Final Call (eBook)

Wie Europa sich zwischen China und den USA behaupten kann
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
216 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-44892-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Final Call -  Daniela Schwarzer
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Europa steht vor einem Make-it-or-Break-it-Moment. Nie waren die inneren Fliehkräfte so stark, nie der äußere Druck auf die Europäische Union und ihre Mitglieder so groß. Wir stecken in einem Systemkonflikt mit autoritären Regimen wie China und Russland. Die renommierte Europaexpertin und Politikberaterin Daniela Schwarzer analysiert so nüchtern wie überzeugend: Der Zusammenhalt und die Handlungsfähigkeit müssen intern gestärkt werden, und nach außen muss Europa nach einer Klärung seiner Interessen viel strategischer auftreten. Denn unsere Herausforderer schlafen nicht. Daniela Schwarzer spricht aus, was Politiker in dieser Klarheit selten sagen: Noch haben wir die Chance, unsere Zukunft mitzugestalten. Aber nicht mehr lange. Gruppen von Staaten sollten gemeinsam voran gehen, statt ihre Energie in der Auseinandersetzung mit Störenfrieden zu verschwenden. »Ein starkes Plädoyer für eine neue europäische Außenpolitik.« Norbert Röttgen »Das Gegenteil der üblichen politischen Froschperspektive, die vor allem in Wahlkampfzeiten eingenommen wird.« Sigmar Gabriel »Daniela Schwarzer skizziert scharfsinnig die sich verändernde Welt, in der wir leben.« Josep Borrell »Bezwingende Ideen für die Zukunft unseres Kontinents im Systemwettbewerb mit China.« Constanze Stelzenmüller »Das sprichwörtlich richtige Buch zum richtigen Zeitpunkt.« Klaus-Dieter Frankenberger

Dr. Daniela Schwarzer leitet seit Mai 2021 die Open Society Foundations in Europa und Eurasien, die weltweit größte Gruppe von Stiftungen, die sich für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und offene Gesellschaften einsetzt. Sie ist zudem im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), die sie von 2016 bis 2021 als Direktorin neu aufstellte. Seit 2020 ist sie Sonderberaterin des Außenbeauftragten der Europäischen Union, Josep Borrell. Die gefragte Wissenschaftlerin, Rednerin und Kommentatorin berät regelmäßig deutsche und europäische Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft.

Dr. Daniela Schwarzer leitet seit Mai 2021 die Open Society Foundations in Europa und Eurasien, die weltweit größte Gruppe von Stiftungen, die sich für Rechtstaatlichkeit, Demokratie und offene Gesellschaften einsetzt. Sie ist zudem im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), die sie von 2016 bis 2021 als Direktorin neu aufstellte. Seit 2020 ist sie Sonderberaterin des Außenbeauftragten der Europäischen Union, Josep Borrell. Die gefragte Wissenschaftlerin, Rednerin und Kommentatorin berät regelmäßig deutsche und europäische Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft.

Die Weltordnung im Umbruch


Amerika ist zurück! So lauteten weltweit die Schlagzeilen, nachdem US-Präsident Joe Biden am 19. Februar 2021 als virtueller Gast bei der Münchner Sicherheitskonferenz einen Neubeginn der transatlantischen Beziehungen beschworen hatte. »Wir schauen nicht nach hinten«, zog er rhetorisch einen Schlussstrich unter die Präsidentschaft seines Amtsvorgängers. Doch dann knüpfte er in einem zentralen Punkt an Donald Trump an: die Bedeutung, die er der Großmachtrivalität mit China einräumt, und die Erwartungen, die er dabei an Europa formuliert. »Wir müssen uns gemeinsam auf die langfristige strategische Konkurrenz mit China einstellen«, schwor Biden seine Zuhörer ein. »Und der Wettbewerb mit China wird hart.«

Der Machtkampf zwischen der aufsteigenden autoritären Großmacht China und der herausgeforderten Demokratie USA strukturiert heute maßgeblich die internationalen Beziehungen. Seit mehr als drei Jahrzehnten verlagert sich wirtschaftliches, militärisches und demografisches Gewicht vom Westen nach Asien. Neu ist allerdings, dass der Konflikt zwischen China und den USA zu einem harten systemischen Wettbewerb geworden ist. China ist zur Digital-Autokratie geworden, die weltweit ihren Einfluss ausdehnt. Washington will verhindern, dass China weltweit Vorherrschaft erlangt und Demokratie und Menschenrechte und die regelbasierte internationale Ordnung untergräbt. Und dabei will Joe Biden Europa an seiner Seite haben.

