Einführung in die Systemische Soziale Arbeit (eBook)

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2021 | 2. Auflage
231 Seiten
UTB (Verlag)
978-3-8463-5733-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Einführung in die Systemische Soziale Arbeit -  Wilfried Hosemann,  Wolfgang Geiling
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Systemisch? Na klar! In weiten Teilen der Sozialen Arbeit gilt es mittlerweile als Zeichen von Qualität, systemisch zu arbeiten, da die Systemische Soziale Arbeit viele Vorteile bieten kann. Die Systemische Soziale Arbeit verhilft mit ihrem ganz speziellen Ansatz zu mehr Klarheit bei komplexen Ausgangslagen und Zuständigkeiten. Sie ermöglicht mehr Sicherheit im Umgang mit vielfältigen Ansprüchen an die Soziale Arbeit. Dieses Buch führt in die Grundbegriffe systemischen Denkens und Handelns ein und verknüpft diese mit der Praxis der Sozialen Arbeit - die Systemische Soziale Arbeit und ihre Besonderheiten werden aufgezeigt. Fallbeispiele verdeutlichen die Systemische Soziale Arbeit und zeigen den Umgang mit verschiedenen Adressatengruppen, nicht nur mit Familie. Didaktisiert mit Schlüsselbegriffen, Fallbeispielen, Zusammenfassungen, Lernfragen und Infokästen!

Prof. Dr. Wilfried Hosemann (i. R.), Dipl.-Päd., Dipl.-Sozialarb. (FH), ist emeritiert und lehrte Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Hochschule Coburg. Er ist Mitherausgeber des Journals der DGSSA (Deutsche Gesellschaft für Systemische Soziale Arbeit).

Prof. Dr. Wilfried Hosemann (i. R.), Dipl.-Päd., Dipl.-Sozialarb. (FH), ist emeritiert und lehrte Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Hochschule Coburg. Er ist Mitherausgeber des Journals der DGSSA (Deutsche Gesellschaft für Systemische Soziale Arbeit).Prof. Dr. Wolfgang Geiling lehrt Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Theorien und Methoden, Innovative Konzepte an der FH Erfurt.

Vorwort 7
1 Einführung9
1.1 Systeme und Systemtheorie9
1.1.1 Die Vorzüge systemischen Denkens9
1.1.2 Die Besonderheiten systemischen Denkens10
1.1.3 System – eine Annäherung an den Begriff14
1.1.4 Systemtheorien – unterschiedliche Ansätze18
1.2 Merkmale Systemischer Sozialer Arbeit22
1.2.1 Inhalt Systemischer Sozialer Arbeit.22
1.2.2 Systemische Grundsätze des Vorgehens.27
1.2.3 Ökologische Herausforderungen und Systemische Ethik31
2 Verbindende Elemente systemischen Denkens und Sozialer Arbeit39
2.1 Beobachtung.39
2.2 Systeme, Kommunikationssysteme und Systemarten53
2.3 Systeme, Umwelt und Systembeziehungen65
2.4 Sinn und Kontext.80
2.5 Zeit 89
2.6 Kausalität – Ursache und Wirkung .101
2.7 Menschen, Individuen und Personen111
2.8 Inklusion / Exklusion: soziale Teilhabe119
3 Systemische Praxis132
3.1 Systemisches Methodenverständnis132
3.1.1 Grundlagen professionellen Handelns133
3.1.2 Soziale Arbeit als Kybernetik zweiter Ordnung137
3.1.3 Professionelle Grenzziehungen139
3.1.4 Abstraktionen und Unsicherheiten142
3.2 Systemische Handlungsorientierung144
3.2.1 Systemische Werkzeuge zur Aufgabengestaltung144
3.2.2 Helfer-, Klienten- und Helfer-Klienten-Systeme.158
3.2.3 Systemische Handlungsmuster.164
3.3 Praxisherausforderungen187
3.3.1 Gesellschaftliche Spaltungen187
3.3.2 Digitalisierung191
3.3.3 Hilfe, Kontrolle, Macht195
3.3.4 Komplexität und Ambivalenz 205
3.3.5 Zukunft: Entwicklung des Sozialen – soziale Gerechtigkeit211
Literatur 220
Sachregister 229

2Verbindende Elemente systemischen Denkens und Sozialer Arbeit

In den folgenden Abschnitten werden systemtheoretische Grundbegriffe und -konzepte als Verbindungslinien zwischen systemischem Denken und Sozialer Arbeit präsentiert. Die Begriffe werden als Brückenkonzepte aufgefasst, mit denen Ereignisse, Handlungen und Reflexionen in der Sozialen Arbeit interpretiert werden können. Zum Einstieg werden Fragestellungen skizziert. Im Anschluss an die Erläuterungen bestimmen wir den Bedeutungsgehalt für die Soziale Arbeit, indem Hinweise auf den Nutzen des jeweiligen Konzeptes geliefert werden. Unser Ziel ist es, Rahmen anzubieten, in denen Theorieangebote und Praxisanforderungen ertragreich miteinander in Bezug gesetzt werden können. Die Abschnitte enden mit einer Zusammenfassung und mit Anmerkungen zum Weiterdenken und Weiterlesen.

