Que(e)rverbindungen -  Juliane Beer

Que(e)rverbindungen (eBook)

Die neue Sehnsucht nach Gefügigkeit

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
248 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-8707-8 (ISBN)
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Die queerfeministische Bewegung polarisiert. Menschen unterschiedlicher Herkunft und Haltung werden gegeneinander in Stellung gebracht. Wo die Punk-Bewegung sich gegen das Spießertum stellte, wo die erste und zweite Welle der Frauenbewegung gegen jede Autorität, Unterdrückung und Herrschaft kämpfte, richtet sich die queerfeministische Bewegung gegen Aufklärung und universelle Menschenrechte. Bewusst?

Juliane Beer, geb. 1964 in Bonn. Kindheit und Jugend in Deutschland und England. Autorin (Belletristik), Wirtschaftsübersetzerin. Hat die 2. Welle der Frauenbewegung in London und Berlin erlebt.

Frauenkämpfe


Bevor es weitergeht, eine kurze Exkursion.

Das haben Frauen sich in den letzten Jahrhunderten erkämpft:

Frauenwahlrecht

Was vielen jungen Frauen heutzutage unvorstellbar erscheint, war einst Realität. Frauen durften nicht nur nicht wählen, sondern hatten sich aus der Politik insgesamt herauszuhalten. Dass Frauen heutzutage fast überall wählen und aktiv in die Politik gehen können, hat uns die erste Welle der Frauenrechtsbewegung erkämpft.

Den Beginn des Wahlrechts für Frauen machten die Cookinseln 1893. Zuletzt wurde in Bahrein, und zwar 2002, das Frauenwahlrecht eingeführt. Lediglich im Vatikan und in Brunei dürfen Frauen bis heute nicht wählen, in Brunei allerdings auch Männer nicht.

In Deutschland wählten Frauen erstmals bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919.

Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dass das Ziel schneller erreicht worden wäre, wenn sich um 1900 Männer, die sich als Frauen fühlen, geoutet und sich deshalb u. a. das Wählen versagt hätten, bis es „ihrem“ Geschlecht durch gemeinsamen Kampf gestattet worden wäre. Ich halte es allerdings für unwahrscheinlich, dass man freiwillig Rechte abgibt, zu dieser Zeit übrigens nicht nur das Recht zu wählen. Im Gegensatz zu damals lohnt sich die Frau-Fühlerei heutzutage nämlich. Auch wenn Frauen in einigen Bereichen noch das Nachsehen haben, gibt es immer mehr öffentlichen Quoten-Platz in Politik wie im Berufsleben, und der wird mehr und mehr mit doppelt oder gern dreifach Diskriminierten besetzt.

So hat beispielsweise ein dunkelhäutiger Mann, der sich als Frau fühlt und aufgrund von zu viel Make-up und Tamtam den Unmut „intoleranter“ ZeitgenossInnen erregt, einer hellhäutigen Frau gegenüber zwei Asse im Ärmel: Er muss Spott ob seiner Maskerade erdulden, er ist dunkelhäutig und laut intersektionaler Lehre dadurch im Hintertreffen. Also der perfekte Kandidat für eine Quotenstelle. Warum Intersektionalistinnen dunkelhäutige Menschen so gering schätzen, dass sie sie automatisch, und zwar erklärt wegen der Hautfarbe, zu armseligen Opfern degradieren, ist bislang noch nicht geklärt.

Doch zum nächsten von Frauen erkämpften Recht: das Recht auf Schwangerschaftsabbruch

Hier gibt es keine einheitlichen Regelungen weltweit, selbst in den jeweiligen Staaten werden bereits verabschiedete Gesetze nicht selten nach Regierungswechsel hin zu konservativ oder rechts zurückgenommen oder geändert. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, also das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, ist international ein permanenter Kampf der Frauenrechtsbewegung, in nicht wenigen Ländern ist bereits dieser mit Strafe oder Repression verbunden. Dass Männer, die laut Judith Butler nicht zwingend Männer sein müssen, eben diese Strafe und Repression für ein Recht auf körperliche Selbstbestimmung, von dem sie keinen Gebrauch machen können, selten auf sich nehmen würden, versteht sich vermutlich von selbst.

In Deutschland darf übrigens seit 1993 eine Schwangerschaft bis zur zwölften Woche abgebrochen werden. Ein Beratungsgespräch mit einem Facharzt mindestens drei Tage vorher ist Pflicht. Der beratende Arzt darf am Schwangerschaftsabbruch nicht beteiligt sein. Nach der 12. Woche darf die Schwangerschaft nur noch abgebrochen werden, wenn der Schwangeren Lebensgefahr oder schwerwiegende Gefahr einer Gesundheitsgefährdung droht.

Damit zum nächsten Frauen-Kampf: Vergewaltigung in der Ehe – Recht auf sexuelle Selbstbestimmung Der Zwang zu sexuellen Handlungen in der Ehe ist seit 1997 in Deutschland eine Straftat.

In zahllosen Ländern, besonders in religiös geprägten, kommt die Mehrheit der Frauen bis heute nicht einmal auf den Gedanken, dass sie das Recht hätte, Sex mit ihrem Ehemann abzulehnen, wenn sie keine Lust dazu habe. Dass der Ehemann bestraft wird, wenn er dennoch auf Sex besteht, ist für die meisten Frauen auf der Welt unvorstellbar.

Wie sieht es hier mit Judith Butlers Lehre vom biologischen Geschlecht, das es doch gar nicht gäbe, aus?

Der gewalttätige Ehemann könnte vor Gericht darauf pochen, gar kein Mann zu sein.

