Adrenalin (eBook)
288 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60129-0 (ISBN)
Zlatan Ibrahimovi?, 1981 in Malmö geboren, spielte unter anderem bei Juventus Turin, dem FC Barcelona und Paris Saint-Germain. Derzeit steht er zum zweiten Mal beim AC Mailand unter Vertrag, wo er zuletzt das 500. Tor seiner Vereinskarriere erzielte. Sein erster Band ?Ich bin Zlatan? wurde in unzählige Sprachen übersetzt und gehört zu den erfolgreichsten Sportbüchern aller Zeiten.
1
Fallrückzieher
(oder: über den Wandel)
Beverly Hills, Herbst 2019.
Es ist Abend, wir sind gerade von einem Essen im Restaurant nach Hause gekommen. Das Handy klingelt.
Helena vermutet: »Mino.«
Treffer: Es ist Mino Raiola, mein Agent. Aber das war nicht schwer. Seit Tagen bombardiert er mich mit Anrufen.
Nach der Erfahrung bei Los Angeles Galaxy und dem Ausscheiden in den Play-offs der MLS habe ich beschlossen, die Fußballstiefel an den Nagel zu hängen, und nun unternimmt er alles, um mich umzustimmen.
Er versucht es noch einmal: »Zlatan, einer auf deinem Level und mit deiner sportlichen Vergangenheit kann seine Laufbahn nicht in Amerika beenden. Man wird sagen, dass du keinen Mumm mehr hast, dass du schlapp geworden bist, dass du dich mit der leichten Tour begnügst. Wo ist der Löwe des Fußballs, der König des Waldes geblieben?«
»Ich bin angekommen, Mino. Ich hab damit abgeschlossen. Find dich damit ab.«
Aber er bleibt hartnäckig: »Nein. Du musst nach Europa zurückkehren und beweisen, dass du noch mit den Besten mitspielen kannst, trotz der Verletzung in Manchester. Und wenn es nur für sechs Monate ist, von Januar bis Juni. Beweis dich noch mal, nimm diese Herausforderung an, und dann mach, was du willst. Du bist Ibra. Du musst nach Ibra-Art abtreten. Ich finde einen Club für dich, wenn du willst.«
»Hör zu, Mino, es gibt nur eine Art, auf die du mich überzeugen kannst: mit Adrenalin. Ich brauche nicht irgendeinen Vertrag, ich brauche eine Herausforderung, die das Blut in meinen Adern unter Strom setzt. Hast du so was?«
Mit achtunddreißig Jahren kann ich mich immer noch im Training fertigmachen, mich total ausgepowert fühlen und trotzdem weitermachen. Aber wenn ich morgens aufstehe, brauche ich eine gute Antwort auf die Frage: Warum machst du das, Zlatan?
Und es kann nur eine Antwort darauf geben: Weil all diese Quälerei in Form von Adrenalin zu mir zurückkehrt, und das verschafft mir ein gutes Gefühl.
An einem Abend wenig später schaue ich zu Hause die HBO-Doku über Diego Armando Maradona. Irgendwann sieht man Aufnahmen einer weit zurückliegenden Partie des SSC Neapel, und die Bilder zeigen das Publikum im San Paolo. Das Stadion ist ausverkauft. Der Zoom geht auf die hitzigste Kurve, die Fans sind dicht gedrängt, sie singen, schreien, trommeln, die Spannung, die von ihnen ausgeht, ist unglaublich. Ich setze mich auf meinem Sofa auf, schaue aufmerksam hin und spüre, wie das Adrenalin zu pulsieren beginnt, hier, in den Adern am Hals. Bumm, bumm, bumm …
Sofort telefoniere ich mit Mino: »Ruf beim SSC Neapel an. Ich gehe zum SSC.«
»Zum SSC?«
»Ja, ich werde in Neapel spielen.«
»Bist du dir sicher?«, fragt er mich verdutzt.
»Du willst, dass ich weiter Fußball spiele? Mein Adrenalin sind die Fans von Neapel. Ich gehe dorthin, bei jeder Partie hole ich achtzigtausend Menschen ins Stadion, und ich gewinne den Scudetto wie damals Diego. Mit einem Sieg in der italienischen Meisterschaft bringe ich alle zum Ausflippen. Das ist mein Adrenalin.«
Wir sprechen mit dem Club, verhandeln und einigen uns.
Abgemacht. Ich bin jetzt beim SSC Neapel.
Der Trainer ist Carlo Ancelotti, den ich gut kenne, wir waren zusammen in Paris. Er freut sich riesig, dass wir dort wieder zusammenkommen, wir telefonieren fast jeden Tag. Er erklärt mir, wie und wo er plant, mich einzusetzen.
Mit dem Präsidenten, Aurelio De Laurentiis, habe ich nicht gesprochen, aber ich kannte ihn schon. Wir waren uns vor ein paar Jahren begegnet, als ich zusammen mit meiner Familie Urlaub in Los Angeles machte.
De Laurentiis hatte erfahren, dass wir im selben Hotel untergebracht waren, und an der Rezeption seine Karte hinterlassen: »Heute Abend sind Sie in diesem Restaurant eingeladen.« Daran hing ein Zettel mit der Adresse. Das wirkte nicht wie eine Einladung, sondern eher wie ein Befehl.
»Da gehen wir hin«, hatte Helena sofort gesagt.
Wir haben einen sehr angenehmen Abend verbracht.
Ich finde ein Haus in Posillipo, das für mich passen könnte, aber da ich nur sechs Monate bleiben soll und alle mir sagen, dass die Stadt ziemlich chaotisch ist, überlege ich mir auch die Möglichkeit, auf einem Boot zu leben.
