Die Vernachlässigten (eBook)

Generation Corona: Wie uns Schule und Politik im Stich lassen | Die Streitschrift eines Corona-Abiturienten
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
144 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46512-7 (ISBN)

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Die Vernachlässigten -  Dario Schramm
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Eine Streitschrift über die Missstände der Schulpolitik von der Stimme einer empörten Generation Deutschlands ehemaliger oberster SchülersprecherDario Schramm ist einer der schärfsten und profiliertesten Kritiker der Schulpolitik seit dem ersten Lockdown und klagt an:  - Wie kann es sein, dass Kinder und Jugendliche nicht nach ihren Bedürfnissen gefragt werden?  - Warum werden sie wenn überhaupt nur als allerletzte mitgedacht? - Und wieso wird die Lufthansa mit einem Milliarden-Paket gerettet, während es an Schulen immer noch mit Luftfiltern und schnellem Internet hapert?Schülerinnen und Schüler stehen ganz unten auf der Prioritätenliste der Politik - nie wurde dies deutlicher als während der Corona-Pandemie. Durch Bildungsverluste und große psychische Belastungen ist gar die Rede von einer verlorenen Generation. Dario Schramm möchte dies nicht hinnehmen. Als Pandemie-Abiturient kennt er die Probleme der Generation Corona wie kein Zweiter: seien es Wechselunterricht, Homeschooling, schleppende Digitalisierung, aber auch fehlendes Mitspracherecht, Chancenungleichheit oder Inklusion. Er legt den Finger in die Wunde und zeigt konstruktive Lösungswege auf. Denn nur wer sich engagiert, kann etwas ändern. Dario Schramm (Jg. 2000) ist einer der schärfsten Kritiker der Schulpolitik während der Corona-Pandemie und setzt sich unermüdlich für die Belange von Schülerinnen und Schülern ein. Nach seinem Abitur im Frühjahr 2021 hat er das Amt des Generalsekretärs der Bundesschülerkonferenz im Herbst 2021 abgegeben, um in Frankfurt/Oder Recht und Politik zu studieren. Seit Januar 2022 verantwortet er darüber hinaus die politische Kommunikation der Lernplattform simpleclub. Schramm kommt aus Bergisch Gladbach und ist Mitglied der SPD.

Dario Schramm (Jg. 2000) war bis Herbst 2021 Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz. Nach seinem Abitur im Frühjahr 2021 hat er das Amt des »obersten Schülersprechers Deutschlands« abgegeben, um in Frankfurt/Oder Recht und Politik zu studieren. Seit Januar 2022 verantwortet er darüber hinaus die politische Kommunikation der Lernplattform simpleclub. Schramm kommt aus Bergisch Gladbach und ist Mitglied der SPD.

Dario Schramm (Jg. 2000) war bis Herbst 2021 Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz. Nach seinem Abitur im Frühjahr 2021 hat er das Amt des »obersten Schülersprechers Deutschlands« abgegeben, um in Frankfurt/Oder Recht und Politik zu studieren. Seit Januar 2022 verantwortet er darüber hinaus die politische Kommunikation der Lernplattform simpleclub. Schramm kommt aus Bergisch Gladbach und ist Mitglied der SPD.

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Modernisierung der Schulen

Wir müssen Schulen modernisieren, digitalisieren und jede Menge Technik in den Klassenraum schaffen! Eine übertriebene Forderung? Vielleicht. Aber wie oft hat man vor allem während der Pandemie gehört, dass die Schulen nicht digital genug sind? Einmal pro Woche? Eltern wahrscheinlich jeden Tag.

Viele Probleme, die sich durch die Pandemie offenbarten, wurden, vor allem aus der Politik, auf die fehlende Digitalisierung geschoben. Das stimmt im Grunde auch, dennoch geht es in diesem Kapitel um ein anderes, mindestens genauso wichtiges Thema.

