Scriptor Praxis: Der Dialog als Schlüssel für guten Unterricht (eBook)
136 Seiten
Cornelsen Pädagogik (Verlag)
978-3-589-16843-9 (ISBN)
Dr. Monika Wilkening ist Lehrerin für Englisch und Französisch an einem hessischen Gymnasium. Sie promovierte zum Thema »Selbst- und Partnerevaluation im schülerorientierten Fremdsprachenunterricht« und hält häufig Vorträge auf Landes- und Bundeskongressen, führt Fortbildungsveranstaltungen durch und publiziert in Fachzeitschriften. Monika Wilkening ist außerdem Mitglied der Arbeitsgruppe »Lernen sichtbar machen« zu den Hattie-Studien.
Dr. Monika Wilkening ist Lehrerin für Englisch und Französisch an einem hessischen Gymnasium. Sie promovierte zum Thema »Selbst- und Partnerevaluation im schülerorientierten Fremdsprachenunterricht« und hält häufig Vorträge auf Landes- und Bundeskongressen, führt Fortbildungsveranstaltungen durch und publiziert in Fachzeitschriften. Monika Wilkening ist außerdem Mitglied der Arbeitsgruppe »Lernen sichtbar machen« zu den Hattie-Studien.
2 Voraussetzungen für einen erfolgreichen Dialog im Unterricht |
2.1 Lernmotivatoren: Lerntheorien
IHRE ERFAHRUNGEN SIND WICHTIG Welche Elemente können die Lernmotivation steigern? Welche Hindernisse für die Lernmotivation sehen Sie? |
Hopkins11 stellt Motivation als Kernelement erfolgreichen Lernens dar: als den Wunsch, etwas zu leisten, als Liebe zum Lernen, als Freude an der Herausforderung und als Fähigkeit, Hindernisse anzugehen. Welche Erklärungen zum Verständnis von Lernmotivation liefern uns wesentliche Lerntheorien?
Piaget und auch die Theorien dynamischer Systeme gehen von der angeborenen Motivation des Kindes aus, seine Umgebung zu erforschen. Wahrnehmung, Handeln, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprache und soziale Einflüsse bringen Handlungen hervor.12 Dies bedeutet, dass Motivation durch geeignete Steuerung dieser Faktoren aufrechterhalten werden kann.
Auch Hattie kommt zu einem ähnlichen Schluss. Er orientiert sich an den Thesen des kognitivistischen US-amerikanischen Lernpsychologen Willingham zu Lernen und Lernmotivation13: Seine Überlegungen bieten eine Vorschau auf wichtige Themen dieses Buches.
Laut Hattie reagieren Schülerinnen und Schüler auf ein von der Lehrkraft gut vorbereitetes Unterrichtsangebot häufig gleichgültig, da sie das Lernen als mühsam, als nicht angenehm betrachten und ihnen die Anstrengung als Verschwendung von Ressourcen erscheint. Eine solche Anstrengung müsste mit ihrer persönlichen Motivation, mit ehrgeizigen Zielen und dem Vertrauen auf den persönlichen Erfolg (s. u. Selbstwirksamkeit) vereinbar sein. Außerdem bringt Denken viel Unsicherheit mit sich, gute Ergebnisse sind nicht garantiert, Erwartungen können nicht erfüllt werden, Versagensängste kommen auf. Deshalb sind Lernende laut Hattie häufig risikoscheu und wollen Bestehendes – selbst wenn dieses zu wünschen übriglässt – nicht infrage stellen. Viele von ihnen leiden seiner Ansicht nach an Selbstüberschätzung beim Lernen und unterschätzen den notwendigen Zeit- und Übungsaufwand sowie die eigene Arbeitsdisziplin und Entschlossenheit („emotionale Verantwortung“). Darüber hinaus haben viele von ihnen Schwierigkeiten damit, Wissen und Erfahrungen so zu speichern, dass diese abrufbar sind. Die natürliche Neugierde der Lernenden beschränkt sich häufig auf Schließung von „sicheren“ Wissenslücken; es besteht keine Motivation, etwas zu lernen, über das man nur wenig weiß; dies stellt eine zu hohe „kognitive Belastung“ dar, die jede natürliche Neugierde erstickt.
