Rausch und Freiheit (eBook)

Über das Leben, die Nacht und das Brüdersein | Die Autobiografie
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
224 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46413-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rausch und Freiheit -  Wotan Wilke Möhring,  Sönke Möhring
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Zwei Schauspielstars in einer Doppel-Biografie über das Ausbrechen, Ankommen und Brudersein. Die Brüder Sönke und Wotan Wilke Möhring gehören zu Deutschlands erfolgreichsten Schauspielern. Bei allen Unterschieden zwischen den beiden ist ihre Beziehung von klein auf geprägt von Vertrauen und Offenheit. In einer mitreißenden Doppel-Biografie erzählen sie jetzt gemeinsam ihr Leben samt aller Höhepunkte, Niederlagen, Brüche und Versöhnungen: Wie sie im Ratinger Hof in Düsseldorf gemeinsam feierten, wie sie in New York die Geburtsstunde der House-Musik erlebten und schließlich wie sie ins wilde Techno-Berlin der 1990er Jahre eintauchten. Ihr Buch ist nicht nur ein aufregender Trip durch die Popkultur, sondern vor allem die Geschichte zweier Brüder auf der Suche nach Freiheit und einem sinnerfüllten Leben. Erstmals blicken Sönke und Wotan Wilke Möhring nach jahrzehntelanger Schauspiel-Karriere in ihrer gemeinsamen Autobiografie zurück auf ihre Leben vor der Kamera und abseits des Scheinwerferlichts. Sie schildern ihre gemeinsame Zeit in New York und im Berlin der Nachwendezeit, zeichnen nach, was sie aus Niederlagen gelernt haben und wie sie ihren Platz im Leben gefunden haben. Immer im Zentrum der gemeinsamen Erzählung steht dabei auch ihre innige Beziehung als zwei Brüder, die gemeinsam aufwachsen, erwachsen und erfolgreich werden und sich in allen Lebenslagen aufeinander verlassen können. Wotan Wilke Möhring (Jg. 1967) und sein Bruder Sönke (Jg. 1972) sind Schauspieler, Musiker und Synchronsprecher. Wotan Wilke spielt Tatort-Kommissar Thorsten Falke und ist regelmäßig in den größten deutschen Produktionen zu sehen, etwa in Das Experiment, Das perfekte Geheimnis, 25 km/h und Männerherzen. Sönke gab sein Schauspiel-Debüt im Jahr 2003 und spielte anschließend unter anderem in Der Junge muss an die frische Luft und Zweiohrküken mit. Unter der Regie von Quentin Tarantino stand er für Inglourious Basterds vor der Kamera.

Wotan Wilke Möhring, geb. 1967, ist Schauspieler und Musiker. Eine seiner ersten großen Rollen übernahm er im Psychothriller »Das Experiment«. Seitdem ist er aus dem deutschen Kino- und Fernsehfilm nicht mehr wegzudenken. Neben erfolgreichen Filmen wie u.a. »Das perfekte Geheimnis«, »25 km/h« und »Männerherzen« spielt er Hauptkommissar Thorsten Falke im Tatort.

Wotan Wilke Möhring, geb. 1967, ist Schauspieler und Musiker. Eine seiner ersten großen Rollen übernahm er im Psychothriller »Das Experiment«. Seitdem ist er aus dem deutschen Kino- und Fernsehfilm nicht mehr wegzudenken. Neben erfolgreichen Filmen wie u.a. »Das perfekte Geheimnis«, »25 km/h« und »Männerherzen« spielt er Hauptkommissar Thorsten Falke im Tatort. Sönke Möhring, geb. 1972, ist Schauspieler und Hörspielsprecher. Er gab 2003 sein Debüt als Schauspieler in dem Kinofilm »Anatomie 2«, seitdem hat er in diversen deutschen Fernseh- und Kinofilmen mitgewirkt, u. a. »Der Junge muss an die frische Luft«, »Zweiohrküken«, »Koslowski & Haferkamp«. Möhring gab mit dem Film »Inglourious Basterds« von Quentin Tarantino 2009 sein internationales Filmdebüt.

