Aufholjagd (eBook)

Der Kampf um Kunden, Ideen, Innovationen - Wie die deutschen Autobauer zurück an die Weltspitze wollen - Ein SPIEGEL-Buch
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2022 | 1. Auflage
304 Seiten
Deutsche Verlags-Anstalt
978-3-641-28768-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Aufholjagd -  Simon Hage,  Martin Hesse
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Schicksalsjahre für die deutsche Autoindustrie: Haben BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen und Co. noch eine Zukunft?
Zu lange haben die deutschen Autohersteller die Bedeutung der Digitalisierung und des Klimawandels unterschätzt ? Rivalen wie Tesla, Tech-Riesen wie Google und Apple, aber auch zahlreiche chinesische Hersteller wissen das längst für sich zu nutzen: Sie alle investieren bereits massiv in die klimafreundliche, digital vernetzte Mobilität der Zukunft.

Doch die Aufholjagd hat begonnen: Während Volkswagen und Audi den Frontalangriff auf Elon Musk wagen, Daimler sich wieder auf seinen Markenkern besinnt und BMW die vielversprechendsten Zukunftstechnologien auslotet, schicken sich ambitionierte Start-ups an, massentaugliche Autos zu entwickeln, die noch vor Kurzem als undenkbar galten.

Simon Hage und Martin Hesse dringen vor in die Schaltzentralen der deutschen Autokonzerne, die dramatische Stunden durchleben. Denn die nächsten Jahre werden entscheiden, ob sie es schaffen, die Weltspitze zurück zu erobern - oder ob mit ihnen der wichtigste Wirtschaftszweig Deutschlands abgehängt wird.

Simon Hage, geboren 1980, war Redakteur beim »Manager Magazin«, bevor er 2015 ins Wirtschaftsressort des SPIEGEL wechselte. Dort schreibt er über die Dieselaffäre, die Transformation der Autokonzerne und die zunehmende Bedeutung von Klimawandel und Digitalisierung für die ganze Industrie.

2 Die Revolution:
Deutschlands Schlüsselindustrie in der Defensive


Stunde Null für die Autobranche


Am 1. April 2020 beginnt für Audi eine neue Ära. Markus Duesmann betritt die Firmenzentrale in Ingolstadt, ein helles, freundliches Gebäude mit großem Foyer und gemütlicher Kaffeebar. Gewöhnlich tummeln sich hier Dutzende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auf ihren Laptops Präsentationen vorbereiten oder einen Pausensnack einnehmen. Doch an Duesmanns erstem Arbeitstag wirkt die Zentrale wie die Kulisse für einen Katastrophenfilm. Foyer, Flure und Büros: verlassen. Die Kaffeebar: dicht gemacht.

Ganz Deutschland steckt coronabedingt im Lockdown, eine absurde Situation. Formal ist Duesmann neuer Chef von 90 000 Audianerinnen und Audianern. Doch die befinden sich überwiegend im Homeoffice oder in Kurzarbeit. Duesmann herrscht über ein weitgehend menschenleeres Reich. Er soll seinen Leuten neuen Kampfgeist einhauchen – ohne die meisten von ihnen überhaupt persönlich treffen zu können.

Nur seine wichtigsten Mitstreiter, Vorstände und Führungskräfte, hat Duesmann an diesem ersten Tag in die Zentrale bestellt. Die Stimmung ist angespannt, was dadurch verstärkt wird, dass die Anwesenden notgedrungen Abstand halten müssen. Bis in den Abend hinein lässt sich der neue Audi-Chef die Pläne für aktuelle und künftige Modelle präsentieren. Vieles missfällt ihm. Teils die mangelnde Profitabilität eines Fahrzeugs, teils das Design. »Wir leben davon,« warnt Duesmann eindringlich, »dass der Kunde unsere Autos wirklich haben möchte.«

Wie ernst er diese Botschaft meint, bekommen die Managerinnen und Manager umgehend zu spüren: Gleich am ersten Arbeitstag feuert Duesmann den Leiter einer Modellbaureihe vor versammelter Mannschaft. Dessen Präsentation erscheint ihm derart unambitioniert, dass er der verdutzten Führungskraft keine zweite Chance mehr geben will. »So was will ich nicht noch mal sehen!«, befindet Duesmann. »Ich brauche keinen, der mir einen halben Tag lang erklärt, warum es nicht besser geht.« Die übrigen anwesenden Topmanager, die trotz Lockdowns in die Zentrale gekommen sind, wirken tief beeindruckt. Genau das hat Duesmann beabsichtigt: »Als Chef muss man gelegentlich wie ein Löwe auftreten«, erklärt er später den Autoren dieses Buches. »Wenn du einmal hart zubeißt, dann haben die Leute ewig Respekt vor dir.«

