Zehn Dinge, die ich an der Schule hasse (eBook)

Und wie wir sie ändern können - Ein Aufruf zum Handeln - vom Lehrer und Bildungsinfluencer @netzlehrer

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
240 Seiten
Mosaik bei Goldmann (Verlag)
978-3-641-28701-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zehn Dinge, die ich an der Schule hasse -  Bob Blume
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Die Welt hat sich verändert - die Schule nicht. In diesem Buch prangert Lehrer und Blogger des Jahres Bob Blume zehn Dinge an, die verändert werden müssen, damit die Schule endlich im 21. Jahrhundert ankommt. Denn wir können es uns in einer globalisierten Welt nicht leisten, die wichtigste Ressource, die wir haben, in guter Hoffnung sich selbst zu überlassen. Ob Lehrermangel, Probleme bei der Digitalisierung, Notendruck, nicht mehr zeitgemäße Lehrerausbildung oder überfrachtete Lehrpläne - Bob Blume kennt die Probleme an Schulen aus eigener Erfahrung. Er legt die Defizite offen und zeigt Lösungswege auf. Und macht klar: So können wir nicht weitermachen. Wir müssen handeln! Schließlich geht es um die Zukunft unserer Kinder.

Bob Blume ist Lehrer, Blogger, Podcaster und Bildungsinfluencer. Er studierte Germanistik, Anglistik sowie Geschichte und arbeitet nun als Oberstudienrat an einem Gymnasium in der Nähe von Baden-Baden. Daneben schreibt er Fachbücher zum Lernen im digitalen Wandel und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. Zudem ist Bob Blume ein gefragter Experte in der deutschen Medienlandschaft zum Thema Schule. Bei der Verleihung der Goldenen Blogger 2022 wurde er als Blogger des Jahres ausgezeichnet.

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Unterricht ist erstarrt

Warum ist Unterricht so langweilig?

Erster Vorschlag bei Google

Wenn man bei Google die Wörter »Warum ist Unterricht so …« eingibt, beendet die Suchmaschine den Satz mit dem Wort, das oben im Zitat zu lesen ist. Das ist also das, was Menschen am meisten, und man darf getrost vermuten, dass es sich dabei um Schüler handelt, wissen wollen. Um herauszufinden, warum Unterricht oft als so langweilig empfunden wird, hat man sich anzuschauen, was genau das eigentlich ist: Unterricht.

Als ich selbst noch Schüler war, war meine Vorstellung davon, was Unterricht ist, sehr naiv. Die Lehrer, so dachte ich, betreten den Klassenraum und wissen, was sie fragen oder sagen müssen. Und dann fragen sie, und man antwortet als Schüler nach bestem Wissen. Oder labert halt rum. So in der Art. Ein solches Bild von Unterricht hatte nicht nur ich, ein solches haben heute immer noch viele: Die Anschauung davon, wie Unterricht funktioniert, was die Lehrer in diesem tun und wie lange eine Stunde dauert, stammt aus einer Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Die immer noch an vielen Schulen bestehende Zeiteinheit von fünfundvierzig Minuten wurde 1911 vom preußischen Kultusminister August von Trott zu Solz eingeführt (um den Nachmittagsunterricht zu kippen, die bisherige Unterrichtszahl aber zu erhalten, wurde einfach jede Stunde um fünfzehn Minuten gekürzt). Innerhalb dieses Zeitrahmens konnte dann der Lehrer sein Wissen den Schülern überstülpen. Die enge Taktung samt Ausrichtung der Klasse auf die vorne stehende Person hat sich bis dato wenig geändert, höchstens an Modellschulen oder neuen Schulformen. Man könnte auch formulieren: Unterricht im 21. Jahrhundert sieht sehr oft noch so aus wie Unterricht im 19. Jahrhundert. Wir bereiten Schüler unter Bedingungen der Vergangenheit auf die Zukunft vor.

Als ich nach dem Lehramtsstudium das erste Mal damit konfrontiert wurde, worum es bei der theoretischen Planung von Unterricht geht, war ich fasziniert und abgestoßen zugleich. Denn diese hatte so gar nichts mit dem zu tun, was ich mir vorgestellt hatte. Unterricht ist in dieser Form eine auf die Minute getaktete Einheit.

