Trugschluss oder Wahrheit? -  Adrian W. Fröhlich

Trugschluss oder Wahrheit? (eBook)

Texte zur Sophistik unserer Zeit
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
180 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-3658-1 (ISBN)
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Links gegen Rechts, das ist die finale Gemengelage in den westlichen Republiken, nachdem sich die politische Mitte nach dem Jahr 2000 aufgelöst hat, befördert durch die Regentschaften von Merkel und Obama und all derer, die ihnen nacheiferten. Die Linke ist im Vorteil, weil sie die einzige dialektisch-kritische Tiefentheorie unserer Zeit verwaltet und immer schon zu wissen meint, wohin die Reise geht. Die Rechte ist im Nachteil, da sie auf Common Sense, Logik und Empirie setzt. Die sogenannte kritische Linke tut jetzt das, was sie sieben Jahrzehnte lang verurteilt hat, sie objektiviert Werte, philosophisch ein Unding, sie erhebt Subjektivismen, flankiert durch die dekonstruktivistische Bedeutungslehre und eine fehlinterpretierte, analytisch-philosophische Ontologie, mächtig befeuert durch die Flachdenker der Medienwelt, in den Status unantastbarer Positionen, um sich nun endgültig durchzusetzen. Die Herrschaft der Moral, damit die Zweckursache als Eckpfeiler der Argumentation, ist zurück, ebenso wie die Tyrannis der Sophistik. Das grosse Um- und Neuschreiben von Wissenschaft und Geschichte hat begonnen, der Einstieg in das Mindset der Despotie ist gemacht.

Der Autor, geboren 1953, ist Arzt und Philosoph und arbeitet als Psychiater.

Das Geschichtliche und das Doktrinäre


Ich habe Fragen und ringe nach Antworten. Hier sind einige davon.

Was ist aus deiner Sicht, auf den Punkt gebracht, das fundamentale Problem der Gegenwart?

Du willst frei sein, doch sie sagen dir, Freiheit sei ein Konstrukt, das Konstrukt einer Ideologie, die dich dem Kapital unterwerfe. Das heisst, letztlich glauben sie nicht an deine Gefühle, an deine Wahrnehmungen und an deine Erfahrung. Sie wissen es besser. Sie negieren die Unbedingtheit von Empirie und Logik. Um frei zu sein, müssest du, so sagen sie, ihre Ideologie annehmen. Doch in dieser besteht Freiheit lediglich darin, die Ideologie zu vertreten. Nun aber sagen sie dir, dass dies doch im Kapitalismus ebenso sei! Dort bestehe sie auch darin, dessen Ideologie zu vertreten. Und jetzt gehen dir die Augen auf und du erkennst, dass sie dich vor einen Spiegel gestellt haben, dass sie behaupten, das Spiegelbild wäre das Urbild und das Urbild das Spiegelbild! Dass sie nämlich alles, dich und die ganze Welt, spiegelverkehrt sehen! Jetzt merkst du, dass du eingefangen worden bist. Du erfährst: Freiheit ist Gefangenschaft! Güte ist Schlechtigkeit! Hass ist Liebe! Wahrheit ist Lüge! Tod ist Leben! Ja, du bist in Orwells Oceania von 1984 erwacht. Nie hättest du gedacht, dass es einen Weg dorthin geben könnte! Sie sagen dir, sie hätten all dies nur darum getan, weil zuerst du etwas getan habest, nämlich das, was sie das «Eigene» nennen. Indem du etwas "Eigenes" behauptet habest, hätten sie zur Korrektur desselben auf den Plan treten müssen. Sie seien unschuldig, du seiest schuldig!

Wer ist «sie»?

Die Sophisten.

Und wer sind denn diese?

Das Grosslager links von der Mitte, die Mitte selbst und die Medien. Doch stützen sich alle auf die Früchte der Frankfurter Schule. Dort liegt die Wurzel der ganzen Debatte, weltweit.

Was genau ist deren Behauptung?

Dass jede Aussage unabhängig von ihrer Herkunft wertlos sei, dass jede Information indexiert betrachtet werden müsse, dass nichts aus sich heraus über sich selbst hinaus Gültigkeiten besitze.