Duesmann will, wenn nötig, »Zähne zeigen«. Denn sein neuer Arbeitgeber braucht dringend einen Neustart. Der Werbespruch, der schon lange in großen weißen Lettern an der Audi-Zentrale prangt, wirkt zu jener Zeit nur noch wie ein schlechter Witz: »Vorsprung durch Technik«. Schon bei seinem Ex-Arbeitgeber BMW hat Duesmann beobachtet, wie dieser Vorsprung immer weiter schrumpfte. Audis glorreiche Zeit als innovative Speerspitze der globalen Autoindustrie scheint lange vorbei. Einst erfanden Audi-Ingenieure den berühmten Vierradantrieb »Quattro«. An den Standorten Ingolstadt und Neckarsulm entwickelte man Dieselmotoren, forschte aber auch an neuen Antrieben wie Erdgas oder Brennstoffzelle. Den Wandel zur E-Mobilität haben die Audianer jedoch lange versäumt.

Statt frühzeitig neue Technologien zu entwickeln, setzte Audi auf den alten Dieselantrieb – teils mit illegalen Mitteln. Als die Politik dann aber die Abgasregeln verschärfte, programmierten Audi-Ingenieure die berüchtigte »Akustikfunktion«, jene Abgassoftware, die Dreckschleudern auf dem Prüfstand in vermeintlich saubere Ökomobile verwandelte. Duesmanns Vorvorgänger Rupert Stadler saß deshalb zeitweilig in U-Haft, nun muss er sich vor Gericht verantworten. »Vorsprung durch … Betrug« titelte der SPIEGEL 2017.

Die fatale Folge: Der Ruf der Dieseltechnologie, erfunden vom deutschen Ingenieur Rudolf Diesel, ist komplett ruiniert. Dabei galt sie unter Autoexperten als relativ effiziente, schadstoffarme Antriebsart. Ohne den Betrug wäre sie womöglich noch heute ein Erfolgsmodell, eine Alternative zur E-Mobilität oder zumindest eine gefragte Übergangstechnologie. Doch schon kurz nach Bekanntwerden des Skandals rauschten die Verkaufszahlen der ehemaligen deutschen Bestseller-Technologie nach unten, getrieben durch Fahrverbote, die Politiker in vielen Innenstädten verhängten.

Dieselgate katapultierte nicht nur Audi, sondern die gesamte deutsche Autoindustrie in eine Vertrauenskrise. Die Regierungen in Berlin und Brüssel, die ihren Job- und Wohlstandsmotor lange vor allzu strengen Regeln verschont hatten, zwingen die Hersteller neuerdings mit strengen CO2-Grenzen zum Umdenken. Aber auch Kunden und milliardenschwere Investoren blicken kritischer als bisher auf die Industrie. Parallel zur Abgasaffäre reifte in der Gesellschaft das Bewusstsein, den Klimawandel deutlich entschlossener bekämpfen zu müssen als bisher. Bewegungen wie die Initiative »Fridays for Future« stellen den Sinn des Autos und der individuellen Mobilität grundsätzlich infrage. Microsoft-Gründer und Multimilliardär Bill Gates warnt die hiesigen Autobauer im »Handelsblatt« vor einer »riesigen Tragödie«. Viele Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel, wenn Volkswagen und Co. sich bei der E-Mobilität nicht durchsetzen könnten.

In den vergangenen Jahren erlebte die Branche das, was Wissenschaftler in der angelsächsischen Welt als »perfect storm« beschreiben, einen perfekten Sturm aus Imageproblemen, technologischem Wandel, aggressiveren Wettbewerbern und einer globalen Absatzschwäche, die sich zuletzt noch einmal verschärfte: Die Pandemie führte zu einem Boom der Laptops, Fernseher und Spielekonsolen – und in dessen Folge zu einer Knappheit an Computerchips, unter der die Branche noch mindestens im Jahr 2022 zu leiden hat. Denn Halbleiter stecken heute in fast jedem wichtigen Autoteil, vom Scheibenwischer bis zum elektrischen Fensterheber. Der Engpass legt die technologische Schwäche der deutschen Autohersteller schonungslos offen, auch wenn er ihnen – rein finanziell betrachtet – kurzfristig paradoxerweise sogar hilft: Weil BMW, Audi und Daimler bevorzugt große, teure Fahrzeuge mit den knappen Chips ausstatteten, stiegen ihre Gewinne 2021 auf Spitzenniveaus.

