Lernverlaufsdiagnostik im förderorientierten Unterricht (eBook)

Testkonstruktionen, Instrumente, Praxis
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
143 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61528-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lernverlaufsdiagnostik im förderorientierten Unterricht -  Markus Gebhardt,  Jana Jungjohann,  Michael Schurig
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Wie lässt sich der Lernprozess von SchülerInnen messen? Dieser für die Schule zentralen Frage geht dieses Praxis- und Lehrbuch nach, indem das Konzept der Lernverlaufsdiagnostik (LVD) erörtert wird. Im Gegensatz zur Feststelldiagnostik ist die LVD ein förderdiagnostisches Instrument und kann mittels wiederholter Messungen die Wirksamkeit pädagogischer Interventionen abbilden. Dieses Buch beschreibt, warum diese Form der Diagnostik benötigt wird und stellt verschiedene Anwendungsformen gezielt vor. Es werden psychometrische und testtheoretische Grundlagen dargelegt sowie konkrete Tests für die Lernbereiche Lesen, Rechtschreiben und Mathematik beschrieben.

Dr. Markus Gebhardt ist Professor für Lernbehindertenpädagogik und inklusive Pädagogik an der Universität Regensburg. Dr. Jana Jungjohann, Sonderpädagogin und wissenschaftl. Mitarbeiterin an der Universität Regensburg, entwickelt Tests und Fördermaterialien zur Lernverlaufsdiagnostik.Dr. Michael Schurig ist Vertretungsprofessor für inklusive Bildungsprozesse an der TU Dortmund.

Dr. Markus Gebhardt ist Professor für Lernbehindertenpädagogik und inklusive Pädagogik an der Universität Regensburg. Dr. Jana Jungjohann, Sonderpädagogin und wissenschaftl. Mitarbeiterin an der Universität Regensburg, entwickelt Tests und Fördermaterialien zur Lernverlaufsdiagnostik.Dr. Michael Schurig ist Vertretungsprofessor für inklusive Bildungsprozesse an der TU Dortmund.

2Lernen in der inklusiven Schule

Die inklusive Schule ist eine Schule für alle Kinder und Jugendlichen. Eine inklusive Schule findet Lösungen, um den verschiedenen Bedürfnissen und Lernausgangslagen aller SchülerInnen gerecht zu werden. Ziel ist es, den Zugang zum Lerninhalt zu ermöglichen, Lernentwicklung und Lernfortschritte sicherzustellen sowie soziale Teilhabe und Partizipation für alle SchülerInnen zu gewährleisten. Diese Bedingungen für eine inklusive Schule zu erreichen stellt insbesondere bei SchülerInnen mit erhöhtem Förderbedarf oder sonderpädagogischem Unterstützungsbedarfen (SPU) eine Herausforderung dar. Um sie gut zu bewältigen, müssen förderorientiertes Handeln sowie individuelle Bewertungsmaßstäbe in den inklusiven Grund- und Sekundarschulen im Vordergrund stehen. Ebenso bedarf es eines flexiblen Unterstützungssystems innerhalb und außerhalb der Schule, um sonderpädagogische, sozialpädagogische und psychologische Expertisen in die Förderung miteinzubeziehen (Heimlich et al. 2018).

International und national besteht in der Forschung der Konsens, dass inklusiver Unterricht ein erfolgreiches Lernen für Kinder und Jugendliche mit und ohne sonderpädagogische Unterstützungsbedarf (SPU) ermöglicht (Gebhardt 2015). SchülerInnen mit SPU erreichen in inklusiven Settings höhere schulische Kompetenzen als in Förderschulklassen (Lindsay 2007). Gleichzeitig zeigen SchülerInnen ohne Unterstützungsbedarf keine schlechteren Kompetenzen im gemeinsamen Unterricht (Gebhardt 2015). Die Forschungsergebnisse deuten nicht auf einen besonderen Einfluss der Lehrkräfte durch beispielsweise eine andere Didaktik oder ein anderes Unterrichten zwischen Förderschule und inklusiver Schule hin. Sie sind eher dahingehend zu interpretieren, dass die inklusive Schule einen positiven Einfluss durch das Umfeld und die MitschülerInnen (Peergroup) auf das schulische Lernen und den Lernerfolg hat. Diesen positiven Einfluss kann und soll die LVD als Rückmeldung für gelungenen Unterricht und Lernfortschritte noch bestärken.

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Die inklusive Schule benötigt förderorientiertes Handeln und individuelle Bewertungsmaßstäbe sowie ein flexibles Unterstützungssystem, um den Zugang zu Lerninhalten, Teilhaben und Partizipation für alle SchülerInnen mit und ohne SPU zu gewährleisten.