Bei der Auseinandersetzung zwischen China und den USA geht es um die Zukunft der internationalen Ordnung, die unter amerikanischer Vorherrschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgebaut wurde und die Werte wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Individualismus und Toleranz schützen und den Rahmen für eine wirtschaftliche Öffnung setzen soll. Heute ist die Frage, ob dieses umstrittene System so weiterentwickelt werden kann, dass es Bestand hat. Ob darauf aufbauend Wege gefunden werden, um drängende transnationale Probleme wie den Klimawandel, Pandemien und andere grenzüberschreitenden Risiken einzudämmen beziehungsweise mit ihren Folgen umzugehen. Es geht um die Frage, ob die digitale Revolution, die sich noch beschleunigen wird, kompatibel mit unserem demokratischen Modell gestaltet wird. Und es geht darum, ob autoritäre Staaten wie China, Russland, Türkei oder Iran ihren Einfluss immer weiter ausdehnen und andere Staaten – bis in direkter Nachbarschaft der EU – unter ihre Kontrolle bringen.

Gewichtsverschiebung Richtung Asien


Seit den 1990er Jahren verschieben sich die Gewichte vom geografischen Westen in Richtung Asien. Die Covid-19-Krise hat die Aufholjagd Chinas beschleunigt, denn dort wurde die Pandemie vergleichsweise schnell eingedämmt. Seit Jahrzehnten sinkt der Anteil der 27 EU-Staaten und der USA an der weltweiten Wirtschaftskraft Jahr für Jahr. 1970 lag er nach Angaben der Weltbank noch bei über 60 Prozent, 2021 bei nur noch gut 40 Prozent. Je länger Europa braucht, um sich von der Pandemie wieder zu erholen, desto stärker wird die wirtschaftliche Entwicklung auseinanderfallen. Eine weiterhin schleppende Wirtschaft hat Auswirkungen auf die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen, wenn diese weniger in Forschung und Entwicklung investieren können. Es könnte weniger Unternehmensneugründungen geben und erfolgreiche Start-ups könnten abwandern – in dynamischere Märkte mit einer interessanteren Risikokapitalszene, wie die USA sie haben. Insofern könnte die Covid-19-Krise dazu beitragen, dass Europas wirtschaftliche Machtbasis noch schneller erodiert.

Innovationskraft und technologischer Vorsprung sind nicht nur die Grundlage für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch für sicherheits- und verteidigungspolitische Stärke. Längst ist ein Wettlauf um die Kontrolle neuer Schlüsseltechnologien im zivilen wie im militärischen Bereich in vollem Gange, etwa bei Künstlicher Intelligenz, Cloud Computing, Quanteninternet und 5G. Ähnliches gilt im Energiesektor: Bei den immer wichtiger werdenden kohlenstoffarmen Technologien hat Chinas Streben nach Marktführerschaft, etwa bei der Batteriezellenherstellung oder intelligenten Stromnetzen, neben der wirtschaftlichen eine eminent politische Komponente. Investitionen in Energieinfrastruktur sind eines der Mittel, mit denen China seine Macht immer weiter ausdehnt. Denn mit der Bereitstellung kritischer Infrastruktur wächst das politische Einflusspotenzial, da Peking mit Versorgungsunterbrechung drohen oder je nach Vertragslage auch über den Preis Druck auf die betroffenen Staaten aufbauen kann.

Chinas militärische Aufholjagd lässt sich bislang nur ansatzweise durchschauen. Die deklarierten Militärausgaben sind nach denen der USA die zweithöchsten der Welt. In den vergangenen zehn Jahren sind sie immer stärker gewachsen als das chinesische Bruttoinlandsprodukt. 2020 lag der Militäretat nach Schätzung des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI vom April 2021 bei 252 Milliarden US-Dollar. Anders als in westlichen Ländern ist allerdings nicht annähernd transparent, wie viel Geld Peking tatsächlich in die Verteidigung steckt. Welchem Zweck technologie- und wirtschaftspolitische Maßnahmen im Zusammenspiel mit der Verteidigungs- und Rüstungspolitik genau dienen, ist aufgrund einer langfristig angelegten Strategie, die in Teilen zu einer Verschmelzung des militärischen und des zivilen Bereichs führen wird, schwer auszumachen. Es ist aber davon auszugehen, dass wesentlich mehr Geld in das Militär fließt als in den offiziellen Zahlen angegeben, um das chinesische Militär, vor allem die Marine, rasch zu modernisieren. China ist längst auf dem Weg zu einer Hightech-Seemacht.