Später konnte ich aber auch ganz anderes feststellen. Dass es nämlich immer noch Lehrer gibt, die Unterricht so durchführen, wie in dem dummen Witz zwischen Autodidaktik, Schwellendidaktik und Hammerdidaktik unterschieden wird. Danach ist der Autodidaktiker jemand, der sich im Auto auf dem Weg zur Schule überlegt, was man heute unterrichten könnte. Der Schwellendidaktiker überlegt sich auf dem Weg zum Klassenzimmer, was man machen wird, und entscheidet dies beim Betreten des Raums (bei Überwindung der Türschwelle). Und der Hammerdidaktiker beginnt die Stunde mit der Frage: »Was hamma denn letzte Stunde gemacht?« Haha.

Alle drei Varianten sind Realität und kommen häufiger vor als gedacht, sie sind aber noch kein Unterricht in dem Sinne, wie man ihn in der Fachdidaktik lernt. Wobei eine lockere Diskussion oder ein wenig Spaß sicherlich kein Problem darstellen. Im Gegenteil: Offener und authentischer Austausch kann zu den besten Stunden überhaupt führen. Das größere Problem ist da eher, dass das transportierte Unterrichtsideal, der Kern jeder Lehrerausbildung, so unrealistisch wie starr ist.

Um zu verdeutlichen, warum ich standardisierten Unterricht hasse, muss ich ihn zunächst erklären. Da müssen Sie jetzt durch.

Man könnte sagen, dass es grundsätzlich zwei Versionen von Unterricht gibt. Einmal den, den man im Referendariat durchführen soll. Den guten Unterricht also. Und einmal den Unterricht, den man danach macht. Davon abgesehen gibt es natürlich ungefähr so viele Vorstellungen davon, was guter Unterricht ist, wie es Fachleiter gibt, also jene Leute, die junge Referendare ausbilden. Aber das ist an dieser Stelle zu ignorieren, da man sonst zu ganz anderen Defiziten im deutschen Bildungsdschungel gelangt. Gehen wir also vom Idealzustand aus.

Was also den meisten Referendaren als guter Unterricht verkauft wird, ist ein Konglomerat von ungefähr fünfzig verschiedenen Aspekten, auf die man zu achten hat. Es können auch mehr sein. Das ist kein Scherz. Dabei geht es nicht nur um die theoretische Planung, die wissenschaftlich fundiert ausgearbeitet werden muss (sofern man keinen Kollegen aus dem vorherigen Jahrgang hat, den man fragen kann). Alle einzelnen Phasen sind danach so zu planen, dass sie ineinandergreifen und währenddessen noch einem höheren Ziel dienen, dem Lernziel (das oftmals Kompetenz heißt, aber dasselbe darstellt). Währenddessen müssen die Schüler zum wichtigsten Baustein geführt werden: dem Unterrichtsgegenstand. Dieser ist kein wirklicher Gegenstand, sondern vielmehr eine Erkenntnis. Eine, die die meisten jungen Leute eigentlich gar nicht haben wollen, aber immerhin: eine Erkenntnis.

Und um diese muss dann alles Mögliche geplant werden, damit auch möglichst alle Schüler – unabhängig davon, ob sie Lust haben, sich mit dem Thema zu befassen – flächendeckend aktiviert werden. Sie erinnern sich sicher an Unterricht, in dem der Lehrer nur mit zwei Leuten sprach – plus diesem einen Schüler, der immer sagte, dass er dies auch sagen wolle. Genau so darf es nicht sein.

All diese fünfzig oder mehr Elemente schlicht für falsch oder abkömmlich zu halten ist dennoch nicht angebracht. Darüber Bescheid zu wissen, wie viele Aspekte beim Unterrichten eine Rolle spielen, ist fundamental. Logisch, ansonsten bräuchten wir keine Lehrer mehr, denn dann könnte sich ja jeder vors Pult stellen und sagen, welche Seite als Nächstes bearbeitet wird. Falls Sie solche Lehrer kennen: Ja, das ist ein Problem, und mit dem werden wir uns auch noch befassen.

Der springende Punkt ist aber ein anderer. Um diesen zu verstehen, ist es notwendig, tiefer in die Unterrichtsstruktur zu gehen. Und ich meine jetzt nicht real, wie jene Eltern, die in der Pandemie während des Video-Unterrichts Mäuschen gespielt haben.