Laut Hattie gibt es auch den positiven Gegenpol: Wenn Lernende beim Lernen eine Herausforderung entdecken und auch über die Mittel verfügen, diese zu meistern, dann ist Neugierde lohnenswert und sie bemühen sich, darauf aufzubauen (Lernmöglichkeiten vergrößern).
Hier schließt Bandura mit seiner Theorie der Selbstwirksamkeitserwartung an: Menschen sind gemeinhin überzeugt davon, dass sie die Fähigkeit haben, sich auf eine Weise zu verhalten, die Erfolge erzielt. Sie sind daher in der Lage, Erwartungen persönlicher Wirksamkeit zu schaffen und zu verstärken und somit ihre Lernanstrengungen zu regulieren. Lernende mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung betrachten schwierige Aufgaben als Herausforderung und erhöhen ihre Anstrengungen bei Fehlschlägen.14 Lernende mit geringer Selbstwirksamkeitserwartung hingegen betrachten allzu herausfordernde Aufgaben als persönliche Bedrohung und haben eine geringere Ambition und Motivation, diese zu meistern. Demzufolge belasten Fehlschläge sie schwer. Des Weiteren betont auch Bandura, dass das Lernen vor allem sozialer Natur ist und auf der Beobachtung anderer Menschen fußt. So kann Feedback von Experten die Selbstwirksamkeitserwartung steigern.15
Dweck fasst diese Gedanken in ihrer Theorie der sozialen Kognition von 200616 zusammen: Sie diskutiert unterschiedliche Lerneinstellungen und Leistungsmotivatoren: die offene und die festgefügte Denkhaltung. Da mir diese für erfolgreiches Kommunizieren und daraus folgende Lernprozesse besonders wesentlich erscheinen, habe ich ihnen ein eigenes Kapitel gewidmet, das an die Darstellung der Lerntheorien anschließt.
Faktoren, die einen besonders wichtigen Einfluss auf das Selbstwertgefühl haben (s. hierzu meine Umfrage zur Wertschätzung, Abb. 2, S. 36), sind die Anerkennung und Unterstützung, aber auch die verinnerlichte Bewertung durch andere. Anerkennung, Interesse und Unterstützung und gleichzeitige Anwendung strenger Erziehungsmethoden führen meist dazu, dass Kinder über ein hohes Selbstwertgefühl verfügen. Dieses Wissen ist auch für Lehrkräfte wichtig. Siegler fasst zusammen: „Die Art und Qualität der Interaktionen mit den Eltern und anderen Bezugspersonen gehört zu den wichtigsten Einflüssen auf das Selbstwertgefühl von Kindern.“ 17
Im Zentrum der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan steht die Erklärung von Motivation: Menschen sind von Geburt an neugierig und proaktiv engagiert, dadurch intrinsisch (im Gegensatz zu extrinsisch) motiviert.18 Diese Erkenntnis ergänzt Csikszentmihalyi, der 1975 den Flow-Moment beschreibt: Entweder haben Lernende ein intrinsisches Interesse an einer Aufgabe oder aber ihre Fähigkeiten entsprechen den Herausforderungen, vor die diese Aufgabe sie stellt. Erscheint ein Ziel unerreichbar, geben Lernende schnell auf. In diesem Fall fokussieren sie weniger anspruchsvolle Ziele oder sie klinken sich völlig aus.19 – Diese Beschreibung stimmt mit den oben genannten Theorien zur Motivation und Lerneinstellung von Willingham überein.