Auch in demografischer Hinsicht verliert die transatlantische Gemeinschaft im weltweiten Vergleich an Gewicht. Das ist aus europäischer Perspektive besonders problematisch, denn im globalen Wettbewerb ist heute eine der wichtigsten Stärken der EU ihr großer geeinter Markt. Dessen 450 Millionen Konsumenten sind zahlenmäßig deutlich mehr als die 328 Millionen Amerikaner, und sie sind finanzstärker als die chinesischen Konsumenten. Deren Pro-Kopf-Einkommen ist im Schnitt so gering, dass China immer noch als Entwicklungsland gilt, obwohl es in vielen Zukunftstechnologien längst zur Weltspitze gehört. Schrumpft der europäische Markt, weil es immer weniger Konsumenten gibt oder deren Kaufkraft sinkt, verliert die EU etwa in der Handelspolitik oder bei der Standardsetzung und Regulierung an Verhandlungskraft, um ihre wirtschaftlichen Interessen und Prinzipien wie Verbraucher- und Umweltschutz durchzusetzen. Zwar wurde das chinesische Bevölkerungswachstum durch die Ein-Kind-Politik phasenweise gebremst und die Bevölkerung altert schnell – ein Problem, das insbesondere die USA nicht in dem Maße haben. Doch entfallen auf Europa und die USA gemeinsam heute nur noch ein Zehntel der Weltbevölkerung, auch weil Indien, andere asiatische Staaten und Afrika ein enormes Bevölkerungswachstum verzeichnen. 1970 waren es immerhin noch 16 Prozent, während die militärische und die wirtschaftliche Stärke im Vergleich zum Bevölkerungsanteil weit überproportional entwickelt waren. Heute ist klar, dass Europa und die USA in allen Bereichen im weltweiten Vergleich anteilsmäßig an Gewicht verlieren.

Globale Risiken und neue Bedrohungen


Nicht nur der relative Gewichtsverlust der EU in wirtschaftlicher, verteidigungspolitischer und demografischer Hinsicht verändert Schritt für Schritt die Art, wie die Europäer internationale Chancen und Bedrohungen wahrnehmen. Neue Sicherheitsrisiken und die Instabilitäten in Europas Nachbarschaft geben Grund genug, sich ernsthaft mit der eigenen Sicherheitslage zu befassen.

Doch immer wieder überrascht, dass die europäische Bevölkerung vergleichsweise wenig besorgt ist. Die europäische Einigung ist ein Friedensprojekt – ein seit über sechs Jahrzehnten erfolgreiches. Die Abwesenheit von Krieg in den Grenzen der EU und das trotz diverser Wirtschaftskrisen vergleichsweise stabile Wohlstandsniveau haben dazu geführt, dass die Europäer sich sicher fühlen. Das ist ein großer Erfolg der Integration. In einigen Staaten, und dazu gehört Deutschland, ist das Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung allerdings so groß, dass neue Bedrohungen kaum noch realistisch wahrgenommen werden. Sicherheits- und Verteidigungspolitiker machen sich daher Gedanken, wie...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2021
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Autokraten • Digitalisierung • EU-Mitgliedschaft • EU-Mitgliedsstaaten • Europapolitik • Geostrategie • Klimawandel • Militärische Stärke • Militärmacht • Mitgliedsstaaten • NATO • Neue Weltordnung • Populismus • Putin • Putin-Krieg • Rechtsstaatlichkeit • Russland • Souveränität • systemkonflikt • Ukraine • Ukraine-Konflikt • UN-Sicherheitsrat • Weltpolitik • Zeitenwende
ISBN-10 3-593-44892-0 / 3593448920
ISBN-13 978-3-593-44892-3 / 9783593448923
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