Freiheit


Aufwachen


Um ehrlich zu sein: Als ich den Prolog-Text zum ersten Mal gelesen habe, konnte ich mich anfangs nicht dran erinnern, dass ich Zeze (wie Sönke zu diesem Spitznamen – den man wie das »ZZ« von ZZ Top auspricht – gekommen ist, dazu später mehr) diese Anker-Kiste geschenkt habe. Blöd eigentlich, denn das ist ja eine echt schöne Geste. Als ich das nächste Mal mit ihm telefonierte, gab ich zu, dass mir die Geschichte entfallen war. Da sagte er »Fuck you« und klang ein wenig enttäuscht. Meine blöde Direktheit tat mir sofort leid. In solchen Dingen bin ich leider etwas stoffelig, wenn auch ehrlich. Bei unserem nächsten Treffen brachte er die Kiste dann mit. Schönes Teil. Dunkles Holz, goldener Anker obenauf, Klappschloss aus Messing, und auf der Innenseite des Deckels steht in meiner Handschrift »Cowgirl, 2004«. Als ich das sah, fiel mir die Nacht an der Alster natürlich doch wieder ein. Manchmal brauchst du etwas zum Anfassen, um dich an Dinge zu erinnern. Überhaupt ist es interessant, wie unterschiedlich und individuell Erinnerungen funktionieren. Aber das ist hier nicht der Punkt. Hier geht es darum, dass der Anker das perfekte Symbol für das Verhältnis zwischen meinem Bruder und mir ist. Zeze mag sich an andere Dinge erinnern als ich, wir haben unsere eigenen Leben und eigenen Herausforderungen, aber letztendlich sind wir immer füreinander da, halten den anderen fest, wenn er abtreibt, lassen aber auch los, wenn er Freiraum braucht. Das ist unser Prinzip. Darum geht’s. Wie bei einem Anker.

Bei Drehbüchern heißt es immer: Du musst die Geschichte in möglichst ein bis zwei Sätzen zusammenfassen können. Ich versuch das mal für dieses Buch: Es ist ein Brüderbuch – die Geschichte zweier ungleicher Brüder, die, jeder auf seine Art, ihre eigenen Grenzen ausloten und dabei den Wert des anderen erkennen – der weit über ein gewöhnliches Brüderverhältnis hinausgeht. So in der Art. Oder vielleicht auch ganz anders.

Etwas unkomplizierter könnte ich auch sagen: Es geht um Liebe. Nicht um besitzergreifende oder zielgerichtete Liebe im romantischen Sinne des Wortes, sondern um eine archaische, universelle Form menschlicher Verbundenheit, bei der Status und Alter keine Rolle spielen. Damit meine ich auch nicht den dahergesagten Blut-ist-dicker-als-Wasser-Quatsch, auch wenn da durchaus etwas dran sein kann. Es ist auch kein Brüderbuch im Sinne eines Männerbuchs, das feiert, was wir gemeinhin als maskuline Werte verstehen. Eher geht es darum, all diese Schubladen zu ignorieren, zu hinterfragen oder sie einfach gar nicht erst zu öffnen. Und es geht um die Offenheit, die daraus erwächst. Um das, was danach kommt. Was dann wiederum sehr viel mit dem Titel des Buches zu tun hat: Rausch und Freiheit sind begrifflich mindestens genauso vielschichtig wie die Liebe. Es sind die Worte, in denen sich diese Liebe offenbart.

 

Manchmal brauchst du ein Gegenüber, um Dinge richtig zu begreifen. Das kann eben auch der jüngere Bruder sein. Begonnen hat der Weg zu dieser Erkenntnis erstaunlicherweise nicht in unserer Kindheit, nicht in unserem Elternhaus in Herne, wo wir aufgewachsen sind. Er begann 6000 Kilometer davon entfernt. In New York. Deshalb spielt diese Stadt in diesem Buch eine wichtige Rolle – ein Ort, der mehr für uns ist als eine geografische Koordinate oder berühmte Metropole. New York ist ein Gefühl, eine Haltung, vielleicht ein Rausch an sich. Und ein Teil von uns beiden. Für immer.