Damit weisst du, was Befreiung eigentlich meinen würde: Quid pro quo, tit for tat, do ut des, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Damit es überhaupt etwas Gültiges geben kann, muss gestritten werden! Der Krieg ist der Vater aller Dinge! Aus dem Orwellstaat bist du beim alten Heraklit, er wohnt nur einen Spiegel weiter. Ohne diesen epistemologischen Krieg bist du ewig ein Unterworfener und stets nur derjenige, der noch ein Letztes zu liefern hat, bevor es aufhört. Doch indem du es lieferst, erhält es sich am Leben.

Das ist wahrlich die Mutter aller Dinge: Dass du nur herauskommst, wenn du hineingehst, nur frei bist, wenn du dich unterwirfst. Zwischen Arbeit und Kapital, zwischen Sozialismus und Faschismus, zwischen Dogma und Rebellion, zwischen Unterwerfung und Freiheit spannt sich das Gewölbe deines Gefängnisses.

Und das gründet in der Sophistik?

Ja, es stellt eine grundlegende Petitio Principii dar und zugleich auch noch eine Fallacia Accidentis, je nachdem, wie man es sehen will.

Wir werden darauf zurückkommen.

Unvermeidlich!

Doch fangen wir noch einmal anders an: Aristoteles wird zugeschrieben: «Toleranz und Apathie sind die letzten Tugenden einer sterbenden Gesellschaft». Stirbt unsere Gesellschaft gerade?

Ja, aber langsam und - immer noch - sehr vergnügt! Sie wagt es nicht mehr, grundlegend frei zu denken und ist dabei froh, immer noch überfressen zu sein und in einem Universum aus Zeug zu baden, das sie in den letzten hundertfünfzig Jahren hervorgebracht hat. Zum Entzücken des Rests der Welt, der das nie zustande gebracht hat. Zu keiner Zeit.

Siehst du heute die Freiheit in Gefahr?

Ja, die Freiheit tout court und auch die Meinungsfreiheit. Doch seien wir ehrlich, es gab seit 1945 noch nie so viel Meinungsfreiheit wie in den letzten zehn Jahren! Früher lag alles in den Händen von Verlagen. Jeder Autor weiß, was das bedeutet. Es gab zwar randständige Kleinverlage, aber abweichende Meinungen waren praktisch nicht publizierbar, vor allem wenn sie einfach nur von intelligenten Zeitgenossen stammten, die ohne Lobby, ohne Uni, ohne „Namen“ waren. Da hatte man keine Chance, wenn auch nur der kleinste Missklang im Text zu hören war.

Missklang in Bezug worauf?

Willkommen beim ersten Problem! Missklang in Bezug worauf? Richtig, das war und ist immer noch die Kardinalfrage! Gab und gibt es denn hier im sogenannten freien Westen überhaupt das, was man eine Standardmeinung oder die Meinung des „Systems“ nennen könnte? Wie gesagt, wer in der Nachkriegszeit auch immer versucht hat, wirklich Gescheites zu publizieren – und wirklich Gescheites weicht immer vom Mainstream ab, auch vom intelligentesten -, der hat sogleich erfahren, dass mit ihm etwas nicht stimmen konnte, denn er fand keinen ordentlichen Verleger, vor allem keinen namhaften. Irgendetwas an ihm schien vergiftet zu sein. Doch was? Da gab es nirgends ein offizielles Dogma, das in gedruckter Form vorlag, wie man es aus Diktaturen kennt, das Werk eines Diktators oder einer Einheitspartei. Linke Texte, und wichen sie auch stark ab vom Marxismus hatten selten ein Problem, sie fanden den Weg in die Buchläden immer. Es gab genug entsprechende Verlage, die in der Welt der literarischen Produktion hoch angesehen waren. Das Problem existierte nur gegenüber sogenannt rechten Texten. Das ist eben nicht erst heute so – im Gegenteil, heute ist die Szene liberaler, dank des Internets. Ab den späten Sechzigern wurde es für rechte Texte noch schwieriger. Konservative Denker konnten ihre Texte praktisch nur noch in Nischenverlagen ohne Reichweite publizieren. Die meisten scheiterten auch daran, oder sie wollten da nicht hin. Offiziell gab es aber nie eine Zensur.

