Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (eBook)

Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus

(Autor)

Thomas Meyer (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023 | 1., Auflage
1120 Seiten
Piper ebooks (Verlag)
978-3-492-60058-3 (ISBN)

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Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft - Hannah Arendt
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Das Buch, das Hannah Arendt weltberühmt machte Unter dem Eindruck des Holocaust, der nationalsozialistischen Vernichtung des europäischen Judentums, hat Hannah Arendt mit »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft« - zuerst 1951 in New York erschienen, in deutscher Übersetzung 1955 - zugleich eine Geschichte und eine Theorie des Totalitarismus geschrieben. Hier hat sie »die allgemein gültige Vorstellung vom monolithischen Charakter des Dritten Reiches erschüttert und auf die eigentümliche Strukturlosigkeit totaler Regierungen hingewiesen. Hannah Arendt analysiert den Nationalsozialismus und den Stalinismus als verwandte Herrschaftstypen und als Folgeerscheinungen von Antisemitismus und Imperialismus.« (Deutschlandfunk)

Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 im heutigen Hannover geboren und am 4. Dezember 1975 in New York gestorben, studierte unter anderem Philosophie bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, bei dem sie 1928 promovierte. 1933 emigrierte Arendt nach Paris, 1941 nach New York. Von 1946 bis 1948 arbeitete sie als Lektorin, danach als freie Autorin. Sie war Gastprofessorin in Princeton und Professorin an der University of Chicago. Ab 1967 lehrte sie an der New School for Social Research in New York.

Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 im heutigen Hannover geboren und am 4. Dezember 1975 in New York gestorben, studierte unter anderem Philosophie bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, bei dem sie 1928 promovierte. 1933 emigrierte Arendt nach Paris, 1941 nach New York. Von 1946 bis 1948 arbeitete sie als Lektorin, danach als freie Autorin. Sie war Gastprofessorin in Princeton und Professorin an der University of Chicago. Ab 1967 lehrte sie an der New School for Social Research in New York. Thomas Meyer wurde an der LMU München promoviert und habilitierte sich auch dort. Nach zahlreichen Stationen im In- und Ausland lehrt Meyer Philosophie in München. Schwerpunkt seiner Forschungen und Publikationen bildet das 20. Jahrhundert. Er gibt im Piper Verlag die Schriften Hannah Arendts in einer Studienausgabe heraus.

Zu diesem Band


Die folgenden Bemerkungen stellen einige wichtige Momente in der komplizierten und langen Entstehungsgeschichte von Hannah Arendts Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft vor, die zum besseren Verständnis ihres Hauptwerkes beitragen sollen.

Da es sich bei dem Mitte November 1955 in Frankfurt/Main erschienenen Buch um eine von der Verfasserin übertragene und neu bearbeitete Ausgabe handelt, muss zunächst ein Blick auf die Ende März 1951 in New York veröffentlichte Studie The Origins of Totalitarianism geworfen werden, die die Grundlage für die »neue deutsche Fassung« (Arendt) bildet.[1]

Für diese Einleitung wurden Materialien herangezogen, die der Herausgeber erstmals in seiner im Piper Verlag erschienenen Biografie Hannah Arendts zugänglich gemacht hat.[2] Auf sie seien all die Interessierten verwiesen, die sich genauer über das Werden der amerikanischen und der deutschen Ausgabe informieren möchten. Weiterhin lohnt hier die Lektüre von Elisabeth Young-Bruehls Pionierwerk über Arendt.[3] Auf weitere wichtige Literatur wird im Text verwiesen.

Der Politikwissenschaftler Jens Hacke nimmt in seinem Nachwort »Hannah Arendts Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft – Denken am Abgrund« eine Neudeutung des Buches vor.

I.


