Bürgerkriege (eBook)

Warum immer mehr Staaten am Abgrund stehen
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
320 Seiten
Hoffmann und Campe Verlag
978-3-455-01511-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bürgerkriege -  Barbara F. Walter
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 Wie wird ein Staat zu seinem eigenen Kriegsschauplatz?   Immer häufiger kommt es rund um den Globus zu Bürgerkriegen. Barbara Walter ist eine der renommiertesten Expertinnen auf diesem Gebiet. Ihr Buch ist ein Weckruf - ganz besonders für die westliche Welt.  Ein Bürgerkrieg kommt immer scheinbar überraschend - und er kostet Tausende das Leben, zerstört Gesellschaften und die Zukunft von Millionen Menschen. Barbara Walter forscht seit Jahrzehnten zu der Frage, welches die wiederkehrenden Muster sind, die auf eine baldige Eskalation in einer Gesellschaft hindeuten. In den USA ist Barbara Walter bekannt als Mahnerin, die gesellschaftlichen Risse zu kitten, bevor es zu spät ist. Nicht erst seit dem Sturm auf das Kapitol gehört sie zu den gefragtesten Expertinnen im Land. Ausgehend von verschiedenen Bürgerkriegen auf der ganzen Welt erklärt sie in 'Bürgerkriege' fundiert und anschaulich, unter welchen Umständen Staaten in Aufruhr und Chaos abgleiten. Ihre Erkenntnisse sind ebenso erhellend wie alarmierend.

Barbara F. Walter lehrt Internationale Beziehungen an der University of California und ist Mitglied des Foreign Relations Councils der USA. Sie wurde für ihren Politik-Blog ausgezeichnet und schreibt u.a. für die Washington Post und das Wall Street Journal. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. von der National Science Foundation und dem United States Institute of Peace ausgezeichnet.

Barbara F. Walter lehrt Internationale Beziehungen an der University of California und ist Mitglied des Foreign Relations Councils der USA. Sie wurde für ihren Politik-Blog ausgezeichnet und schreibt u.a. für die Washington Post und das Wall Street Journal. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. von der National Science Foundation und dem United States Institute of Peace ausgezeichnet.

Cover
Verlagslogo
Titelseite
Widmung
Einleitung
1 Die Gefahr der Anokratie
2 Der Aufstieg der Faktionen
3 Die düsteren Folgen des Statusverlusts
4 Wenn die Hoffnung stirbt
5 Der Brandbeschleuniger
6 Steht der Bürgerkrieg vor der Tür?
7 Wie ein Krieg aussehen könnte
8 Wie man einen Bürgerkrieg verhindert
Dank
Register
Endnoten
Über Barbara F. Walter
Impressum

Einleitung


Adam Fox schlug den Teppich beiseite und öffnete die Falltür, die in den Keller des Staubsaugerladens namens Vac Shack in Grand Rapids, Michigan, führte.[1] Der Siebenunddreißigjährige lebte mit seinen zwei Hunden im Keller unter dem Laden, nachdem ihn seine Freundin rausgeworfen hatte. Der Besitzer, ein Freund von ihm, hatte ihm dies als Zwischenlösung angeboten, bis er wieder auf eigenen Füßen stehen konnte.

Der Raum war mit Aktenschränken, Transportboxen für Hunde und Ersatzteilen von Staubsaugern zugerümpelt. Fox war ein vom Leben enttäuschter Mann – und das nicht nur, weil er kein richtiges Zuhause mehr hatte. Er war nicht zum ersten Mal ganz unten angekommen. Schon nach dem Abschluss der Highschool hatte er nur mit Mühe seinen Weg gefunden und sich mit Gelegenheitsaufträgen von Vac Shack knapp über Wasser gehalten. Er hegte einen tiefen Groll gegen die Führung der Demokratischen Partei, der er die Schuld an seiner Misere gab, und ließ in Tweets über Barack Obama und Nancy Pelosi des Öfteren Dampf ab. Erst vor kurzem hatte er in einer örtlichen Miliz ein paar Gleichgesinnte gefunden, doch schon bald wurde er dort wegen seiner Tiraden gegen die Regierung und Streitereien mit anderen Mitgliedern wieder rausgeworfen.

