Korruption. Eine sozialwissenschaftliche Darstellung und Analyse
disserta Verlag
978-3-95935-582-7 (ISBN)
Hartmut Schweitzer wurde 1940 in Hamburg geboren. Er studierte Soziologie, Ethnologie, Politologie, Agrarwissenschaften/Entwicklungspolitik und Psychologie in Kiel und Heidelberg und promovierte 1968 in Soziologie. Nach längerer Tätigkeit in der Marktforschung ab Mitte 1969 wurde er im Frühjahr 1974 Leiter des Planungsstabs des Rektorats der Ruhr-Universität-Bochum. Zum Sommersemester 1974 wechselte er als Dozent für Soziologie an die Pädagogische Hochschule Rheinland in die Abteilung Bonn. Ab 1982 übernahm er den Soziologieunterricht im Seminar für Orientalische Sprachen an der Philosophischen Fakultät an der Universität Bonn. Deswegen reiste er häufig nach China und Ostasien und hatte längere Aufenthalte in Hongkong. An der Universität Marburg habilitierte er mit einer empirischen Arbeit. Seit 1998 ist er Leiter der Abteilung Soziologie im Seminar für Orientalische Sprachen und seit 2008 Mitglied im Institut für Korruptionsprävention (IfKp e.V.) (www.korruptionspraevention.eu.).
Textprobe:Kapitel (4.6) SOZIALE NORMEN: (4.6.1) KORRUPTION ALS NORMVERLETZUNG: Auch ohne nähere Bestimmung dessen, was konkret unter Korruption verstanden wird, besteht weitestgehende Übereinstimmung in der Wissenschaft darüber, dass korrupte Handlungen eine Verletzung von Normen beinhalten. Die Diskussion der unterschiedlichen Ansätze im dritten Kapitel zeigt jedoch, dass die Meinungen darüber, welche Normen denn in welcher Weise durch Korruption verletzt werden, ziemlich weit auseinandergehen. So vertreten viele Juristen die Auffassung, korruptes Handeln sei immer strafwürdig oder anders ausgedrückt: nur ein Handeln, das auch eine fixierte Rechtsnorm verletzt, kann als korrupt bezeichnet werden. Diese Ansicht ist aufgrund der spezifischen Blickrichtung der Juristen durchaus verständlich, sie wird aber vor allem von - im weitesten Sinne verstanden - sozialwissenschaftlich ausgerichteten Forschern als zu eng kritisiert, da ihrer Meinung nach nur relativ wenige Handlungen, die unter den Begriff Korruption subsumiert werden müssen, tatsächlich von Strafrechtsnormen erfasst werden. Daraus ergibt sich andererseits, dass viele dieser von ihnen als korrupt verstandenen Handlungen ohne strafrechtliche Folgen bleiben (müssen), eine Vorstellung, die sowohl Juristen als auch solchen Beobachtern, die Korruption unter vorwiegend moralischen Aspekten betrachten, offensichtlich Unbehagen bereitet, denn eine ausbleibende Strafverfolgung erscheint bei einer solchen Betrachtung zunächst einmal als ein unverständliches, ja unerhörtes Versäumnis durch die Legislative und / oder die Exekutive. Sie muss jedoch für eine Gesellschaft insgesamt nicht von Nachteil sein, da ein zu dichtes Netz fixierter Regelungen eine Reihe unerwünschter Nebenwirkungen produzieren kann, die mögliche Vorteile solcher Regeln u. U. mehr als kompensieren. So interpretieren ja durchaus einige Experten korrupte Handlungen vor allem als "Notwehrmaßnahmen" gegen solche staatlichen Normen, die die Kosten eines "normalen" Vollzugs sozialer, politischer oder ökonomischer Aktivitäten, aus welchen Gründen auch immer, unangemessen in die Höhe treiben, damit prohibitiv wirken und dadurch - u. U. sogar extrem - wohlfahrtsmindernd wirken. Solche Normendifferenzen sind vor allem dann zu erwarten, wenn in einem Subsystem der Gesellschaft, beispielsweise dem politischen System, Normen gelten bzw. durchgesetzt werden, die mit denen des militärischen, administrativen oder ökonomischen Subsystems nicht kompatibel sind und ein reibungsloses Funktionieren dieser Subsysteme verhindern. Obwohl alle diese Aussagen unzweifelhaft einen Teil der Wirklichkeit beschreiben, reichen sie zur Beschreibung der Normverletzung durch Korruption nicht aus. Voraussetzung für deren Analyse ist die Tatsache, dass eine der wichtigsten Errungenschaften der immer komplexer gewordenen menschlichen Gesellschaften die Entwicklung, Durchsetzung und Akzeptanz von Normen ist, deren Reichweite den engen Bereich der Familie oder des Klans überschreitet. Dabei wird der Begriff der Norm hier nicht im Sinne einer statistisch feststellbaren sehr großen Häufigkeit eines bestimmten Verhaltens von Gruppenmitgliedern verstanden, eines Begriffes also, der Normen als gewohnheitsmäßig entstandene Verhaltensregelmäßigkeiten definiert, die von einer relevanten Minderheit oder sogar einer Mehrheit faktisch ausgeübt werden. Hier ist von Normen die Rede, die als explizite und meistens auch kodifizierte Verhaltensvorschriften existieren, wie z.B. das gesatzte Recht, bei dem die entsprechenden Sanktionen für die Nichtbeachtung der Vorschrift ebenfalls normiert sind. Man kann hier einerseits unterscheiden zwischen Normen als "soziale Bewertung von Verhalten" und andererseits als "verbindliche Forderung eines bestimmten Verhaltens" (W. FUCHS u.a. (Hrsg.) (1978), 534). In einem Normenbegriff kann also entweder stärker die Seins- oder die Sollens-Komponente betont werden, abhängig davon, ob Verhaltenserwartungen im Sinne einer gewohnheitsm
Erscheinungsdatum | 03.02.2022 |
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Zusatzinfo | 17 Abbildungen |
Sprache | deutsch |
Maße | 155 x 220 mm |
Gewicht | 776 g |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Allgemeine Soziologie |
Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Spezielle Soziologien | |
Schlagworte | Grenzmoral • Klientelismus • Kooperation • Patronage • Prinzipal-Agenten-Modell • Soziale Norm • Whistleblower |
ISBN-10 | 3-95935-582-3 / 3959355823 |
ISBN-13 | 978-3-95935-582-7 / 9783959355827 |
Zustand | Neuware |
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