Die Kümmerfalle (eBook)

Kinder, Ehe, Pflege, Rente - Wie die Politik Frauen seit Jahrzehnten verrät
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
272 Seiten
Deutsche Verlags-Anstalt
978-3-641-26779-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kümmerfalle -  Susanne Garsoffky,  Britta Sembach
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Warum Frauen in der Lebensmitte meist den Kürzeren ziehen - ein Buch voller Wut, Kampfgeist und Zuversicht
Frauen halten seit Jahrhunderten den Laden am Laufen, kümmern sich um Kinder und Angehörige. Sie investieren viel in Beziehungen und versuchen zudem, ihren beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Sie kämpfen an allen Fronten und verlieren dennoch. Vor allem in der Lebensmitte gehen immer mehr Ehen und Partnerschaften auseinander. Im Regen stehen diejenigen, die für die Fürsorgearbeit beruflich zurückgesteckt haben: Frauen. Die Politik verweist nur schulterzuckend auf die Gesetzeslage - und die ist aus frauenpolitischer Sicht ein Skandal. Wir sagen: Damit muss Schluss sein. Die Lebensleistung von Frauen - und damit meinen wir Fürsorglichkeit und die Übernahme von Verantwortung für andere - muss endlich anerkannt und sozial abgesichert werden. Frauen sind nun mal anders als Männer, und es ist das weibliche Prinzip, das unsere Gesellschaft zusammenhält.

Susanne Garsoffky, Jahrgang 1968, studierte Geschichte und Politikwissenschaften. Sie arbeitete als Reporterin, Redakteurin und Chefin vom Dienst bei verschiedenen Tageszeitungen und dem WDR und gestaltete unter anderem das frauenpolitische Magazin frauTV. Seit ihrem Umzug nach Schleswig-Holstein schreibt sie gesellschaftspolitische Bücher, arbeitet als Podcasterin und ist Referentin in der Unternehmenskommunikation eines mittelständischen Unternehmens. Sie lebt mit ihren beiden Söhnen einen Steinwurf von der Nordsee entfernt.

EINLEITUNG


Um es gleich vorwegzuschicken: Wir haben die Nase voll. Gestrichen voll, um genau zu sein. Damit jetzt kein Zweifel aufkommt: Wir sind deshalb nicht verzagt oder kleinlaut, wir sind wütend. Wir fühlen uns im Stich gelassen, verraten und verkauft. Und wir haben jeden Grund dazu. Warum das so ist? Weil wir alles geleistet haben, was Frauen im 21. Jahrhundert aus Sicht der politisch Verantwortlichen zu leisten haben. Wir haben sämtliche uns angebotene Chancen ergriffen, gewissenhaft Ausbildungen absolviert und Studiengänge abgeschlossen. Wir arbeiten in aufreibenden Berufen und zahlen dafür in einem nicht unerheblichen Maße Steuern und Sozialbeiträge. Damit nicht genug, haben wir auch noch die durchschnittliche Geburtenrate unseres Jahrgangs übererfüllt und je zwei Kinder geboren, die wir mit vollem Einsatz zu halbwegs zufriedenen Menschen zu erziehen versuchen. Und zwischendurch führen (oder führten) wir mehr oder weniger glückliche Ehen, füllen Kühlschränke, denken an Arzttermine, kochen Mittagessen und/oder Abendbrot und kümmern uns um unsere Eltern. Dafür hätten wir und alle anderen Frauen, die ihre Leben Tag für Tag, Jahr für Jahr so oder so ähnlich leben, mindestens die Zusicherung einer auskömmlichen Rente, wenn nicht gleich einen Lebensleistungsbonus in sechsstelliger Höhe verdient.

Frauen wie wir, Mitte vierzig bis Ende fünfzig, lachen schon an dieser Stelle laut auf. Wir müssen nicht erst unsere Rentenbescheide öffnen, um zu wissen, wo wir stehen. Die Quadratur des Kreises ist den meisten von uns nicht gelungen. Wir haben Familie und Beruf nur in einer Teilzeitstelle miteinander vereinbaren können, dafür auf Gehalt und Karrierechancen verzichtet und damit natürlich auch auf einen auskömmlichen Rentenanspruch im Alter. Dieser Spagat hat uns oft ans Ende unserer Kräfte und unsere Ehen an den Rand der Belastbarkeit getrieben, bei vielen ist nur noch ein Trümmerfeld übrig. Wer sich in der Lebensmitte trennte, dem brach auch noch der letzte Rest partnerschaftlicher Unterstützung weg, und vielen, auch uns, wird erst jetzt bewusst, dass das aktuelle neue Unterhaltsrecht uns keinerlei Schutz bietet. Willkommen in der Kümmerfalle.