Deci und Ryan betonen, dass Motivation an Autonomie (Fähigkeit zur kompetenten eigenen Planung, Strukturierung, Reflexion des Lernprozesses), Kompetenz (Fähigkeit zur Beschaffung, Verarbeitung und Präsentation von Aufgaben) und soziale Eingebundenheit geknüpft ist. Ohne diese Faktoren kann kein erfolgreiches Lernen stattfinden.20 Als soziale Wesen21 können die Mitlernenden im Lerndialog mit den anderen ihre Grundbedürfnisse nach persönlicher Kompetenz, Verbundenheit mit Peers und Autonomie befriedigen, was wiederum Motivation, Wachstum und Wohlbefinden positiv beeinflusst. Anders gesagt: Eine positive persönliche Entwicklung hin zur Selbstregulierung ist in höchstem Maße abhängig von sozialer Unterstützung durch Peers.22 Peer-Interaktionen unterstützen Jugendliche durch sozialen und emotionalen Gewinn in ihrer Entwicklung und unterscheiden sich fundamental von der Beziehung zu Lehrkräften. Gleichberechtigung, Gegenseitigkeit, Kooperation und Vertrautheit spielen eine zentrale Rolle. Peer-Interaktionen unterstützen aber auch die „Geber“: Z. B. vermittelt ein Partnerfeedback, welches anderen geholfen hat, das Gefühl höherer Kompetenz und Autonomie, sodass „Geber“ auch sozial, inhaltlich und methodisch für sich selbst gelernt haben. Deshalb sind beispielsweise ein gutes Klassenklima, aber auch eine Anleitung zu gutem Partnerfeedback so wichtig. Ohne diese Grundlagen laufen die Gespräche beim und über das Lernen ins Leere.
2.2 Festgefügtes Denken und entwicklungsoffene Einstellung
IHRE ERFAHRUNGEN SIND WICHTIG Was verstehen Sie unter einer festgefügten Denkweise, was unter einer offenen? Welche Erfahrungen haben Sie mit Lerneinstellungen gemacht? Könnten kompetenzorientierte Gespräche im Lernprozess hilfreich sein? |
Vor meinen Erläuterungen zum Begriff der Lernhaltung möchte ich an dieser Stelle einige Ergebnisse aus Befragungen vorstellen, die ich mit meinen Schüler/-innen durchgeführt habe. Die darin untersuchten Themen schließen unmittelbar an die im Kapitel zu den Lerntheorien behandelten an. An ihnen zeigt sich, wie wichtig das gemeinsame Nachdenken über Lerneinstellungen ist, bevor man überhaupt an gute Gespräche denken kann.23
Aussage 8: Ich finde Herausforderungen im Unterricht gut. – Ergebnisse: Kl. 5. 2,2 (an 28. Stelle/29); Kl: 7: 2,5 (an 23. Stelle/29); Kl. 8: 3 (an 20. Stelle/29) Aussage 9: Ich gehe gern mal ein Risiko ein. – Ergebnisse zu Aussage 9: Kl. 5: 2,15 (an 25. Stelle/29); Kl. 7: 3,05 (an 29. Stelle), Kl. 8: 2,87 (an 20. Stelle/29) |
Analyse: In allen drei Klassen werden zwar „Herausforderungen/Risiken“ als wichtig für „Lernen“ angesehen, stehen jedoch...
Erscheint lt. Verlag | 8.11.2021 |
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Reihe/Serie | Scriptor Praxis | Scriptor Praxis |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Schulpädagogik / Sekundarstufe I+II |
Schlagworte | Abläufe von Evaluationsverfahren • internationalen Forschungsergebnissen • Lernergebnissen • Lernprozess • pädagogische Themen • Schulpraxi • Unterricht • Unterrichtsqualität • Unterrichtswissen • Wissenschaft |
ISBN-10 | 3-589-16843-9 / 3589168439 |
ISBN-13 | 978-3-589-16843-9 / 9783589168439 |
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Größe: 927 KB
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