Als ich 1986 zum ersten Mal nach New York kam, war ich 19, Punk und brannte innerlich lichterloh. Ich hatte die letzten Jahre meines Lebens damit verbracht, in Proberäumen rumzubrüllen, in Clubs Pogo zu tanzen und leidenschaftlich dagegen zu sein. Der stinkende, stickige, lärmende Moloch, der diese Stadt damals noch war, passte perfekt zu dieser Haltung. New York schien nur auf mich gewartet zu haben. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich auch nur eine Sekunde überfordert gewesen wäre von dem unablässigen Gehupe, Gedränge und Sirenengeheul, das mich, den Jungen aus dem Ruhrgebiet, bei meiner Ankunft empfing. Eher war das Getöse ein Spiegel meines Innern, das Chaos, das ich seit Jahren sowieso lebte und suchte.

Damals dachte ich noch, dass diese Unruhe mein ureigenes Ding war und es nichts mit meiner Herkunft und Familie zu tun hatte. Das stimmte natürlich nicht. Familie trägt man immer auf irgendeine Weise mit sich herum, ob man will oder nicht. Doch meine kam mir zum damaligen Zeitpunkt sehr weit weg vor. Das fand ich gut so. Ich wäre in diesem Augenblick nie auf die Idee gekommen, sie auch nur gedanklich über den Atlantik zu holen. Fünf Jahre später begegnete ich ihr trotzdem inmitten des New Yorker Molochs. In Gestalt meines Bruders Sönke.

In der Kindheit und Schulzeit hatte ich ein Verhältnis zu Sönke gehabt, wie man es eben mit einem fast sechs Jahre Jüngeren hat. Die Gemeinsamkeiten lagen so weit auseinander wie unsere Entwicklung und Interessen. Aber in New York wandelte er sich von meinem kleinen Bruder, der noch nach unserer Schwester geboren worden war, zu dem einzigartigen Menschen, der er heute für mich ist. Das klingt jetzt wahrscheinlich geheimnisvoller, als es war, aber eine gewisse Magie steckte tatsächlich drin, jene Magie, von der auch dieses Buch handelt. Doch ich fange lieber mal ganz von vorne an.

Es gibt viele Menschen, die haben gerne eine Anleitung fürs Leben. Die ziehen Befriedigung daraus, in einem eher überschaubaren vorgegebenen Rahmen ihren Aufgaben gerecht zu werden, und haben keine Lust, alles selbst zu entdecken und zu entscheiden. Vielleicht sind solche Menschen sogar in der Mehrzahl und am Ende glücklicher, trotzdem gehörte ich nie dazu. Laut meiner Mutter war das erste Wort, das ich als Kleinkind sprechen konnte, »Selva«. Nicht »Mama«, nicht »Papa«, sondern »Selva«. Damit meinte ich wohl »selber«, was meine Eltern als Sinnbild dafür empfanden, dass ich schon als Kind immer alles selbst machen wollte. Soweit ich mich erinnere, bin ich mir darin treu geblieben.

Nach meiner Geburt in Augustdorf bei Detmold und einer Zwischenstation in Unna, wo ich in den Kindergarten und später die Schule kam und wo Sönke geboren wurde, zogen wir nach Herne, in ein etwas abgelegenes altes Fachwerkhaus, das erst als Bauernhof und dann als Gutshaus gedient hatte, und jetzt ein Wohnhaus war. Da war viel Platz, rundherum Freiheit, keine Nachbarn – ein Glückslos und endlich ein eigenes Zimmer. Ich war beim Umzug schon zwölf, trotzdem liegt dort meine gefühlte Heimat, oder zumindest der Ort, den ich angebe, wenn ich gefragt werde, wo ich herkomme. Das hatte mit dem Haus zu tun, in das wir zogen. Wenn du vor die Tür tratst, warst du direkt im Wald. Nah dran an den Elementen, dem Wetter, den Jahreszeiten, dem Kreislauf des Lebens. Das hat mich geprägt. Für immer. Ich hatte früh den Ort gefunden, der meinem tiefsten Innern am meisten entsprach. Das habe ich stets als Privileg empfunden und bin meinen Eltern unendlich dankbar, dass sie es gewagt haben, mit vier Kindern die drohende Spießigkeit des Reihenhauses, das damals der Arbeitgeber meines Vaters zur Verfügung gestellt hatte, zu verlassen und in die Natur zu ziehen.