Denn die Schulen in diesem Land sind in einem völlig maroden und desolaten Zustand. Es handelt sich in vielen Fällen um Gebäude, die eher an Gefängnisse als an Orte des Lernens erinnern. Wände, von denen die Farbe blättert. Toiletten, die mit größtem Widerstand aufgesucht, bestenfalls ignoriert werden. Klassenzimmer, die jegliche Atmosphäre vermissen lassen. Und ja, es stimmt: Unsere Schulen sind nicht im Geringsten auf die Digitalisierung vorbereitet. Aber wir wollen in der Riege der wichtigsten Länder der Welt eine Rolle spielen? Grotesk! Stromleitungen, Wände und bauliche Gegebenheiten der meisten deutschen Lehranstalten wurden nicht für die Technik des 21. Jahrhunderts entwickelt und gebaut. Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, würde ich es nicht glauben: Die Wirtschaftsnation Deutschland hat über Jahrzehnte die Infrastruktur ihrer Schulen nicht nur vernachlässigt, sondern so weit heruntergewirtschaftet, dass es ihr bei der Digitalisierung nun doppelt und dreifach auf die Füße fällt.

Ein Beispiel? Da muss ich nicht lange überlegen: In einem Klassenraum meiner Schule flackerten die Lampen in unregelmäßigen Abständen, immer etwa zwei bis drei Minuten. Auch das Austauschen der Birnen und der Fassungen zeigte keinerlei Besserung. Erst nach sage und schreibe einem Jahr kam jemand auf die Idee zu überprüfen, was sich eigentlich über dem Raum mit den flackernden Lichtern befand. Es war das Lehrerzimmer, und darin stand die Ursache des Übels: eine Kaffeemaschine. Kein Witz. Es handelte sich um eine Kapselmaschine, die bei Benutzung den Stromkreislauf so belastete, dass die elektrische Versorgung der Lampe darunter unterbrochen wurde. Unglaublich, aber wahr. Es könnte eine durchaus lustige Geschichte sein, wenn nicht der Schauplatz, an dem diese und ähnliche Missstände vorherrschen, die Schulen der Kinder und Jugendlichen unserer Nation wären. Und diese Bildungsstätten sollen der Ort sein, an dem sich die Gesellschaft der Zukunft entwickelt und neue Ideen entspringen?

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Nach einjähriger Fehlersuche schlug dann nämlich auch noch die deutsche Bürokratie zu. Es dauerte Monate, bis die Ursache letztendlich behoben war und es im Klassenraum eine Etage tiefer nicht mehr flackerte, wenn sich ein Teil des Lehrpersonals einen Kaffee zog.

Die Geschichte um die Kaffeemaschine steht sinnbildlich für das große Modernisierungsproblem an deutschen Schulen. Im Zuge der Digitalisierung bekommen deutsche Bildungsstätten moderne Geräte wie Beamer, Smartboards oder Tablets. Aufgrund der miserablen Infrastruktur können diese aber nur bedingt oder gar nicht eingesetzt werden.

Wenn wir über Schulgebäude und ihre Infrastruktur sprechen, kommen wir um ein Thema nicht herum: die Toiletten. Ein Schüler oder eine Schülerin verbringen durchschnittlich acht Stunden am Tag in der Schule.2 Damit ist das Schulgebäude ein konstanter Lebensort. Diese Lebensorte und deren Infrastruktur lassen die Länder und Kommunen allerdings derart verfallen, dass einige Schüler*innen an Ort und Stelle nicht auf die Toilette gehen und teils Stunden warten, bis sie ihr Geschäft zu Hause verrichten können. Ein erbärmlicher Zustand.

Für eine Wirtschaftsnation wie die deutsche ist es schlichtweg verwerflich, in welchem maroden Zustand unsere Schulen und damit unsere Nachwuchsstätten sind. Ursache des Problems ist, dass die Gebäude in kommunaler Hand sind. Denn ausgerechnet die Kommunen sind finanziell schwach aufgestellt.