Dies ist vielleicht unser persönlichstes Buch. Eine von uns hat eine schwierige und schmerzhafte Scheidung nach einer langen Ehe hinter sich, immerhin aber hat sie die meiste Zeit ihres Berufslebens fest angestellt und fast immer in Vollzeit gearbeitet. Die andere hat als Zuverdienerin und Freiberuflerin einen, zumindest was die eigenständige finanzielle Absicherung angeht, unsicheren Platz in ihrer langjährigen Beziehung. Allerdings hat sie einen Partner an ihrer Seite, der Ehe ganz selbstverständlich als eine Wirtschaftsgemeinschaft sieht, sein verdientes Geld als gemeinsames Einkommen betrachtet und sich ihrer enormen Leistungen als die Kümmernde bewusst ist.

Wären wir Soziologinnen, würden wir wahrscheinlich sagen: Jede Einzelne von uns wird zu einem Symbol für das Ganze. Und das bei aller Einzigartigkeit jeder individuellen Geschichte. Wir werden in diesem Buch einige solcher Geschichten erzählen, und es ist sicher kein Zufall, wenn Ihnen das ein oder andere Detail vertraut vorkommt. Leider ähneln sich die Geschichten trotz der persönlichen Besonderheiten oft. Vor allem dann, wenn es unschön wird.

Das hat viel mit der ungleichen Verteilung von Sorgearbeit in Partnerschaften zu tun. Denn es sind immer noch wir Frauen, die den Löwenanteil an unbezahlter Arbeit in der Familie leisten. Wir wissen ganz genau, dass wir das eigentlich nicht tun sollten. Die politischen Signale, sogar die entsprechenden Gesetze, sind eindeutig. Seit Jahrzehnten wird uns um die Ohren gehauen, dass wir auf keinen Fall Zeit in Haus- und Sorgearbeit, dafür aber viel Zeit in Ausbildung, Beruf und Erfolg stecken sollen. Wir wissen das – und tun dennoch Letzteres viel mehr als Ersteres.

In diesem Buch wollen wir hinschauen, warum das trotz des wachsenden politischen Drucks und des Wissens um die drohende Altersarmut immer noch so ist. Eine Erklärung ist: Weil es diese Arbeit nun einmal gibt. Weil Kinder großgezogen, alte Menschen gepflegt und Haushalte geführt werden müssen. Und zwar 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Da kommt kein Dienstleister mit. Väter oder Söhne schon eher, aber bei ihnen ist trotz anderslautender Bekundungen kein messbarer Verhaltensunterschied zu sehen, wir werden später darauf zurückkommen. Die Arbeit ist da, wir machen sie und werden dabei alleingelassen.

Von unseren Liebsten, von unseren Arbeitgebern, und ja, leider auch von diesem Staat. Eines muss dabei klar sein: Wir übernehmen diese Sorgearbeit nicht nur aus Nachgiebigkeit oder mangelndem Kampfgeist, sondern auch, weil wir es wollen. Weil die Menschen, um die es dabei geht, uns am Herzen liegen. Wir übernehmen Verantwortung für Aufgaben, ohne die ein Miteinander undenkbar ist. Wir geben zu: Auch wir haben über 20 Jahre, zwei Kinder und zwei Bücher dafür gebraucht, um zu erkennen, in welche Falle wir getappt sind. Denn das ist ja das tückische an Fallen: Sie sind gut getarnt, im Unterholz versteckt, sie schnappen erst zu, wenn es zu spät ist.

Wir haben zu gerne dem Märchen geglaubt, dass diese Arbeit, die wir plötzlich mit der Familiengründung im Übermaß tun mussten, nicht wichtig und mit Leichtigkeit zu bewältigen oder abzugeben sei. Wir sind dem Ruf nach unserer eigenen Emanzipation gerne gefolgt, wir wollten in unseren Berufen bestehen und erfolgreich sein, irgendwann auch Familie haben, und haben erst sehr spät gemerkt, dass wir plötzlich zwei Jobs hatten: Unseren eigentlichen und den einer Hauswirtschafterin. Auf Letzteren hatte uns aber niemand vorbereitet, es hatte uns niemand gewarnt. Wie sollte man auch: Denn diese Arbeit gibt es als Arbeit bis heute offiziell nicht. Sie wurde mit der Industrialisierung ins Private verschoben, als Zeitvertreib geringgeschätzt – und damit dem Individuum überlassen. Sie verschwand so aus der öffentlichen Sichtbarkeit und dem Diskurs. Einziges Problem: Sie musste immer noch erledigt werden, denn sie war ja de facto noch da. Das war so lange zu bewältigen, solange Partnerschaften so funktionierten, dass einer (fast immer der Mann) das Geld verdiente und eine (fast immer die Frau) sich um den Rest kümmerte.