2.1Sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf

Der Begriff sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf wird nach der Empfehlung der Kultusministerkonferenz (KMK 2019) hier verwendet. Der Begriff Unterstützungsbedarf ist dem Begriff Förderbedarf gleichgesetzt, welcher aktuell noch in vielen Ländern und Gesetzen verwendet wird. Der SPU ist eine Kategorisierung des Schulsystems, um Ressourcen, besondere Schulen, besondere Lehrkräfte sowie erweiterte Stundensätze für einzelne SchülerInnen zu ermöglichen und zu rechtfertigen. Ohne einen zugeschriebenen SPU könnten die SchülerInnen ansonsten nicht im allgemeinen Schulsystem aufgenommen oder gefördert werden. Der SPU ist ein schulspezifisches systemisches Konstrukt, um einem einzelnen Kind Hilfe und weitere Unterstützung zu ermöglichen. Die Begrifflichkeiten haben sich über die Jahre verändert. Der Begriff Förderbedarf wurde von der Empfehlung der KMK (1994) geprägt und ist aktuell in den meisten Gesetzen sowie in der Praxis weit vertreten. In der aktuelleren Empfehlung der KMK zum sonderpädagogischen Schwerpunkt Lernen (KMK 2019) wird vom SPU gesprochen, um die systemische Sicht, den Einfluss des Umfelds und der Lernsituation zu betonen.

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Der neue Begriff sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf nach der Empfehlung der Kultusministerkonferenz (KMK 2019) betont die systemische Sicht, den Einfluss des Umfelds und der Lernsituationen der einzelnen SchülerInnen.

Ein Kind erhält eine sonderpädagogische Unterstützung, wenn es mittels einer Feststelldiagnostik (KMK 2019) von einer sonderpädagogischen Lehrkraft begutachtet wurde. Daran gekoppelt ist die Erstellung eines sonderpädagogischen Gutachtens mit Hinweisen zu Umfang und Art des Unterstützungsbedarfs sowie möglicher Unterstützung. Die Feststellung des Unterstützungsbedarfs erfolgt dann gemeinsam mit den Eltern. Die Verfahren zur Verteilung von Lehrerstunden und Ressourcen sind zwar zwischen den Ländern ähnlich, im Detail unterscheiden diese Verfahren sich aber zwischen den Bundesländern (Sälzer et al. 2015), in Österreich (Buchner / Gebhardt 2011) und der Schweiz (Mejeh / Powell 2018).

Die Vergaben des SPU werden über das Schulamt von allen Beteiligten auf Grundlage einer Diagnostik gemeinsam entschieden und ausgehandelt. Die Entscheidung fällt im Einzelfall, bei dem auf der einen Seite die Bedürfnisse des Kindes und auf der anderen Seite die Unterstützungsmöglichkeiten der Schule in Betracht kommen. Während es in der Vergangenheit nur die Wahlmöglichkeit zwischen Förderschule und allgemeinbildender Schule gab, besteht die Hoffnung, dass zukünftig mehrere Unterstützungssysteme und Möglichkeiten in der inklusiven Schule für besondere pädagogische Bedarfe berücksichtigt werden.

Die Vergabeverfahren für den SPU sind aktuell langwierig und verwaltungstechnisch aufwändig. Ziel des Verfahrens ist es, eine gewisse Rechtssicherheit zu haben, um rechtlich die Förderung oder den gewählten Schulort bei einer Klage abzusichern. Aus pädagogischer Sicht ist es fraglich, ob in der schulischen Inklusion immer ein so aufwendiges Verfahren gerechtfertigt ist (Meijer 1999). Bis eine Förderung mit den SchülerInnen stattfindet, kann es mehrere Monate dauern und es ist ebenso fraglich, ob alle Diagnostik- und Gutachtenprozesse für die Förderung notwendig sind. Weiterhin wird kritisiert, dass durch die Etikettierung eines SPU ein Stigma entsteht und nachteilige Konsequenzen für das Kind und das Umfeld entstehen (Hinz 2002).