Ich habe selbst einige Zeit den Schulausschuss in meiner Heimat verfolgt und muss zugeben, dass die Kommune und somit die Politik auf lokaler Ebene wenig bis gar nichts dafür können. Die Entscheider wollen Geld in Schulen und deren Sanierung investieren, doch ist es schlichtweg ein Fass ohne Boden. Es gibt einfach zu viele Löcher zu stopfen.

Und wenn doch mal finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, steht die nächste Herausforderung an: die Bürokratie und ihre schwierigen, vielmehr hemmenden Vergabeprozesse.

Die Sanierung einer Grundschule in meiner Heimat Bergisch Gladbach kostet beispielsweise etwa 12,5 Millionen Euro (ein Gymnasium liegt auch schon mal bei 25 bis 30 Millionen Euro3). Durch die Europarichtlinien müssen Bauaufträge ab einem Wert von 5 Millionen Euro europaweit ausgeschrieben werden.4 Ein enormer und langwieriger Prozess. Europaweite Ausschreibungen überfordern Kommunen zudem häufig.5 Versteht mich bitte nicht falsch. Ausschreibungsmechanismen haben natürlich ihre Berechtigung, aber sie verlangsamen die Entwicklung, stehen einer Verbesserung im Weg und behindern Reparaturen enorm. Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, sind durch die Auswirkungen der Pandemie und des von der Regierung erzwungenen Lockdowns viele der nach langem Prozedere beauftragten Firmen bankrottgegangen. Was bedeutet: Der Irrsinn, Bauunternehmer und Handwerksbetriebe zu finden, geht wieder von vorn los.

Darüber hinaus ist die Kommune ein unattraktiver Arbeitgeber. Viele Stellen, besonders im Bereich »Bauen«, bleiben vakant: »Von 38 Stellen im Hochbau sind aktuell 18,5 nicht besetzt.«6 Das hat fatale Folgen für die Kommunen. Finanziell schlecht aufgestellt, trägt der Fachkräftemangel sein Übriges zur desolaten Lage bei.

Die Urbanisierung führt außerdem zu einer stetigen Verknappung der Schulplätze und verschlimmert die Situationen an Lehranstalten drastisch. Länder wie Berlin schaffen es in manchen Bezirken nur unter größten Bemühungen, die Nachfrage an Schulplätzen zu bewältigen.7 Es stehen also weder Finanzmittel noch Kapazitäten noch adäquate Infrastrukturen zur Verfügung, um den Schülerinnen und Schülern eine sinnvolle schulische Bildung zu ermöglichen, und das über alle Altersstufen hinweg.

Bevor der »Digitalpakt Schule« greift, braucht es zuallererst einen »Modernisierungspakt Schule«. Der eine baut auf marode Strukturen auf, und den anderen gibt es derzeit nicht. Mehrere Milliarden Euro werden aktuell benötigt, um die schulische Infrastruktur zeitgemäß und gleichzeitig zukunftsfähig zu gestalten. Bereits vom Bund zugesagte Fördergelder können nicht abgerufen werden, da den einzelnen Kommunen pandemiebedingt meist das Geld zur Bezuschussung fehlt.

Das System ist von allen bisherigen Parteien viel zu kurzfristig und kompliziert gedacht. Wenn sich wirklich etwas ändern soll, müssten sich alle an einen Tisch setzen, um ein belastbares und nachhaltiges Programm zu entwickeln, vor allem aber zu beschließen. Wir brauchen nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch eine schlanke, agile Bürokratie und solide Partnerschaften mit Unternehmen, die Vorhaben in Qualität, Zeit und Budget umsetzen.

Dies wird uns nicht von heute auf morgen gelingen. Arbeiten wir daran, Lebens- und Wohlfühlorte der Bildung zu erschaffen! Die Schülerinnen und Schüler dieses Landes sollten sich nicht fürchten, in der Schule auf die Toilette gehen zu müssen. Bürokratische Hürden müssen dringend abgebaut werden.