Unterricht besteht, wie schon erwähnt, aus Phasen. Eine solche Phase ist beispielsweise der Einstieg. Das kennt jeder aus seiner eigenen Schulzeit: Der Lehrer wirft ein Bild mit dem Overheadprojektor an die Wand. Ja, diese veraltete Technik existiert immer noch. Die Folien werden dann auf die nicht mehr funktionierenden Smartboards geworfen, die vor zehn Jahren als Heilmittel für digitalen Unterricht gekauft wurden. Aber das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls sagen dann nach dem Einstieg alle, was sie sehen und darüber denken, und am Ende macht man ein Arbeitsblatt, und keiner erinnert sich mehr an den Anfang. Theoretisch ist das anders gedacht. Eigentlich müsste ein solcher Einstieg zu einer Frage führen. Oder ein Thema »vorentlasten«, wie es mit einer dieser furchtbaren fachdidaktischen Vokabeln heißt. Das bedeutet: Die Gehirne der jungen Leute sind nun dort, wo man sie haben will, und man kann die Synapsen sanft eine Dimension tiefer vorstoßen lassen. Wenn man so will, sind die Zitate zu Beginn der Kapitel genau das. Einstiege, die Sie zu einer Haltung führen, mit der Sie dann mit Freude die hier beschriebenen Thesen lesen. Der Unterschied ist, dass Sie dieses Buch (hoffentlich) aus eigenen Stücken erworben haben.

Dann folgt im Unterrichtskorsett meist etwas, das man Erarbeitungsphase nennt. In ihr arbeiten die Schüler zum Beispiel zusammen, was oftmals bedeutet, dass einer was macht und die anderen gelangweilt auf einem Blatt herummalen. Danach präsentieren alle ihre Ergebnisse, was im Klartext heißt, der Lehrer ruft Schüler auf, die etwas sagen. Wenn es richtig läuft, wird es an der Tafel festgehalten. Wenn nicht, nicht. Zum Schluss der Stunde schreiben alle ab, was an der Tafel steht. Dann gibt es Hausaufgaben. Das nennt man Unterricht.

Man könnte vieles kritisch betrachten, aber sehen wir uns mal eine dieser Phasen genauer an, bevor wir das ganze Konstrukt in den Boden stampfen. Die sogenannte Sicherung. Sie ist sehr beliebt bei Schülern, weil sie den Anschein erweckt, dass das, was an der Tafel steht, quasi das Einzige ist, was zu einem späteren Zeitpunkt wiedergekäut werden muss, Klassenarbeit genannt. Und das Wiederkäuen ist das, was als »Lernen« bezeichnet wird. Zumindest in diesem falschen Verständnis.

Um eine Sicherungsphase zu verstehen, muss man als Lehrer wissen, was man machen muss, um diese so durchzuführen, dass am Ende etwas Bestimmtes herauskommt.

Dazu ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich vor, ich müsste eine Stunde geben, in der ich das Kapitel, das Sie hier gerade lesen, so sichern müsste, dass ich damit eine Lehrprobe, eine Prüfung meines »Live-Unterrichts«, bestehen könnte. Ignorieren wir dabei die Planung, in der ich festlegen müsste, was eigentlich die Haupterkenntnis ist und mit welchen Schritten ich dafür sorge, dass Sie das zum Schluss über das Thema wissen.

Das Wichtigste für die Sicherung wäre die Überlegung: Was muss am Ende an der Tafel stehen? Dazu gehört auch dies: Welche Fragen muss ich stellen, damit meine Vorstellung davon, was am wichtigsten ist, später an der Tafel landet? Wir können das natürlich nicht vollständig durchexerzieren, aber sagen wir mal so: Das Zitat und der erste Absatz sind einführend und bestenfalls unterhaltend. Auch die Passage mit den scherzhaften Unterrichtsteilen erscheint noch wenig relevant. Meine erste Frage wäre also: Was sind die zwei Arten von Unterricht, die hier beschrieben werden? Ich habe ja noch keine Definitionen zu diesen gegeben, aber wir tun dennoch so, als wären die Antworten das, was Sie sich hätten merken müssen. Diejenigen, die sich melden würden, sagen also: »Den guten Unterricht und den, den der...

Erscheint lt. Verlag 9.5.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2022 • ard jugendmedientage • Bildungschancen • bildungsinfluencer • Bildungspolitik • Bildungsreform • Bildungsstandards • Bildungssystem • Bildungsungleichheit • Blogger des Jahres • digitaler unterricht • Digitales Lernen • Digitalisierung • Distanzunterricht • eBooks • Goldene Blogger 2022 • guter Lehrer • Herausforderung • Homeschooling • Künstliche Intelligenz • Lehrermangel • Lehrplan • Markus Lanz • Medienkompetenz • Netzlehrer • Neuerscheinung • Notendruck • Oberstudienrat Bob Blume • Pädagogik • Ratgeber • Schulentwicklung • Schule und Corona • Zukunft
ISBN-10 3-641-28701-4 / 3641287014
ISBN-13 978-3-641-28701-6 / 9783641287016
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