Spätestens seitdem der Anspruch an Frauen, am besten immerzu und ununterbrochen vollerwerbstätig zu sein, eindeutig formuliert wurde, brach dieses Konstrukt zusammen. Noch einmal: Die Arbeit war immer noch da. Was dann passierte, haben wir in der Alles ist möglich-Lüge schon detailliert beschrieben:

Wir haben als junge Mütter verzweifelt versucht, es irgendwie hinzukriegen. Jede neu gegründete Familie nach uns steht seither vor demselben Problem. Und alle denken, wie wir damals auch, sie seien ganz allein dafür verantwortlich, wenn es nicht klappt. Auch deshalb sind wir entsetzt: Weil sich, wenn überhaupt, Grundlegendes nur im Zeitlupentempo verändert, Verbesserungen – vor allem für Frauen und Kinder – nur in homöopathischer Dosis verabreicht werden. Die Einführung einer Kindergrundsicherung, einer finanziellen Unterstützung haushaltsnaher Dienstleistungen, wie sie die neue Bundesregierung jetzt plant, sind begrüßenswert, aber waren eigentlich schon vor mindestens einem Jahrzehnt fällig.

Und es ist noch lange nicht genug. Denn nach wie vor ist vor allem die Existenz von Müttern bedroht, wenn Ehen scheitern und sie im Beruf schlecht bezahlt mit verringerter Stundenzahl arbeiten.

Jede Häme an dieser Stelle ist unangebracht, ja eine Frechheit. Und wahnsinnig ungerecht. Denn: Wir sind nicht feige. Wir sind nicht dumm oder unbegabt, nicht bequem und auch keine Schattenfrauen. Wir sind Mütter und Töchter und Ehefrauen. Wir lieben unsere Kinder und haben sie trotz aller Schwierigkeiten großgezogen. Egal, welches Verhältnis wir zu unseren Eltern haben – wir kümmern uns jetzt im Alter um sie.

Wir alle haben viel in unsere Beziehungen gesteckt. Viel Kraft, viel Zeit, viel Liebe und viel Aufmerksamkeit. Das haben wir gerne getan und meist ohne darüber nachzudenken, was wir am Ende dafür bekommen. Jetzt aber, in der Mitte unseres Lebens, kommt etwas auf uns zu, womit wir nicht gerechnet haben: Wir erhalten die Quittung dafür, wie wir unser Leben und unsere Beziehungen führen. In der Mitte unseres Lebens wird abgerechnet. Unsere Kinder gehen aus dem Haus, ohne sich umzudrehen, viele unserer Männer haben uns betrogen, verlassen und feilschen mit uns seit Jahren um Kindesunterhalt und die Aufteilung unserer Ersparnisse, oft genug ziehen sie uns dabei gnadenlos über den Tisch – und der Gedanke an unser Leben im Alter erfüllt uns mit Furcht.

Aber statt Unterstützung ernten wir Spott. Wir lesen, dass wir uns besser um unsere Altersvorsorge statt um unsere Kinder hätten kümmern sollen. Dass wir selbst schuld seien, wenn uns die Vereinbarkeit nicht gelungen ist und unsere Männer uns als erschöpfte Teilzeitarbeiterinnen nicht mehr sonderlich attraktiv und spannend finden.

Dies ist ein Buch von und für Frauen in der Lebensmitte. Und für junge Frauen, die alle diese Erfahrungen noch machen müssen. Die ihre Partnerschaften mit Streitereien belasten müssen, wer wann das Klo putzt und das Erbrochene der lieben Kleinen aufwischt. Es ist ein Buch für Frauen, die sich allen Anforderungen gestellt, mit den damit verbundenen Schwierigkeiten gekämpft und viele davon souverän gemeistert haben. Frauen, die dachten, sie hätten es endlich geschafft. Nun müssen sie und wir erkennen: Wir haben viel geleistet, auf allen Ebenen, beruflich wie privat – und stehen trotzdem im Regen.

Unsere Renten sind halb so hoch wie die der Männer, das Gesetz schützt uns im Falle...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2022 • Alles ist möglich-Lüge • Altersarmut • Care-Arbeit • eBooks • Frauenbenachteiligung • Frauen Corona • Gender care gap • Geschlechtergerechtigkeit • Gleichstellung • Grundrente • Leben nach der Kindererziehung • Lebensleistung von Frauen • Lebensmitte • Mental Load • Midlife Crisis • Neuerscheinung • Pflege Angehörige • Rente reicht nicht • Scheidung • Sozialsystem • Teresa Bücker • Trennung • Unsichtbare Frauen • Unterhaltsrecht • Vereinbarkeit von Familie und Beruf • Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung
ISBN-10 3-641-26779-X / 364126779X
ISBN-13 978-3-641-26779-7 / 9783641267797
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