Somit hätten RichterInnen ab sofort auch darüber zu entscheiden, wie die Vergewaltigung einer Frau durch ihre Ehefrau(?) oder geschlechtsloses Ehe-X(?) zu ahnden wäre.

Um hier nicht in Ulkerei abzugleiten, denn dafür ist der Vormarsch der Queerfeministinnen zu ernst, erspare ich mir, diese Situation konsequent weiterzuspinnen, sondern komme zum nächsten Punkt.

Arbeit/Lohnarbeit und Frauenkampf Hier hat sich über die Jahrhunderte in mehrerer Hinsicht etwas getan.

Dass Frauen in Westdeutschland bis 1977 nur mit Erlaubnis ihres Ehemanns eine Lohnarbeit aufnehmen durften, wenn diese „ihren ehelichen und familiären Pflichten“ nicht im Wege stand, sprich, wenn sie nach Dienstschluss auch noch in der Lage waren, den Haushalt zu schmeißen und die Kinder zu versorgen und zu erziehen und sich danach für den Gatten ansprechend herzurichten, dürfte allgemein bekannt sein.

Was die Geschichte weiblicher Lohnarbeit angeht, hier ein kurzer Überblick:

Im Westeuropa des beginnenden 19. Jahrhunderts entstanden Lohnarbeitsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft.

Mädchen und Frauen, die aus bildungsfernen, weil armen Verhältnissen stammten und den Lebensunterhalt ihrer Familien mitverdienen mussten, gingen in Arzt-, Beamten-und Unternehmerhaushalten in den Dienst.

Dort kochten, putzten, bedienten, wuschen sie und versorgten die Kinder der ArbeitskraftnehmerInnen.

Frauen der höheren Stände lohnarbeiteten zu dieser Zeit in der Regel nicht. Ihre Aufgabe war es, die Dienstbotenschaft zu beaufsichtigen und Veranstaltungen zu Hause oder in der Gemeinde zu organisieren.

Wer bürgerlich geboren wurde, aber in einer Ehe nicht das passende Lebensmodell für sich sah, oder arm geboren wurde, aber nicht im Bürgerhaus in den Dienst gehen wollte, konnte sich um die Aufnahme in ein Kloster bewerben. Auch dort fielen Haus- und Gartenarbeit an, die zum größten Teil von den Nonnen und Novizinnen selbst erledigt wurde. Zudem erteilten Nonnen aus höheren Bildungsschichten Unterricht. Und beteten.

Ora et Labora lautete das Motto des Klosteralltags. Der Unfreiheit der bürgerlichen Frau oder der Schinderei der Frau aus armen Verhältnissen war auch im Kloster nicht zu entkommen.

Fabrik-Lohnarbeiterinnen

Mit Einzug der Industrialisierung in Westeuropa fanden arme Frauen auch Lohnarbeit in Fabriken. Höhere Bildungsabschlüsse waren für zahllose Frauen unerreichbar, weil Schulen Geld kosteten beziehungsweise Mädchen und Frauen als Arbeitskräfte gebraucht wurden. Zwar bestand ab 1919 mit der Weimarer Verfassung allgemeine Schulpflicht in Deutschland, doch strikte Kontrollen, wie heutzutage üblich, gab es nicht.

So ist es wenig verwunderlich, dass Frauen aus bildungsfernen Ständen mehr noch als bürgerliche Frauen den Besuch einer Schule oder Universität und eine anschließende Berufstätigkeit in einem Bereich, der intellektuelle Fähigkeiten erforderte, als Akt der Emanzipation ansahen, selbst dann noch, wenn sie dazu auch weiterhin für den Haushalt und die Kindererziehung zuständig waren.

Bis heute hat sich daran wenig geändert.

Eine gute Position in der Wissenschaft, im Lehrbetrieb oder im Arztkollegium einer Klinik gilt für viele Frauen weiterhin als ein Akt der Befreiung. Dass dabei noch immer Stress und Doppelbelastung durch Haushalt und Kindererziehung bewältigt werden müssen, scheint der nicht anzutastende Preis dafür zu sein, nicht nur zwischen anstrengender Lohnarbeit und stupider Hausarbeit wählen zu wollen.

Gleichwohl lohnarbeiten nach wie vor zahllose Frauen in Bereichen, die anstrengend, gesundheitsgefährdend, schmutzig sind.

Meistens, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt. Dass Männer, die sich als Frau fühlen, sich da doch lieber einen Quotenplatz in einem attraktiven Berufsbereich schnappen, darf man eventuell als männlichen Pragmatismus werten, von dem wir Frauen etwas lernen können. Stolz zu verzichten, weil man „keine Quotenfrau“ sein will, heißt nicht selten, ganz und gar zu verzichten. In der Erwerbslosigkeit inklusive aller Schikanen der Ämter hilft einer der Hochmut wenig.

Es gibt zahllose weitere Beispiele von Situationen, in denen Männern ihr Sich-als-Frau-Fühlen vermutlich hinten anstellen würden, weil das mehr Einschränkungen mit sich brächte, als die Füße in Übergröße-High Heels zu zwängen und damit durch die Gegend zu staksen.

Dennoch heißen Frauen aus dem Queerfeministen-Lager diese gefühlten Frauen willkommen, die nach und nach ihre Plätze einnehmen, sei es, dass sie auf Veranstaltungen wie Frauen-Tag-Demos vor die Kameras und Mikros treten, um für „alle Frauen“ zu sprechen, sei es, dass sie verlangen, das Sprechen über Frauen und das Sprechen über Gewalt gegen Frauen abzuschaffen, weil es sie diskriminiere, sei es, dass sie verlangen, die Bezeichnung...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7543-8707-3 / 3754387073
ISBN-13 978-3-7543-8707-8 / 9783754387078
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