Kampf der Supermächte (eBook)

Amerika und China auf Konfrontationskurs
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
336 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60228-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kampf der Supermächte -  Elmar Theveßen
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Joe Biden richtet die USA auf einen großen Konflikt mit China aus, es geht um nicht weniger als um die Vorherrschaft in der Welt. Das Buch analysiert die Felder, die entscheidend sind für diesen Wettlauf der Weltmächte, der nach der Ukraine-Krise in einen weiteren, viel schlimmeren Krieg ausarten kann. Mit welchen Maßnahmen wollen die USA am Ende die Nase vorn haben bei Wirtschaft und Technologie, in Kultur und Bildung, im Militär? Bleibt die NATO so geschlossen wie im Konflikt mit Russland? Entscheiden sich die Europäer auch im Ringen mit China gegen Autoritarismus und für Demokratie?

Elmar Theveßen, Jahrgang 1967, studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Germanistik in Bonn. Nach verschiedenen journalistischen Stationen, u. a. 1995-2001 als ZDF-Korrespondent für Nordamerika im Studio Washington und 2007-2019 als stellvertretender Chefredakteur des ZDF, ist er seit März 2019 Leiter des ZDF-Studios Washington. Zuletzt von ihm erschienen: Die Zerstörung Amerikas.

Elmar Theveßen, Jahrgang 1967, studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Germanistik in Bonn. Nach verschiedenen journalistischen Stationen, u. a. 1995–2001 als ZDF-Korrespondent für Nordamerika im Studio Washington und 2007–2019 als stellvertretender Chefredakteur des ZDF, ist er seit März 2019 Leiter des ZDF-Studios Washington. Zuletzt von ihm erschienen: Die Zerstörung Amerikas.

Prolog:
Amerikas bester Feind


Die beiden Damen mit den Staubsaugern sind penibel, kein Krümel, keine Holzreste, nichts soll das strahlende Blau des Filzbelags verunzieren; alles muss perfekt sein im Innenhof des Königsschlosses in Warschau. Die fleißigen Reinigungskräfte auf dem Podium sind sogar von den Sicherheitsbehörden überprüft worden, tragen eine Akkreditierung um den Hals. »Remarks by President Biden. Warsaw, Poland, March 26, 2022« steht auf dem Kunststoffausweis, im Hintergrund sind die Fahnen der USA und Polens abgebildet. Wir Journalisten haben unsere Kameras auf der Pressetribüne aufgebaut. Die polnischen und amerikanischen Flaggen an den Mauern biegen sich unter einem eiskalten Wind – passend zu den schrecklichen Ereignissen in der Ukraine. Trotzdem, oder gerade deshalb, sind Tausende von Menschen gekommen. Seit Stunden stehen sie vor dem Schloss – dicht gedrängt rund um die Sigismundsäule, die 1944 wie fast die gesamte Stadt Warschau von den Deutschen zerstört wurde. Nun wollen die Polen ihre Solidarität mit den ukrainischen Nachbarn zeigen, die sich in diesen Tagen verzweifelt gegen den barbarischen Feldzug des russischen Potentaten Putin wehren. Die Menschen haben ukrainische Fähnchen, sie tragen Ansteckbuttons mit blau-gelben Herzen, einer schwenkt die Flagge der NATO, ein anderer hält ein Pappschild hoch – unter Putins Foto steht »Zero«, unter dem Bild von Wolodymyr Selenskyj »Hero«.

Einige Hundert Zuschauer dürfen in den Schlosshof, die anderen verfolgen draußen auf einem riesigen Bildschirm, wie Joe Biden unter Jubel an das Rednerpult tritt. Mit den Worten »Danke schön, nehmen Sie Platz« erntet der amerikanische Präsident erst mal fröhliches Lachen, denn es gibt nur Stehplätze, aber dann senkt sich gespannte Erwartung über das Ereignis. Biden redet mitfühlend und eindringlich, berührt die Menschen in ihrer Angst vor dem, was in unserer Welt gerade geschieht.

»Habt keine Angst«, es sind die Worte von Papst Johannes Paul II., die der US-Präsident zitiert. Sie standen auch am Anfang der ersten Rede des Polen Karol Wojtyła als Papst im Oktober 1978. »Im Angesicht eines grausamen und brutalen Regierungssystems«, so Biden weiter, »war dies die Botschaft, die zum Ende der sowjetischen Unterdrückung in Mittel- und Osteuropa vor 30 Jahren beitrug. Es war eine Botschaft, die auch die Grausamkeit und Brutalität dieses ungerechten Krieges überwinden wird.« Und dann bemüht Joe Biden einmal mehr das Narrativ, das er seit seinem Amtsantritt bei jeder Gelegenheit öffentlich wiederholt: »Wir befinden uns aufs Neue in einer großen Schlacht für die Freiheit, einer Schlacht zwischen Demokratie und Autokratie, zwischen Freiheit und Unterdrückung, zwischen der rechtebasierten Ordnung und der, die von roher Gewalt bestimmt wird.«

Für die Zuhörer hier, aber auch vor den Fernsehern rund um den Globus wird durch den russischen Überfall auf die Ukraine auf einmal greifbar, was Biden mit seiner These vom großen Kampf zwischen den Systemen eigentlich meint, denn bis dahin fiel es den Amerikanern, den Europäern und vielen anderen schwer, die überall sichtbaren Zeichen als Teil einer großen Umwälzung zu erkennen – weg von demokratischen Grundwerten, hin zum Autoritarismus. Von diesem erhoffen sich offenbar immer mehr Menschen die Erlösung aus den Unsicherheiten, die von den Krisen der vergangenen Jahre geschürt wurden.

