Ein wunderbar anderes Leben (eBook)

Wie meine Tochter mit Down-Syndrom meinen Blick auf die Welt verändert. Ein Mutmach-Buch voller Denkanstöße und Initiativen für eine inklusive Gesellschaft

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
272 Seiten
mvg Verlag
978-3-96121-865-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ein wunderbar anderes Leben -  Lara Mars
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»Ihre Tochter hat das Down-Syndrom.« Lara Mars zog es zunächst den Boden unter den Füßen weg, als diese Diagnose nach der Geburt ihrer Tochter Tilda überraschend kam. Damals ahnte sie noch nicht, wie sehr ihr Leben sich mit diesem Satz verändern würde: Es wurde wunderbar anders als gedacht. Lara liebt das Leben mit ihrer Tochter und unterstützt heute mit ihrem Projekt »Von Mutter zu Mutter« andere Mütter von Kindern mit einer Behinderung. In diesem Buch erzählt sie offen und ehrlich von dem nicht immer einfachen Weg, auf dem sie ihr Lebensglück und ihre Berufung gefunden hat. Lara will Eltern Mut machen, ihren persönlichen Weg zu finden. Indem sie zudem andere betroffene Eltern und Fachleute zu Wort kommen lässt, gibt sie ihnen einen wertvollen Begleiter für ein inklusives Leben an die Hand.

Aufgewachsen im Rheinland, über Umwege im Allgäu gelandet, verschlug es Lara Mars zunächst in die Filmbranche, danach ins Marketing. 2015 heiratete sie ihren Mann Pio, 2018 wurde ihre Tochter Tilda mit dem Down-Syndrom geboren und brachte die drei zurück nach NRW. Ihre Erfahrungen verarbeitet Lara Mars in ihrem Projekt Von Mutter zu Mutter und half damit schon zahlreichen Familien, die Diagnose anzunehmen.

Aufgewachsen im Rheinland, über Umwege im Allgäu gelandet, verschlug es Lara Mars zunächst in die Filmbranche, danach ins Marketing. 2015 heiratete sie ihren Mann Pio, 2018 wurde ihre Tochter Tilda mit dem Down-Syndrom geboren und brachte die drei zurück nach NRW. Ihre Erfahrungen verarbeitet Lara Mars in ihrem Projekt Von Mutter zu Mutter und half damit schon zahlreichen Familien, die Diagnose anzunehmen.

Kapitel 1


Was im Kopf passierte, während der Bauch wuchs


»Verlief Ihre Schwangerschaft ohne Komplikationen?« Ich weiß nicht, wie oft ich diese Frage in den letzten Jahren beantwortet habe. Es ist schon eine Art Automatismus geworden, darauf zu antworten. »Ja, ohne irgendwelche Auffälligkeiten. Und nein, wir haben keine Pränataldiagnostik durchführen lassen.«

Das mit dem Schwangerwerden funktionierte nicht so schnell wie gewünscht. Deshalb kam ich im ersten Moment gar nicht darauf, ich könnte schwanger sein, als ich mich darüber beschwerte, dass mir vom Autofahren plötzlich so übel wurde. Doch nachdem mein Mann den Kommentar »Vielleicht bist du schwanger?« fallen ließ, begann es in meinem Kopf zu rattern. Ein paar Stunden später saß ich vor dem Fernseher und schaute »So werden Sie zum Nichtraucher in sechs Stunden«. Und weitere sechs Stunden später fuhr ich mit einem Plastikstäbchen in der Handtasche zu Pio ins Atelier. Da war er also: der zweite Strich. Wie wenig Ahnung wir damals hatten, wie sehr dieser Strich unser Leben verändern würde.

Ich nahm rund 24 Kilogramm zu, hörte wie jede andere Schwangere, die einen großen Bauch hat, Sprüche wie:

»Bist du sicher, dass da nur ein Kind drin ist?« »Das ist aber ein riesiger Bauch.«

»Ist bestimmt bald so weit?« »Noch zehn Wochen.« »Was? Wo soll der Bauch denn noch hin?«

Und viele andere nett oder lustig gemeinte Kommentare, die jede Schwangere nur nerven. Ist schon verrückt, wie ein so natürlicher Prozess wie das Kinderkriegen den Körper einer Frau scheinbar für alle Welt zur Besprechung freigibt. Okay, das Beurteilen von weiblichen Körpern ist ja eh so ein Thema, aber das soll uns hier nicht beschäftigen.

