Freude (eBook)

Über die Entdeckung der Leichtigkeit
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
220 Seiten
Berlin Verlag
978-3-8270-8044-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Freude -  Angela Köckritz
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Freude - eine Entdeckungsreise »An einem heißen Sommertag ins Wasser eintauchen. Ku?hle bricht u?ber dem Kopf zusammen, es riecht nach Algen und Waldweiher. Ein paar Schwimmzu?ge, und alles wird zeit- und schwerelos. Sich auf den Ru?cken drehen, treiben lassen. Oben das Blau des Himmels, Baumwipfel bewegen sich im leichten Wind. Er tra?gt die Gera?usche des Sommerlebens am Ufer heran. Johlende Kinder, Beats, zu denen Teenager tanzen, irgendjemand springt mit lautem Klatschen ins Wasser. Sonnenschirme, Handtu?cher, Familien im Sonntagsstupor. Je länger ich über das Gefühl der Freude nachdachte, desto stärker wurde in mir das Bedürfnis, es so genau wie möglich zu untersuchen. Es zu kartografieren wie ein unbekanntes Land. Die schönsten Arten der Leichtigkeit Was geschieht im Gehirn, wenn wir Freude empfinden? Was macht sie mit dem Rest des Körpers? Wie verändert sich Freude im Lauf eines Lebens? Was würde ich in Philosophie und Literatur dazu finden? Welche Arten von Freude konnte ich ausmachen, Tag für Tag? Wie zelebriert man Freude in anderen Kulturen? Dieses Buch ist eine Entdeckungsreise in ein verlockendes Land. Das Land der Freude.« Das besondere Geschenk für alle, die sich nach den schönen Seiten des Lebens sehnen.

Angela Köckritz studierte Politik, Sinologie und Kunstgeschichte in Berlin, München und Taiwan. Sie arbeitete zunächst bei der Süddeutschen Zeitung, dann bei der Zeit. Seit 2011 war sie vier Jahre Peking-Korrespondentin der Zeit, später zweieinhalb Jahre Afrika-Korrespondentin in Dakar, Senegal. 2015 erschien ihr hochgelobtes Buch Wolkenläufer. Geschichten vom Leben in China. Sie wurde unter anderem mit dem Merics-Preis für herausragende China-Berichterstattung und dem Vogel-Preis für außergewöhnliche Wirtschaftsberichterstattung ausgezeichnet.  Heute lebt sie mit ihrer Familie als freie Autorin in Berlin. www.angelakoeckritz.com

Angela Köckritz studierte Politik, Sinologie und Kunstgeschichte in Berlin, München und Taiwan. Sie arbeitete zunächst bei der Süddeutschen Zeitung, dann bei der ZEIT. Seit 2011 war sie vier Jahre Peking-Korrespondentin der ZEIT, später zweieinhalb Jahre Afrika-Korrespondentin in Dakar, Senegal. 2015 erschien ihr hochgelobtes Buch »Wolkenläufer. Geschichten vom Leben in China«. Sie wurde u. a. mit dem Merics-Preis für herausragende China-Berichterstattung und dem Vogel-Preis für außergewöhnliche Wirtschaftsberichterstattung ausgezeichnet. Heute lebt sie mit ihrer Familie als freie Autorin in Berlin.

Die Kunst der Begrüßung


Es gab eine Zeit, da war für mich ein »Hallo« nur ein »Hallo«. Der notwendige Anfang eines Gesprächs – etwas, das man Bekannten beim Vorübergehen zurief. Nicht weiter der Rede wert. Ich musste weit wegziehen, nach Dakar, der Hauptstadt des Senegal, das Land am äußersten westlichen Zipfel des afrikanischen Kontinents, um zu begreifen: Eine Begrüßung ist so viel mehr als das. Sie ist eine Kunstform. Eine Einladung. Ein Quell der Freude.

Schon bald nachdem ich meine täglichen Spaziergänge durchs Viertel aufgenommen hatte, begrüßten mich Menschen mit einer Begeisterung, als wäre ich ihre Seelenschwester, die nach Jahren verschollen auf See in ihren Heimatweiler zurückgekehrt war. Lamine, der Apothekenwächter, sprang auf und winkte so ausladend mit den Armen, als säße er auf einer Insel fest und wollte ein Rettungsboot heranwinken. Moussa, der Wächter vor der Arztpraxis, klatschte mich mit einer Euphorie ab, als hätte ich gerade mein Abizeugnis bekommen. Die Erdnussverkäuferin, der Zeitungsmann, der Taxifahrer vor dem Hotel, sie alle hatten Zeit für einen Plausch, einen Scherz, ein kleines Kompliment. Das machte einen Spaziergang durch die Stadt zu einem Erlebnis, ja zu einer täglichen Freude.