2.1Beobachtung

Wovon soll Soziale Arbeit ausgehen: Von den Lebenssituationen, den Nöten der Klienten? Von den Aussagen der Adressaten? Von den Erfahrungen, den Konzepten, den Theorien der Sozialen Arbeit? Von den eigenen Problemdefinitionen oder denen anderer? Was soll in der Interaktion von Sozialarbeitern als Gesprächsgrundlage dienen? Was soll als relevante Information anerkannt werden? Was sollen und was dürfen Organisationen beobachten? Wie beobachtet die Soziale Arbeit ihre gesellschaftliche Position? Die Fragen nach dem Ausgangspunkt und dem Gegenstand der Sozialen Arbeit sind eng mit den Fragen verbunden, wer Lebenssituationen wie wahrnimmt, interpretiert und welche Handlungsfolgen daraus abgeleitet werden.

Die Frage nach der Bedeutung des Beobachters ist noch grundlegender als jede Systemtheorie. Sie ist vorgelagert, weil in ihr die Fragen nach unseren Möglichkeiten des Erkennens unserer Umwelt und von uns selbst eingeschlossen sind. Innerhalb der Systemtheorie wird Beobachtung als Basisinstrument der Erschließung von Wirklichkeit verstanden (Willke 1996b). Beobachtung – im systemtheoretischen Verständnis – ist nicht auf Individuen oder Personen beschränkt. Sie wird abstrakter und umfassender verstanden und geht darüber hinaus.

Beobachtung durch Unterscheidungen

Der Begriff „der Beobachter“ stellt eine formale Definition dar und bezieht sich auf den Vollzug des Zusammenhangs von Unterscheiden und Bezeichnen.

Der Begriff des Beobachters wird auch für kommunikative Systeme (soziale Systeme wie Familien oder Organisationen) genutzt. Z. B. kann man sagen, dass Organisationen ihre Umwelt unter Zuhilfenahme von Unterscheidungen beobachten. Ein Jugendamt trifft Unterscheidungen zwischen Problem oder Nicht-Problem und Bedarf und Nicht–Bedarf und leitet daraufhin entsprechende Maßnahmen ein. An den Beobachtungsleistungen eines Jugendamtes können verschiedene Dimensionen verdeutlicht werden, die Einflüsse haben:

Begriffsdefinition Beobachter

die aktuelle Situation,

die Mitarbeiter,

die Sprache,

die Erfordernisse und die Tradition der Organisation,

die kulturellen Deutungsmuster,

die handlungsleitenden Konzepte,

die Beziehungen im Kollegenkreis oder

die Art der Dokumentationen in den Akten.

Die sehr allgemeine Form der Analyse, nachzufragen, wer wie unterscheidet und bezeichnet, erlaubt, Alternativen auf verschiedenen Ebenen zu entdecken und den Handlungsraum zu erweitern. Beobachtung ist dabei gekennzeichnet durch einen Selektionsprozess. So kann eine Organisation, wie ein Jugendamt, nie ‚die ganze Umwelt‘ beobachten, sondern immer nur einen Teil, der sich aus der Art der Unterscheidungspraxis ergibt. Die Folge ist ein Komplexitätsgefälle, d. h. die Komplexität der Umwelt ist stets höher, als die Komplexität im System.

Selektion der Beobachtung

Der professionell Handelnde steht vor der Herausforderung, Entscheidungen treffen zu müssen, ohne zu wissen, wie es ‚wirklich ist‘ bzw. ‚wirklich war‘. Selten ist er unmittelbarer Zeuge eines Geschehens, und häufig sind die Grundlagen seiner Handlungen Beobachtungen von Beobachtungen, z. B. wenn er sich Erzählungen von Klienten anhört. Der Schwerpunkt der folgenden Überlegungen liegt daher nicht auf der Seite des beobachteten Phänomens, beispielsweise der Schilderungen von Not, Versagen, Gewalt usw., sondern auf der Seite des Beobachters, der unauflöslich mit seinen Beobachtungen verbunden ist. Die vorausgehende Auswahl dessen, was beobachtet wird, führt zu dem Ausschnitt von Wirklichkeit, der wahrgenommen wird – so wie wir beim Sehen unseren Kopf wenden müssen, um einen anderen Blickwinkel zu bekommen. Der Beobachter lenkt seine Aufmerksamkeit: Und je nachdem, welche Anregung ihn bewegt, beeinflusst sie seine anschließenden Aufmerksamkeiten.