Damit beispielsweise Modernisierung (oder eher Instandhaltung) nicht am Vergaberecht scheitert, könnten Kommunen sogenannte Schulbaugesellschaft mit beschränkter Haftung (Schulbau GmbH) gründen. Diese GmbHs dürfen Bauvorhaben bis zu einer Summe von 5,55 Millionen Euro ohne förmliche Ausschreibungen umsetzen, anders als Kommunen und Städte wie Köln, die bereits ab einer Summe von 500000 Euro öffentlich ausschreiben müssen.8 In Düsseldorf gibt es dafür ein Paradebeispiel: Die dortige Schulbau GmbH existiert seit 2015. Seitdem hat sich der Bau einer Schule von vorher vier Jahren auf bis zu sieben Monate heute verkürzt. Dies muss ein Beispiel für andere Kommunen werden.

Auch Architektur und Gestaltung der Schulen müssen neu gedacht werden. Wir brauchen innovative Konzepte, benötigen Rückzugsräume und offene Klassenzimmer, in denen eben nicht alles nach Gefängnis schreit. Skandinavien kann es. Warum wir nicht? Wie wären zum Beispiel einladende Eingangsbereiche mit schönen Sitzgelegenheiten anstelle von völlig heruntergekommenen Bänken? Ja, auch das Mobiliar muss neu gedacht werden. Ich verbinde Schule (aus eigener leidvoller Erfahrung) mit harten Stühlen, kantigen Tischen und einem verkrusteten System alter, eingestaubter Denkweisen.

Vor allem sollten Schulklassen selbst die Möglichkeiten haben, ihre Räume zu gestalten. Ich habe erlebt, dass wir Klassenzimmer nicht streichen durften, weil unser Gestaltungswunsch nicht in das »Farbkonzept« der Schule passte. Das System generiert sich hierbei selbst, und zwar ein längst abgehängtes, überholtes System. Jede Schulklasse könnte am Anfang des Jahres ein kleines Budget bekommen, um gemeinsam den Raum zu gestalten, mit Pflanzen, schönen Schränken oder einem Aquarium. Das stärkt nicht nur das Verantwortungsbewusstsein der Schüler*innen, auch lässt...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Armut • ausgefallener Unterricht • Begabungen und Talente • Bildung • Bildungslücken • Bildungspolitik • Bildungs-Politik Buch • Bildungspolitik Deutschland • Bildungsverlust • Bundesschülerkonferenz • Chancengleichheit • Chancengleichheit für Kinder • Corona Auswirkungen auf Jugendliche • Corona Folgen Kinder • Corona-Pandemie • Dario Schramm • Deutschland • Die Vernachlässigten • digitaler unterricht • Digitalisierung • digitalisierung an schulen • Digitalisierung Buch • Digitalisierung im Bildungssystem • Distanzunterricht • Erziehung • Fortbildung • Generation Corona • geschlossene Schulen • Gesellschaftskritik • Gesellschaftskritische Bücher • Grundschule • Gymnasium • Hautpschule • Hilfe für benachteiligte Kinder • Hilfen Schul-Politik • Hochbegabt • Homeschooling • Inklusion • Lehrer • Lehrerin • Lernen • Luftfilter für Schulen • Marietta Slomka • Missstände im Bildungssystem • Politik für Schüler • Problemschule • Realschule • Sachbuch Gesellschaft • Schule • Schule im Lockdown • Schülerinnen und Schüler • Schülervertretung • Schule und Politik • Schulpolitik • Schulschließungen • soziale Folgen von Corona • sozialkritische Bücher • Streitschrift • Ungleichheit • Unterricht zu Hause • verlorene Generation • Vernachlässigung • Zukunft • zukunft buch
ISBN-10 3-426-46512-4 / 3426465124
ISBN-13 978-3-426-46512-7 / 9783426465127
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