An dem Tag, an dem ich in Neapel unterschreiben soll, am 11. Dezember 2019, schmeißt De Laurentiis Ancelotti raus. Mitten in der Saison.
Ich habe ein ungutes Gefühl. Das ist ein schlechtes Zeichen. Ich kann diesem Präsidenten nicht trauen. So jemand kann weder mir noch der Mannschaft Halt geben. Außerdem weiß ich, dass Ancelottis Nachfolger Rino Gattuso, der zwar mein Freund ist, einen anderen Typ Mittelstürmer für seine 4-3-3-Formation braucht. Und er meldet sich auch nicht bei mir.
Das Ganze platzt.
Ein paar Tage später rufe ich Mino an und frage ihn: »Wer braucht mich am meisten? Welche Mannschaft steckt am tiefsten in der Scheiße?«
Ich suche keinen Vertrag, ich suche eine Herausforderung.
»Milan hat 5 : 0 in Bergamo verloren.«
Normalerweise kehre ich aus Prinzip nicht zu einer Mannschaft zurück, in der ich schon einmal war, weil ich dann riskiere, schlechter zu spielen als damals. Aber dieses Mal ist es anders. Milan hat 5 : 0 verloren.
Ich trage Mino auf: »Ruf Milan an. Wir gehen nach Mailand.«
Meine Herausforderung wird es sein, einen der renommiertesten Clubs der Welt wieder an die Spitze zu bringen. Wenn ich das schaffe, zählt das mehr als alles, was ich bei den anderen Teams erreicht habe.
Das ist mein Adrenalin.
Zunächst haben wir mit Paolo Maldini, dem Technischen Direktor, gesprochen, und ehrlich gesagt lief es überhaupt nicht gut.
Okay, ich habe beschlossen, zum AC Milan zu gehen, und ich habe mich selbst vorgeschlagen, aber wenn du mich willst, dann musst du mich unter Spannung setzen, du musst mir Vertrauen einflößen, du musst mir Begeisterung vermitteln, du musst mich überzeugen und sollst mir nicht ständig vorbeten, dass ich achtunddreißig bin.
Ich weiß selbst sehr gut, wie alt ich bin, wie viele Geburtstage ich gefeiert habe.
Paolo vermittelte mir keine Sicherheit, genau wie der Präsident von Neapel. Dann kam Zvonimir Boban, der Manager, zu den Verhandlungen hinzu, und endlich verstanden wir uns. Zvone war deutlich überzeugter von mir: »Zlatan, verlang, was du willst, ich gebe es dir.«
Genau so spricht man mit Ibra.
Und so kam Ibra nach Mailand zurück.
Ich kannte Stefano Pioli nicht sehr gut, aber das war kein Problem. Mir war das Verhältnis zu den Trainern nie sehr wichtig. Ich habe mich ihnen gegenüber immer sehr professionell verhalten. Nur mit Pep Guardiola gab es Probleme, aber die hatte er mit mir, nicht ich mit ihm. Ehrlich gesagt, habe ich immer noch nicht verstanden, welche. Seine Sache.
Ich habe mir die neuen Teamkollegen genau angesehen und mir sofort gesagt: Die wissen nicht, was es heißt, beim AC Milan zu spielen.
Mein altes Milan, das waren Leute wie Gattuso, Pirlo, Ambrosini, Nesta, Cafu, Thiago Silva … Die alte Garde eben. Wenn du dich im Training nicht ins Zeug gelegt hast, bekamst du was auf die Fresse. Sie sagten nicht viel, aber sie gaben dir zu verstehen, dass du einen Fehler gemacht hast.
Jetzt sah ich dagegen, dass fast alle im Training langsam machten. Aber das habe ich mir nicht lange angesehen. Ich war zum AC Milan gekommen, um Dinge zu ändern, um den Verein auf den Kopf zu stellen, um die Revolution zu wagen.
Ich nenne keine Namen, aber einen Teamkollegen habe ich gefragt: »Sag mal, warum rennst du nicht?«
Und er: »Das stimmt nicht, ich renne doch.«
Ich weiter: »Nein, du rennst nicht. Erwartest du etwa, dass jemand für dich rennt? Weißt du, wann ich für dich rennen werde? Wenn ich mit dir etwas gewinne, aber du hast in deinem Leben noch nichts gewonnen. Also fang endlich an, zu spielen und zu rennen.«
Danach rannte er wirklich.
Die Mannschaftsgefährten haben mir mit Respekt zugehört, aber...
Erscheint lt. Verlag | 31.3.2022 |
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Co-Autor | Luigi Garlando |
Übersetzer | Barbara Neeb, Katharina Schmidt |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | My Untold Story |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Alter • Autobiografie • Bruder • Champions League • Eltern • England • Fallrückzieher • FC Barcelona • Film • Frau • Fußball • Fußball-Biografie • Fußball-Buch • Fußballer der Jahres • Fußball-Geschenk • Galaxy • Ibra • Ibracadabra • Ich bin Zlatan • Inter Mailand • Juventus Turin • Kicker • Kinder • Mutter • Nationalmannschaft • Paris St.-Germain • Pep Guardiola • Profi-Spieler • PSG • Schweden • schwedischer Fußballspieler • Skandal • SPIEGEL-Bestseller • Sportbiografie • Sportlerbiografie • Sprüche • Stürmer • Tattoo • Tore • Torjäger • Transfer • USA • zlatanieren |
ISBN-10 | 3-492-60129-4 / 3492601294 |
ISBN-13 | 978-3-492-60129-0 / 9783492601290 |
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