In nur wenigen Wochen in Dakar hatte ich mehr Nachbarn kennengelernt als in zehn Jahren Berlin. Anders als dort nuschelt man in Senegal nicht einfach nur ein »Morgen« hervor, während man angestrengt an seinem Gegenüber vorbeischaut, zum Beispiel auf die Ladentheke, das Handy oder in den verhangenen Novemberhimmel. Man lächelt, scherzt, nimmt sich Zeit für die Begegnung. Einfach nur »Hallo« zu sagen, gilt als eher unhöflich. Das Mindeste ist ein »Hallo, wie geht’s?«. Meist gefolgt von einem »Wie war der Morgen?«, »Hast du gut geschlafen?«, »Was macht die Familie?«. Et cetera, et cetera. Je weiter man aufs Land fährt, desto ausladender werden die Begrüßungsformeln.

In meinen ersten Stunden in Wolof, der Verkehrssprache des Senegal, lernte ich ausschließlich Begrüßungsformeln. Es gibt Dutzende davon. Man fragt zum Beispiel: Wie war dein Morgen, dein Tag und deine Nacht? Ist deine Familie zu Hause, wie geht’s deinem Mann beziehungsweise deiner Frau, deinen Kindern, was macht deine Gesundheit? Das Faszinierende ist, dass all diese Fragen gar nicht dem Informationsaustausch dienen.

Auf die Frage »Was gibt’s Neues?« gäbe es eigentlich nur zwei Antworten, sagte mein Lehrer: »Nichts Neues.« Oder: »Du selbst bist die Neuigkeit.« Man antworte auch dann so, wenn man in der Nacht zuvor Drillinge geboren oder eine Million gewonnen habe. So wie man auf die Frage »Wie geht’s dir gesundheitlich?« »Gut. Dem Allmächtigen sei Dank« erwidere, selbst wenn man im Krankenwagen liege oder beide Arme in Schlingen hängen. In einem Land, in dem viele an Hexerei glauben, ist man mit persönlichen Informationen eher sparsam. Keiner will den Neid eines anderen auf sich ziehen, indem er freudig verkündet, dass er morgen nach New York reise oder im Lotto gewonnen habe.

Der Austausch ist damit, zumindest am Anfang, ziemlich ritualisiert, erstaunlicherweise aber meist dennoch erfreulich. Und das liegt an einer Herzlichkeit, die sich, wenngleich sie Teil des Rituals ist, doch echt anfühlt.

Ich kenne einen jungen Senegalesen, der in Paris aufwuchs und nach Dakar zurückzog, weil er die senegalesische Kunst der Begrüßung so sehr vermisst hatte. »In Paris nehmen dich die Leute gar nicht wirklich wahr. Sie murmeln ihr Bonjour und schauen schon wieder weg. In Senegal geht dir das Herz auf, wenn dich die Menschen begrüßen.«

In einem Land, in dem so gut wie alle Transaktionen auf dem persönlichen Kontakt beruhen, ist die Begegnung zu einer Kunstform geworden. Ihre Freude und Eleganz stellen einen Wert an sich dar. Der persönliche Kontakt ist in Senegal prinzipiell der vielversprechendste. Wer etwas erreichen will, schreibt keine Mail, sondern greift zum Telefon – oder kommt gleich persönlich vorbei.

Laut dem französisch-nigrischen Anthropologen Olivier de Sardan haben Menschen in Afrika sehr viel größere soziale Netzwerke als Asiaten, Europäer, Amerikaner. Und zwar ganz analog, jenseits von Facebook und Instagram. Sogar Verwandtschaftsverhältnisse werden ausgeweitet. Menschen stellen dann Frauen als ihre Mütter vor, die eigentlich Tanten, Nebenfrauen des Vaters oder Nachbarinnen sind. »Meine Mama sagte immer: Egal, wo du hingehst, such dir eine Mama. Sei nie individualistisch, weder in der Armut noch im Reichtum.« So erzählt es mir Mariama Ndoye, eine senegalesische Schriftstellerin. Sie sagt: »Verwandtschaft liegt nicht nur im Blut, sie ist ein Verhalten.«

Ein System gegenseitiger Hilfe, der Geschenke und Gefälligkeiten durchzieht die Gesellschaften vieler afrikanischer Länder. Ein Erbe der traditionellen Großfamilie, die oft Dutzende, manchmal mehr als hundert Menschen umfasste, die zusammenlebten und wirtschafteten.