Und nun wütete da draußen auch noch Corona. Detroit und Grand Rapids hatte es so hart getroffen, dass Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer eine Ausgangssperre über den Bundesstaat verhängt hatte.[2] Sie erstreckte sich auch auf ländliche Gebiete, in denen es nur wenige Coronafälle gab. Ende April, nach einer weiteren Runde von Beschränkungen, warf sich Fox in eine Kampfweste, setzte sich eine Baseballkappe auf und machte sich mit Hunderten anderen Protestlern, viele von ihnen bewaffnet, auf den Weg zum Kapitol in Lansing, der Hauptstadt des Bundesstaats Michigan.[3] Zuvor hatte Fox draußen einer Rede von Mike Detmer zugehört, der sich zu dieser Zeit in den Vorwahlen der Republikaner um eine Kandidatur für das US-Repräsentantenhaus bemühte und darüber schimpfte, die Beschränkungen seien unamerikanisch. »Wir stehen in einem Krieg um die Herzen, die Seele, die Traditionen und die Freiheit unseres Staates und unseres Landes«, hatte Detmer erklärt. »Es ist unsere verdammte Pflicht, den Shutdown zu beenden.«[4] Als sich dann Teile der Demonstranten ihren Weg ins Kapitol von Lansing bahnten und versuchten, in den Sitzungssaal des Repräsentantenhauses vorzudringen, war auch Fox dabei.

Doch all das führte zu keinerlei Veränderungen, und je mehr Wochen ins Land gingen, desto rastloser wurde Fox. Im Juni dieses Jahres streamte er live ein Video auf Facebook, in dem er sich über die jüngst erfolgte Schließung der Fitnessstudios beschwerte und Whitmer als »tyrannisches Miststück« titulierte, das von Macht besessen sei.[5] »Ich weiß nicht, Jungs. Wir müssen was unternehmen«, sprach er in die Kamera. Kurz darauf kontaktierte er über Facebook Joseph Morrison, den Anführer einer lokalen Miliz, der Wolverine Watchmen.[6] Morrison soll zugesagt haben, Fox dabei zu helfen, eine neue paramilitärische Gruppe aufzubauen, zu trainieren und zu bewaffnen. Bald scharte Fox weitere Männer für sein Anliegen um sich. Zu jenen, die sich ihm anschlossen, gehörte ein ehemaliger Marineinfanterist, der Orden für Friedenseinsätze und den globalen Krieg gegen Terror erhalten hatte und auch für gute Führung im Marine Corps ausgezeichnet worden war. Ein anderer hatte zuvor eine Grundausbildung bei der Nationalgarde von Michigan begonnen, allerdings nicht abgeschlossen. Einer besaß Verbindungen zur Miliz der Three Percenters, einer war ein Jünger von QAnon, ein weiterer folgte in den sozialen Medien den Proud Boys.

Insgesamt waren sie vierzehn. Etliche hatten sich wie Fox an den Anti-Lockdown-Protesten beteiligt. Bei ihren Zusammenkünften im Keller des Vac Shack sammelte Fox die Mobiltelefone ein, damit niemand die Gespräche aufzeichnen konnte. Sie kamen auch auf einem Grundstück zusammen, das Morrison außerhalb der Stadt besaß, um taktisches Training durchzuführen und Schießübungen abzuhalten. Jeden Samstagnachmittag trafen sie sich dort, verfeuerten Hunderte Patronen und übten sich im Bau von Sprengsätzen.

Sie beratschlagten darüber, ob sie das Kapitol des Bundesstaats stürmen, dabei vielleicht Abgeordnete als Geiseln nehmen und nach ein paar Tagen hinrichten sollten. Sie erwogen auch, die Türen des Kapitols zu verrammeln und das Gebäude mit allen Personen darin in Brand zu setzen. Letztlich war das Kapitol aber doch zu gut gesichert, sodass sie sich auf einen anderen Plan verständigten: Gretchen Whitmer sollte vor der Wahl im November 2020 aus ihrem Ferienhaus im Norden Michigans entführt werden. Anschließend wollten sie sie an einen geheimen Ort in Wisconsin bringen, ihr als Verräterin den Prozess machen und sie töten.[7]

Den August und September verbrachten die Männer damit, Whitmers Haus auszuspähen.[8] Sie planten, bei der Ausführung ihrer Tat die Sicherheitskräfte durch die Sprengung einer in der Nähe gelegenen Brücke abzulenken. Doch das FBI war ihnen bereits auf die Spur gekommen. Schon Anfang des Jahres 2020 war der Sicherheitsbehörde die Gruppierung in den sozialen Medien aufgefallen. Längst war die Gruppe online infiltriert, und man hatte auch schon Informanten gefunden, die bereit waren, eine Wanze zu tragen und so weitere Informationen zu sammeln. Im September hatte das FBI trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die Fox ergriffen hatte, bereits mehr als 13000 Seiten verschlüsselter Textnachrichten, dazu Fotos, Videos und mehr als hundert Stunden Audioaufnahmen zum Beweis des Entführungskomplotts zusammengetragen. Am Abend des 7. Oktober 2020 schlugen die Bundesagenten zu und verhafteten eine Handvoll Verschwörer bei einem fingierten Waffenkauf. Das FBI stürmte den Keller des Vac Shack und durchsuchte ein Dutzend weiterer Schlupfwinkel. Die vierzehn Männer, darunter Fox, wurden wegen Terrorismus, Verschwörung und Verstößen gegen die Waffengesetze verhaftet.[9] Der Besitzer des Vac Shack war völlig perplex. »Ich wusste, dass er in einer Miliz war«, erklärte er Journalisten, »aber es gibt einen Haufen Milizleute, die nicht planen, die Gouverneurin zu entführen. Eine völlig irre Sache.«[10]