Als Jugendlicher ging ich im Sommer viel mit einem unserer großen Hunde, einem Irischen Wolfshund, in den Wald, legte mich auf die Wiese oben am Feld, den Kopf auf dem Hund abgestützt, und las stundenlang. Lauter Bücher, die man in dem Alter halt so verschlingt: »Narziss und Goldmund«, »Die große Flatter«, »Der Fänger im Roggen« und andere Young-Adult-Klassiker. Wenn ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören zu lesen. Dann war ich nicht mehr auf der Wiese, dann war ich unterwegs. Ein gutes Buch ist wie eine Reise. Nicht nur in die Welt der Romane, auch ins eigene Innere. Hatte ich die Geschichte ausgelesen, war das wie ein Aufwachen in einem anderen Leben. Ich kam zu mir, legte das Buch weg und merkte auf einmal, dass die Sonne weitergewandert und die Luft kühler geworden war, das Licht sich verändert hatte und ich das alles gar nicht selbst erlebt hatte. Dann ging ich durch den aufziehenden Abendnebel mit dem Hund zurück nach Hause und dachte darüber nach, was alles möglich war im Leben. Und wie weit die Welt war. Obwohl ich ein gutes, liebevolles, traumhaft mitten im Wald gelegenes Elternhaus hatte, ahnte ich, dass mir das nicht reichen würde. Ich musste diese große Welt sehen.

In der Schule lernte ich einerseits, was uns gemäß Lehrplan beigebracht wurde. Aber auch dort wurde ich immer ermutigt, meine eigene Sicht der Dinge zu entwickeln. Mich trieb schon damals ein eher impulsiver Wissensdrang an. Aus jeder Antwort auf das Warum ergaben sich weitere Fragen. Ich lernte gerne, schnell und bekam selten genug. Was kommt danach? Und danach? Und so weiter … Dass ich keine schulischen Probleme hatte, hieß also nicht, dass ich mich in der Schule gelangweilt hätte. Wenn ich etwas nicht verstand, fragte ich die Lehrer.

Meinen eigenen Kindern sage ich heute immer: »Frag so lange, bis du es verstehst.« Manchmal antworten sie mir dann, dass sie lieber den Mund halten, als sich mit einer peinlichen Frage lächerlich zu machen. Ich versuche trotzdem, sie zum Fragen zu ermutigen, denn ich habe nie verstanden, warum das peinlich sein soll. Das sind höchstens die Antworten. Mir ist aber auch klar, dass ich mit meinen Lehrern und Eltern Glück...

Erscheint lt. Verlag 2.5.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 25 km/h • 70er Jahre Buch • 80er Jahre Buch • 90er Buch • Anatomie 2 • Autobiographie Prominente • bekannter Schauspieler • Biografien von Schauspielern • Brüderlichkeit • brüder sein • bücher über musik • Bücher von Promis • Das Experiment • Das perfekte Geheimnis • Dennis Sand • der junge muss an die frische luft • deutscher Punk • Deutscher Schauspieler • deutsche Schauspieler • Deutschpunk • Erinnerungen • Freiheit • Hollywood-Schauspieler • House Musik • Inglourious Basterds • Koslowski & Haferkamp • Lebensgeschichten • Männerherzen • montana black • Musik Biographien • Musik Buch • Popkultur • Popkultur Buch • Promi-Autobiografie • rausch und freiheit • Roadtrip • Schauspiel-brüder • Schauspieler Autobiografien • schauspieler biografien • Sönke Möhring • Suche nach Freiheit • Tatortkommissar • Tatort-Kommissar Thorsten Falke • Wotan Wilke Möhring • wotan wilke möhring bruder • wotan wilke möhring tatort • Zweiohrküken
ISBN-10 3-426-46413-6 / 3426464136
ISBN-13 978-3-426-46413-7 / 9783426464137
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