In kurzer Zeit müssen Hersteller wie Audi, BMW oder Daimler einen epochalen Wandel nachholen, den sie jahrelang ignoriert haben. Sie haben den Verbrennungsmotor groß gemacht und mit ihm goldene Jahrzehnte mit immer neuen Rekordgewinnen erlebt.

Doch die Technologien der Zukunft – Batterietechnik, Computerchips, Software, autonomes Fahren und Mobilitätsdienste – werden plötzlich nicht mehr von den Erfindern des Automobils, sondern von Hightech-Konzernen aus den USA oder Asien dominiert. Neulinge wie Tesla haben es besser und schneller als die Platzhirsche geschafft, Megatrends wie Klimawandel und Digitalisierung zu erkennen – und daraus erfolgreiche Geschäftsmodelle zu entwickeln. Aus jahrzehntelangen Vorreitern der Branche sind heute Nachzügler geworden.

In den deutschen Autokonzernen selbst ist indes eine Art Kulturkampf entbrannt. Dass sie sich wandeln müssen, ist mittlerweile unstrittig. Doch die Frage, wie schnell der Umbruch gehen soll und wie alternativlos er tatsächlich ist, entzweit die traditionellen Hersteller – untereinander und auch intern. Während vor allem Audi und Daimler sich in kurzer Zeit zu reinen Elektroauto-Anbietern mit eigener Batterieproduktion und großer Softwareabteilung entwickeln wollen, schlägt BMW einen Sonderweg ein: Die Münchner plädieren für Technologieoffenheit – sie glauben weiterhin an Alternativen wie den Brennstoffzellenantrieb. BMW-Manager warnen die deutsche Autoindustrie davor, im Wettlauf mit neuen Rivalen wie Tesla eigene Kernkompetenzen zu vernachlässigen. Die qualitativ besten und sichersten Autos, glaubt BMW-Chef Oliver Zipse, würden immer noch in Deutschland entwickelt. Auch Zulieferer beklagen, die Autonation lege sich zu schnell und zu radikal auf die E-Mobilität fest.

Bei allem Willen zum Wandel ist die Unsicherheit zu spüren, die er auslöst – in den Chefetagen, aber auch bei einfachen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die damit zurechtkommen müssen, dass nicht mehr Motorenentwickler oder Getriebebauer die Stars der Branche sind, sondern Programmierer und IT-Entwickler.

Wir, die beiden Buchautoren, haben die deutsche Autoindustrie mehr als ein Jahr lang auf ihre Zukunftsfähigkeit hin durchleuchtet und mit vielen ihrer prominentesten Vertreter gesprochen, darunter die Bosse von Volkswagen, BMW und Daimler, aber auch mit Beschäftigten quer durch die Hierarchieebenen. Dazu zählt etwa Audi-Strategiechefin Silja Pieh, die mit den autoritären Gepflogenheiten der Industrie brach – und gemeinsam mit 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den neuen Masterplan des Premiumherstellers entwickelt hat. Oder Denise Nepraunig, eine junge Programmiererin, die bewusst von einem Softwareunternehmen zu VW gewechselt ist, um in dem Traditionskonzern den Übergang in die digitale Zukunft zu gestalten.

In diesem Buch analysieren wir aber auch Stärken und Schwächen großer Herausforderer. Wir begeben uns auf die Spuren zweier Unternehmer und Multimilliardäre, die für Journalisten kaum zu greifen sind, die aber die Branche in den nächsten Jahren verändern dürften wie kaum jemand anderes: Elon Musk, der Chef von Tesla, sowie Li Shufu, Daimler-Großaktionär und Boss des chinesischen Autoriesen...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2022 • Antriebstechnik • Apple • Audi • Auto Alternativen • Automobilbranche • BMW • Dieselskandal • Digitalisierung • Disruption • E-Autos • eBooks • Elektromobilität • Elon Musk • Innovation • Mercedes • Mercedes Benz Buch • Neuerscheinung • Selbstfahrende Autos • Sion • Solarauto • Sono Motors • Tesla • Volkswagen • VW • Wirtschaft
ISBN-10 3-641-28768-5 / 3641287685
ISBN-13 978-3-641-28768-9 / 9783641287689
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