Who Cares! (eBook)

Von der Freiheit, Frau zu sein | Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Autonomie aller Frauen

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
112 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-44108-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Who Cares! -  Mirna Funk
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Freie Frauen nehmen sich, was sie wollen Endlich sagt es mal eine - Feminismus gegen den Strom Mirna Funk ist genervt von den Debatten um Geschlechterungleichheit, Care-Arbeit und Vereinbarkeit. Selbstbestimmte, eigenständige Frauen warten nicht darauf, dass jemand gesellschaftliche Strukturen für sie ändert, stilisieren sich nicht zu Opfern. Sie ziehen es durch und handeln! Mit diesem Statement will Mirna Funk allen Frauen Mut machen, ihre längst existierende Freiheit auch wirklich zu leben. Und geht mit gutem Beispiel voran.Ihre jüdische Identität und ihre ostdeutsche Herkunft haben ihr ein Frauenbild mitgegeben, das sich von dem des aktuellen Mainstream-Feminismus radikal unterscheidet. Denn sie glaubt an die Kraft der Selbstwirksamkeit.  

Mirna Funk, geboren 1981 in Ostberlin, studierte Philosophie und arbeitet heute als Autorin sowie freie Journalistin u.a. fu?r >FAZ<, >SZ< und >Die Zeit<. Seit 2021 erscheint ihre monatliche Sex-Kolumne in der >Cosmopolitan< und seit 2018 schreibt sie u?ber ju?disches Leben bei >Vogue online<. Ihr Debüt wurde mit dem Uwe-Johnson-Förderpreis ausgezeichnet, das Sachbuch »Who Cares« wurde ein sofortiger Bestseller. 

Mirna Funk, geboren 1981 in Ostberlin, studierte Philosophie und arbeitet heute als Autorin sowie freie Journalistin u.a. für ›FAZ‹, ›SZ‹ und ›Die Zeit‹. Seit 2021 erscheint ihre monatliche Sex-Kolumne in der ›Cosmopolitan‹ und seit 2018 schreibt sie über jüdisches Leben bei ›Vogue online‹. Ihr Debüt wurde mit dem Uwe-Johnson-Förderpreis ausgezeichnet, das Sachbuch »Who Cares« wurde ein sofortiger Bestseller. 

Karriere


Die Sonne brannte. Mein Sommerkleid flatterte im Wind. In meinem Kopf ein Tornado. Der dritte Joint des Tages hatte ordentlich geballert. Verstrahlt steckte ich den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn um und tapste in den kalten Hausflur. Hinter mir lagen acht Stunden Schule, von denen ich vermutlich zehn Sekunden mitbekommen hatte. Vielleicht auch fünfzehn. Aber mehr garantiert nicht. Ich öffnete den Briefkasten und holte einen dieser Umschläge raus, die nicht weiß, sondern farbig sind. Gelb oder rot. Who knows! Ich machte ihn auf. Langsam und gewissenhaft. Dann las ich, was auf dem Papier geschrieben stand: »… versetzungsgefährdet …« Das war ich. Das erste Mal in meinem Leben »versetzungsgefährdet«.

Von der ersten bis zur sechsten Klasse war eigentlich alles prima gelaufen. Eine Einserschülerin mit wenigen Zweien. Immer gut in jedem Fach und besonders gut in den meisten. Ab der siebten Klasse allerdings war das Stück Schule für mich eigentlich erledigt. Die siebte, achte und sogar neunte schaffte ich es noch gerade so, nur eine Fünf auf dem Zeugnis zu haben, wenn auch der Rest aus Vieren oder Dreien bestand, aber mit dieser brillanten Glückssträhne war es ab der zehnten Klasse endgültig vorbei. Ich glaube, ich zerriss den Brief und schmiss ihn in eine Mülltonne an der Bushaltestelle vor der Tür. Vielleicht versteckte ich ihn auch. Völlig egal eigentlich. Woran ich mich aber definitiv erinnere, ist, dass ich am selben Abend mit einem Freund in den Neunzigerjahre-Klub Icon ging und mich wegballerte. Weil jetzt sowieso alles egal war.

Eine Fünf in Französisch, eine in Mathe, eine in Chemie. So ging das von nun an. Und nur weil mein damaliger Schuldirektor irgendwelche Sympathien für mich hatte, wurde ich halb legal, halb illegal von Schuljahr zu Schuljahr geschoben, indem ich in den Sommerferien irgendwelche albernen Nachprüfungen machte, die aus der Fünf dann eine Vier oder so zauberten. Das funktionierte allerdings nur bis zur zwölften Klasse. Danach war dann Ende Gelände und ich musste wirklich wiederholen.

