050 • Artensterben • Buch • Bücher • CO2-Ausstoß • co2 Ziel • Deutschland • Dürre • "Durstiges Land" • Erneuerbare Energien • Flut • Fridays For Future • Gesellschaft • Globale Erwärmung • Greta Thunberg • Heißzeit • Hitzewelle • Hochwasser • Insekten • klimabewegung • Klimakatastrophe • Klimakonferenz • Klimaschmutzlobby • Klimawandel • Klimaziele • Kohleausstieg • Krankheiten • Landwirtschaft • Leben in Deutschland • Lobbyarbeit • Lösungen • Luisa Neubauer • Naturkatastrophe • Politik • Sven Plöger • Umweltschutz • Verantwortung • Wasserknappheit • Zukunft
ISBN-10 3-492-60209-6 / 3492602096
ISBN-13 978-3-492-60209-9 / 9783492602099
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