Die Verlogenheit der Publizistik ist eine der Konstituenten der Nachkriegszeit im Westen. Im Osten war es anders damit bestellt, dort praktizierte man die Zensur offen, man stand dazu. Alles musste dem Dogma entsprechen. Im Westen aber existierte offiziell kein Dogma.

War das denn vor dem Krieg anders?

Ja, ganz anders, zumindest bis 1936. Damals konnte man praktisch alles publizieren, und es wurde auch alles offen debattiert.

Förderte das den Faschismus?

Nein, aber die faschistischen Ideen setzten sich durch.

Wieso denn?

Weil sie damals sehr viele Menschen überzeugen konnten. Es gab damals noch keine Shoa und keinen Zweiten Weltkrieg. Der Weltkrieg, das war damals noch immer der Erste.

Also ist die Nachkriegszeit unfreier als die Vorkriegszeit, bis 1936, wie du sagst?

Ja. Das wird dadurch zugedeckt, dass die Nachkriegszeit pornografischer ist als die Zeit vorher. Das Freie sieht sich durch das Pornografische ersetzt, das Geistige durch das Körperliche, das Intro- durch das Extrovertierte.

Und wie sieht es nun aus?

Ich habe es in meinen Büchern die Nachkriegsdoktrin oder die NKD genannt. Offiziell war alles erlaubt, die westlichen Staaten waren Republiken und nannten sich Demokratien. Deutschland war lange Zeit hindurch eine Besatzungszone, aber das hatte in Bezug auf unser Thema wenig Einfluss. Es gab also diesen inneren Widerspruch im Westen: Die Republik erlaubt alles. Aber die Nachkriegsordnung erlaubt nicht mehr alles. Daraus erwuchs eine den Nachkriegsdiskurs kastrierende Doktrin, die NKD.

Die NKD hat drei Komponenten, das Menschenrecht von 1948, zweitens der damit verbundene, aber nicht explizit gemachte Ausschluss eines anderen, dem Einzelmenschen gleichwertigen Rechtsgutes und drittens der Shoa-Memorialkult, wie ich den Komplex rund um den Holocaust und seine Stellung in der Ethikdebatte nenne. Auf diesen drei Pfeilern ruht die „freie Welt“ des Westens. Den meisten Zeitgenossen war das entweder unproblematisch oder trivial. Nicht, weil sie mit dem vollen Bedeutungsgehalt dieser Trias einverstanden gewesen wären, sondern weil sie diesen Bedeutungsgehalt gar nicht kannten, und wenn, dann wollten sie ihn nicht vollständig zur Kenntnis nehmen. Denn irgendetwas sagte ihnen, ein Instinkt, dass, wenn man es mit dieser Trias zu fundamental meint, jene Welt nicht mehr haltbar war, in der sie lebten, in der die erdrückende Mehrheit der Menschen im Westen lebte.

Das Dilemma zwischen der Republik und der Doktrin der Gesellschaftsordnung wurde einfach verdrängt?

Der westliche Mensch hatte bis zum Ende des Kalten Krieges im Grunde genommen zwei Feinde. Zum einen den kommunistischen Ostblock, dessen Präsenz unübersehbar und aufgrund der Entwicklung der Thermonuklearwaffentechnik immer tödlicher wurde, zum anderen den Feind im eigenen Haus, der dort in Lauerstellung lag, ständig bereit, die NKD fundamentalistisch auszulegen und von der Politik den Kotau vor irgendeinem Einzelmenschen zu verlangen, dessen Rechte in irgendeiner Weise verletzt schienen, und dies stets mit dem Hinweis auf die Shoa, falls man den Kotau nicht machte. Denn die Shoa war das, was passieren würde, wenn man nicht gehorcht. Wenn man nicht gehorcht, rückte man sogleich nach „rechts“, und wenn man dann seinen Standpunkt untermauerte, galt man unversehens als...

Erscheint lt. Verlag 29.12.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7526-3658-0 / 3752636580
ISBN-13 978-3-7526-3658-1 / 9783752636581
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