Während dieser Zeit lebte ich schon in meiner eigenen Wohnung. Die hatte ich mir selbst besorgt. Genauso wie den Job in einer Bar, in der ich zweimal die Woche kellnerte, um mir meinen Lebensunterhalt zu sichern. Dafür war ich durch den Prenzlauer Berg gelaufen und hatte alle Restaurants und Bars abgeklappert und nach Arbeit gefragt. So machte man das damals in den Neunzigern. Ich war 17 Jahre alt und stand quasi auf eigenen Beinen. Ich bekam lediglich Kindergeld und den Unterhalt von meinem Vater, den vorher meine Mutter bekommen hatte. Schließlich ging ich noch zur Schule. Nachts in einer Bar arbeiten und morgens in der Schule sitzen funktionierte maximal nicht. Ich hatte beim zweiten Anlauf meines Abiturs zwar aufgehört zu kiffen, aber die Nachtarbeit forderte ihren Tribut. Mein Abitur schloss ich mit dem einmaligen Loser-Durchschnitt von 3,3 ab. Damit konnte man 2001 nicht nur nicht studieren, sondern auch eigentlich nichts anderes tun. 3,3 ist der soziale Untergang. Jemand mit einem solchen Abi-Ergebnis kann nichts, weiß nichts und ist auch sonst nicht fähig, zukünftig irgendeinen nachhaltigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Dabei hatte ich eigentlich Philosophie und Geschichte studieren wollen, aber das war mir nun nicht mehr möglich.

Als ich mit unglaublichen 20 Jahren mein schlechtes Abitur in den Händen hielt, hatte ich keine Ahnung davon, ob ich überhaupt Talente oder Fähigkeiten besitze. Ich wusste, ich konnte super träumen und war eine top Kellnerin. Sehr bitchy und frech, aber dafür extrem organisiert, strukturiert und schnell. Das heißt, die Leute hassten mich wegen meiner Attitüde, hatten ihre Getränke aber sofort auf dem Tisch, wofür sie mich gleichzeitig wieder liebten. Gefühlschaos pur.

Ich hing der Fantasie nach, Schriftstellerin und Journalistin zu werden. Allerdings wusste ich weder, ob ich schreiben kann, noch, wie man schreibt. Deswegen wäre ich auch niemals an einer schnieken Journalistenschule angenommen worden, hätte ich mich beworben. Aber wen hätte ich dafür verantwortlich machen sollen? Auf wen schimpfen? Auf meine Lehrer, die meine Talente nicht förderten? Auf das kaputte Schulsystem, das Leute wie mich komplett durchrasseln lässt? Oder auf meine Eltern, die zu jung waren, um mir irgendwelche grundlegenden Dinge fürs Leben mit auf den Weg zu geben? Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht.

Zwei Jahre nach meinem Abitur begann ich mein Kommunikationsmanagement-Studium. An einer mittelklassigen Fachhochschule. Dort lernte ich PR, Marketing und Strategie. Parallel dazu hatte ich den Absprung aus der Gastronomie geschafft und fing als studentische Aushilfe in der Agentur eines Freundes an. Diesen Job hatte mir keiner besorgt. Nicht meine Familie. Nicht der Staat. Sondern ich selbst. Ob das Spaß machte, nach Arbeit zu fragen oder um einen Job zu kämpfen? Nein, aber es konfrontierte mich mit ungeschönten Tatsachen. Nämlich, dass das Leben nicht fair ist – niemals und für niemanden – und dass es ein Kampf bis zum letzten Atemzug sein würde.

Während des gesamten Studiums arbeitete ich. Erst in der Agentur, dann ergatterte ich während meines Praktikumssemesters einen Vollzeitjob in einer Produktionsfirma in München und danach arbeitete ich weiter in der Agentur. Über Jahre tingelte ich ein bisschen zwischen Festanstellung und freier Beratungsarbeit hin und her. Bis zur großen Finanzkrise 2008/2009. Bis es keine Jobs mehr gab und mich eine große Operation dermaßen lahmlegte, dass ich über Monate hinweg nicht mehr arbeiten konnte und deshalb schließlich Hartz IV beantragen musste. Mein persönlicher Tiefpunkt im Life. Nicht wegen Hartz IV, sondern weil ich wirklich am Ende war. Ja, körperlich, aber vor allem mental. Ich war 28 Jahre alt und nicht dort, wo ich eigentlich hatte sein wollen. Und dass ich das überhaupt spüren konnte, war dem Umstand geschuldet, ans Bett gefesselt zu sein. Meine Tage verschwendete ich nun mit meinen Gefühlen und Gedanken zu meinem gescheiterten Leben und nicht mehr von morgens bis abends mit Hustlen. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich wirklich, dass es das war. Dass ich es maximal noch zu einer Stelle an der Supermarktkasse bringen würde, wogegen generell nichts einzuwenden ist, nur für mich war das nicht erstrebenswert gewesen. Ich konnte kein Licht am Ende des Tunnels mehr sehen, nur mich im REWE-Outfit. Dieser Moment der totalen Talfahrt war auch der Moment, an dem ich begriff, dass ich nichts mehr zu verlieren hatte, weil da nichts mehr war in meinem Leben. Ich hatte eine süße, aber wirklich heruntergekommene Wohnung mit Linoleumfußboden und einem hässlich gefliesten Badezimmer ohne Wanne. Das kann man jetzt als Jammern auf hohem Niveau bezeichnen, aber ich war mit einer Dusche in der Speisekammer und einer Ofenheizung aufgewachsen und wollte dementsprechend niemals wieder frieren, sondern im neun Monate andauernden Berliner Stalingrad-Winter in einer warmen Wanne liegen. Ganz einfach: Ich wollte ein anderes Leben für mich.

