Einst aßen wir Tiere (eBook)

Die Zukunft unseres Essens
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
336 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-29066-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Einst aßen wir Tiere -  Roanne Voorst
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Die vegane Revolution kommt
Und sie wird uns sehr bald fassungslos auf unsere aktuellen Ernährungsgewohnheiten zurückblicken lassen. Langfristig wird sie Fleisch- und Milchprodukte von unserem Speiseplan verbannen, mit traditionell gelernten, aber falschen Glaubenssätzen aufräumen und die Zukunft unseres Essens neu gestalten. Bereits jetzt setzt sich ein nachhaltiger und tierwohlorientierter Lifestyle immer mehr durch, ist die Auswahl an pflanzenbasierten Produkten so groß wie nie zuvor. Denn wir erkennen, dass unser zügelloser Konsum von Fleisch und Milchprodukten problematisch ist: Noch werden Rinder, Schweine, Kühe und Meerestiere täglich milliardenfach getötet und missbraucht, die drohende Klimakatastrophe durch diese hohe Taktung zusätzlich befeuert.

Die renommierte Zukunftsanthropologin Roanne van Voorst zeigt auf, welche positiven Auswirkungen eine globale pflanzenbasierte Ernährung für das Klima, die Wirtschaft, unsere Gesundheit und Kultur haben kann. In der Tradition von Jonathan Safran Foer, Alan Weisman und Karen Duve ist Einst aßen wir Tiere ein unverzichtbares, informatives und augenöffnendes Buch - und ein hoffnungsvoller Blick auf eine Welt, in der der Verzehr von Tieren und tierischen Produkten zum Wohle aller Bewohner dieses Planeten endlich der Vergangenheit angehört.

Dr. Roanne van Voorst ist Forscherin, Autorin, Speakerin und Moderatorin. Sie ist die Präsidentin der Dutch Future Society und Dozentin für Zukunftsanthropologie an der Universität Amsterdam. Ihre Arbeit hat sie rund um den Globus geführt: von Inuit-Siedlungen in Grönland über indonesische Dörfer zu europäischen Sexpuppenbordellen und in virtuelle Realitätswelten. Roanne van Voorst lebt mit ihrer Familie in Amsterdam.

1 Wie Bauern die Welt veränderten


An dem Tag, als der schwedische Schweinebauer Gustaf Söderfeldt alle seine Tiere verkaufte, wirkte das Weideland um sein Gehöft irgendwie weitläufiger. Es war so merkwürdig ruhig. Die Ställe waren leer, der Himmel lastete schwer auf seinen Schultern, und er lief ziemlich verstört von seinen Ställen zum Weideland und wieder zurück. Einmal angekommen kam es ihm jedes Mal so vor, als hätte er vergessen, weshalb er überhaupt hier war. Doch das hatte er nicht: Es gab für ihn schlichtweg nichts zu tun. Er hatte noch keinen klaren Gedanken im Kopf, er war noch nicht in der Lage, sich auszumalen, wie seine zukünftigen Arbeitstage wohl aussehen würden.

Das war im Jahr 2017, Söderfeldt hatte zwei kleine Kinder und nur wenig Erspartes. Er machte sich Sorgen um die Zukunft und konnte sich nur vage vorstellen, wie er von jetzt an den Unterhalt für seine Familie verdienen sollte. Doch trotz all der Unsicherheit und Zweifel fühlte er sich dennoch total erleichtert. »Ich hätte heulen können, vor Freude, meine ich. Dass ich nie wieder Schweine töten würde. Dass ich das nie mehr tun musste.«

Es war allerdings auch nicht so, als hätte er wirklich eine Wahl gehabt. Er konnte es einfach nicht mehr: Die Besucher auf seinem Bio-Schweinebauernhof herumführen und ihnen etwas über seine »für das Tier artgerechte« Haltung erzählen. Ihnen die große Weide vorführen, auf der sich seine Schweine suhlten und herumwühlten. Das Lob der Kundschaft in seinem Laden annehmen, weil er so gut für seine Tiere sorgte, und dass man das ganz deutlich herausschmecken könne. »Mein Leben war eine Lüge. Ich belog die Kunden, und ich belog mich selbst. Ich sagte das, was ich sagen musste, um meine Produkte zu verkaufen, und damit ich mich auch weiterhin selbst gut fühlte. Aber ich wusste tief in mir, was da passierte, wenn ich meine Tiere zum Schlachter brachte, und das hatte nichts mehr mit Tierwohl gemein.«

Während Gustaf seine Geschichte erzählt, sitzt er in einem Lehnstuhl, der in einer Ecke seines Gemüsegewächshauses steht. Ein paarmal rückt er unbehaglich vor und zurück, bevor er weiterspricht. »Das erste Mal, als ich im Schlachthof dabei half, ein Schwein zu töten, fühlte ich mich stolz. Stark.« Es ist einige Sekunden still, als ob er darüber zweifelt, ob er den nächsten Satz aussprechen soll. Sein Mund öffnet sich und schließt sich wieder. Und dann überwindet er sich doch. »Es gab mir ein Gefühl von Macht.«