Die Geschichte von Hannah Arendts erstem in den USA publizierten Buch The Origins of Totalitarianism reicht zurück bis in die Zeit in Paris, wohin sie im Oktober 1933 über Prag und Genf geflohen war. Ein knappes Jahr später berichtete Arendt in einem Brief, dass sie eine »historisch-soziologische Untersuchung über die Motive und Ursprünge der jüdischen Assimilation in Deutschland in den ersten Generationen« nahezu abgeschlossen habe und zudem eine »kleinere Studie über den Motivwandel des modernen Antisemitismus« vorbereite. Während sie für das erste Vorhaben »die Form einer Biographie der Rahel Varnhagen (der charakteristischen Vertreterin dieser Generation) gewählt hat«, war die Studie als Beitrag in der Reihe Cahiers du Comité des Délégations Juives geplant.[4] Aus der nicht veröffentlichten Broschüre wurde, wohl ergänzt durch Unterlagen aus zwei Vortragsreihen über den modernen Antisemitismus, die sie 1936/37 in Paris zunächst auf Deutsch, dann auf Französisch gehalten hatte, ein Buchmanuskript, an dem Arendt bis Mitte 1937 arbeitete, das sie aber nicht abschloss.[5]

In New York, das Arendt Ende Mai 1941 mit ihrem Mann Heinrich Blücher aus Lissabon kommend per Schiff erreichte, nahm sie dank alter und neuer Kontakte rasch eine umfangreiche Publikationstätigkeit auf. In der von deutschen Exilanten gegründeten Zeitung Der Aufbau etwa kommentierte sie ab Oktober 1941 die jüdische Politik angesichts des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges, die Historikerin und Soziologin analysierte im Jahr darauf den modernen Antisemitismus in Frankreich zur Zeit der Dreyfusaffäre, und 1943/44 untersuchte sie erstmals die Entrechtung von Flüchtlingen und Minderheiten, die häufig Staatenlose waren.[6] Ebenfalls 1944 nahm Arendt sich des Rasse-Denkens an, bevor der Rassismus Staatsdoktrin wurde. Diese und weitere Texte, mal auf Deutsch geschrieben, mal auf Englisch, dann intensiv redigiert, von ihr übersetzt oder von anderen, waren eingebunden in vielfältige andere Überlegungen, die sich aus Arendts beruflichen und politischen Aktivitäten ergaben. Die Palästina-Politik der Kolonialmächte Großbritannien und USA, die Pläne zionistischer Funktionäre und die Interessen der arabischen Staaten wurden von Arendt in verschiedenen Zirkeln und Organisationen diskutiert. Sie erschloss sich ihr bestens bekannte Literatur neu, etwa Heinrich Heine und Franz Kafka, um eine Verbindung zu ihrem Verständnis vom Judentum zu finden. Dass sie später die Tagebücher des Letzteren als Lektorin im New Yorker Schocken Verlag herausgab, gehört zu den von Arendt bewusst hergestellten Zusammenhängen: Alle Arbeit war Arbeit an den Problemen der Zeit, die keine bloßen »intellektuellen«, sondern existenzielle waren.

In diesen Jahren lösten sich für Arendt die an den Universitäten oftmals streng bewachten Disziplinengrenzen auf. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie in ihrem New Yorker Umfeld mit Daniel Bell, Alfred Kazin oder Mary McCarthy und ihren Kontakten bei Zeitschriften wie Commentary, Menorah und Partisan Review Menschen kannte, die nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts keine Lust mehr verspürten, sich an Denkschablonen zu halten. Arendts Erkenntnisinteresse griff nach allem, was ihr half, die Zeit zu verstehen. Es ihre war nach 1945 stetig anwachsende und sich immer stärker in Texten artikulierende Überzeugung, dass die etablierten Formen der Geschichtsschreibung, die Autorität von Traditionen und deren stetes In-Erinnerung-Rufen, fundamentaler Revisionen bedurften.