Im Großen und Ganzen fühlte ich mich sehr wohl während der Schwangerschaft. Genoss es, meinem Körper bei der Veränderung zuzusehen und mich mit anderen Müttern auszutauschen. Nahm die Fürsorge von anderen dankend an und gab mich dem Nestbautrieb ganz hin.

Ich las ein bisschen was, aber verschlang nicht einen Ratgeber nach dem anderen. Tatsächlich war es das Geschenk meines Trauzeugen, das mich früh dazu brachte, mich mit dem Thema Pränataldiagnostik auseinanderzusetzen.

Die Hebammensprechstunde ist der Titel des Buches, das sowohl unter Hebammen als auch unter werdenden Müttern sehr beliebt ist. Darin beschreibt die Autorin Ingeborg Stadelmann die verschiedenen Möglichkeiten der pränatalen Tests. Ich las es damals aufmerksam, und dabei blieb ein Satz entscheidend bei mir hängen, der sinngemäß sagte: Eine Schwangerschaft ist für keine Mutter und keinen Vater Routine. Deshalb sollten auch vermeintlich routinemäßige Untersuchungen hinterfragt werden.

Ich befasste mich eingehend mit dem Gedanken, was eine eventuelle Diagnose für mich, meine Schwangerschaft und auch für unsere Partnerschaft bedeuten könnte. Warum ich »eventuell« schreibe? Die wenigsten Untersuchungen haben eine 100%ige Aussagekraft.

FAKT

Welche Pränataltests gibt es?

Die Ultraschalluntersuchung während der Schwangerschaft ist in Deutschland zum Standardprogramm geworden. Vorgesehen sind drei Untersuchungen im Verlauf, die unterschiedliche Dinge betrachten: Feststellung der Schwangerschaft, werden Mehrlinge erwartet, wie ist die Plazenta entwickelt, wie der Fruchtwasserstand, altersgerechte Entwicklung, Wachstum, Lage und Weiteres. Auch gibt es die Möglichkeit, in der 19. bis 22. Schwangerschaftswoche (SSW) einen im Volksmund so genannten Organ-Ultraschall machen zu lassen, um eventuelle Fehlbildungen zu erkennen.

Ebenfalls auf Wunsch (so sollte es zumindest sein, bei vielen ist es aber auch Standard) kann die Nackenfalte im Ultraschall gemessen werden; dieser Wert kann zur Berechnung einer Wahrscheinlichkeit für eine chromosomale Auffälligkeit genutzt werden und dient oft als Indikator für weitere Untersuchungen.

Mit der Nackenfalten-Messung einhergehend ist oft das Ersttrimester-Screening; hierbei wird aus unterschiedlichen Blutwerten und Ultraschall-Messungen unter Einbezug des Alters der Mutter und der Schwangerschaftsdauer eine Risiko-Einstufung vorgenommen. Es handelt sich nicht um eine gesicherte Diagnose. Die Kosten sind selbst zu tragen.

Der zuletzt in den Medien stark diskutierte NIPT – nicht invasiver Pränatal-Test – ist ein genetischer Bluttest auf Chromosomen-Abweichungen. Dabei werden aus dem Blut der Mutter Spuren des kindlichen Erbguts herausgefiltert und auf Chromosomen-Abweichungen untersucht. Also auf Trisomie 13, 18 und 21, je nach Hersteller auch zusätzlich auf Abweichungen der Geschlechtschromosomen X und Y, die das Ullrich-Turner- und das Klinefelter-Syndrom aufdecken können.

Die Genauigkeit dieser Tests ist umstritten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) schreibt, dass neun von zehn Frauen aus der Risikogruppe bei dem Ergebnis »hohes Risiko« auch wirklich ein Kind mit Trisomie 21 erwarten. Bei Frauen außerhalb der Risikogruppe ist das Ergebnis wohl weniger zuverlässig.

Bis vor Kurzem noch war das eine Leistung, die nur durch eigene Finanzierung zu bekommen war. Die Kosten dafür liegen bei circa 200 bis 500 Euro. Nun wurde entschieden, dass dieser Test von den gesetzlichen Kassen bei Vorliegen eines Risikofaktors übernommen wird. Das lässt viele Menschen befürchten, dass die »vorgeburtliche Aussortierung« zunehmen wird und die Schwangerschaftsabbrüche bei einem positiven Ergebnis zunehmen.

Ein positives Ergebnis muss nach der 12. SSW durch eine Chorionzottenbiopsie oder Fruchtwasseruntersuchung bestätigt werden. Diese beiden Untersuchungen sind invasiv, da in beiden Fällen eine Nadel durch die Bauchdecke der Frau gestochen wird, um eine Probe zu entnehmen.