Schämt er sich dafür, wenn er jetzt so darauf zurückblickt? »Ja und nein. Ja, ich finde es ekelhaft, was ich mit meinen Schweinen gemacht habe. Und ich finde die Vorstellung davon, dass ich daraus auch noch etwas wie eine Art Befriedigung zog, ebenfalls widerlich. Ich bin eigentlich ein sanftmütiger Mensch – diese Seite kannte ich gar nicht von mir. Will ich vielleicht auch gar nicht kennen. Aber Schämen trifft es nicht genau, denn du musst verstehen, dass ich in den ersten Jahren als Schweinebauer aufrichtig glaubte, dass es in moralischer Hinsicht gut war, was ich da tat. Ich glaubte daran, weil ich mein Tun mit der Art und Weise verglich, wie es in der intensiv betriebenen Viehwirtschaft zugeht. Aus meiner Sicht beteiligten sich daran die schlechten Bauern. Schlecht für die Tiere, schlecht für die Gesundheit der Menschen durch das kontaminierte Fleisch, das sie herstellten, schlecht für die Umwelt; und ich war in allem das Gegenteil. Ich war der Kleinbauer, derjenige mit dem Label ›artgerechte Haltung und Schlachtung‹ für sein Fleisch, der good guy. Wie hätte ich mich also anders als gut fühlen können im Angesicht der Entscheidung, die ich getroffen hatte?«

Bevor er Schweinebauer wurde, war Gustaf Söderfeldt ein Städter. Er und seine Freundin Caroline entschlossen sich mit Ende zwanzig, aufs Land zu ziehen – sie suchten die Ruhe, wollten sich mehr in der Natur bewegen, draußen mit ihren Händen arbeiten. Bauer zu werden war am naheliegendsten, um im ländlichen Raum Geld verdienen zu können, und alle Bauern, die sie kannten, hielten Nutztiere. Das passte wunderbar: Sie beide liebten Tiere. Und sie gruselten sich vor den übervollen Ställen in der Massentierhaltung, die sie manchmal im Fernsehen zu sehen bekamen, die rappelvollen Tiertransporter, das mit Antibiotika und Stresshormonen gespickte Fleisch, das man im Supermarkt kaufen konnte. »Wir wollten es anders machen. Wir wollten fröhliche Tiere halten, für die wir gut sorgen würden und die wir auf schmerz- und stressfreie Art töten wollten, um sie zu ehrlich hergestelltem Fleisch zu verarbeiten.«

Die Pioniere


Sie verkauften ihr Haus in der Stadt, erwarben ein Stück Land in einem kleinen Dorf und brachten sich mit Büchern und Seminaren das Bauernhandwerk bei. Sie legten sich eine Handvoll Schweine zu, ein paar Schafe, Ziegen, Hühner und Enten – und schienen auf dem schwedischen Markt eine Lücke besetzt zu haben. Die Anrainer wurden wie von einem Magneten von diesem neuen Bauernhof mit dem frischgebackenen Bauernpärchen angezogen. Sie kamen, um die sich frei auf dem Gelände bewegenden Tiere auf dem Hof anzusehen, die jungen Eigentümer mit ihrer idealistischen Sichtweise und den fast schon altertümlich anmutenden überschaubaren Ausmaßen des Betriebes. Immer mehr Besucher fuhren auf dem Hof vor und erkundigten sich, ob sie eine Führung bekommen konnten, und um »ehrlich hergestelltes« Fleisch zu kaufen. Dieses Fleisch war teuer, viel teurer als jenes, das im Supermarkt erhältlich war oder auch beim örtlichen Metzger. Und doch kauften die Leute es. Sie zahlten nicht allein für den besseren Geschmack, sondern auch für ein gestreicheltes Gewissen. Immerhin, sie aßen gutes Fleisch, von guten Schweinebauern. Innerhalb kurzer Zeit stieg die Nachfrage so stark an, dass Gustaf und Caroline Schweine nachkauften und ein Geschäft in der nicht weit entfernten Stadt eröffneten, in dem sie ihre Fleischprodukte verkauften.

Der Bauernhof florierte.

Gustaf verdorrte innerlich.