Nach den Verhaftungen wurde in den Medien viel über die Ziele der verhinderten Entführer spekuliert. Während die politische Elite Michigans, Demokraten und Republikaner gleichermaßen, die Verschwörung verurteilte, kritisierte Präsident Donald Trump Gouverneurin Whitmer. Sie habe einen »miserablen Job« abgeliefert, twitterte er.[11] Fox selbst hingegen ließ keinen Zweifel an den Motiven der Gruppe. Der Prozess und die Hinrichtung von Whitmer, so erklärte er laut FBI-Akten, sollten andere zu ähnlichen Taten ermutigen. Die Zeit sei reif für eine Revolution, und er und seine Männer würden den Anstoß zum Umsturz der Gesellschaft geben. »Ich sag dir, Alter, die Welt muss brennen«, erklärte er gegenüber einem Informanten. »Anders können wir sie uns nicht zurückholen.«[12]

 

Als ich im Herbst 2020 zum ersten Mal von dem Entführungsplan las, erschrak ich zwar, aber allzu überrascht war ich nicht. Es passte ins Bild dessen, worüber ich nun schon etliche Jahre schrieb und nachdachte. Im Verlauf der vergangenen fünfundsiebzig Jahre hat es Hunderte von Bürgerkriegen gegeben, und es ist geradezu unheimlich, wie ähnlich sie sich oft entwickelten. Im Rahmen meiner Forschungen und als Expertin für diese Art von Konflikten habe ich Mitglieder der Hamas im Gazastreifen, ehemalige Mitglieder von Sinn Féin in Nordirland und der FARC in Kolumbien befragt. Ich stand auf dem Höhepunkt des syrischen Bürgerkriegs auf den Golanhöhen und blickte nach Syrien hinüber, bin durch Simbabwe gereist, als das Militär einen Staatsstreich gegen Robert Mugabe plante, wurde von Mitgliedern der Junta von Myanmar verfolgt und verhört. Und ich habe erlebt, dass ein israelischer Soldat sein Maschinengewehr auf mich richtete.

Mit dem Studium von Bürgerkriegen beschäftige ich mich seit 1990, als es noch sehr wenig Datenmaterial zu diesem Thema gab. Man konnte eine Menge Bücher über die Bürgerkriege in Spanien, Griechenland, Nigeria und den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert lesen, aber es gab praktisch keine historischen Studien darüber, welche Elemente über Länder und Zeiten hinweg gleich blieben. Jeder Autor beschreibt seinen Bürgerkrieg als einmaliges Ereignis, und so erkannte niemand die Risikofaktoren, die immer wieder auftauchten, egal wo der Krieg gerade ausbrach.

Doch innerhalb weniger Jahre hatte sich unser Wissensstand erweitert. Der Kalte Krieg war zu Ende, und auf dem gesamten Globus brachen Bürgerkriege aus. Wissenschaftler rund um die Welt begannen, Daten – und zwar erhebliche Mengen von Daten – zu verschiedenen Aspekten dieser Konflikte zu sammeln. Über die größte Datensammlung verfügt heute die Universität von Uppsala in Schweden. Sie wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Friedensforschung (PRIO) in Oslo aufgebaut und wird seit Jahren vom schwedischen Wissenschaftsrat, der Bank of Sweden Tercentenary Foundation, der schwedischen Behörde für internationale Entwicklungszusammenarbeit (Sida), der norwegischen Regierung und der...

Erscheint lt. Verlag 3.1.2023
Übersetzer Thomas Wollermann, Bernhard Jendricke
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte barack obama • Bewaffnete Konflikte • biden • Bürgerkriege • Diplomatie • Geopolitik • gescheiterter Staat • Gesellschaftsspaltung • Globalisierung • Kapitol • Krieg • Kriegsprävention • Rechtsextremismus • Staatsversagen • Trump • USA
ISBN-10 3-455-01511-5 / 3455015115
ISBN-13 978-3-455-01511-9 / 9783455015119
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