Bei der Chorionzottenbiopsie (ab der 11. SSW möglich) wird eine Gewebeprobe vom Mutterkuchen genommen, bei der Fruchtwasseruntersuchung (ab der 15. SSW möglich) wird eine Probe des Fruchtwassers entnommen. Mit diesen Untersuchungen kann auch noch einiges mehr als Chromosomen-Abweichungen getestet werden. Die Genauigkeit ist laut BZgA hoch: Bei mehr als 99 von 100 Frauen trifft die Vorhersage zu. Diese Eingriffe bergen allerdings Risiken und können zu frühzeitigen Wehen oder sogar Abgängen führen. Bei einer Fruchtwasserpunktion verliert eine von 200 Frauen ihr Kind.

Ich empfehle zu dem Thema den Flyer »Pränataldiagnostik« der BZgA. Dort findet man eine genaue Erklärung zu allen Untersuchungen und auch allgemeine Informationen zur Pränataldiagnostik, ohne dass eine Wertung vorgenommen wird.

Wissen hat seinen Preis. Ich wollte diesen eventuellen Preis nicht zahlen. Ich war schlicht nicht bereit, dieses wunderbare Gefühl der Glückseligkeit für irgendwelche Eventualitäten herzugeben. Das war meine ganz persönliche Entscheidung. Ich bin bis heute keine Gegnerin des Bluttests, stattdessen eine große Befürworterin der Aufklärung. Und die beginnt nun mal in meinen Augen, bevor die Entscheidung für eine Diagnostik getroffen wird. Jede Frau und jede Familie sollten das Recht haben, ohne gesellschaftlichen Druck zu entscheiden, ob und was sie über ihr ungeborenes Kind erfahren wollen und wie sie anschließend mit diesem Wissen umgehen.

Ich jedenfalls war froh, im Geburtsvorbereitungskurs einfach nur Lara gewesen zu sein und nicht Lara, die das Kind mit Down-Syndrom bekommt. Hätte man ja nicht sagen müssen? Klar, aber ich weiß, wenn ich es gewusst hätte, dann hätte es sich auch falsch angefühlt, es nicht zu erzählen. Für mich zumindest. Aber vor allem bin ich froh, die Wochen, in denen Tilda in mir wuchs, ohne übermäßige Ängste verbracht zu haben. Ich habe nicht mit Furcht daran gedacht, wie sie wohl aussehen mag. Was ich in meiner von Unwissenheit und Vorurteilen geprägten damaligen Ansicht auf das Down-Syndrom sonst sicherlich getan hätte.

Während ich das heute aufschreibe, schäme ich mich dafür. Doch so war es. Der Grund für meine persönliche Entscheidung gegen die Pränataldiagnostik war begründet in der Angst, wie sich Sorgen und Ängste auf mein ungeborenes Kind übertragen könnten und was das dann auch für die Schwangerschaft und meine Bindung zu meiner Tochter bedeutet hätte.

OPEN MIND

»Habt ihr es vorher gewusst?«

Diese Frage habe ich noch sehr viel häufiger gehört als die Frage von Ärzten nach den Komplikationen. Denn diese Frage stellen die allermeisten Menschen, wenn man sich das erste Mal über die Diagnose unterhält. Dass diese Frage nicht nur langweilt, wenn man sie zum tausendsten Mal beantwortet, sondern eigentlich auch grenzüberschreitend ist, ist den meisten Menschen nicht klar. Natürlich verstehe ich das Interesse dahinter, und sicher nicht jeder hegt dabei den Gedanken: »Warum habt ihr euch für das Kind entschieden?« Dennoch wäre es schön, sich erst einmal kennenzulernen und nicht als Erstes...

Erscheint lt. Verlag 13.11.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Ärzte • Aufklärung • Ausgrenzung • Behinderung • Beratung • Berührungsangst • Betreuung • Chromosomen • Diskriminierung • emotionales Chaos • Ethisches Handeln • Familienalltag • Frühförderung • Fürsorge • Gesellschaftliche Verantwortung • Gynäkologie • Hebammen • Hoffnung • Inklusion • Logopädie • Mütter • Pflege • Pränataldiagnostik • Schock • Schwangerschaft • Sonderpädagogik • Soziale Dimension • Stigmatisierung • Trauer • Trisomie 21
ISBN-10 3-96121-865-X / 396121865X
ISBN-13 978-3-96121-865-3 / 9783961218653
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