»Im Verlauf der Jahre veränderte sich etwas in mir. Immer öfter schaute ich den Schweinen in die Augen, als ich sie in den Tiertransporter trieb, um sie zum Schlachthof zu transportieren, und mir wurde bewusst, dass sie Todesangst hatten. Dass sie zwar meinen Befehlen nachkamen, als ich nach ihnen rief, weil sie es nun mal so gewohnt waren und ihnen ja auch nichts anderes übrig blieb, aber dass sie anderweitig Widerstand leisteten. Wie sie mich anschauten. Wie sie hinter mir herliefen, als sie vorausgehen sollten. Wie sie schrien – Schweine können ziemlichen Lärm machen, wenn sie Angst haben.«

Wenn er einige Stunden nach so einem Transport zum Schlachthaus wieder Besucher auf seinem Hof herumführte, überlegte Gustaf oft, ob er seinen Kunden einmal ehrlich aus dem Schlachthaus berichten sollte und von den Geräuschen, die seine Schweine darin von sich gaben. »Markerschütternde Schreie«, erinnert er sich. »Schrill. Hoch. In Todesangst. Sie wussten es, sobald wir dort ankamen. Natürlich wussten sie es, sie hörten das Quieken der anderen Schweine, die drinnen auf ihr Schicksal warteten. Und sie rochen das Blut. Selbst ich roch es – diesem Geruch kann man nicht entkommen.«

Gustaf schaute sich seine Kundschaft an und fragte sich, was passieren würde, wenn er ihnen erzählte, wie seine Schweine sich gesträubt hatten, als sie bei der Schlachtung an der Reihe waren. Dass die Schlachter sie deshalb mit brachialer Gewalt festhalten mussten. »Wie würden meine Kunden wohl reagieren, wenn sie wüssten, dass ich die Ferkel kurz nach der Geburt von ihren Müttern trenne, weil es sich nun mal so verhält in der Fleischindustrie, und dass die Muttersauen dann versuchen, zu ihnen zu rennen, was ich natürlich verhindere. Sie bekommen Panik, weil es eben genau das ist, was Mütter empfinden, wenn sie nicht für ihre Nachkommen da sein und sorgen dürfen.«

Er tat nichts dergleichen, denn: »Ich wusste, dass dann kein einziger Kunde mehr übrig bleiben würde.« Also lächelte er und schwieg und nahm das Lob entgegen, wodurch er sich zunehmend unwohler in seiner Haut fühlte. In Gustafs Leben stimmte etwas nicht, aber er wusste auch nicht, wie er es anders hätte machen sollen. So sah das Leben eines Bauern nun mal aus. Das hatten Caroline und er so gewollt, das war ihr Lebensunterhalt. Auf alle Fälle erledigten sie ihre Arbeit auf ehrenvolle Weise: Andere Bauern aus der Gegend überließen die Drecksarbeit billigen Schlachthäusern, die nichts auf Tierwohl gaben. Gustaf nicht. »Ich wollte nicht so sein wie die Leute aus der Stadt, die im Supermarkt verpackte, zurechtgeschnittene und unkenntlich gemachte Fleischprodukte kaufen. Die angeblich gegen Tierquälerei sind, aber nicht wissen wollen, was mit dem Stück Fleisch passiert ist, das auf ihrem Teller liegt. Und ich wollte nicht so sein wie die anderen Bauern, die ihre Tiere von anderen schlachten lassen. Ich wollte Verantwortung übernehmen.«

Also brachte er seine Tiere eigenhändig zum Schlachthof. Und setzte eigenhändig das Bolzenschussgerät an oder hielt das Tier fest, wenn andere es taten. »Die ersten Male gab mir das noch diesen Kick von Macht. Danach fühlte ich mich immer schlechter, abgestumpfter – aber ich begriff einfach nicht, was mit mir los war.«

Die Krise


Und dann kam der Nachmittag, als er nach der Fütterung der Schweine in die Wohnküche kam, wo Caroline mit bleichem, starrem Gesicht saß, vor ihr auf dem Tisch der aufgeklappte Laptop. Sie erzählte ihm, dass sie auf YouTube stundenlang Videos über Veganismus angeschaut hatte, in denen Aktivisten erläuterten, warum es so etwas wie Fleischherstellung, die mit Tierwohl in Einklang zu bringen sei, nicht gab. Da wurde...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2022
Übersetzer René Stein
Sprache deutsch
Original-Titel Ooit aten we dieren/Once upon a time we ate animals
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2022 • eBooks • Ernährung • Gemüse Kochbuch • Gesellschaft • invitro fleisch • Jonathan Safran Foer • Karen Duve • Kochbuch • Kochbücher • Kochbuch vegetarisch • Kochen • Laborfleisch • Neuerscheinung • Neuerscheinungen 2022 • Niko Rittenau • Tierethik • Tierwohl • Utopie • Vegan • Veganismus Buch • Vegan Kochbuch • Vegetarisch • vegetarische Kochbücher • Vegetarisches Kochbuch • Vegetarisch Kochen
ISBN-10 3-641-29066-X / 364129066X
ISBN-13 978-3-641-29066-5 / 9783641290665
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