Unterschiede der Komplexität

Das Konzept Beobachter einzuführen, eröffnet Freiräume und verweist auf Verantwortlichkeiten. Maturana fasst Erkennen als Tun und fragt:

Beobachtertheorie und Verantwortlichkeiten

„Was muss ich tun, um behaupten zu können, dass etwas der Fall ist? Auf welches Kriterium stütze ich die Gültigkeit meiner These? Womit begründe ich, gerade diese Unterscheidung zu treffen?“ (Maturana 1994, 56)

Es macht einen Unterschied, welche Beobachtung von welchem Beobachter gemacht wird. Die jeweiligen Voraussetzungen, Folgerungen und Konsequenzen, die sich aus den Beobachtungen ergeben, sind verschieden. Man denke an die unterschiedlichen Auswirkungen die entstehen, wenn man in die Beobachtung geschlechtsspezifischer Unterschiede einbezieht oder wenn gewalttätiges Verhalten nicht auf Migration oder politische Orientierung zurückgeführt wird, sondern auf Schwierigkeiten männlicher Identitätsentwicklung. Entscheidend sind die Geschichte, die Voraussetzungen, die Form und die Struktur, mit denen ein Beobachter seine Beobachtung tätigt. In diesem Sinne sind Beobachtungen abhängig von dem Beobachter, der sie macht.

Es ist ein Beobachter, der eine Beobachtung macht. Daraus folgt: Beobachtungen sind beobachterabhängig. Eine Beobachtung ist die Realisation einer Unterscheidung und einer Bezeichnung.

Das klingt vielleicht sehr eigenartig oder nichtssagend, entpuppt sich aber als erkenntnistheoretische Grundlage besonderer Bedeutung, denn: Beobachter können nur das beobachten, was ihnen ihre interne Logik und Verarbeitungsstruktur erlauben. Die Art und Weise, mit denen ein Beobachter Wirklichkeiten wahrnimmt und ordnet, gibt Hinweise über die interne Struktur des Beobachters, d. h., wir erfahren bei dem, was ein Beobachter beschreibt, auch etwas Bedeutsames über den Beobachter.

Beobachtung und Logik

Damit etwas beobachtet werden kann, muss es sich abheben, unterscheidbar sein, und muss bezeichnet werden, während die jeweils andere Seite unbezeichnet bleibt. Im Sinne von Spencer-Brown (1969) wird damit die Handhabung einer Unterscheidung zur Bezeichnung der einen und nicht der anderen Seite verstanden.

blinder Fleck

Im Vollzug der Beobachtung ist die Unterscheidung für den, der sie trifft, selbst nicht zu beobachten: Es entsteht immer ein ‚blinder Fleck‘ (Foerster 1993b). Diese blinden Flecke stellen einen fortlaufenden, unvermeidlichen Bereich dessen dar, das im Verborgenen bleibt und zugleich wirkmächtig ist. So kann ein Mensch z. B. als ‚Mann‘, ‚alter Mensch‘ oder als ‚Deutscher‘ betrachtet werden. Die dahinter liegenden sozialen Unterscheidungen wären ‚Mann / Frau‘ (Geschlecht), ‚alter Mensch/junger Mensch‘ (Alter), Deutscher / Nicht-Deutscher‘ (Nationalität). Die systemtheoretische Fassung der Unterscheidung ist formaler: Baum / Nicht-Baum. Dies mag beim Beispiel Baum komisch sein, hilft aber, zunächst nur eine Differenz zu markieren und nicht auf die Suche nach eingeführten Gegenbegriffen gehen zu müssen.

Um die Form der Unterscheidung beobachten zu können, ist ein weiterer Akt der Reflexion erforderlich. Erst dann kann diese Zwei-Seiten-Form beobachtet werden.

Willke (1996b) hat Dimensionen des Beobachtens zu zentralen Merkpunkten zusammengefasst, die im Folgenden genauer erläutert werden.

Die Logik der Beobachtung

Die Art und Weise, wie beobachtet wird, ist in der Logik des beobachtenden Systems (des Beobachters) und seiner Struktur verankert. Es gilt die aktualisierte Unterscheidungspraxis. Das heißt, der Beobachter legt über die Form, wie er...

Erscheint lt. Verlag 6.9.2021
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
Schlagworte Digitalisierung • Exklusion • Gesellschaftliche Spaltung • Grundbegriffe • Grundbegriffe Systemtheorie • Inklusion • Lehrbuch • Merkmale systemischer Sozialen Arbeit • Methoden der Sozialen Arbeit • Niklas Luhmann • Soziale Arbeit • Soziale Arbeit studieren • Soziale Gerechtigkeit • Soziale Teilhabe • Sozialpädagogik • Studium Soziale Arbeit • Systemische Ethik • Systemische Methode • systemische Praxis • Systemischer Ansatz • Systemisches Denken • Systemische Soziale Arbeit • Systemische Werkzeuge • Systemtheorie • Systemtheorie in der Sozialen Arbeit
ISBN-10 3-8463-5733-2 / 3846357332
ISBN-13 978-3-8463-5733-0 / 9783846357330
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