Biden stellt in seiner Warschauer Rede die Verbindung her: »Jetzt stehen die Ukraine und ihr Volk in diesem ewigen Kampf für Demokratie und Freiheit an den Frontlinien, um ihre Nation zu retten. Ihr tapferer Widerstand ist Teil eines größeren Kampfes für die unverzichtbaren demokratischen Prinzipien, die alle freien Völker vereinen: die Herrschaft des Rechts, freie und faire Wahlen, die Rede- und Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Glaubensfreiheit und die Freiheit der Presse. Diese Prinzipien sind unentbehrlich in einer freien Gesellschaft.« Beifall brandet auf, und der amerikanische Präsident fährt fort: »Über die letzten 30 Jahre sind die Kräfte der Autokratie weltweit wieder erwacht. Ihre Merkmale kommen uns bekannt vor: Verachtung für die Herrschaft des Rechts, Verachtung für die demokratische Freiheit und Verachtung für die Wahrheit selbst.«

Die Lehre aus Putins Krieg


Warum erzähle ich Ihnen das in einem Buch mit dem Titel Kampf der Supermächte: Amerika und China auf Konfrontationskurs? Weil das, was in diesem Jahr geschieht, eine große und naive Selbsttäuschung der letzten Jahrzehnte entlarvt: dass wir im Umgang mit den großen autoritären Regimen dieser Welt Wandel durch Handel erreichen können.

Ja, amerikanische Präsidenten und deutsche Bundeskanzler von Schmidt über Kohl und Merkel bis zu Schröder und Scholz mögen aus guter Absicht gehandelt haben, und man mag zu dem Schluss kommen, dass es wenigstens den Versuch wert war, Russland und China durch intensive Wirtschaftsbeziehungen in die internationale Gemeinschaft einzubinden. Aber schon vor Jahren hätten wir erkennen müssen, dass die beiden staatskapitalistischen Systeme nicht reformierbar sind, solange eine Führungsriege von rücksichtslosen Autokraten den unbegrenzten Machterhalt über Wohl und vor allem Freiheit der eigenen Bevölkerung stellt. Die Erkenntnis heute ist erschütternd: Gerade durch die engen Wirtschaftsbeziehungen haben wir den Regimen in Moskau und Peking einen Freifahrtschein für ihren Machtmissbrauch, für die Unterdrückung ihrer Bevölkerung, die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten gegeben. Aufgrund unserer Abhängigkeit mussten sie von der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft keine ernsthafte Kritik oder Gegenwehr und schon gar keine schmerzhaften Konsequenzen befürchten.

Die russischen Aggressionen in Georgien 2008, auf der Krim und in der Ostukraine 2014, die Einkerkerung und Ermordung von Oppositionellen sowie Putins Invasion im Frühjahr 2022 stehen in einer Reihe mit den Taten der Kommunistischen Partei Chinas: die gewaltsame Niederschlagung der Freiheitsbewegung in Hongkong, der kulturelle Völkermord an den Uiguren, die Unterdrückung ethnischer und religiöser Minderheiten, insbesondere der Tibeter, die militärischen Drohgebärden gegen Taiwan, die Xi nach dem Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Taipeh im August 2022 dramatisch eskalierte, und die chinesischen Erpressungsmethoden gegenüber Regierungen, die Kritik an der Führung in Peking wagen. Gleichzeitig haben Putin und Xi Jinping mit den Einnahmen aus unseren guten Geschäftsbeziehungen ihre militärischen Fähigkeiten modernisiert und ausgebaut. Mit wirtschaftlichen und propagandistischen Mitteln haben sie alles darangesetzt, die Spaltung der Wertegemeinschaft voranzutreiben, um von der Schwächung der Demokratien in Europa und Amerika zu profitieren. Vor alldem haben wir die Augen verschlossen, weil wir Angst vor den Konsequenzen einer echten Konfrontation hatten. Das wirft bedrückende Fragen auf: Hätte es die genannten Verletzungen von Völker- und Menschenrechten – auch den Krieg in der Ukraine – nicht gegeben, wenn wir den Autoritarismus nicht aus wirtschaftlichem Eigennutz und politischer Naivität unterstützt hätten? Und wenn Putins Truppen die Ukraine tatsächlich innerhalb weniger Tage überrannt hätten, wäre China dann nicht auch bald schon in Taiwan eingefallen?

Als ich dieses Buchprojekt anging, hatte der russische Aufmarsch an den Grenzen zur Ukraine gerade begonnen. Zu diesem Zeitpunkt im Spätherbst 2021 hätte ich nicht gedacht, dass Wladimir Putin tatsächlich den Angriff auf das zweitgrößte Flächenland Europas befehlen würde. Insofern wäre Russland in meiner Beschäftigung mit der These vom unvermeidbaren Konflikt der Supermächte USA und China zwar an der einen oder anderen Stelle aufgetaucht, hätte aber keine größere Rolle gespielt.

Nun ist das aber anders, denn der Krieg im Herzen Europas ist nicht nur ein eindrucksvoller Beleg für die Bedrohung durch den Autoritarismus, er hat auch erhebliche Konsequenzen für die Beziehungen zwischen China und dem Rest der Welt. Bis dahin fühlte sich der chinesische Präsident von der Schwäche Amerikas und der westlichen Wertegemeinschaft ermutigt, die Vormachtstellung in Asien zu reklamieren und den Einfluss Amerikas rund um...

Erscheint lt. Verlag 13.10.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Amerikanischer Präsident • Attentat • China • Donald Trump • Europa • Geopolitik • Joe Biden • Kamala Harris • SPIEGEL-Bestseller • Strategie • Trump • USA • US-Präsident • Weißes Haus
ISBN-10 3-492-60228-2 / 3492602282
ISBN-13 978-3-492-60228-0 / 9783492602280
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