Ein weiteres Problem der traditionellen Feststellung eines SPU ist, dass der Anteil der diagnostizierten SchülerInnen mit SPU im inklusiven Schulsystem immer höher ansteigt. Obwohl in der sonderpädagogischen Diagnostik lange Zeit ein eher medizinisch-kindorientierter Blick vertreten wurde, zeigen Untersuchungen den Einfluss von sozialen, umweltspezifischen und systembedingten Faktoren auf die Feststellung des SPU (Palfrey et al. 1987). Dies ist ein weltweites Problem, welches insbesondere in den Förderschwerpunkten Lernen sowie soziale und emotionale Entwicklung in den USA zu beobachten ist (Vaughn et al. 2003). Ein historischer Blick zeigt auch für Deutschland, dass die Quote des sonderpädagogischen Förderbedarfs sich von 1,6 % 1955 auf 4 % 1976, 5,8 % 2007 und im Jahr 2018 bei 7 % aller SchülerInnen mit SPU befindet (Dietze 2019). In Österreich und in der Schweiz zeigt sich ein vergleichbares Bild wie in Deutschland. Die Quote des sonderpädagogischen Förderbedarfs ist daher auch eine politische Festsetzung, und es stellt sich die Frage, ob eine andere Form der Finanzierung und Vergabe von Ressourcen (Stunden des Personals, Lernmaterial, assistive Technologien usw.) nicht schneller, präventiver und auch zielgerechter erfolgen kann handeln kann (Preuss-Lausitz 2016).

2.2Risiko für schulische Lernschwierigkeiten

Ziel jeder Schule ist die Förderung und Ausbildung aller Kinder und Jugendlichen in den schulischen Kompetenzen, um ihnen zu beruflichem und gesellschaftlichem Erfolg zu verhelfen. Obwohl dieses Ziel seit langem besteht, gelingt dies nicht bei allen SchülerInnen. Der Anteil von SchülerInnen mit ungenügenden Basiskompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik liegt je nach Land und Studie zwischen 15 bis 20 % der Kinder und Jugendlichen (Hußmann et al. 2017). In der internationalen Forschung werden diese SchülerInnen als „struggling students“ oder als „at-risk students“ (Björn et al. 2016) und im deutschsprachigen Kontext als RisikoschülerInnen beschrieben. RisikoschülerInnen fällt das schulische Lernen nicht leicht. Von der Schule werden sie mit Leistungsanforderungen konfrontiert, welche sie aus einer Vielzahl von Gründen, wie mangelndem Vorwissen oder fehlender Unterstützung im Umfeld, nicht bewältigen können. Eine mögliche Folge einer unzureichenden präventiven Förderung ist somit, dass abgewartet wird, bis sich die Lernschwierigkeiten manifestieren und die Zuschreibung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs unumgänglich wird. Huber und Grosche (2012) bezeichnen dieses Grundmuster in Anlehnung an Vaughn et al. (2003) als Wait-to-Fail-Problematik: Erst wenn ein Risikokind ein messbares Defizit zu den MitschülerInnen oder zu einer generellen Entwicklung hat, erfolgt eine Diagnostik im Sinne des SPU.

BEISPIEL

Fallbeispiel: Sprachentwicklungsstörungen als Risiko für das Lesenlernen

SchülerInnen mit entwicklungsbedingten oder erworbenen Sprachentwicklungsstörungen können in ihren lautsprachlichen, grammatischen oder semantisch-lexikalischen Fähigkeiten beeinträchtigt sein (KMK 1998). Von einer Sprachentwicklungsstörung wird ausgegangen, wenn sich Kinder innerhalb der ersten fünf Lebensjahre das sprachliche System nicht erwartungsgemäß angeeignet haben (Kannengieser 2019). Manche Kinder haben Schwierigkeiten, einzelne Laute oder ganze Wörter korrekt zu verbalisieren, anderen gelingt die Speicherung sowie der Abruf von Wortbedeutungen nicht konsequent, und wieder anderen Kindern fällt die korrekte Bildung von Wörtern und Sätzen schwer. Das Schriftsprachsystem einer Sprache baut auf dem deutlich älteren...

Erscheint lt. Verlag 6.9.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sonder-, Heil- und Förderpädagogik
Schlagworte alternative Leistungsbeurteilung • Anwendungsbereich • BEWERTUNG VON LEISTUNGEN • CBM • CURRICULUM-BASED-MEASURMENT • data-based decision • Definition • Diagnostik • DIAGNOSTIKKOMPETENZ • FESTSTELLDIAGNOSTIK • FÖRDERORIENTIERTER UNTERRICHT • Förderung • formative Diagnostik • Formatives Assessment • Grundlagen • Grundschule • individuelle Bezugsnorm • Lehrer • Lehrerinnen • Lehrerrückmeldung • Lernbereiche • Lernen • Lernprozess • Lernverlauf • Lernverlaufsdiagnostik • Lesen • LVD • Mathe • Mathematik • Pädagogische Intervention • Praxis • PROGESS MONITORING • psychometrisch • Rechtschreibung • Schule • Schulpsychologie • Sonderpädagogik • Test
ISBN-10 3-497-61528-5 / 3497615285
ISBN-13 978-3-497-61528-5 / 9783497615285
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