Das hat ganz konkrete Auswirkungen. Vieles von dem, was in Europa der Staat, Institutionen, Banken oder Firmen leisten, beruht in Senegal auf persönlichen Verbindungen. Nur wenige haben ein Konto bei einer Bank, eine Versicherung oder gar eine Rente. Den Staat sehen viele Menschen als Importprodukt aus Europa, sagt mir Ahmadou Aly Mbaye, Ökonom und Rektor der Universität Cheikh Anta Diop. »Sie vermeiden es, Steuern zu zahlen.« Sie verlassen sich stattdessen auf die Unterstützung von Familie, Freunden und Gemeinschaft.

Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits bietet es Menschen in Ländern, in denen es keinen Sozialstaat gibt, Sicherheit. Auch entsteht, wenn jeder theoretisch der Verwandte von jedem anderen sein kann, etwas sehr Kostbares: sozialer Zusammenhalt. Wärme. Nähe. Verbundenheit.

Andererseits hemmt der allgegenwärtige Druck zur Umverteilung die wirtschaftliche Entwicklung. Das traditionelle Hin und Her der Gefälligkeiten hat sich mit dem modernen Geist des Kapitalismus verbunden. Die Begehrlichkeiten sind gewachsen. Ein Bekannter erlitt einen Burn-out, weil einfach zu viele Verwandte und Bekannte etwas von ihm wollten. Wann immer sie sein Auto parken sahen, bildete sich vor seinem Haus eine Schlange der Bittsteller.

Kontakte gelten als eine Art Reichtum. »Und weil man dem anderen stets das Gefühl geben will, in eine tiefere Beziehung mit ihm treten zu wollen, sind Begrüßungen so wichtig«, sagt die Schriftstellerin Mariama Ndoye. »Meine Mama grüßte Menschen oft eine halbe Stunde lang.«

Ein schlichtes »Hallo« kann daher – je nach Kontext – als ausgesprochen unhöflich gelten. Einmal, ich war noch neu in Senegal, fuhr ich mit einer Freundin in einen Fischerort. Ich hatte mich verfahren und wollte drei junge kiffende Fischer mit Dreadlocks, die am Wegesrand auf einem Baumstamm saßen, nach dem Weg fragen. Ich lehnte mich aus dem Autofenster und fragte: »Guten Tag, entschuldigen Sie, wo geht es nach xy?« Einer von ihnen entgegnete empört: »Du weißt noch nicht mal, wie es meiner Familie geht, und fragst mich schon nach dem Weg?«

Am besten entwaffnet man solche Situationen mit einem Scherz – und folgt damit einer äußerst klugen Tradition der Konfliktlösung, die man fast überall in Westafrika findet: die cousinage à plaisanterie, die sogenannte Scherzverwandtschaft. Wann immer Dörfer oder Ethnien nach einem Krieg Frieden schlossen, erklärten sie sich zu Cousins, zu »Scherzverwandten«. Fortan darf jeder noch so robuste Scherz ausgesprochen werden, ohne dass der eine dem anderen etwas übel nehmen darf. Ich habe oft erlebt, dass Wildfremde sofort begannen, einander aufzuziehen, sobald sie festgestellt hatten, dass sie aus zwei scherzverwandten Ethnien stammten.

Das klappt oft auch dann, wenn man nicht scherzverwandt ist. Als ich noch neu in Dakar war, heftete sich einmal ein besonders nerviger Schlepper an meine Fersen. Instinktsicher witterte er meine Ahnungslosigkeit. Er drängte mich, mit ihm zu einer Stofffabrik zu kommen (wo er auf einen Einkauf von mir Provision erhalten würde). Als er damit nicht weiterkam, verlangte er Geld für seinen Kaffee. Er bearbeitete mich hartnäckig, wobei er jene unendlich nervige Kulturtechnik zum Einsatz brachte, die man im frankophonen Westafrika fatiguer nennt: jemanden »ermüden«. Der Täter labert sein Opfer dabei ununterbrochen zu und nervt es schier zu Tode, bis dieses sich mit ein paar Münzen Frieden erkauft. Diesen Gefallen wollte ich ihm nicht tun. Als er mich nicht...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 1000 Gefühle • 1000 Gefühle, für die es keinen Namen gibt • Abenteuer • Abschalten • Buch zum Träumen • Daseinsfreude • Entdeckungsreise • Entspannung • Freude • für die es keinen Namen gibt • Genießen • Genuss • Geschenk • Geschenkbuch • Geschenk für Anspruchsvolle • Geschenk mit Anspruch • Glück • Glücksversprechen • Lebensfreude • Lebenskünstler • Leichtigkeit • Loslassen • Originelles Geschenk • Wohlfühlbuch
ISBN-10 3-8270-8044-4 / 3827080444
ISBN-13 978-3-8270-8044-8 / 9783827080448
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