Was genau sie darunter verstand, konnte man ab 1946 in der Zeitschrift Die Wandlung nachlesen, die von ihrem philosophischen Lehrer und Doktorvater Karl Jaspers zusammen mit dem Redakteur, früheren Heidelberger Kommilitonen und Freund Dolf Sternberger spätestens mit dem ersten, am 30. November 1945 erschienenen Heft maßgeblich geprägt wurde. Mit dem Jaspers gewidmeten Text »Organisierte Schuld«, der Studie »Über den Imperialismus« und schließlich »Franz Kafka, von neuem gewürdigt« war Arendt gleich dreimal im ersten Jahrgang 1945/46 der Zeitschrift vertreten. Nunmehr war Arendt mit dem Englischen und Deutschen auf neue Weise konfrontiert – alte und neue Sprache begannen gleichermaßen ihre Bedeutung zu verlieren, auch wenn Arendt lebenslang im Deutschen mehr riskierte, als sie sich im amerikanischen Englisch zutraute. Doch das war ein weitgehend technisches Phänomen. Weitaus wichtiger war, dass sich bei aller Ambivalenz gegenüber der Tatsache, wieder auf Deutsch in Deutschland zu veröffentlichen, so ein neuer Resonanzraum öffnete und eine andere Sicherheit im Schreiben. Daher verwundert es nicht, dass die Buchpläne immer konkreter wurden, Arendt sich nach Publikationsmöglichkeiten erkundigte und mit Exposés an Kollegen und Verlage wandte.

Gegenüber dem immer vertrauter werdenden Freund Karl Jaspers legte sie in einem umfangreichen Brief vom 4. September 1947 den Stand der Dinge folgendermaßen dar:

Und das bringt mich auf Ihre Frage, was ich schreibe: Ich habe keinen Titel, kann also nur andeuten: Der erste Teil, der fertig ist, schildert die politische und gesellschaftliche Geschichte der Juden seit der Mitte des 18. Jahrhunderts unter dem ausschließlichen Gesichtspunkt ihrer Eignung als Kristallisator für entscheidende politische Ideologien des 20. Jahrhunderts. Der zweite Teil, den ich gerade schreibe, analysiert den Zusammenhang zwischen Imperialismus (d. h. in meiner Terminologie die reine Expansionspolitik, die in den 80er-Jahren beginnt) und dem Verfall des Nationalstaates. Damit werde ich bis Ende des Jahres, wenn alles gut geht, fertig. Der dritte abschließende Teil soll den totalitären Staatsstrukturen gelten. Den muß ich ganz neu schreiben, weil mir dazu wesentliche Dinge, vor allem auch im Zusammenhang mit Rußland, erst jetzt aufgegangen sind.[7]

 

Damit war der Aufbau des Buches benannt: Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus. An der schon länger feststehenden Dreiteilung wird Arendt festhalten. Die Analyse des modernen Antisemitismus, die Gewaltgeschichte des Imperialismus, die eine solche der ständigen und sich steigernden Ausweitung ist, und schließlich die »neue Staatsform«, die die beiden Totalitarismen Nationalsozialismus und Kommunismus/Bolschewismus bildeten, sie zusammengenommen ergaben ein Ganzes. Deren Elemente und Ursprünge voneinander zu trennen und zugleich die Verbindungen kenntlich zu machen, das war die Aufgabe, der sich Arendt stellte.

Als es Ende März 1951 so weit war, umfasste das ihrem zweiten Ehemann Heinrich Blücher gewidmete Buch nach einem Motto von Karl Jaspers, einem Vorwort und Dankesworten, dreizehn umfangreiche Kapitel, eine ausführliche Bibliografie und ein Namens- und Sachregister.[8] Ohne Einleitung begann das Buch gleich mit dem »Antisemitism« –, gefolgt von dem »Imperialism«...

Erscheint lt. Verlag 2.11.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Antisemitismus • Banalität des Bösen • Buch • Bücher • Drittes Reich • Eichmann • Holocaust • Nationalsozialismus • Philosophie • Politik • Stalinismus • Totalitarismus
ISBN-10 3-492-60058-1 / 3492600581
ISBN-13 978-3-492-60058-3 / 9783492600583
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