Aber nicht nur die materiellen Umstände waren für mich als Endzwanzigerin kaum noch zu ertragen, viel mehr machte mich die intellektuelle Wüste in meinem Alltag fix und fertig. Also erinnerte ich mich zurück. Ich sah dieses süße Mädchen mit ihren bis zur Unkenntlichkeit weggezupften Augenbrauen, Buffalo-Plateauschuhen kiffend auf einer Decke sitzen, wie sie Kants Aufsatz Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? las. Ich erinnerte mich, dass ich eigentlich Philosophie und Geschichte hatte studieren wollen, um anschließend Schriftstellerin zu werden. Zehn Jahre waren seitdem vergangen. Was war passiert?

Eine Menge und nichts. Eine Menge Zeitverschwendung. Eine Menge Suchen nach Antworten auf die Frage, was Leben eigentlich bedeutet. Eine Menge Bullshit. Eine Menge Geld verdienen, Geld verdienen, Geld verdienen. Eine Menge, oh mein Gott, ich bin drei falsche Entscheidungen von meiner eigenen Obdachlosigkeit entfernt. Aber als ich dort im Bett lag, hatte ich alles verloren und konnte nun endlich neu anfangen und das tat ich. Ein Jahr später schrieb ich mich für den Studiengang Philosophie mit Nebenfach Geschichte ein, bewarb mich als studentische Aushilfe auf verschiedene ausgeschriebene Stellen und wagte langsam den Weg in ein völlig anderes Leben. Mein neues Leben. Mein von mir selbst gestaltetes Leben. Ein Leben, das sich nicht dem Überleben verschrieben hatte, nicht dem Erfüllen von dem, was man möglicherweise von mir erwartete. Ein Leben, das ich auf mich zurechtgeschnitten hatte.

Das war 2010. Ich war 29 Jahre alt und schrieb in dieser Zeit meine ersten Kurzgeschichten und veröffentlichte sie in einem Online-Magazin. Ich schrieb meine ersten philosophischen Essays und Hausarbeiten und stieß plötzlich auf Anerkennung. Bis zu diesem Zeitpunkt, bis zum Jahr 2010, hatte ich keine Ahnung, ob ich schreiben kann oder jemals mein Studium der Philosophie abschließen würde. Meine akademische Erfahrung lag bei null. Meine schulische war traumatisch. Ich ging jeden Tag voller Angst in das monumentale Gebäude der Humboldt-Universität und glaubte nicht daran, dort sein zu dürfen. Als Arbeiterkind. Als Person mit einem Abiturdurchschnitt von 3,3. Als jemand, der noch wenige Monate zuvor auf Hartz IV weinend in einem Bett gelegen hatte. Ehrfürchtig und unsicher – so fühlte ich mich. Das änderte sich nur Stück für Stück. Mit jeder Eins, die ich plötzlich für meine Essays erhielt, mit jedem publizierten Artikel, mit jedem Lob von Dozenten, mit jeder Begründung der Professoren, warum ich in ein Kolloquium des Masterstudiengangs eingeladen werden müsste. Ich begriff, dass ich eines...

Erscheint lt. Verlag 18.5.2022
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte alleinerziehend • Aufruf • Bücher über Frauen • Care-Arbeit • DDR • Denken • Diskussion • Empowerment • Feminismus • Feministin • Finanzielle Unabhängigkeit • Frauen • Frauenbild • Frauenrechte • Freiheit • Gender • Geschenk Freundin • Geschenk für Frauen • Geschlecht • Geschlechterrollen • Geschlechterverhältnisse • Gesellschaftsbild • Gesellschaftskritik • Gleichberechtigung • Handeln • Jüdisch • katja lewina • Matriarchat • Mental Load • Moderne Frauen • Mut • Patriarchat • Pay Gap • Plädoyer • potente Frau • Provokation • rebecca solnit • selbstbestimmte Frauen • Selbstbestimmung • Selbstwirksamkeit • Sie hat Bock • Single Mom • Streitschrift • Svenja Flaßpöhler • Verantwortung • Vereinbarkeit • Vereinbarkeit Familie und Beruf • wenn männer mir die welt erklären • Working Mom
ISBN-10 3-423-44108-9 / 3423441089
ISBN-13 978-3-423-44108-7 / 9783423441087
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